TE Lvwg Erkenntnis 2018/6/7 LVwG-S-903/001-2018

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Veröffentlicht am 07.06.2018
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Entscheidungsdatum

07.06.2018

Norm

StVO 1960 §20 Abs2
StVO 1960 §52 lita Z10a
VwGVG 2014 §50

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 13. März 2018, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstraf-gesetz 1991 (VStG) iVm § 38 VwGVG eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 13. März 2018, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:

02.06.2017, 18:09 Uhr

Ort:

Gemeindegebiet *** auf der Autobahn *** nächst Strkm. ***

Fahrtrichtung *** (Stationäres Radar, Freiland)

 

Fahrzeug:

***, Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten.
80 km/h erlaubte Höchstgeschwindigkeit.
131 km/h gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug von 7 km/h Messtoleranz.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 52 lit.a Z.10a StVO 1960, § 99 Abs.2e StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Gemäß

€ 350,00

142 Stunden

§ 99 Abs.2e StVO 1960“

Weiters wurde der Beschuldigte zum Tragen der Verfahrenskosten verpflichtet.

In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf die Anzeige der Landesverkehrsabteilung Niederösterreich. Im Rahmen einer am 02. Juni 2017 durchgeführten Geschwindigkeitsmessung auf der ***, nächst Strkm. *** im Gemeindegebiet ***, Fahrtrichtung ***, wäre der Pkw mit dem Kennzeichen *** mittels geeichtem Radargerät der Marke MUVR 6FA 3051 (Radargerät Standmessung) im Bereich einer 80er-Beschränkung mit einer Geschwindigkeit von 138 km/h gemessen worden, obwohl durch Verkehrszeichen eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 80 km/h angeordnet gewesen wäre. Nach Abzug einer Messtoleranz ergebe sich eine Überschreitung im Ausmaß von 51 km/h. Im Zuge einer Lenkeranfrage an den Beschuldigten als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs. 2 KFG hätte dieser bekannt gegeben, dass er Lenker im Tatzeitpunkt gewesen sei.

Gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 14. Juli 2017 hätte der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht Einspruch erhoben und gab die belangte Behörde den Inhalt des Einspruches in ihrer Begründung wieder.

Unter Hinweis auf § 99 Abs. 2e StVO 1960 begründete die Verwaltungsbehörde wie folgt:

„Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf der ***, Fahrtrichtung *** auf 80 km/h von

Km. *** bis km. *** wurde gemäß § 97 Abs. 5 3. Satz StVO von den Organen der Straßenaufsicht angeordnet und kundgemacht. Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h für den gesamten Verkehr während der

Kontrolltätigkeiten für LKWs ist aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich, da es in diesem Bereich zu vermehrten Spurwechseln kommt und ein Rückstau von Fahrzeugen auftreten kann.

Während der LKW-Kontrollen leuchtet bei km. *** das Gefahrzeichen „andere Gefahren“ sowie eine Hinweistafel betreffend LKW-Kontrollen auf.

Bei km. *** wird über Kopf 2-fach eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h kundgemacht. Bei diesen Verkehrszeichen befindet sich keinerlei Zusatz, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung nur für LKW gelte. In einigen Metern Entfernung befinden sich seitlich der Fahrbahn Überholverbotstafeln für LKWs.

Bei km. *** wird die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h über Kopf 2-fach (ca. oberhalb der Leitlinien zwischen dem 1. und 2. Fahrstreifen und zwischen dem 2. und 3. Fahrstreifen) kundgemacht. Bei den Verkehrszeichen befindet sich keinerlei Zusatz, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung nur für LKW gelte.

Auf einem getrennten Verkehrszeichen über dem 3. Fahrstreifen erfolgt eine Fahrstreifensignalisierung gemäß § 38 Abs. 10 StVO (gelb blinkend halb rechts nach unten zeigender Pfeil) für LKW über 3,5 t, welche diese verpflichtet, vom 3. auf den 2. Fahrstreifen zu wechseln.

Bei km. *** wird nochmals die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80km/h über Kopf 2-fach kundgemacht. Bei den Verkehrszeichen befindet sich keinerlei Zusatz, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung nur für LKWs gelte.

Auf getrennten Verkehrszeichen über dem 2. und 3. Fahrstreifen erfolgte eine Fahrstreifensignalisierung gemäß § 38 Abs. 10 StVO für LKW über 3,5 t, welche diesen verbietet, den 3. Fahrstreifen zu befahren und verpflichtet, vom 2. auf den 1. Fahrstreifen zu wechseln.

