Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*****, vertreten durch Mag. Gerald Griebler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch die Tschurtschenthaler Rechtsanwälte GmbH, Klagenfurt, wegen Löschung einer Dienstbarkeit (Streitwert 35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2018, GZ 2 R 143/17t-25, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 16. Juni 2017, GZ 18 Cg 27/17s-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht ging insoweit zu Recht von einer Bindung an die rechtskräftige Entscheidung in einem vom Kläger gegen den Rechtsvorgänger der Beklagten im Liegenschaftseigentum geführten (Vor-)Verfahren aus, als das inhaltlich idente Begehren (Feststellung des Nichtbestehens einer bestimmten Dienstbarkeit und deren Löschung) hier wie dort auf die gleichen Rechtsgrundlagen gestützt wurde. Der Revisionswerber hält dem entgegen, er habe sein Begehren hier auf ein zusätzliches Argument im Zusammenhang mit der behaupteten Vereinbarung einer alternativen Zufahrt zum herrschenden Grundstück der Beklagten im Jahr 1949 gestützt, woraus sich die vertragliche Pflicht der Beklagten zur Löschung der über das Grundstück des Klägers führenden (strittigen) Servitut ergebe. Er habe dazu auch neue Beweismittel aufgefunden und vorgelegt. Dabei übersieht er jedoch die sich aus der rechtskräftigen Vorentscheidung ergebende Präklusionswirkung als Teil der Bindungswirkung eines Urteils (RIS-Justiz RS0041321). Demnach ist die Berufung auf Tatsachen, die bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Vorprozess schon existent und der verfahrensmäßigen Erledigung zugänglich waren, aber
– etwa infolge objektiver Verletzung einer prozessualen Diligenzpflicht der Parteien – nicht vorgebracht wurden, im Folgeprozess ausgeschlossen (3 Ob 216/16k). Da das genannte neue Vorbringen im Zusammenhang mit dem Prozessstoff des Vorprozesses
steht (RIS-Justiz RS0036744) und sich die materiellen Rechtskraftwirkungen auch auf die Beklagte als Einzelrechtsnachfolgerin des Beklagten im Vorverfahren erstrecken (RIS-Justiz RS0111150), ist dieses – auch wenn dazu neue Beweismittel aufgefunden und vorgelegt wurden – präkludiert.
Die vom Kläger offenbar (die Revision lässt dies nicht klar erkennen) als Argument für das Vorliegen zusätzlicher, nicht präkludierter Tatsachenbehauptungen ins Treffen geführte Rechtsprechung (es wird erkennbar Klauser/Kodek, ZPO17 [2012] § 411 ZPO E 91 und E 92 zitiert) ist nicht einschlägig, weil diese im Wesentlichen die Frage der Ausweitung der Rechtskraft aus Gründen der Entscheidungsharmonie und der Bindung an im Vorverfahren beurteilte Vorfragen bzw dort getroffene Feststellungen betrifft. Das Berufungsgericht hat die Rechtskraftwirkung aber weder aus Gründen der Entscheidungsharmonie auf weitere Ansprüche des Klägers (vgl RIS-Justiz RS0102102) ausgeweitet, noch sich an die Beurteilung bloßer Vorfragen oder an einzelne Sachverhaltselemente gebunden erachtet. Die Rechtskraftwirkungen ergeben sich für das vorliegende Verfahren vielmehr daraus und in dem Umfang, als im Vorprozess über ein inhaltlich identes Begehren aufgrund im Kern gleicher rechtserzeugender Tatsachen abgesprochen wurde.
Die Rechtskraftwirkung ist jedoch dort ausgeschlossen, wo die Identität der rechtserzeugenden Tatsachen nur eine teilweise ist, wo also beim weiteren Anspruch zu den in der ersten Klage vorgebrachten Tatsachen weitere rechtserzeugende Tatsachen hinzutreten. Dies trifft (nur) auf solche Tatsachen zu, die im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Vorverfahrens noch nicht vorhanden und keiner verfahrensmäßigen Erledigung zugänglich waren (7 Ob 116/11a). Im vorliegenden Verfahren behauptete der Kläger erstmals, die Beklagte sei auch deshalb (vertraglich) zur Löschung der strittigen Servitut verpflichtet, weil ihr mit Baubescheid vom 1. 12. 2016 (sohin nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess) die Zufahrt über ein anderes als das dienende Grundstück des Klägers vorgeschrieben worden sei. Dieses Argument ist zwar nicht von der Rechtskraft der Vorentscheidung erfasst, es lässt sich daraus aber auch keine zivilrechtliche Vereinbarung einer alternativen Zufahrtsmöglichkeit als Voraussetzung der behaupteten vertraglichen Löschungspflicht ableiten. Eine unrichtige Interpretation der vom Kläger angezogenen Vertragsbestimmung zeigt die Revision nicht auf. Auf das im vorliegenden Prozess ebenfalls neue Argument, aufgrund der gegenüber der Beklagten 2016 baubehördlich bewilligten alternativen Zufahrt zu ihrem Grundstück bestehe keine Notwendigkeit mehr, zu diesem über das dienende Grundstück des Klägers zuzufahren, kommt der Revisionswerber nicht mehr substantiiert zurück.
Soweit die Revision eine Bindung an den gegenüber der Beklagten erlassenen Baubescheid und die darin enthaltene Auflage der Herstellung einer alternativen Grundstückszufahrt behauptet, ist unklar, worauf diese Argumentation abzielt, weil sich dieser Bescheid nicht auf den Bestand der strittigen Dienstbarkeit bezieht. Weshalb der vom Kläger ohne nähere Begründung zitierte Art XXXVII EGZPO sowie der Rechtssatz RIS-Justiz RS0036981 das Erlöschen der strittigen Dienstbarkeit begründen sollten, ist unerfindlich. Die Ausführungen zum Thema „iura novit curia“ (der Kläger meint dazu, dass sich aus den vorgelegten Urkunden eine vertragliche Pflicht zur Löschung der Servitut ergebe) sind unklar und stellen größtenteils eine bloße Wiederholung des bisherigen Standpunkts dar. Das Revisionsvorbringen, die Vereinbarung über die strittige Dienstbarkeit sei mangels Zustimmung des Straßenamtes unwirksam, ist eine unzulässige Neuerung. Die Ausführungen zur Berechtigung zur Erhebung einer Widerklage gehen am Prozessthema vorbei.
Eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stellt sich insgesamt nicht. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E122270European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00037.18Z.0717.000Im RIS seit
03.08.2018Zuletzt aktualisiert am
03.08.2018