TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/14 LVwG-AV-1507/001-2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.05.2018

Norm

FSG 1997 §4 Abs1
FSG 1997 §4 Abs3
FSG 1997 §4 Abs6 Z2
StVO 1960 §99 Abs3 lita

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) erkennt durch Dr. Klaus Vazulka als Einzelrichter über die Beschwerde des A, in ***, ***, vertreten durch B C, Rechtsanwälte in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 10.11.2017, Zl. ***, betreffend Anordnung einer Nachschulung, Verlängerung der Probezeit und Ablieferung des Führerscheins nach dem Führerscheingesetz (FSG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 4 Abs. 1, 3, 6, 8 und 9 Führerscheingesetz – FSG

§§ 24 Abs. 1, 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten hat am 10.11.2017, Zl. ***, gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer nachstehenden Bescheid erlassen:

„Bescheid

Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten ordnet an, dass Sie sich innerhalb von 4 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides einer Nachschulung zu unterziehen haben.

Sie haben Ihren Führerschein zum Zwecke der Eintragung der Verlängerung der Probezeit unverzüglich bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten abzuliefern.

Hinweise

Bitte beachten Sie, dass Ihnen die Lenkberechtigung entzogen werden muss, falls Sie dieser Anordnung keine Folge leisten oder die Mitarbeit bei der Nachschulung unterlassen.

Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wird ausgeschlossen, d.h. der Bescheid kann trotz Ihrer Beschwerde vollstreckt werden.

Mit der Anordnung der Nachschulung verlängert sich die Probezeit um ein weiteres Jahr bzw. beginnt für ein weiteres Jahr neu zu laufen. Da nachträgliche Eintragungen in Führerscheine nicht mehr vorgenommen werden dürfen, sind Sie verpflichtet, Ihren Führerschein unverzüglich bei der Behörde abzuliefern.

Nach Ablieferung wird über Antrag die Herstellung eines neuen Scheckkartenführerscheines in die Wege geleitet.

Dafür ist es erforderlich, dass Sie persönlich zum Amt kommen und ein geeignetes Lichtbild mitbringen. Weiters ist dafür eine Gebühr von € 49,50 zu entrichten.

Bei Verwendung des vorläufigen Führerscheines bis zur Übermittlung des Scheckkartenführerscheines ist ein amtlicher Lichtbildausweis mitzuführen.

Für die Durchführung der Nachschulung stehen zurzeit die auf dem beiliegenden Merkblatt aufscheinenden Institute zur Verfügung.

Setzen Sie sich daher umgehend mit einem der im Merkblatt angeführten Institute betreffend der Anmeldung zur Nachschulung in Verbindung.

Rechtsgrundlage

§ 13 Abs 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG

§ 4 des Führerscheingesetzes (FSG)

Begründung

Sie sind seit 6.5.2017 im Besitze einer Lenkberechtigung für die Klassen AM, B (Führerschein ausgestellt von der LPD *** unter der Zahl ***). Es handelt sich dabei um einen Probeführerschein.

Mit Straferkenntnis (Strafverfügung) der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten, Zl. ***, vom 11.9.2017, wurden Sie wegen einer am 4.7.2017 gesetzten Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 rechtskräftig bestraft.

Zeit und Ort der Tat sowie der Täter (Sie) sind durch das oben angeführte rechtskräftige Strafverfahren erwiesen. Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung hingegen ist durch die Messung mittels Messgerät erwiesen.

Begeht der Besitzer einer Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs 6), oder verstößt er gegen die Bestimmungen des Abs 7, so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen. Der Besitzer der Lenkberechtigung hat der Anordnung innerhalb von 4 Monaten nachzukommen. Er hat auch die Kosten der Nachschulung zu tragen (§ 4 Abs 3 und Abs 8 FSG).

Die von Ihnen zu verantwortende Übertretung der StVO 1960, derentwegen Sie rechtskräftig bestraft wurden, stellt den Tatbestand eines "schweren Verstoßes" gemäß § 4 Abs 6 FSG dar.

