TE Vwgh Erkenntnis 2018/6/27 Ro 2017/17/0028

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2018
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
34 Monopole;

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2;
B-VG Art132 Abs2;
GSpG 1989 §50 Abs4;
GSpG 1989 §56a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Mag. Liebhart-Mutzl und Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der Landespolizeidirektion Vorarlberg in 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 45, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 16. November 2017, LVwG-2- 5/2017-R13, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: I Kft. in P in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Am 2. Februar 2017 wurde ein Lokal der mitbeteiligten Partei in Bludenz von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz auf der Grundlage des § 56a Glücksspielgesetz (GSpG) behördlich geschlossen. Dabei wurde der Eingangsbereich versiegelt und der Schlüssel der Eingangstür vom Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Bludenz bei der örtlich zuständigen Polizeiinspektion hinterlegt.

2 Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 bestätigte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz diese Betriebsschließung mit 2. Februar 2017.

3 Laut den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis baute in der Folge ein Organ der Landespolizeidirektion Vorarlberg in Absprache mit der Bezirkshauptmannschaft Bludenz in dieses geschlossene Lokal eine Alarmanlage ein.

4 Am 13. März 2017 betrat ein Organ der Landespolizeidirektion Vorarlberg wieder das Lokal und baute diese Alarmanlage - erneut nach Absprache mit der Bezirkshauptmannschaft Bludenz - aus. Dabei war die mitbeteiligte Partei weder vom Einnoch vom Ausbau der Alarmanlage verständigt worden.

5 Die mitbeteiligte Partei erhob am 17. März 2017 beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) Maßnahmenbeschwerde "gegen die Hausdurchsuchung der PI Bludenz vom 13.03.2017". Beamte der PI (Polizeiinspektion) Bludenz hätten das verschlossene Lokal am 13. März 2017 geöffnet und dort eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Dadurch sei die mitbeteiligte Partei in ihren Grundrechten, insbesondere ihrem Hausrecht, verletzt worden. Die mitbeteiligte Partei beantragte, das LVwG möge aussprechen, dass sie "durch das zwangsweise Eindringen von Beamten" in ihre Betriebsräumlichkeiten in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Hausrechts verletzt sei.

6 Mit der angefochtenen Entscheidung gab das LVwG der Beschwerde statt und erklärte das Betreten des Geschäftslokals zur Demontage der Alarmanlage für rechtswidrig. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.

7 In der Begründung führte das LVwG aus, beim Betreten des Geschäftslokals zur Demontage einer Alarmanlage handle es sich um eine Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Eine Hausdurchsuchung habe nicht stattgefunden, was allerdings nicht bedeute, dass ein Betreten der Räumlichkeiten rechtlich zulässig wäre. Das Betretungsrecht nach § 50 Abs. 4 GSpG reiche nur soweit, als es zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetztes erforderlich sei. Das Betreten zur Demontage einer Alarmanlage sei nicht von diesem Betretungsrecht erfasst. Mangels Rechtsgrundlage in Bezug auf das Betreten des geschlossenen Lokals sei der Beschwerde stattzugeben und das Betreten des Geschäftslokals für rechtswidrig zu erklären.

8 Da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage fehle, ob nach § 56a GSpG geschlossene Betriebe von Behördenorganen bzw. von Organen, welche von der Behörde zum Betreten ermächtigt worden seien, ohne Einwilligung des Betriebsinhabers betreten werden dürften bzw. ob der Betriebsinhaber (Verfügungsberechtigte) durch ein solches Betreten in Rechten verletzt wäre, sei die Revision zulässig.

9 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des LVwG mangels Vorliegens unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob das nachträgliche Betreten eines nach dem Glücksspielgesetz behördlichen geschlossenen Lokals ohne Befehl oder Zwang und ohne Zustimmung des Lokalinhabers mit einem der Behörde zugänglichen Schlüssel überhaupt eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen könne, gegen die eine Maßnahmenbeschwerde zulässig sei.

11 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichthofes liegt eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn ohne Durchführung eines Verfahrens einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff liegt im Allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH 20.11.2006, 2006/09/0188; 22.2.2007, 2006/11/0154, jeweils mwN). In diesem Sinne wurde u.a. das Aufsperren verschlossener Räume oder das gewaltsame Eindringen in ein ehemaliges Geschäftslokal bzw. in eine Wohnung als ein Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert (vgl. VwGH 22.1.2002, 99/11/0294, mwN).

