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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BVergG 2006 §129 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der H AG in M, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2016, Zl. W114 2120454-1/21E, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, 2. Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, 3. Land Burgenland, 4. Land Kärnten,
5. Land Niederösterreich, 6. Land Oberösterreich, 7. Land Salzburg, 8. Land Steiermark, 9. Land Tirol, 10. Land Wien, sämtliche vertreten durch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in 1020 Wien, Schiffamtsgasse 1-3), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Nach den insoweit unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis führten die mitbeteiligten Parteien vertreten durch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen als vergebende Stelle unter der Bezeichnung "Digitale Luftbilder und digitale Orthophotos 2016, 2017, 2018" ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich durch.
2 Gegenstand der Ausschreibung ist der Abschluss eines Vertrages über die Durchführung der Befliegung zur Herstellung digitaler Luftbilder. Die Vergabe soll nach dem Billigstbieterprinzip erfolgen. Der Auftrag ist in vier Lose geteilt, wobei jeder Bieter nur in einem der Lose zum Zug kommen kann.
3 Punkt 3.1. der bestandfesten Ausschreibungsbedingungen lautet:
"Bietergemeinschaften können Angebote einreichen. Mehrfachbeteiligungen sind nicht ausgeschlossen. Die Teilnahme eines Bieters an mehreren Bietergemeinschaften gleichzeitig (sei es als Bieter oder Subunternehmer) oder die Abgabe eines Angebotes eines Unternehmers als Einzelbieter und als Mitglied einer Bietergemeinschaft (sei es als Bieter oder Subunternehmer) gleichzeitig ist zulässig. Ebenso ist es zulässig, dass sich Unternehmer als Subunternehmer bei mehreren Bietern bzw. Bietergemeinschaften beteiligen.
Im Falle einer Mehrfachbeteiligung (ein Unternehmer ist bei mehr als einem Angebot als Bieter und/oder Mitglied einer Bietergemeinschaft und/oder Subunternehmer beteiligt) hat die vergebende Stelle im Rahmen einer Aufklärung von den Bietern bzw. Bietergemeinschaften den Nachweis darüber zu fordern, dass
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der Inhalt der abgegebenen Angebote durch das dadurch geschaffene Abhängigkeitsverhältnis nicht beeinflusst wurde und
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dass die Angebote unabhängig voneinander formuliert worden sind.
Damit soll festgestellt werden, ob durch die Mehrfachbeteiligung die Gefahr der Beeinflussung des Wettbewerbes besteht.
Wenn sodann die Gefahr einer Beeinflussung des Wettbewerbs durch Mehrfachbeteiligung(en) besteht, sind die Angebote solcher Bietergemeinschaften und (Einzel-)Bieter auszuscheiden (§ 129 BVergG 2006)."
4 Die Revisionswerberin legte am 27. November 2015 ein Angebot. Darin wurden das Unternehmen X. und ein weiteres Unternehmen als Subunternehmen angeführt.
5 Das Unternehmen X. legte seinerseits ein Angebot, in welchem wiederum die Revisionswerberin als Subunternehmen genannt wurde.
6 Unter Berücksichtigung der Ermittlungsregelungen in der Ausschreibung wäre bei Los 4 das Angebot der Revisionswerberin, bei Los 1 das Angebot des Unternehmens X. jeweils das billigste.
7 Laut den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis wurden die Angebote der Revisionswerberin und des Unternehmens X. in identen Kuvertierungen in einem gemeinsamen Paket übermittelt, wobei sich die Angebote auch inhaltlich hinsichtlich des thematischen Aufbaus, des Inhaltsverzeichnisses und der Anordnung der Angebotsbestandteile glichen.
8 Wegen der vorliegenden Übereinstimmungen forderte die Auftraggeberin die Revisionswerberin auf, den Nachweis zu erbringen, dass sie das Angebot des Subunternehmens nicht kannte oder kennen konnte und beide Angebote unabhängig formuliert worden seien.
9 Das Verwaltungsgericht hat in seinem Erkenntnis weiter festgestellt, dass die Revisionswerberin in ihrer Stellungnahme ausgeführt habe, es sei zu keinem Zeitpunkt zu einer Preisabsprache zwischen ihr und dem Subunternehmen gekommen. Die geringen Preisabstände würden sich mit der Zusammenarbeit in den letzten drei Jahren erklären, die zu gemeinsamen Erfahrungen geführt hätten. Die vom Subunternehmen zu erbringende Leistung sei mit einem Aufschlag in das Angebot aufgenommen worden. Dieser Aufschlag sei dem Subunternehmen nicht bekannt.
10 Nach Einholung dieser Stellungnahme wurde der Revisionswerberin am 22. Jänner 2016 mitgeteilt, dass ihr Angebot gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 und 8 BVergG 2006 ausgeschieden werde.
11 2. Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag begehrte die Revisionswerberin die Nichtigerklärung der Auscheidensentscheidung.