Die gesetzlich vorgesehene Konsequenz aus einem derartigen Verstoß besteht in der behördlichen Anordnung einer "Nachschulung" bei einer vom Landeshauptmann hiezu ermächtigten Stelle.

Um zu verhindern, dass ein Probeführerscheinbesitzer am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl er einen schweren Verstoß im Sinne des Führerscheingesetzes setzte, ist die vorzeitige Vollstreckung dieses Bescheides im Interesse der Verkehrssicherheit und somit im öffentlichen Interesse wegen Gefahr im Verzug dringend geboten (§ 13 Abs 2 VwGVG).

Auf Grund der dargelegten Sach- und Rechtslage hatte die Behörde daher spruchgemäß Ihre Nachschulung anzuordnen.“

Zuvor war gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer eine Strafverfügung erlassen worden, welche wie folgt lautet:

„Sie haben als Fahrzeuglenker folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:            04.07.2017, 17:20 Uhr

Ort:             Gemeindegebiet ***, ***, auf der Landesstraße

                  *** nächst Strkm. ***, Fahrtrichtung *** (Mobiles

                  Radar, Ortsgebiet)

Fahrzeug:  *** (Österreich), Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Im Ortsgebiet schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren.

75 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von 5 km/h Messtoleranz.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 20 Abs.2 StVO 1960, § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von  falls diese uneinbringlich ist,  Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 85,00           39 Stunden                             § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960

Zahlungsdaten:

IBAN:                     ***

Bank:                     ***

Referenznummer:  ***

Zahlungsfrist:

Wenn Sie kein Rechtsmittel einbringen, haben Sie den Geldbetrag binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Bei Verzug müssen Sie damit rechnen, dass Mahngebühren in der Höhe von € 5,00 anfallen, der Betrag zwangsweise eingetrieben und im Fall seiner Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird.“

Diese Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft.

In der Folge wurde einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge gegeben und ein Antrag auf Aufhebung der Strafverfügung wurde zurückgewiesen. Der erstgenannte Bescheid erwuchs bereits in Rechtskraft.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In der rechtzeitig gegen Bescheid vom 07.12.2017 erhobenen Beschwerde wendete der Beschwerdeführer wörtlich ein:

„I. Sachverhalt:

1. Dem nunmehrigen Beschwerdeführer wurde zu *** eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 11. September 2017 zugestellt.
Mit dieser Strafverfügung wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des PKWs mit dem behördlichen Kennzeichen *** vorgeworfen, am 04. Juli 2017 eine Geschwindigkeitsübertretung im Ortsgebiet nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 begangen zu haben.
Die Geschwindigkeitsübertretung habe im Gemeindegebiet von *** stattgefunden; der Beschwerdeführer sei im Ortsgebiet eine Geschwindigkeit von 75 km/h unter Berücksichtigung des Messtoleranz gefahren. Es wurde eine Geldstrafe von EUR 85,00 verhängt.

2. Der Beschwerdeführer prüfte dann das Datum der angeblichen Übertretung der Geschwindigkeitsbeschränkung und bemerkte, dass er zum damaligen Zeitpunkt das Fahrzeug nicht selbst gelenkt habe.
Vielmehr hatte der Beschwerdeführer den von ihm gehaltenen PKW damals seinem Bekannten D geborgt.
Der Beschwerdeführer informierte dann D über die zugestellte Strafverfügung, welcher dies sofort einsah und sich bereit erklärte, die verhängte Geldstrafe zu bezahlen.
Aus Einfachheitsgründen gab dann der Beschwerdeführer die Strafverfügung samt Erlagschein an seinen Bekannten D.
Dieser bezahlte den Geldbetrag von EUR 85,00 am 03. Oktober 2017 auch tatsächlich an die NÖ Bezirksverwaltungsbehörden ein.

3. Dem Beschwerdeführer war zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst, dass aufgrund des Umfangs der Geschwindigkeitsübertretung die Bestimmung des § 4 FSG in Ansehung seines Probeführerscheins zur Anwendung gelangte und seitens der Kraftfahrbehörde die Möglichkeit bestehe, eine Verlängerung der Probezeit aufgrund eines schweren Verstoßes im Sinne des § 4 Abs. 6 FSG sowie einer Nachschulung nach § 4 Abs. 3, 8 FSG anzuordnen.