12 Als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurden in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch die Abhaltung einer militärischen Übung ohne die Zustimmung des Grundeigentümers, das Betreten eines Hauses und die ohne Zustimmung des Verfügungsberechtigten vorgenommene Nachschau in einigen Zimmern durch einen Gendarmeriebeamten oder das Betreten und die Nachschau in einer Wohnung, ohne dass dies freiwillig gestattet worden wäre, angesehen, und zwar in all diesen Fällen ungeachtet des Umstandes, dass physischer Zwang weder ausgeübt noch angedroht worden war (vgl. wieder VwGH 20.11.2006, 2006/09/0188; 22.2.2007, 2006/11/0154).

13 Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt können auch vorliegen, wenn die Maßnahmen für den Betroffenen nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Vielmehr kommt es darauf an, ob ein Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen erfolgt. Dies kann auch ohne sein Wissen der Fall sein (vgl. VwGH 28.1.2016, Ra 2014/07/0069, mwN.). Wesentlich ist, ob das Verhalten der Organe in objektiver Hinsicht darauf abzielte, eine Duldungspflicht des Betroffenen zu bewirken (vgl. wieder VwGH 22.2.2007, 2006/11/0154).

14 Wird ein Geschäftslokal ohne Wissen bzw. Zustimmung des Lokalinhabers von Organen der Behörde betreten, so handelt es sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichthofes um einen Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt. Die Tatsache, dass ein Geschäftslokal zuvor behördlich versiegelt worden war, macht für die Beurteilung des nachfolgenden Betretens des Lokals durch Organe einer Behörde keinen Unterschied. Dass es dem Lokalbetreiber selbst durch die Versiegelung verwehrt ist, ohne Zustimmung der Behörden sein Lokal zu betreten, vermag noch nicht zu bewirken, dass das Betreten des Lokals durch behördliche Organe nicht in seine subjektiven Rechte eingreifen könnte. Daraus ergibt sich aber, dass dem Lokalinhaber zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieses behördlichen Aktes die Möglichkeit zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde offensteht.

15 Die Revision zeigt somit nicht auf, dass das Landesverwaltungsgericht von der oben dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen wäre, indem es die Maßnahmenbeschwerde der mitbeteiligten Partei nicht zurückgewiesen, sondern inhaltlich behandelt hat (vgl. auch VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937).

16 Die Revision macht auch das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Frage, ob nach § 50 Abs. 4 und § 56a GSpG behördlich geschlossene Betriebsstätten nachträglich von Organen der Behörde betreten werden dürfen, um Anlagen zur Sicherung vor Einbruchsschutz und der Einhaltung der erfolgten Betriebsschließung wieder ausbauen zu können, geltend.

17 Die Revision erweist sich mit diesem Vorbringen als zulässig, aber nicht als berechtigt:

18 § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989, lautet samt Überschrift in der geltenden Fassung BGBl. I Nr. 118/2015:

"Behörden und Verfahren

§ 50. (1) ...

...

(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig."

§ 56a GSpG samt Überschrift lautet in der geltenden Fassung

BGBl. I Nr. 118/2016:

"Betriebsschließung

§ 56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs. 1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs. 1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.

(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

(4) In einem Bescheid nach Abs. 3 können auch andere nach Abs. 1 zulässige Maßnahmen angeordnet werden.

(5) Ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs. 1 kommt keine aufschiebende Wirkung zu

(6) Die Bescheide gemäß Abs. 3 treten, wenn sie nicht kürzer befristet sind, mit Ablauf eines Jahres außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.

(7) Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs. 3 nicht mehr vor und ist zu erwarten, dass in Hinkunft jene glücksspielrechtlichen Vorschriften, deren Nichteinhaltung für die Maßnahmen nach Abs. 3 bestimmend war, von der Person eingehalten werden, die die betriebliche Tätigkeit ausüben oder die Betriebsanlage betreiben will, so hat die Behörde auf Antrag dieser Person die mit Bescheid gemäß Abs. 3 getroffenen Maßnahmen ehestens zu widerrufen."

19 Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sind die Behörden gemäß § 50 Abs. 1 leg. cit. (die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. die Landespolizeidirektion) und die in § 50 Abs. 2 und 3 GSpG genannten Organe (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden) zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist.

20 Dieses Betretungsrecht kann sich auch auf behördlich nach § 56a GSpG geschlossene Betriebe erstrecken, wenn beispielsweise kontrolliert werden soll, ob das Verbot, den Betrieb fortzusetzen, auch tatsächlich eingehalten wird.

