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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 1997 §38 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Oktober 1998, Zl. 205.776/0-XII/37/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages (mitbeteiligte Partei: HN, geboren am 27. August 1981, vertreten durch den Magistrat St. Pölten, Jugendhilfe, 3100 St. Pölten, Heßstraße 6),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
2. den Beschluss gefasst:
Soweit sich die Beschwerde gegen einen weiteren "Bescheid" der belangten Behörde zur selben Zahl, ebenfalls vom 30. Oktober 1998, richtet, wird sie zurückgewiesen.
Begründung
Der am 7. Oktober 1998 gestellte Asylantrag des Mitbeteiligten, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 8. Oktober 1998 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 1998 entschied der unabhängige Bundesasylsenat gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 1 AsylG über die dagegen gerichtete Berufung derart, dass gemäß § 32 Abs. 2 AsylG der Berufung stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen werde. Aus der Begründung dieses Bescheides geht die Ansicht hervor, dass die Frage, ob der Antrag des Mitbeteiligten gemäß § 4 Abs. 1 AsylG unzulässig ist, damit nicht entschieden worden sei, sondern vom Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren zu entscheiden sein werde.
Mit Telefax vom 30. Oktober 1998 übermittelte die belangte Behörde eine Ausfertigung dieses Bescheides an das Bundesasylamt. Mit Telefax vom 3. November 1998 übermittelte sie eine weitere Ausfertigung an die erstinstanzliche Behörde. Dieser Ausfertigung angeschlossen war eine Note folgenden Inhalts:
"In der Anlage wird der Bescheid, Zahl: 205.776/0-XII/37/98 betreffend Herrn N. H., 27.08.1981 geb., StA der BR Jugoslawien, mit der Bitte übersandt, den am 30.10.1998 per Telefax übermittelten Bescheid wegzuwerfen, da dieser nicht die letztgültige Fassung beinhaltet (Änderung Seite 7, 1. Absatz)."
(Die erwähnte Änderung besteht darin, dass der in der Bescheidausfertigung vom 30. Oktober 1998 in der Begründung (auf Seite 7 am Ende des ersten Absatzes) enthaltene sinnstörende Halbsatz" sodass im konkreten Fall die Regelvermutung des § 4 Abs. 3 AsylG 1977 widerlegt wird" entfällt.)
Gegen "die Bescheide" der belangten Behörde vom 30. Oktober 1998 richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, sie wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde "mangels Beschwer zurückzuweisen bzw.
als unbegründet abzuweisen".
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1
Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die belangte
Behörde über die Berufung des Mitbeteiligten zweimal - jeweils mit Bescheid vom 30. Oktober 1998 - abgesprochen habe; einmal mit dem dem Bundesasylamt am 30. Oktober 1998 übermittelten Bescheid, das andere Mal mittels des am 3.11.1998 zugestellten "Bescheides". Dieser "Bescheid" treffe unabhängig vom erstangefochtenen Bescheid, ungeachtet desselben Tenors, eine weitere Sachentscheidung und laufe daher der Sperrwirkung der rechtskräftig entschiedenen Sache zuwider.
Mit dieser Auffassung verkennt der beschwerdeführende Bundesminister die Intention der belangten Behörde. Diese war offenkundig darauf gerichtet, die am 30. Oktober 1998 übermittelte Bescheidausfertigung nachträglich zu korrigieren. Wenngleich eine derartige Korrektur im Wege eines Berichtigungsverfahrens nach § 62 Abs. 4 AVG und insbesondere mittels Bescheides zu erfolgen gehabt hätte (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht 7 (1999), Rz 448) - der Bitte, "den am 30.10.1998 per Telefax übermittelten Bescheid wegzuwerfen", kommt demgegenüber zweifelsfrei kein Bescheidcharakter zu -, kann davon ausgehend der übermittelten zweiten Bescheidausfertigung jedenfalls im Hinblick darauf, dass sie sich auf die Eliminierung eines sinnstörenden Halbsatzes in der Begründung beschränkt, nicht selbstständige Bescheidqualität zugemessen werden. Sie erweist sich vielmehr als "berichtigte Ausfertigung" des Bescheides vom 30. Oktober 1998, der freilich im Hinblick auf das Fehlen eines Berichtigungsbescheides die Grundlage fehlt. Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen diesen am 3. November 1998 übermittelten "Bescheid" wendet, war sie daher in Ermangelung eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Im Übrigen kommt der Beschwerde jedoch Berechtigung zu. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, ausgesprochen hat, ermächtigt § 32 Abs. 2 AsylG die belangte Behörde nämlich nicht zu einer kassatorischen Entscheidung über die Frage der Unzulässigkeit des Asylantrages gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit.. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen.
In ihrer Gegenschrift deutet die belangte Behörde zwar möglicherweise an, dass ihre Entscheidung auf § 66 Abs. 2 AVG gegründet sei ("Demzufolge war der von der Erstinstanz ermittelte Sachverhalt so mangelhaft, weshalb ..."); in Anbetracht des Umstandes, dass sie ihren Bescheid ausdrücklich auf § 66 Abs. 4 AVG stützte (in beiden vorliegenden Fassungen) und dass dieser Bescheid keinerlei Ausführungen über die Unvermeidlichkeit einer Verhandlung oder darüber enthält, warum eine solche nicht vor der belangten Behörde selbst stattzufinden habe, kann er jedoch nicht in dieser Richtung verstanden werden. Ob bzw. inwieweit im Verfahren vor unabhängigen Verwaltungssenaten § 66 Abs. 2 AVG überhaupt anwendbar ist (vgl. zu dieser Problematik Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate 2, 127 f.), bedarf damit im vorliegenden Zusammenhang keiner näheren Untersuchung.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid aus den im vorigen Absatz genannten Erkenntnis dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Dass gemäß den Erhebungen der belangten Behörde eine "Rückstellung" des Beschwerdeführers in die slowakische Republik gar nicht mehr möglich ist - woraus die belangte Behörde ableitet, dass die Beschwerde mangels Beschwer zurückzuweisen sei -, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Einerseits liegt jedenfalls keine Mitteilung nach § 57 Abs. 7 Fremdengesetz 1997 über die Unmöglichkeit der Abschiebung vor, andererseits handelt es sich bei der Beschwerdemöglichkeit des Bundesministers für Inneres um ein von den Verfahrensparteien und den beteiligten Behörden losgelöstes Kontrollinstrument zur Prüfung, ob der angefochtene Bescheid in objektiver Weise rechtmäßig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 98/01/0326, m.w.N.).
Wien, am 19. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998010604.X00Im RIS seit
20.11.2000