4. Dem nunmehrigen Beschwerdeführer wurde erst mit Zustellung des nunmehr angefochtenen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 10. Oktober 2017 zu *** bewusst, dass hier eben nach § 4 FSG offensichtlich vorgegangen werden soll.
Er wandte sich dann an seine nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter, die ihn anlässlich der in der Kanzlei durchgeführten Besprechung vom 15. November 2017 über die Sach- und Rechtslage aufklärten.

5. Daraufhin wurde seitens der nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren zu *** mit Eingabe vom 28. November 2017 einerseits der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung eines Einspruches gegen die Strafverfügung vom 11. September 2017 gestellt, andererseits die Aufhebung der Strafverfügung vom 11. September 2017 gem. § 52a VStG beantragt.
Über diese Anträge ist bis dato nicht entschieden.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. November 2017 ordnete die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten an, dass sich der Beschwerdeführer innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides einer Nachschulung zu unterziehen habe.
Er habe den Führerschein zum Zweck der Eintragung der Verlängerung der Probezeit unverzüglich bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten abzuliefern.
Mit der Anordnung der Nachschulung verlängere sich die Probezeit um ein weiteres Jahr.

II. Anträge:

Gegen diesen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 10. November 2017 zu *** richtet sich die vorliegende

Beschwerde

an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und wird gestellt der

A N T R A G,

das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben.

III. Begründung

A)       In der Begründung des angefochtenen Bescheides vom 10. November 2017 geht die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten zusammengefasst davon aus, dass der nunmehrige Beschwerdeführer mit rechtskräftiger Strafverfügung zu *** vom 11. September 2017 wegen einer Geschwindigkeitsübertretung im Sinne des § 20 Abs. 2 StVO 1960 bestraft worden sei.

Das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung vom 25 km/h im Ortsgebiet sei durch die Messung mittels Messgerät erwiesen.

Somit würden die Voraussetzungen eines schweren Verstoßes im Sinne des § 4 Abs. 6 FSG vorliegen und seien die im Einspruch dargelegten Anordnungen zu treffen.

Diese gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen würden in der behördlichen Anordnung einer Nachschulung bei einer vom Landeshauptmann hiezu ermächtigten Stelle sowie der Verlängerung der Probezeit für den Führerschein um ein Jahr bestehen.

Weiters wurde die vorzeitige Vollstreckbarkeit dieses Bescheides ausgesprochen.

B)       Diesen Ausführungen ist Nachstehendes entgegenzuhalten:

1.

a)       Wie bereits im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung erläutert, hat der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt das Fahrzeug nicht gelenkt.

Es ist als erwiesen anzusehen, dass tatsächlich das Fahrzeug durch einen Bekannten des Beschwerdeführers, D, gelenkt wurde und dieser die Verwaltungsstrafe auch tatsächlich mit der im Parallelverfahren vorgelegten Buchungsbestätigung vom 14. November 2017 bezahlt hat.

Auf den zwischenzeitig von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten übermittelten Radar-Fotos sieht man zwar nicht das Gesicht des Fahrers.

Es ist aber dennoch erkennbar, dass sich zum damaligen Zeitpunkt zwei Personen im Fahrzeug befunden haben, nämlich eben der genannte D und eine Bekannte von ihm.

Es kann somit durch den Beschwerdeführer auch darüber hinaus durch die Aussagen dieser Personen nachgewiesen werden, dass er den ihm vorgeworfene Verwaltungsstrafbestand nicht begangen hat.

Beweis: Zeuge D, ***, ***

                  Buchungsbestätigung vom 14. November 2017

                  PV

b)       Dem Beschwerdeführer ist die Judikatur des VwGH bekannt, wonach die Kraftfahrbehörde an rechtskräftige Bestrafungen der taxativ aufgezählten Übertretungen der StVO 1960 in § 4 FSG gebunden und ihr verwehrt ist, die Frage der Begehung derartiger Delikte von sich aus neu aufzurollen.

