Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei e***** GmbH, *****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder-Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagte Partei (nunmehr) P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Bernhard C. Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen 13.225,91 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 12.279,80 EUR) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. März 2017, GZ 50 R 103/16b-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 25. August 2016, GZ 17 C 611/14y-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „P***** GmbH“ auf „P***** GmbH“ berichtigt.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 939,24 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 156,54 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
zu I.:
Aus dem Firmenbuch (FN *****) ergibt sich, dass die Firma der Beklagten mit Eintragung vom 8. 12. 2016 wie aus dem Spruch ersichtlich geändert wurde. Infolge des Antrags der Beklagten in der Revisionsbeantwortung war ihre Parteienbezeichnung daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.
zu II.:
Die Klägerin führte bei einem Bauvorhaben der Beklagten Elektroinstallationsarbeiten durch. Sie legte am 27. 8. 2012 Schlussrechnung über gesamt 139.035,79 EUR (ohne Nachlass) netto. Die Beklagte nahm eine Rechnungskorrektur auf 129.121,94 EUR vor. Strittig sind im Revisionsverfahren restliche Werklohnforderungen der Klägerin für Regiekosten sowie Kosten für administrativen Mehraufwand bzw Vorhaltekosten für den Baubetrieb infolge einer nicht geplanten Verlängerung der Bauzeit.
Die der Tätigkeit der Klägerin für das Projekt zugrunde liegenden Ausschreibungsunterlagen für Elektrotechnik (Leistungsverzeichnis) wurden am 22. 4. 2009 erstellt. Die Baubewilligung wurde am 4. 6. 2009 erteilt, das Angebot der Klägerin am 11. 11. 2009 unterschrieben.
Das Leistungsverzeichnis (Beil ./1) lautet auszugsweise:
„[Seite 13 f des Leistungsverzeichnisses]
00 01 001501C Z Regierechnungen
Rechnungslegung
Regierechnungen können nur [a]ufgrund bestätigter Regiescheine gestellt werden. Für jede Leistung ist ein eigener Regieschein auszufüllen.
Die Regiescheine müssen spätestens sieben Tage nach der Ausführung der örtlichen Bauaufsicht zur Prüfung vorgelegt werden. Wird diese Frist nicht eingehalten, gilt die Leistung als nicht erbracht.
Regiearbeiten müssen spätestens vier Wochen nach der Prüfung durch die örtliche Bauaufsicht in Rechnung gestellt werden. Wird diese Frist nicht eingehalten, verfällt die Rechnung, es sei denn, dass seitens der ÖBA ein schriftliches Einverständnis zur späteren Rechnungsvorlage gegeben wurde.
Unterschriften auf Regiescheinen bestätigen nur die Ausführung der Leistung. Die Prüfung, ob eine daraus abgeleitete Forderung berechtigt ist, bzw. eine Regieleistung darstellt, erfolgt erst im Zuge der Rechnungsprüfung. …
[Seite 21 des Leistungsverzeichnisses]
00 01 0015180 Z Preisbasis, Festpreise
Preisbasis:
Der zivilrechtliche Preis ist im Sinne der ÖNORM A2050 ein Festpreis, drei Monate über die geplante Bauzeit heraus. Veränderliche Preise können nur zum [T]ragen kommen, wenn die Ursachen für die verspätete Fertigstellung nicht im Einflussbereich des Bieters liegen und kommen nur für Leistungen zur Anwendung, die nach dem Ende der Festpreisfrist erbracht werden.
Als Basis für die Preisbildung gilt das Ende der geplanten Baudauer. …“
Der voraussichtliche Baubeginn hätte im März/April 2010 sein und die allgemeine Baudauer 15 Monate betragen sollen. Tatsächlich begannen die Bauarbeiten im Oktober 2010 und wurden im Juli 2012 abgeschlossen. Die Bauzeit betrug daher 22 Monate. Die Beklagte wechselte während des Bauvorhabens rund vier Mal die örtliche Bauaufsicht bzw den Architekten, es kam während der Bauzeit zu zahlreichen Änderungen.