Auf Grund der schrittweisen Senkung der Geschwindigkeit und der mehrfachen deutlichen Kundmachung besteht bei gehöriger Aufmerksamkeit keine Möglichkeit zur Annahme, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung nur für LKWs gelte. Für LKWs über 3,5 t ist generell nur eine Geschwindigkeit von 80 km/h auf Autobahnen erlaubt.

Die Geschwindigkeit wurde zumindest fahrlässig nicht eingehalten, da bei der erlaubten Annäherungsgeschwindigkeit die Geschwindigkeitsbeschränkung nur für

den gesamten Fahrzeugverkehr erkennbar und erfassbar war und Lenker überdies ihre Geschwindigkeit so anzupassen haben, dass sie Verkehrszeichen erkennen können.“

Die belangte Behörde ging davon aus, dass die dem Beschuldigten angelastete Übertretung objektiv als erwiesen anzusehen sei und lediglich der Grad des Verschuldens zu beurteilen wäre. Zur subjektiven Tatseite führte die Strafbehörde aus, dass dem Beschuldigten ein Entlastungsbeweis im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht gelungen wäre.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Der Beschuldigte erhob gegen die behördliche Entscheidung fristgerecht Beschwerde und beantragte die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses. Begründet wurde dieser Antrag wie folgt:

„Die von mir in meinem Einspruch vom 31.7.2017 vorgebrachten Argumente und vor allem die Darstellung meiner Gedanken und Entscheidungen zum Tatzeitpunkt wurden im hiermit angefochtenen Straferkenntnis zwar zunächst zitiert, aber in den anschließenden „Erwägungen der Behörde“ m.E. zum Teil völlig ignoriert – ich verweise daher allem voran auf die in meinem Einspruch dargelegten Ausführungen, welche ich in vollem Umfang aufrecht halte.

Zu einigen Punkten im Straferkenntnis möchte ich dennoch vertiefend Stellung beziehen:

A.   Zur „objektiven Tatseite“:

An den von der Behörde zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie am objektiv nachgewiesenen Umstand, dass ich zum Tatzeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von 138 km/h (nach Abzug der Messtoleranz: 131 km/h) gefahren bin, besteht kein Zweifel.

Die auf Seite 5 des o.g. Straferkenntnisses beschriebenen Darstellungen der relevanten „Kundmachungen“ (Gebote/Verbote/Beschränkungen) sehe ich jedoch anders:

Die Behörde behauptet, dass sich auf den Über-Kopf kundgemachten Geschwindigkeitsbeschränkungen keinerlei Zusatz befinde, wonach diese Verkehrszeichen nur für LKW gelten sollen.

Eine Fahrstreifensignalisierung für LKW zum Wechsel der Fahrspur sei auf „getrennten Verkehrszeichen“ erfolgt.

Hierzu wende ich zunächst ein, dass diese „getrennten“ Verkehrszeichen (Tempolimit bzw. LKW-Fahrspurwechselgebot), welche auf 2 von 3 Fahrspuren JEWEILS DIREKT NEBENEINANDER angezeigt wurden, definitiv KEINE eindeutige Beschilderung darstellen, da es nicht klar war, ob diese Anweisungen isoliert (=als zwei gesonderte Anweisungen) oder in Verbindung zueinander (=als eine kombinierte Anweisung) zu lesen sind.

Aus meiner Sicht sollte im Interesse der Verkehrssicherheit jegliche Beschilderung so gestaltet sein, dass ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer klare und unmissverständliche (=„deppensichere“) Anweisungen erhält.

Genau dies war jedoch zum Tatzeitpunkt nicht der Fall!

Ich habe die elektronischen Signaltafeln, wie schon in meinem Einspruch dargelegt, sehr wohl wahrgenommen und bin - als einigermaßen intelligenzbegabter und darüber hinaus beruflich auf sein Fahrzeug angewiesener Mensch - trotz aktiver Reflexion auf die Anzeigen dennoch zum Schluss gekommen, von der Geschwindigkeitsbegrenzung mit meinem PKW nicht betroffen zu sein.