Hiezu wird seitens des Beschwerdeführers aber darauf verwiesen, dass die diesbezüglichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes überwiegend zu Straferkenntnissen der Bezirksverwaltungsbehörden ergangen sind.

Einem Straferkenntnis geht zumindest ein kontradiktorisches Verfahren insoweit voraus, als der Beschuldigte über die Einleitung des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens in Kenntnis gesetzt wird und er die Möglichkeit erhält, seine Verteidigungsrechte durch Abgabe einer Äußerung und Beweisanboten wahrzunehmen.

Somit nimmt an einem deratigen Verwaltungsstrafverfahren der Rechtsunterworfene teil, hat rechtliches Gehör und kann seinen Standpunkt somit vertreten.

Anders ist die Rechtslage aber in Verfahren, die ohne Einholung einer vorherigen Stellungnahme und somit ohne Parteiengehör durch Strafverfügung erledigt werden.

Auf Basis der Geschwindigkeitsmessung wird hier lediglich der Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges ausgeforscht und ohne Einholung einer weiteren Stellungnahme und der Einräumung von Parteiengehör die Strafverfügung hinausgeben.

Es ist somit auch im konkreten Fall dem Beschwerdeführer niemals die Möglichkeit gegeben wurden, vor seiner Verurteilung hiezu Stellung zu nehmen und darauf zu verweisen, dass er gar nicht der Lenker des Fahrzeuges war.

c)       Auch die Strafverfügung vom 11. September 2017 enthielt zwar grundsätzlich eine Rechtsmittelbelehrung, jedoch wird in einer solchen gerade nicht darauf hingewiesen, dass mit einer derartigen rechtskräftigen Bestrafung weitere gesetzliche Konsequenzen verbunden sind.

Es fehlt somit eine Belehrung des jeweils Betroffenen darüber, welche sonstigen Rechtsfolgen er für den Fall der Rechtskraft der Strafverfügung zu befürchten hat und was hier – salopp gesprochen – noch auf ihn zukommen könne.

Es kann in diesem Zusammenhang von einem Rechtsunterworfenen aber auch nicht verlangt werden, dass er bei jeglicher Bestrafung nach der StVO durch Zustellung einer Anonymverfügung oder einer Strafverfügung sich von einem Rechtsanwalt oder wem auch immer rechtliche Beratung einholt, welche sonstigen Konsequenzen eine derartige Bestrafung haben könnte.

Es wird das jeweils bestrafte Delikt bagatellisiert und insoweit kein Unrechtsbewusstsein geschaffen, dass damit erhebliche weitere Konsequenzen verbunden sein können.

Gerade diese Unkenntnis führte aber dazu, dass der nunmehrige Beschwerdeführer sich nichts dabei gedacht hat, die Strafverfügung rechtskräftig werden zu lassen und der tatsächlichen Fahrzeuglenker D die Geldstrafe bezahlt hat.

d)       Unter diesen Voraussetzungen macht der nunmehrige Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK geltend, da dieser in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt ist.

Die Behörde ist verspflichtet, dem Rechtsunterworfenen vor Augen zu führen, welche weitere Rechtsfolgen für den Fall der rechtskräftigen Verurteilung im anhängigen Verfahren auf den Beschuldigten zukommen können.

Unter den gegebenen Voraussetzungen hat der Betroffene keine Möglichkeit, abschätzen zu können, welche Konsequenzen die Rechtskraft der Strafverfügung hat. Der Rechtsunterworfene geht bei derartigen Bagatellstrafen in der Regel einfach davon aus, dass es mit der Zahlung des Geldbetrages ein Bewenden hat.

Es wird wohl auch im Familienkreis häufig vorkommen, dass bei einem von mehreren Familienmitgliedern benutzten Fahrzeug eine Radarstrafe gegen den Zulassungsbesitzer verhängt wird, obwohl die Frau, die Tochter oder der Sohn tatsächlich mit dem Fahrzeug gefahren ist.