Die Klägerin führte von 18. 4. 2012 bis 4. 6. 2012 Arbeiten durch, für die sie der Beklagten (unstrittig fristgerecht) Regiescheine übermittelte. Diese wurden von dem für die örtliche Bauaufsicht verantwortlichen Architekten der Beklagten unterschrieben. Bei den Regiearbeiten handelte es sich großteils um Reparaturarbeiten, die durch Beschädigungen von anderen Gewerken verursacht wurden, oder um Änderungsarbeiten, die infolge baulicher Maßnahmen notwendig geworden waren. Die Klägerin stellte der Beklagten die Kosten für die Regiearbeiten mit der Rechnung ET4-201206029 vom 19. 6. 2012 in Höhe von netto 11.463,14 EUR in Rechnung. Davon ist nach einer von der Klägerin anerkannten Korrektur der Rechnungssumme durch die Beklagte und einer Zahlung von 515,52 EUR abzüglich des vereinbarten Nachlasses von 6 % noch ein Betrag von 9.602,51 EUR netto offen.
Mit Schlussrechnung ET4-201208027 vom 27. 8. 2012 und dem Nachtragsangebot 19, ET4-20100414, vom 28. 8. 2012, gab die Klägerin die Kosten für den erhöhten administrativen Mehraufwand und die Baustellenvorhaltekosten aufgrund der Bauzeitverlängerung mit (letztlich) 4.138,11 EUR netto bekannt.
Der Mehraufwand durch die Bauzeitverlängerung ergibt sich aus dem Material, das noch nicht verbaut wurde, aus der Teilnahme an Baubesprechungen und daraus folgenden Tätigkeiten, aus den Baustellenbegehungen, um den Baufortschritt zu ersehen und Informationen vor Ort einzuholen, sowie aus Rüstzeiten. Der angemessene Mehraufwand (administrativer Mehraufwand) aus der Bauzeitverlängerung für vier Monate (22 statt 15 Monate Bauzeit abzüglich drei Monate Bauzeitverlängerung im Festpreis inkludiert) beträgt 1.006,50 EUR netto. Abzüglich der vereinbarten 6 % Nachlass ergibt sich ein Betrag von 946,11 EUR.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 13.225,91 EUR an restlichem Werklohn,
und zwar 9.602,51 EUR an Regiekosten und – nach Einschränkung – 3.623,40 EUR an Kosten für administrativen Mehraufwand und Vorhaltekosten des Baubetriebs aufgrund der Bauzeitverlängerung.
Zu den begehrten Regieleistungen stützt sich die Klägerin auf die Rechnung vom 19. 6. 2012 und führt aus, dass die im Leistungsverzeichnis enthaltene Klausel (00 01 001501C Z) irreführend, versteckt und unklar sei. Die vierwöchige Verfallfrist führe zu einer massiven Benachteiligung der Klägerin. Regiescheine hätten innerhalb einer Frist von 5 bis 7 Tagen gelegt werden müssen, allein deshalb sei eine Überprüfung der Regieleistungen nicht möglich gewesen. Die Prüfung der in Rechnung gestellten Leistungen sei erst am 26. 7. 2012 erfolgt, sodass die vierwöchige Frist mit diesem Tag beginne. Auf eine frühere Auslösung der Frist hätte die Beklagte hinweisen müssen, was nicht geschehen sei. In der ÖNORM B 2110 sei eine monatliche Abrechnung von Regieleistungen vorgesehen. Selbst wenn diese nicht eingehalten werde, führe dies nicht zu einem Verfall der Forderungen. Die Beklagte sei durch die von ihr arglistig von April 2011 bis Juni 2012 abgerufenen Regieleistungen bereichert.