12 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: Verwaltungsgericht) soweit hier von Relevanz die Anträge der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung (Spruchpunkt A.I) sowie auf Ersatz der Pauschalgebühren (Spruchpunkt A.II lit. a) jeweils ab und erklärte die Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
13 Ausgehend von den oben auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen folgerte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst, infolge einer engen Zusammenarbeit der Revisionswerberin mit dem von ihr angegebenen Subunternehmen X. bei der Erbringung von Dienstleistungen der ausgeschriebenen Art in vergangenen Jahren und durch die auch vom Unternehmen X. angebotene Projektleitung durch einen Mitarbeiter der Revisionswerberin habe die Revisionswerberin das parallel gelegte Angebot des Subunternehmens maßgeblich beeinflusst bzw. beeinflussen können. Damit liege eine mögliche Beeinflussung des lauteren und fairen Wettbewerbs vor. Die Ausschreibungsbedingungen würden diesbezüglich vorsehen, dass die Nachweispflicht hinsichtlich der Nichtbeeinflussung vom jeweiligen Bieter zu erbringen sei.
14 Die Auftraggeberin habe sowohl der Revisionswerberin als auch dem von ihr benannten Subunternehmen die Möglichkeit geboten, darzulegen, dass das jeweilige andere Unternehmen tatsächlich keine Kenntnis über den Inhalt des Angebots des jeweils anderen Unternehmens gehabt habe und die Preisgestaltung jeweils unbeeinflusst erfolgt sei. Dieser in den bestandsfesten Ausschreibungsbedingungen festgelegte Nachweis sei der Revisionswerberin jedoch nicht gelungen. Die Auftraggeberin sei für das Verwaltungsgericht nachvollziehbar zur Auffassung gelangt, dass zwischen der Revisionswerberin und dem Subunternehmen, das ebenfalls ein Angebot gelegte habe, ein den Wettbewerb beeinflussendes Abhängigkeitsverhältnis bestanden habe.
15 Die Revisionswerberin habe auch in dem vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Verfahren nicht zu überzeugen vermocht, dass kein den Wettbewerb beeinflussendes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Unternehmen bestehe. Die Ausscheidensentscheidung sei daher zu Recht erfolgt.
16 4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
17 Die Vertreterin der mitbeteiligten Parteien erstattete im Namen der Auftraggeber eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Revision zurück- oder abzuweisen.
18 5.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
21 5.2. Nach § 129 Abs. 2 BVergG 2006 kann der Auftraggeber Angebote von Bietern ausscheiden, die es unterlassen haben, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärung einer nachvollziehbaren Begründung entbehrt. Den gegenständlichen Ausschreibungsbedingungen lässt sich entnehmen, dass die vergebende Stelle im Falle der Mehrfachbeteiligung eines Unternehmens (als Bieter und/oder Mitglied einer Bietergemeinschaft und/oder als Subunternehmen) im Rahmen einer Aufklärung von dem betreffenden Bieter den Nachweis zu fordern hat, dass der Inhalt der abgegebenen Angebote dadurch nicht beeinflusst wurde und die Angebote voneinander unabhängig formuliert wurden. Wenn sodann die Gefahr einer Beeinflussung des Wettbewerbs durch Mehrfachbeteiligung(en) besteht, sind die Angebote solcher Bietergemeinschaften und (Einzel-)Bieter auszuscheiden.
22 Die Überprüfung des Vorliegens dieses Ausscheidenstatbestandes erfordert die Auslegung der bestandfesten Ausschreibungsbedingungen und der vom betreffenden Bieter erstatteten Aufklärung.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist, bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 21.12.2016, Ra 2016/04/0130, mwN).
24 Eine solche krasse Fehlbeurteilung zeigt die Revisionswerberin im vorliegenden Fall mit ihrem Vorbringen nicht auf.
25 Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der bestandfesten Ausschreibungsbedingungen in Zusammenhang mit den insofern unbestrittenen Feststellungen betreffend die im Rahmen des Vergabeverfahrens erfolgte Stellungnahme der Revisionswerberin in nicht unvertretbarer Auslegung dieser Erklärung darauf geschlossen, dass der Revisionswerberin der in den Ausschreibungsbedingungen geforderte Nachweis nicht gelungen und der bestandfest festgelegte Ausscheidensgrund verwirklicht sei.
26 Ausgehend von dieser das Erkenntnis tragenden Begründung sind die von der Revisionswerberin zur Zulässigkeit der Revision vorgebrachten Rechtsfragen - insbesondere auch die Unterlassung der Zeugeneinvernahme zum Beweisthema, dass keine Absprache im Sinne des § 129 Abs. 1 Z 8 BVergG 2006 erfolgt sei - nicht relevant, weil von diesen das rechtliche Schicksal der Revision nicht abhängt (vgl. zu dieser Voraussetzung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG VwGH 18.2.2015, Ro 2014/04/0075, mwN).
27 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen war.
28 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. Juni 2018
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016040049.L00Im RIS seit
03.08.2018Zuletzt aktualisiert am
03.09.2018