Dies einfach aus dem Grund, dass es sich um Bagatellverfahren, die mit keinen sonstigen Konsequenzen grundsätzlich verbunden sind, handelt.

2.       Wie bereits zum Punkt I. vorgebracht, hat zwischenzeitig der nunmehrige Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den Antrag auf Aufhebung der Strafverfügung nach § 52a VStG gestellt.

Es ergeht daher die Anregung, das gegenständlichen Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Anträge auszusetzen bzw. zu unterbrechen.

3.       Die (rechtskräftige) Bestrafung aufgrund einer Strafverfügung wegen Geschwindigkeitsübertretung entfaltet aber nach der Judikatur des VwGH nur insoweit Bindungswirkung gegenüber der Kraftbehörde, als der Tatbestand des § 20 Abs. 2 StVO 1960 zwar verwirklicht wurde, nicht aber hinsichtlich des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung.

In diesem Zusammenhang wird die Rechtsprechung des VwGH zu § 26 Abs. 3 FSG hier auf § 4 Abs. 3 FSG übertragen. Es obliegt daher der Kraftfahrbehörde, auf einer unbedenklichen Beweiswürdigung beruhende Feststellungen zum Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung zu treffen.

In der gegenständlichen Strafverfügung geht die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten von einer gefahrenen Geschwindigkeit von 75 km/h nach Abzug von 5 km/h Messtoleranz aus.

Die Messung der Geschwindigkeit beruht auf einem mobilen Radargerätes der Marke LUVR 6F, Messgerät 1644, wobei hier eine Geschwindigkeit von 80 km/h gemessen wurde.

Der Beschwerdeführer bestreitet die ordnungsgemäße Eichung des gegenständlichen Radargerätes und beantragt, dass seitens des angerufenen Gerichtes die Eichnachweise jenes Gerätes beigeschafft werden.“

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das LVwG hat Einsicht genommen in den verwaltungsbehördlichen Akt und legt dessen unbedenklichen Inhalt seinem weiteren Verfahren zu Grunde.

Im Zug der vom LVwG abgehaltenen mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer, sein bisheriges Beschwerdevorbringen aufrecht zu halten. Weiteres Vorbringen wurde keines erstattet. Eine Kopie des Eichscheines des verwendeten Radargerätes wurde dem Beschwerdeführervertreter ausgefolgt.

4.   Feststellungen:

Die dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegende Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft. Demnach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von 50 km/h überschritten hat. Da die zur Anwendung gekommene Strafnorm die des § 99 Abs. 3 lit. a StVO ist, kann das LVwG lediglich das festgestellte Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit überprüfen. Der vom Beschwerdeführer aus diesem Grund angeforderte Eichschein des zum Einsatz gekommenen Messgerätes der Type MU VR 6F besagt, dass, von hier nicht relevanten Faktoren abgesehen, die aufrechte Eichung erst mit Ablauf der Nacheichfrist am 31. 12. 2019 endet.

5.   Beweiswürdigung:

Die Messung der Geschwindigkeit des Fahrzeuges wurde mit einem Radargerät vorgenommen, dessen Nacheichfrist erst am 31. 12. 2019 endet. Der Versuch des Beschwerdeführers, das Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 25 km/h (nach Abzug der Messtoleranz) auf Grund einer allenfalls nicht aufrechten Eichung des Messgerätes in Frage zu stellen, kann daher nicht zum gewünschten Erfolg führen.

6.   Rechtslage:

§ 4 (1) FSG: Lenkberechtigungen für alle Klassen mit Ausnahme der Klassen AM und F, die Personen erteilt werden, die vorher keine in- oder ausländische Lenkberechtigung für eine dieser Klassen besessen haben, unterliegen einer Probezeit von drei Jahren. Diese Probezeit ist in den Führerschein nicht einzutragen.