Zum administrativen Mehraufwand stützt sich die Klägerin auf die Rechnung vom 27. 8. 2012 (bzw das Nachtragsangebot vom 28. 8. 2012) und führt begründend aus, dass dieser dadurch entstanden sei, dass die Beklagte schuldhaft eine Bauzeitverlängerung von acht Monaten zu vertreten habe.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die Leistungen der Klägerin entsprechend dem zulässigerweise vereinbarten Leistungsverzeichnis abgerechnet und bezahlt worden seien. Die ÖNORM B 2110 gelte gegenüber dem Leistungsverzeichnis nur nachrangig. Die Klägerin habe die vierwöchige Frist zur Rechnungslegung betreffend die Regiekosten ungenützt verstreichen lassen, sodass die aus diesem Titel geltend gemachten Ansprüche verfallen seien. Die Berechnung des administrativen Mehraufwands sei nicht nachvollziehbar.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang eines Zuspruchs von 946,11 EUR sA an administrativem Mehraufwand statt und wies das Mehrbegehren ab. Im Umfang der Klagestattgebung erwuchs seine Entscheidung unangefochten in Rechtskraft.
Regiekosten seien der Klägerin nicht zuzuerkennen. Dieser Anspruch sei zwar dem Grund nach berechtigt. Auch habe die Klägerin Regiescheine wie vereinbart innerhalb von sieben Tagen bei der örtlichen Bauaufsicht der Beklagten vorgelegt. Sie habe jedoch diese Kosten nicht binnen vier Wochen nach der Prüfung durch die örtliche Bauaufsicht in Rechnung gestellt, sodass der Anspruch verfristet sei.
Der Klägerin sei durch die Bauzeitverlängerung ein ersatzfähiger administrativer Mehraufwand entstanden, der abzüglich des vereinbarten Nachlasses und unter Berücksichtigung der Vereinbarung, wonach die ersten drei Monate der Bauzeitverlängerung von der Festpreisvereinbarung umfasst seien, in angemessener Höhe zuzuerkennen sei.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen den klageabweisenden Teil dieser Entscheidung erhobenen Berufung nicht Folge.
Die zur Geltendmachung der Regiekosten im Leistungsverzeichnis vorgesehene vierwöchige Rechnungs-legungsfrist verstoße weder gegen die §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB noch gegen § 915 ABGB. Insbesondere im Baugewerbe müsse – vor allem im Zusammenhang mit Regieleistungen – mit einer kurzen Rechnungslegungsfrist gerechnet werden, um Problemen entgegenzuwirken, vor denen Bauherren durch unerwartete Überschreitungen der Baukosten stünden. Die Regelungen über die Geltendmachung von Regiekosten sei nicht versteckt, das grundsätzliche Thema werde sogar in der Überschrift genannt. In der vierwöchigen Rechnungslegungsfrist liege keine ungebührliche Belastung bzw gröbliche Benachteiligung für Auftragnehmer, die – wie die Klägerin – als Bauunternehmer in Kenntnis der allgemeinen Problematik von Regieleistungen seien. Die Frist von vier Wochen genüge auch zur Rechnungslegung, weil der Auftragnehmer die den unterschriebenen und einigermaßen sorgfältig angelegten Regiescheinen zugrunde liegenden Leistungen (Arbeitszeit, Material etc) lediglich noch mit der Kostengrundlage verknüpfen müsse. Aus dem Wortlaut der die Regiekosten betreffenden Regelung im Leistungsverzeichnis gehe klar hervor, dass die Unterschrift auf dem Regieschein den Abschluss der Prüfung betreffend Leistungsausführung darstelle und für die Rechnungslegung fristauslösend sei; eine Unklarheit im Sinn des § 915 ABGB liege nicht vor.
Die Klägerin habe sich zur Geltendmachung des administrativen Mehraufwands selbst auf die Anwendung der Regelungen des Leistungsverzeichnisses unter der Überschrift „Preisbasis“ gestützt und ihre Kosten als Werklohnforderung geltend gemacht. Die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs als Anspruchsgrundlage verstoße ebenso gegen das Neuerungsverbot wie die erstmals in der Berufung erhobene Kritik an diesen Regelungen des Leistungsverzeichnisses, die Bezugnahme auf weitere Bestimmungen des Leistungsverzeichnisses und auf die ÖNORM B 2110.
Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil die Beachtung der ÖNORM B 2110 zu einer anderen Beurteilung des Leistungsverzeichnisses betreffend Regiearbeiten unter dem Aspekt der §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB führen könnte.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Zu den Regiekosten (Position 00 01 001501C Z des Leistungsverzeichnisses):
1.1 Die Beurteilung der „Ungewöhnlichkeit“ einer Klausel im Sinn des § 864a ABGB ist stets von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt und auf die singuläre Rechtsbeziehung der Streitteile zugeschnitten, sodass darin grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (RIS-Justiz RS0122393). Bei der Vergabe von Aufträgen mit vorformuliertem Klauselkatalog, mit dem den Bietern der Vertragsinhalt – zumindest weitgehend – vorgegeben wird, liegt zwar jene typische Ungleichgewichtslage vor, wie sie der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu eigen ist, sodass es geboten erscheint, § 879 Abs 3 ABGB auch in solchen Fällen zur Beurteilung der Unwirksamkeit von Klauseln wegen gröblicher Benachteiligung im Weg der Analogie heranzuziehen (RIS-Justiz RS0119323). Der Oberste Gerichtshof ist jedoch auch zur Auslegung von vorformulierten Klauseln nicht „jedenfalls“ sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS-Justiz RS0121516). Im vorliegenden Fall wurde weder von der Klägerin behauptet noch festgestellt, dass es sich bei den Bestimmungen des zwischen den Streitteilen vereinbarten Leistungsverzeichnisses um einen „Standardvertrag“ handle, welcher in der Praxis regelmäßig auch in anderen Ausschreibungen vorkommt oder das Leistungsverzeichnis von der Beklagten regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden bestimmt ist (RIS-Justiz RS0121516). Mit dem Argument, es bestehe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob eine Klausel in AGB zulässig ist, mit der eine Frist für die Rechnungslegung von Regieleistungen von vier Wochen gesetzt wird und bei deren Versäumen die Ansprüche verfallen, zeigt die Revisionswerberin daher keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil im konkreten Fall (nur) zu beurteilen ist, ob die Vorinstanz zu einer vertretbaren Beurteilung des von den Streitteilen geschlossenen Vertrags gelangt sind.
1.2 Die Revisionswerberin argumentiert weiter, dass keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, wie die Bestimmung des Pkt 8.2.6.1.3 der ÖNORM B 2110 in der bei Vertragsabschluss anzuwendenden Fassung zu verstehen sei, nach der Regieleistungen monatlich abzurechnen seien. Diese Frage stelle sich insbesondere im Hinblick darauf, welche Rechtsfolgen bei verspäteter Rechnungslegung eintreten, worauf die ÖNORM B 2110 keine Antwort gebe.
1.3 Nach der Rechtsprechung haben ÖNormen, die nicht durch konkrete Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt wurden, nur insofern Bedeutung, als sie konkludent zum Gegenstand von Verträgen gemacht wurden (RIS-Justiz RS0038622). Bei den ÖNormen handelt es sich entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin nicht um „dispositives Recht“, sie können durch tatsächliche Übung der beteiligten Verkehrskreise allenfalls zum Handelsbrauch oder zur Verkehrssitte werden (RIS-Justiz RS0038609). ÖNormen sind entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin auch nicht nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu interpretieren, sondern objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut, das heißt unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände, gemäß § 914 ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0122959). Pkt 8.2.6.1.3 der ÖNORM B 2110, lautete in der (älteren Fassung seit 2002, vgl Wenusch, ÖNORM B 2110² Rz 79): „Regieleistungen sind monatlich abzurechnen“. Die Revisionswerberin weist selbst darauf hin, dass diese Bestimmung keine Regelung über einen Verfall eines Anspruchs bei nicht fristgerechter Geltendmachung enthielt, sodass aus ihr für die Auslegung der hier strittigen Verfallsbestimmung des Leistungsverzeichnisses nichts zu gewinnen ist.
1.4 Die Revisionswerberin führt aus, dass nicht die vierwöchige Frist zur Rechnungslegung an sich gröblich benachteiligend sei, sondern die gröbliche Benachteiligung
– und damit die Sittenwidrigkeit – der Klausel in der Rechtsfolge des Verfalls des Anspruchs bei verspäteter Rechnungslegung liege. Vertragliche Verfallsklauseln sind nach der Rechtsprechung dann als sittenwidrig zu erachten, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (RIS-Justiz RS0016688 mzwN). Dass die Geltendmachung ihres Anspruchs nicht übermäßig erschwert ist, bestreitet die Revisionswerberin nicht, wenn sie die Frist zur Rechnungslegung – die wertungsmäßig jener der zitierten Bestimmung der ÖNORM B 2110 entspricht – nicht als unzumutbar erachtet. Sie führt in der Revision auch aus, dass, wenn es für den Auftragnehmer „ein Leichtes“ sei, die Regieleistungen abzurechnen, dies „genauso für den Auftraggeber“ gelte. Die Revisionswerberin zeigt damit keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Einzelfall auf.
2. Zum geltend gemachten „administrativen Mehraufwand“ (Position 00 01 0015180 Z des Leistungsverzeichnisses):
2.1 Als erhebliche Rechtsfrage macht die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang erkennbar geltend, dass zu den Punkten 7.4 ff der ÖNORM B 2110 („Leistungsabweichungen“) keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiere. Komme es zu Änderungen im Bauablauf, regle die ÖNORM B 2110, dass der Auftragnehmer die Mehrleistung in diesem Zusammenhang anzukündigen habe. Ein Verfall des Anspruchs des Auftragnehmers auf Nachforderungen bei Unterlassung der Ankündigung sei aus dieser Regelung nicht abzuleiten. Die „dreimonatige Nachfrist“ sei dahingehend zu verstehen, dass dadurch mit dem vereinbarten Preis auch alle notwendigen Leistungen abgedeckt sein sollen, die innerhalb von drei Monaten nach projektiertem Bauende anfallen. Dies bedeute, dass bei Bauverzögerungen innerhalb von drei Monaten die Preise für die einzelnen Leistungen nicht erhöht werden dürfen, und zwar auch dann nicht, wenn es durch eine Erhöhung der Material- oder Personalkosten gerechtfertigt wäre. Das heiße aber nicht, dass alle notwendigen Leistungen, die innerhalb von drei Monaten ab geplantem Bauende anfallen, vom ursprünglichen Preis gedeckt sein sollen, denn sonst hätte es der Auftraggeber allein in der Hand, durch eine Bauverzögerung weitere Leistungen zu erhalten, die der Auftragnehmer nicht in Rechnung stellen könne.
2.2 Letztlich wünscht die Revisionswerberin mit diesen Ausführungen lediglich eine andere Auslegung des Vertrags, als sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, womit sie jedoch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigt (RIS-Justiz RS0042936 [T3]). Den von der Revisionswerberin behaupteten „Verfall“ der Ansprüche haben die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang ohnehin nicht angenommen. Die Behauptung, der Auftraggeber könne eine Bauverzögerung „provozieren“, um „weitere“ Leistungen zu erhalten, findet in den Sachverhaltsfeststellungen keine Grundlage und übergeht, dass es für die Erbringung „weiterer“ Leistungen ungeachtet der Verzögerung eines „weiteren“ Auftrags bedürfte, worauf die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist.
2.3 Stützt der Kläger das Klagebegehren auf „jeden erdenklichen Rechtsgrund“, entbindet ihn eine solche Leerformel nicht von der Verpflichtung, die rechtserzeugenden Tatsachen vorzubringen (RIS-Justiz RS0037591). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass (ua) die Bezugnahme der Klägerin in der Berufung auf den Anspruchsgrund des Schadenersatzes gegen das Neuerungsverbot verstoße. Ob ein Vorbringen gegen das Neuerungsverbot verstößt oder nicht, gehört in das Gebiet des Verfahrensrechts. Eine allfällige unrichtige Anwendung diesbezüglicher prozessualer Vorschriften kann gemäß § 503 Z 2 ZPO gerügt werden (RIS-Justiz RS0043171). Einen solchen Verfahrensmangel hat die Revisionswerberin jedoch nicht geltend gemacht, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen – auch betreffend den von der Revisionswerberin neuerlich in Frage gestellten Nachlass von 6 % – nicht weiter einzugehen ist.
Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Textnummer
E122296European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00017.18Z.0626.000Im RIS seit
06.08.2018Zuletzt aktualisiert am
24.01.2019