TE Lvwg Erkenntnis 2018/6/18 LVwG-2018/16/0961-6

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Veröffentlicht am 18.06.2018
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Entscheidungsdatum

18.06.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §26
GewO 1994 §13 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Lehne über die Beschwerde des Herrn AA, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 29.03.2018, ****, betreffend Verfahren nach der GewO 1994, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.       Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die beantragte Nachsicht nach § 26 GewO 1994 für die Ausübung des Gewerbes „Baunebengewerbe“ erteilt.

Nach der Tarifpost 132 lit d der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 hat der Beschwerdeführer eine Verwaltungsabgabe von Euro 32,70 an das Landesverwaltungsgericht binnen zwei Wochen ab Zustellung mit dem übermittelten Zahlschein einzuzahlen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom 22.03.2018 um die Erteilung der Nachsicht wegen gerichtlicher Verurteilung für die Ausübung des Gewerbes „Bau- und Nebengewerbe“ angesucht. Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes Y vom 10.09.2013
Zl **** (Rechtskraft 14.09.2013) wegen § 153c Abs 2 StGB Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen § 12, 2. Fall StGB § 153 Abs 1 und 2, 1. Fall StGB (Untreue) zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt. Die Verurteilung ist noch nicht getilgt. Dem Ansuchen um eine vorzeitige Tilgung wurde seitens des Justizministeriums nicht stattgegeben. Die belangte Behörde hat diesem Ansuchen nicht stattgegeben und die Befürchtung ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gleiche oder ähnliche Straftaten bei der Ausübung des Gewerbes wiederholen könnte.

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde wird der Behörde ein Rechtsirrtum vorgeworfen. Die Verurteilung zu **** stelle keinen Versagungsgrund dar zumal der Schwellenwert des § 13 Abs 1b GewO 1994 nicht überschritten worden sei und sei daher lediglich die Verurteilung zu **** vom 10.09.2013 relevant. Von besonderer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang die Persönlichkeit des Verurteilten und die Frage ob seinerseits mit der Begehung von gleichen oder ähnlichen Straftaten bei der Ausübung eines Gewerbes zu rechnen sei. Somit sei zur Beurteilung der Gefahr der Wiederbegehung von der Persönlichkeit des Verurteilten auszugehen bzw sei für die Beurteilung der Persönlichkeitsentwicklung des Verurteilten vom Verhalten seit der Verurteilung auszugehen. Um sich ein Bild von der Persönlichkeit des Rechtsmittelwerbers machen zu können, hätte die Behörde ihn jedenfalls persönlich einvernehmen müssen. Nur durch eine persönliche Einvernahme keinesfalls aber allein anhand der Aktenlage hätte beurteilt werden können, ob vom Rechtsmittelwerber aufgrund seiner Persönlichkeitsentwicklung immer noch die Gefahr der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei der Ausübung des Trockenbaugewerbes ausgehe. Korrekt sei lediglich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zu **** des Landesgerichtes Y vom 12.12.2011 gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt wurde. Diese Verurteilung sei in Bezug auf gegenständliches Nachsichtsansuchen jedoch wie dargelegt irrelevant. Richtig sei weiters die Feststellung der erkennenden Behörde, dass der Beschwerdeführer zu **** des Landesgerichtes Y vom 10.09.2013 gemäß § 153c Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt wurde. Als Rechtfertigung für die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers sei lediglich eben diese Verurteilung aus dem Jahre 2012 heranzuziehen. Die gegenständliche Entscheidung sei jedenfalls deshalb inhaltlich verfehlt, weil sich die erkennende Behörde lediglich mit der Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht der mit dem Persönlichkeitsbild auseinandergesetzt habe. Da die selbständige Ausübung des Trockenbaugewerbes für den Beschwerdeführer existenziell notwendig sei, zumal er keine Chance habe auf dem Arbeitsmarkt eine andere Anstellung zu finden – alle Vermittlungsversuche des AMS blieben ohne Erfolg – habe er wie erwähnt sogar schon Gnadengesuche eingereicht, aus dem ebenfalls ein Sinneswandel ersichtlich sei. Aus der ständigen Rechtsprechung vom Verwaltungsgerichtshof, Verfassungsgerichtshof und OGH komme bei der Prognose der Persönlichkeitsentwicklung dem Zeitraum zwischen der relevanten Straftat und dem Zeitpunkt der Gewährung/Ablehnung der Nachsicht vom Gewerbeausschuss große Bedeutung zu (vgl VwGH 2011/04/0148). Der verstrichene Zeitraum zwischen Begehung der Straftat und dem Zeitpunkt der noch nicht erfolgten Beurteilung der Persönlichkeitsentwicklung des Rechtsmittelwerbers allein rechtfertige die Nachsicht vom Gewerbeausschuss wegen langen zwischenzeitlichen Wohlverhalten. Es werde beantragte der Beschwerde Folge zu geben, den bekämpften Bescheid zu beheben und die Nachsicht vom Gewerbeausschluss zu erteilen.

Eine mündliche Verhandlung wurde ebenfalls beantragt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer einvernommen, insbesondere über die Art wie er das Gewerbe ausüben wolle. Es wurde Einsicht genommen in Urkunden über zwischenzeitliche Erkrankung des Beschwerdeführers. Der Rechtsanwalt hat angeführt, dass bis dato der Zahlungsplan erfüllt wurde, jetzt aber wegen der Erkrankung des Beschwerdeführers ein Antrag auf Herabsetzung der Erfüllungsquote gestellt wurde. Das Verfahren könne jederzeit wieder fortgesetzt werden, auf Antrag des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer wurde über seine derzeitigen Wohnverhältnisse und Unterhaltsverpflichtungen befragt. Weitere Beweisanträge wurden nicht gestellt. Es wurde das Einverständnis mit der schriftlichen Entscheidung erklärt.

II.      Sachverhaltsfeststellung:

Da der Beschwerdeführer ausführt, das Baunebengewerbe lediglich durch zur Verfügungsstellung seiner eigenen Arbeitskraft ohne Arbeitnehmer ausüben zu wollen, womit auch nur die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers bei kleineren Baustellen anzunehmen ist, geht das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass eine Wiederholung des Tatbestandes nach § 153c StGB nicht möglich ist. Auch eine Wiederholung des Tatbestandes der Untreue ist nicht wahrscheinlich, wobei der Tatbestand der Untreue wegen des geringen Strafrahmens für sich allein noch keinen Ausschlussgrund darstellt.

III.     Beweiswürdigung:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Einvernahme persönlich den Eindruck erweckt, dass er einen Sinneswandel durchgemacht hat und dass es ihm nur darum geht, wieder arbeiten zu können und dass er das Gewerbe in einem bescheidenen Umfang ausüben wird. Nach § 26 Abs 1 GewO 1994 hat die Behörde im Fall des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist. Bei der Prüfung der Frage der Erfüllung des im letzten Satz des § 26 Abs 1 GewO 1994 vorgesehenen Tatbestandsmerkmals der Befürchtung, der Verurteilte werde die gleiche oder ähnliche Straftat bei Ausübung des Gewerbes begehen, ist zufolge der damit im Zusammenhang getroffenen gesetzlichen Anordnung sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf die Persönlichkeit des Verurteilen Bedacht zu nehmen. Wie der rechtsfreundliche Vertreter richtig anführt, spielen die Verurteilungen wegen Körperverletzung aus dem Jahre 2011 keine Rolle für das Nachsichtsverfahren. Sind per se einerseits länger zurückliegend und andererseits auch keine Gewerbeausschließungsgründe. Der Maßstab für die Prognoseentscheidung des § 26 Abs 1 GewO 1994 ist nur die Verurteilung des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 153c StGB. Die Verurteilung wegen Untreue stellt einerseits wegen des geringeren Strafrahmens kein Strafausschließungsgrund und ist andererseits in einer damaligen speziellen Situation zustande gekommen, wobei der Beitragstäter zu dieser Untreue keine Strafe erhielt. Auch wenn man die Verurteilung wegen Untreue als Ausschlussgrund ansehen würde, hegt das Landesverwaltungsgericht Tirol keine Bedenken, dass eine Wiederholung dieses speziellen Falles beim Beschwerdeführer zu befürchten ist. Der eingetretene Gesinnungswandel ist glaubwürdig dargetan worden. Die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe erfolgt nach der bezogenen Verordnungsstelle.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Lehne

(Richter)

Schlagworte

geringer Umfang der angestrebten Gewerbeausübung; nicht mehr mit § 153c StGB zu rechnen; keine Wiederholungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.16.0961.6

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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