§ 4 (3) leg. cit.: Begeht der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs. 6) oder verstößt er gegen die Bestimmung des Abs. 7, so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Im Fall eines schweren Verstoßes gemäß Abs. 6 Z 2a kann auch nach der Ausstellung eines Organmandates eine Nachschulung angeordnet werden. Rechtsmittel gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung einer Nachschulung verlängert sich die Probezeit jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktsetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist; die Verlängerung oder der Neubeginn der Probezeit ist von der Wohnsitzbehörde dem Führerscheinregister zu melden und in den Führerschein einzutragen. Der Besitzer des Probeführerscheines hat diesen bei der Behörde abzuliefern, die Behörde hat die Herstellung eines neuen Führerscheines gemäß § 13 Abs. 6 in die Wege zu leiten.

§ 4 (6) leg. cit.: Als schwerer Verstoß gemäß Abs. 3 gelten

1.

Übertretungen folgender Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl. Nr. 159:

a)

§ 4 Abs. 1 lit. a (Fahrerflucht),

b)

§ 7 Abs. 5 (Fahren gegen die zulässige Fahrtrichtung),

c)

§ 16 Abs. 1 (Überholen unter gefährlichen Umständen),

d)

§ 16 Abs. 2 lit. a (Nichtbefolgen von gemäß § 52 lit. a Z 4a und Z 4c kundgemachten Überholverboten),

e)

§ 19 Abs. 7 (Vorrangverletzung),

f)

§§ 37 Abs. 3, 38 Abs. 2a, 38 Abs. 5 (Überfahren von „Halt“-Zeichen bei geregelten Kreuzungen),

g)

§ 46 Abs. 4 lit. a und b (Fahren auf der falschen Richtungsfahrbahn auf Autobahnen);

2.

mit technischen Hilfsmitteln festgestellte Überschreitungen einer ziffernmäßig festgesetzten erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von

a)

mehr als 20 km/h im Ortsgebiet oder

b)

mehr als 40 km/h auf Freilandstraßen;

2a.

Übertretungen des § 102 Abs. 3 fünfter Satz KFG 1967.

3.   strafbare Handlungen gemäß den §§ 80, 81 oder 88 Strafgesetzbuch – StGB, BGBl. Nr. 60/1974, die beim Lenken eines Kraftfahrzeuges begangen wurden.

§ 4 (8) leg. cit.: Die Kosten der Nachschulung sind vom Nachzuschulenden zu tragen. Kommt der Besitzer der Lenkberechtigung der Anordnung zur Nachschulung nicht innerhalb von vier Monaten nach, so ist gemäß § 24 Abs. 3 siebenter Satz vorzugehen.

§ 4 (9) leg. cit.: Die Nachschulung darf nur von gemäß § 36 hiezu ermächtigten Einrichtungen durchgeführt werden. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat, dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik entsprechend, durch Verordnung die näheren Bestimmungen festzusetzen über

1.       die Voraussetzungen räumlicher und personeller Art für die Ermächtigung zur Nachschulung,

         2.       die fachlichen Voraussetzungen für die zur Nachschulung Berechtigten,

         3.       den Inhalt und zeitlichen Umfang der Nachschulung,

         4.       die Meldepflichten an die Behörde und

         5.       die Kosten der Nachschulung.

§ 24 (1) VwGVG: Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

§ 28 (1) leg. cit.: Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

§ 28 (2) leg. cit.: Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

         1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

         2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 25a (1) VwGG: Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Art. 133 (4) B-VG: Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

7.   Erwägungen:

Eingangs ist festzuhalten, dass das LVwG auf Grund der Rechtskraft der von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten erlassenen Strafverfügung von der Täterschaft des Beschuldigten auszugehen hat. Insofern gehen alle diesbezüglichen Beschwerdeargumente, der Fahrer sei ein Freund, welchem das Fahrzeug vom Beschuldigten überlassen worden wäre, weshalb ihm die Tat nicht zurechenbar sei, ins Leer und sind aus rechtlicher Sicht unbeachtlich. Im Speziellen betrifft das auch die Ansicht des Beschwerdeführers, eine entsprechende Bindung könne sich nur nach Abwicklung eines ordentlichen Verfahrens, nicht jedoch nach Durchführung eines abgekürzten Verfahrens, das auf die Erlassung einer Strafverfügung hinausläuft, beziehen, da hier keine Rechtfertigungsmöglichkeit des jeweils Beschuldigten bestehe.