21 Dabei ist nicht Voraussetzung, dass schon vor dem Betreten zu Kontrollzwecken feststeht, dass eine Übertretung des Glücksspielgesetzes stattgefunden hat. Sinn und Zweck einer Kontrolle ist es nämlich, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG eingehalten werden (vgl. VwGH 14.3.2018, Ra 2017/17/0937).

22 Das behördliche Betretungsrecht wird ergänzt durch die Mitwirkungs- und Duldungspflichten der Veranstalter und Inhaber sowie jener Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten. Diese haben den Organen der oben genannten Behörde sowie dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3 GSpG) umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

23 Wird diesen Mitwirkungs- und Duldungspflichten nicht entsprochen, dann sind die Behörden ermächtigt, ihre Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen, etwa indem sie ein versperrtes Lokal öffnen und betreten oder Spielapparate auch ohne Einwilligung des Lokalbetreibers bespielen.

24 Das Anbringen von technischen Vorrichtungen, die der Behörde eine Überwachung von Betriebsstätten und anderen Räumlichkeiten auch ohne die körperliche Anwesenheit von behördlichen Organen ermöglichen würden, ist hingegen nach dessen Wortlaut von § 50 Abs. 4 GSpG nicht erfasst. Dasselbe gilt auch für Maßnahmen, die nicht dem Zweck der Überwachung der Einhaltung des GSpG, sondern einer Gefahrenabwehr dienen. Diesfalls wäre das Vorliegen einer anderen gesetzlichen Ermächtigung zu prüfen.

25 Auch aus § 56a GSpG lässt sich im Revisionsfall nichts gewinnen:

26 Die Anordnung einer Betriebsschließung nach § 56a GSpG bedeutet, dass der Betreiber den Betrieb einzustellen und die weitere Führung dieses Betriebes zu unterlassen hat. Es handelt sich dabei um eine unvertretbare Verhaltensweise. Die Verpflichtung kann dadurch vollstreckt werden, dass die Behörde Maßnahmen zur faktischen Schließung des Betriebes wie etwa den Austausch von Schlössern oder das Anbringen von Siegeln und Absperrbändern trifft (vgl. VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924, und Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3, § 360 Rz 33) oder der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird (VwGH 4.11.2009, 2009/17/0006).

27 Anders als die Revision vermeint, bewirkt die behördliche Schließung aber keinen "Übergang der faktischen Verfügungsmacht" über die von der Schließung betroffenen Räumlichkeiten an die Behörde: § 56a GSpG enthält auch keine besonderen Bestimmungen über Betretungs- und Kontrollrechte in Bezug auf behördlich geschlossene Betriebe. Den behördlichen Organen ist es im Rahmen des § 50 Abs. 4 GSpG erlaubt, solche Betriebe einer persönlichen Kontrolle zu unterziehen. Darüber hinausgehende Maßnahmen, etwa zur Abwehr bestimmter Gefahren, können jedenfalls nicht auf

§ 56a GSpG gestützt werden.

28 Daraus ergibt sich, dass weder § 50 Abs. 4 GSpG noch

§ 56a GSpG als Rechtsgrundlage für das Betreten von Betriebsstätten zum Zwecke des Ausbaus elektronischer Überwachungsvorrichtungen herangezogen werden können. Daran vermag auch der in der Revision vorgebrachte Umstand, dass sich im Revisionsfall die Alarmanlage im Eigentum der Behörde befunden habe, nichts zu ändern.

29 Die Revision enthält keine Angaben über die Gründe, welche die Behörde im vorliegenden Fall zum Ausbau der Alarmanlage bewogen haben. Wenn die Revision allgemein vorbringt, dass behördliche Organe nach einer Betriebsschließung iSd § 56a GSpG die davon betroffenen Lokale zum Zwecke der Gefahrenabwehr betreten können müssten, um beispielsweise Fische in Aquarien zu versorgen, so entfernt sie sich damit vom festgestellten Sachverhalt. Dasselbe gilt für das Vorbringen, dass das Betreten behördlich geschlossener Lokale oftmals nötig wäre, um es etwa Dritten zu ermöglichen, in ihrem Eigentum stehende und nunmehr nicht mehr benötigte Gastgewerbegegenstände, wie Schankanlagen etc., abzuholen.

30 Andere gesetzliche Grundlagen, die die Behörde zum Betreten des Lokals zum Zwecke des Ausbaus der Alarmanlage ermächtigt hätten, werden in der Revision nicht angeführt, sodass solche im Revisionsfall auch nicht zu prüfen waren.

31 Aus diesen Erwägungen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

32 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. Juni 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017170028.J00

Im RIS seit

03.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten