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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ro 2017/06/0026 B 30. Januar 2019Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die namens der Bürgerinitiative "m", vertreten durch Heinzle Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, erhobene Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 2015, W193 2012936-1/11E, betreffend Feststellung der Parteistellung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Vorarlberger Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. Land Vorarlberg, 2. Stadt Feldkirch, 3. V GmbH in B, alle vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Anträge der mitbeteiligten Parteien auf Zuerkennung von Aufwandersatz werden abgewiesen.
Begründung
1 Über Antrag des Landes Vorarlberg vom 4. Jänner 2010 stellte die Vorarlberger Landesregierung (in der Folge: Landesregierung) mit Bescheid vom 11. März 2010 fest, dass für das Vorhaben "Verkehrssystem F" der Tatbestand des Anhanges 1 Z 9 lit. h des Bundesgesetzes über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000) erfüllt werde und somit eine Umweltverträglichkeitsprüfung (in der Folge: UVP) im vereinfachten Verfahren durchzuführen sei.
2 Mit Schreiben vom 9. Juli 2013 stellten die mitbeteiligten Parteien den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 3 Abs. 3 und 17 sowie Anhang 1 Z 9 lit. h UVP-G 2000 für die Errichtung und den Betrieb des gegenständlichen Vorhabens.
3 Innerhalb der Auflagefrist für das Projekt reichte die Bürgerinitiative, in deren Namen die vorliegende Revision eingebracht wurde, eine Stellungnahme gemäß § 19 Abs. 4 iVm § 9 Abs. 5 UVP-G 2000 ein und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im UVP-Verfahren.
4 Unter Spruchpunkt I. des Bescheides vom 12. September 2014 stellte die Landesregierung die Parteistellung der einschreitenden Gruppierung fest.
5 Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Parteien vom 6. Oktober 2014 wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) Spruchpunkt I. des Bescheides der Landesregierung vom 12. September 2014 gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben.
6 Begründend führte das BVwG aus, dass § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 im Zusammenhang mit der Möglichkeit, eine Stellungnahme zu unterstützen und im Falle von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde zur Gemeinderatswahl wahlberechtigt gewesen seien, als Bürgerinitiative am weiteren Verfahren teilzunehmen, auf die österreichische Gemeindeverfassung Bezug nehme und daher die einschreitende Gruppe, deren Mitglieder in Liechtenstein wohnhaft seien, nicht wirksam als Bürgerinitiative im Sinne des § 19 UVP-G 2000 entstanden sei. Dies ergebe sich auch aus einem Gegenschluss aus jenen Regelungen für die Parteistellung von Nachbarn und Umweltorganisationen, für welche jeweils eine spezielle Bestimmung bezüglich ausländischer Personen oder Organisationen getroffen worden sei. Soweit sich die einschreitende Gruppierung auf die Konvention von Espoo, BGBl. III Nr. 201/1997, bzw. die Aarhus-Konvention stütze, komme diesen völkerrechtlichen Verträgen keine unmittelbare Anwendbarkeit in der österreichischen Rechtsordnung zu. Es sei daher für die Parteistellung der revisionswerbenden Gruppierung aus diesen Abkommen nichts zu gewinnen.
7 Die Zulässigkeit der Revision begründete das BVwG mit Hinweis darauf, dass es zur Frage der Parteibzw. Beteiligtenstellung von ausländischen Bürgerinitiativen im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 an Rechtsprechung fehle.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. 9 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Das BVwG hat aufgrund der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien den Bescheid der Landesregierung, mit dem die Parteistellung der einschreitenden Gruppierung festgestellt worden war, "ersatzlos" aufgehoben. Es begründete diese Aufhebung damit, dass das UVP-G 2000 hinsichtlich der potenziellen Unterstützer einer Bürgerinitiative auf die Wahlberechtigung zu einer österreichischen Gemeinde abstelle. Der einschreitenden Gruppierung komme daher nicht die Stellung einer Bürgerinitiative im Sinne des genannten Gesetzes zu.
12 Zunächst ist klarzustellen, dass das BVwG auch über Beschwerde einer Gegenpartei einen nach seiner Ansicht rechtswidrigen Feststellungsbescheid, der über Antrag einer anderen Partei erlassen wurde, nicht ersatzlos beheben durfte. Das BVwG hat vielmehr auch aufgrund einer solchen Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 oder 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, also über den Antrag der nunmehr revisionswerbenden Gruppierung entweder durch Zurückweisung oder aber inhaltlich abzusprechen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorliegen. Andernfalls wäre nämlich der Antrag zwar noch nicht erledigt, eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde jedoch ausgeschlossen (vgl. dazu VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003, und 23.3.2016, Ra 2016/12/0008).
13 Dem BVwG ist aber dahin gehend zu folgen, dass eine Personengruppe nur dann gemäß § 19 Abs. 4 UVP-G 2000 am weiteren Verfahren teilnimmt, wenn sie von einer ausreichenden Anzahl an Personen, die in der Standortgemeinde oder einer unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt sind, unterstützt wird (vgl. Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, UVP-G3 (2013) § 19 Rz 101).
14 Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass nur Personen, die nach dem österreichischen Gemeindeverfassungsrecht zu Gemeinderatswahlen in den in dieser Bestimmung bezeichneten Gemeinden wahlberechtigt sind, mit ihrer Unterschrift eine Stellungnahme gemäß § 9 Abs. 4 UVP-G 2000 rechtskonform unterstützen können.
15 Da nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis die Mitglieder der Revisionswerberin in Liechtenstein wohnhaft sind, kam fallbezogen eine rechtmäßige Konstituierung einer Bürgerinitiative nicht zustande (vgl. VwGH 8.9.1998, 96/03/0266, zur Frage der rechtmäßigen Konstituierung einer Bürgerinitiative). Die namens dieser Gruppierung erhobene Revision erweist sich daher als unzulässig.
16 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 und § 49 Abs. 6 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Da ein Kostenersatz im Sinne der Bestimmungen des §§ 47 ff VwGG nur natürlichen oder juristischen Personen, nicht aber einer bloßen Personenmehrheit auferlegt werden kann (vgl. hierzu VwGH 8.9.1998, 96/03/0266, mwN) waren die Anträge der mitbeteiligten Parteien auf Zuerkennung von Aufwandersatz abzuweisen.
Wien, am 19. Juni 2018
Schlagworte
Gültigkeit der Kostenbestimmungen InhaltlichAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2015060009.J00Im RIS seit
06.08.2018Zuletzt aktualisiert am
22.03.2019