Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** R*****, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer, Dr. Roman Bacher, Mag. Eva Suitner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Ärztekammer für Wien, *****, vertreten durch die Backhausen Rechtsanwalts GmbH, Wien, und 2. Wiener Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch die Preslmayr Rechtsanwälte OG, Wien, wegen Handlung, Feststellung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2018, GZ 13 R 127/17t-57, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Juni 2017, GZ 19 Cg 10/15b-49, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der (nach Vorliegen der zum Sicherungsantrag des Klägers zu 1 Ob 176/15m ergangenen Entscheidung eingeschränkten bzw modifizierten, hier zusammengefasst wiedergegebenen) Begehren des Klägers auf Feststellung, dass der Widerruf der Ausschreibung einer näher beschriebenen Kassenplanstelle für Frauenheilkunde und Geburtshilfe unwirksam sei; in eventu die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, diesen Widerruf zu widerrufen und das Ausschreibungsverfahren fortzusetzen; weiters dass gegenüber der Zweitbeklagten festgestellt werde, die von einem Ausschuss im Zusammenhang mit dem Widerruf der Ausschreibung dieser Kassenplanstelle gefassten Beschlüsse seien nichtig; die Erstbeklagte schuldig sei, bei der Reihung für die ausgeschriebene Kassenplanstelle dem Kläger eine bestimmte Punkteanzahl zuzurechnen; es zu unterlassen, bei der Reihung bestimmte Wartezeit nicht zu berücksichtigen, in eventu ihm für die Wartezeit pro Monat eine bestimmte Punkteanzahl anzurechnen; die Zweitbeklagte schuldig sei, es zu unterlassen, einen Mitbewerber oder eine Mitbewerberin in Vertrag zu nehmen, wenn er diese Punkte für die Wartezeit nicht erhalte; die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig seien, es zu unterlassen, die ausgeschriebene Kassenplanstelle in Zukunft neuerlich zu widerrufen und/oder aufzulassen und/oder als Kassenplanstelle an eine Vertragsgruppenpraxis zu vergeben.
Die vom Kläger gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist deshalb nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, warum die vom Erstgericht unterlassene Einvernahme von zwei Zeugen seiner Ansicht nach keinen Verfahrensmangel begründe. Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht verneint hat, können nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963). Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und damit der Revisionsgrund nach § 503 Z 2 ZPO könnte allenfalls dann vorliegen, wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (RIS-Justiz RS0040597 [T2 bis T4]; RS0043086 [T1, T5 bis T8]). Einen solchen Mangel spricht der Kläger mit seinem Hinweis, bei jenem Thema, zu dem die Zeugen einvernommen werden hätten sollen, handle es sich um eine „gemischte Frage (Rechts- und Tatfrage)“, jedoch nicht an.
2. Auch noch im Revisionsverfahren bezweifelt der Kläger die Möglichkeit, eine einmal ausgeschriebene Kassenplanstelle zu widerrufen, es sei denn es fände sich für die betreffende Planstelle innerhalb eines Jahres überhaupt kein Bewerber, wie er unter Berufung auf § 12 Abs 6 der Richtlinien für die Auswahl und Invertragnahme von Vertragsärzten meint. Damit spricht er schon deswegen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung an, weil diese Richtlinien selbst vorsehen, dass eine solche Ausschreibung widerrufen werden kann, wenn „berücksichtigungswürdige“ Gründe vorliegen (§ 7 Abs 4) und der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 1 Ob 174/09h unter Bezugnahme auf diese Regelung zur Frage des Widerrufs einer solchen Ausschreibung Stellung genommen hat. Danach ist ein Widerruf jedenfalls objektiv gerechtfertigt, wenn die Richtlinien ein erhebliches, wegen seiner Unsachlichkeit unzulässiges Vergabekriterium enthalten, das geeignet ist, potentielle Bewerber von einer Teilnahme an der Ausschreibung abzuhalten, sofern diese nicht gewillt oder in der Lage sind, diese Bedingung zu erfüllen, deren rechtliche Bedenklichkeit aber nicht erkennen. Indem sich der Revisionswerber darauf beschränkt, seine in der Berufung vorgetragenen Argumente nahezu wortgleich zu wiederholen, ohne sich inhaltlich mit der Argumentation des Berufungsgerichts auseinanderzusetzen, lässt er nicht erkennen, warum die von ihm selbst als unsachlich bekämpfte Nichtberücksichtigung von Wartezeiten der in der Entscheidung 1 Ob 174/09h als unzulässig erkannten Bestimmung der Richtlinien an Gewicht nicht gleichkommen sollte. Er zeigt damit auch keine korrekturbedürftige Beurteilung des Berufungsgerichts auf, das unter Berufung auf diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs die Möglichkeit zum Widerruf bejahte und diesen als sachlich gerechtfertigt beurteilte.
3. Ganz grundsätzlich gilt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass sich der Revisionswerber, um sein Rechtsmittel gesetzmäßig auszuführen, mit den Argumenten des Berufungsgerichts konkret auseinandersetzen muss (vgl RIS-Justiz RS0043603 [T9; T13]). Diesen Anforderungen wird die Revision auch im Übrigen nicht gerecht. So zieht der Kläger zwar nach wie vor die Legitimation des Gremiums, das den Widerruf der Ausschreibung vorgenommen hat, in Zweifel, beschränkt sich in Ausführung seiner Revision aber auf eine wörtliche Wiedergabe der Berufung. Damit führt er keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung des Berufungsgerichts, sodass sein Rechtsmittel in diesem Umfang ebensowenig einer inhaltlichen Behandlung zugänglich ist, wie seine Ausführungen zur Wiederholungsgefahr, mit welchen er wieder wortgleich zur Berufung – einschließlich der unzulässigen Neuerungen – der Rechtsauffassung des Erstgerichts entgegentritt; dabei lässt er insbesondere das – für sich tragende – Argument des Berufungsgerichts, die Frage nach einer Wiederholungsgefahr stelle sich schon deshalb nicht, weil ein rechtswidriger Widerruf nicht vorliege, unbekämpft.
4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
5. Kostenersatz für die ohne Mitteilung nach § 508a Abs 2 Satz 1 ZPO eingebrachte Revisionsbeantwortung steht der Zweitbeklagten nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zu (RIS-Justiz RS0043690 [T6, T7]).
Textnummer
E122273European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00102.18H.0717.000Im RIS seit
03.08.2018Zuletzt aktualisiert am
03.08.2018