In diesem Zusammenhang ist auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach ist die Führerscheinbehörde, wenn eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass der Betreffende die im Strafbescheid genannte Tat begangen hat, gebunden (Hinweis Erkenntnisse vom 27. Jänner2005, 2003/11/0169, und vom 24. Februar 2009, 2007/11/0042, jeweils mwN.). Eine Bindung besteht hingegen nicht hinsichtlich des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung, falls dieses nicht bereits zum Tatbild der Verwaltungsübertretung zählt, wie dies z.B. gemäß § 99 Abs. 2d und 2e StVO 1960 der Fall ist. Es sei an dieser Stelle festgehalten, dass eine solche Bindungswirkung grundsätzlich auch hinsichtlich sonstiger rechtskräftiger Bestrafungen besteht (vgl. etwa zu Alkoholdelikten die Erkenntnisse vom 17. März 2005, 2005/11/0057, und vom 26. April 2013, Zl. 2013/11/0015, mwN., sowie z.B. zu Übertretungen nach § 4 Abs. 2 StVO 1960 das Erkenntnis vom 14. Mai 2009, 2007/11/0009). Für den zu Grunde liegenden Revisionsfall folgte daraus, dass das Verwaltungsgericht in Bindung an die rechtskräftige Strafverfügung davon auszugehen hatte, dass die in Rede stehende Verwaltungsübertretung (§ 20 Abs. 2 StVO 1960) vom Betroffenen und somit als Lenker eines Pkw - nach der Aktenlage in der Probezeit - begangen wurde. Eigene Feststellungen zur Identität des Täters waren dem Verwaltungsgericht infolge dieser Bindungswirkung verwehrt.

Diese eben erwähnte Fallkonstellation ist direkt auf den vorliegenden Fall übertragbar. Das hat zur Folge, dass wegen der Anwendung der Bestimmung des

§ 99 Abs. 3 lit. a StVO das LVwG aus rechtlicher Sicht ausschließlich zur Prüfung des Ausmaßes der Überschreitung der Geschwindigkeit legitimiert ist. Unter diesem Aspekt hat der Beschwerdeführer versucht, das ermittelte Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 km/h mit dem Nichtvorhandensein einer gültigen Eichung für das zum Einsatz gekommene Radargerät in Frage zu stellen. Dieser Versuch ist allerdings nicht geglückt, da der nächste Termin für eine Eichung erst der 31. 12. 2019 ist.

Somit steht aber nicht nur die Frage der Täterschaft des Beschuldigten außer Zweifel, sondern es ist auch von einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ausmaß von 25 km/h im Ortsgebiet auszugehen. Das stellt ex lege einen schwerer Verstoß im Sinn der unter Punkt 6 zitierten gesetzlichen Bestimmungen dar, welche wiederum ex lege die angeordnete Nachschulung zwingend zur Folge haben muss.

An dieser Beurteilung ändert auch der Einwand des Beschwerdeführers nichts, die Behörde hätte ihn über diese Folgen eigens belehren müssen. Vielmehr ist es die Pflicht des Besitzers eines Probeführerscheins, sich selbst über die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen und die allenfalls möglichen Folgen einer Übertretung derselben zu informieren. Somit war die korrekte und vollständige Rechtsmittelbelehrung, die die Strafverfügung beinhaltete, aus rechtlicher Sicht ausreichend.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von der Verwaltungsbehörde keine Folge gegeben wurde. Der Antrag auf Aufhebung der Strafverfügung wurde zwischenzeitig ebenfalls zurückgewiesen. Der zuerst erwähnte Bescheid erwuchs bereits in Rechtskraft, hinsichtlich des zweitgenannten Bescheides ist nach Angabe des Beschwerdeführervertreters eine Beschwerde anhängig. Sollte die Strafverfügung behoben werden, würd das einen Wiederaufnahmegrund für das vorliegende Verfahren darstellen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

8.   Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Lenkberechtigung; Probeführerschein; Bindungswirkung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1507.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten