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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des F I in B, geboren am 19. Dezember 1978, vertreten durch Dr. Christian Moser, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 24/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Oktober 1998, Zl. 201.016/0-IV/11/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer reiste am 1. Dezember 1997 nach Österreich ein. Er ist jugoslawischer Staatsangehöriger, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an.
Am 2. Dezember 1997 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Asyl; zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er im Wesentlichen an: Er werde von der Polizei gesucht, da er bei der Studentendemonstration vom 28. Oktober 1997 in Pristina "vorne dabei" gewesen sei. Er denke, dass er bei der Demonstration photographiert worden sei und die Polizei ihn mit Waffenbesitz in Verbindung bringe. Etwa eine Woche nach der Demonstration habe ihn die Polizei nämlich zu Hause gesucht. Glücklicherweise sei er zu diesem Zeitpunkt bei seiner Schwester gewesen. Die Polizei habe seinen Vater und seinen Bruder mit zur Polizeistation genommen und dort geschlagen. Er selbst sollte sich am nächsten Tag bei der Polizei melden. Dies habe er jedoch nicht getan, sondern sich zunächst einen Monat bei Verwandten in der Nähe aufgehalten.
Das Bundesasylamt schenkte den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen keinen Glauben und wies den Asylantrag des Beschwerdeführers als unbegründet ab. In der dagegen eingebrachten Berufung brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, aus zahlreichen gleich lautenden Berichten von internationalen Menschenrechtsorganisationen gehe hervor, dass Kosovo-Albaner auf Grund ihrer Herkunft ständig Gefahr liefen, Opfer von Übergriffen durch serbische Polizisten oder Armeeangehörige zu werden. Das Verwaltungsgericht Ansbach habe in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer unmittelbaren Gruppenverfolgung anerkannt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 1998 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie begründete ihren Bescheid ebenfalls mit der mangelnden Glauwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Es kann im gegenständlichen Fall dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen individuellen Fluchtgründen zu Recht keinen Glauben geschenkt hat. Die Angaben des Beschwerdeführers, aus einem Ort im Bezirk Suva Reka zu stammen, wurden von ihr nämlich nicht in Zweifel gezogen. Die belangte Behörde hätte daher auf die als notorisch anzusehende Eskalation der Situation im Kosovo ab 28. Februar 1998 eingehen müssen. Eine Verfolgungsgefahr kann nicht nur aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, sie kann vielmehr auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0370, mit weiteren Nachweisen). Bei einem ethnischen Albaner, der aus der oben genannten Region stammt, kann daher - anders als für den Zeitraum vor dem 28. Februar 1998 - nicht von vornherein gesagt werden, dass die bloße Zugehörigkeit zur albanischen Bevölkerungsgruppe nicht ausreicht, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen.
Da der Beschwerdeführer aus dem Bezirk Suva Reka stammt, gleicht der gegenständliche Beschwerdefall somit in allen wesentlichen Umständen jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, 98/01/0287, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen. Aus den dort angeführten Gründen war auch hier der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 19. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010089.X00Im RIS seit
20.11.2000