Die von der Behörde attestierte Tatsache, dass man aufgrund identischer Vorkommnisse (und vermutlich auch Einsprüchen) in der Vergangenheit bereits auch einen Verkehrsexperten befragt habe, legt die Vermutung nahe, dass ich offensichtlich nicht der erste bin, der diese irreführende Art der „Kundmachung“ von Geboten und Verboten falsch interpretiert hat.

Weiters: Mit dem Hinweis auf das allgemeine Tempolimit von 80 km/h für LKW über 3,5t auf Autobahnen zitiert die Behörde zwar zweifellos eine relevante Vorschrift – hier wurde jedoch mein Einwand völlig ignoriert, dass es m.E. UNZUMUTBAR ist, (in letzter Konsequenz) ALLE Tempolimits SÄMTLICHER zum Straßenverkehr zugelassen Fahrzeugtypen in sämtlichen Kontexten (Stadtgebiet, Landstraße, Autobahn) auswendig zu kennen und binnen weniger Sekunden (wie eben in der tatgegenständlichen Situation) parat zu haben – vgl. hierzu auch die Ausführungen in meinem Einspruch vom 31.7.2018.

Auch die Behauptung der Behörde, dass „Lenker überdies ihre Geschwindigkeit so anzupassen haben, dass sie Verkehrszeichen erkennen können“, greife ich dahingehend an, dass es vielmehr UMGEKEHRT so sein muss, dass beim Vorliegen einer bestimmten geschwindigkeitsmäßigen Ausgangssituation (wie dies auf einer Autobahn grundsätzlich Tempo 130 ist) die Beschilderung BEI DIESEM TEMPO für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer eindeutig interpretierbar sein muss.

Folgt man der Argumentation der Behörde, so frage ich mich, welches Tempo ausreichend gering sein soll, um jedes Verkehrszeichen (rechtzeitig) „erkennen zu können“ (zumal es hier nicht um „Erkennen“, sondern um „eindeutige Interpretierbarkeit“ geht).

B.   Zur „subjektiven Tatseite“:

Wie schon ausgeführt, finde ich die Behauptung der Behörde, dass sich „bei den beiden Verkehrszeichen über Kopf keinerlei Zusatz befand“ (Anm: wonach die angezeigten 80 km/h nur für einen Teil des Verkehrs gelten sollen), unzutreffend, weil für 2 von 3 Fahrspuren eben ZWEI Anweisungen je Fahrspur angezeigt wurden (1x Tempolimit und 1x LKW-Spurwechsel), die durchaus als zusammengehörig interpretiert werden können (im Sinne von: „LKW nach rechts wechseln und Tempo auf 80 km/h reduzieren“ - wie dies auch meine Interpretation war!).

Des Weiteren frage ich mich, wie in vorliegenden Fall der Beschuldigte „seine Schuldlosigkeit durch Beibringung von Beweismitteln“ nachweisen soll.: Welche Beweismittel soll (vielmehr: KANN) man hier denn realistisch vorbringen, abgesehen von einer aufrichtigen und schlüssigen Argumentation (wie ich diese bereits in meinem Einspruch vorgebracht habe).

C.   Zur Strafbemessung:

Die Behörde führt „zwei einschlägige Vormerkungen“ ins Treffen.

Hierzu frage ich mich, welche EINSCHLÄGEN (=Tempoüberschreitungen) Vormerkungen hier gemeint sind, welche – unter Berücksichtigung der vorgesehenen Löschungsfristen für Eintragungen – zu meinen Lasten berücksichtigt wurden.

Soferne hier jedoch Vormerkungen aus anderen Gründen (Vergehen) einbezogen wurden, so frage ich mich umgekehrt, warum bei der Bemessung des Strafmaßes anscheinend ein „Wiederholungsfall“ unterstellt wurde, obwohl es sich hier nicht um einen Wiederholungsfall (=wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitung) handelt.

Weiters: Die genannten (spezial- und general)präventiven Gründe sehe ich im vorliegenden Fall als nicht zutreffend: Prävention kann nur gegen ein vorsätzliches Verhalten wirken, jedoch – logisch zwingend – nicht gegen Irrtum bzw. Missinterpretation (letztere kann mE nur durch klarere Beschilderung, nicht jedoch durch Bestrafung von durch uneindeutige Beschilderung Irrenden verhindert werden).

In Ansehung meiner oben vorgebrachten Argumente ersuche ich die Beschwerdebehörde um Aufhebung des Strafbescheides und ersatzweise Festsetzung der Strafe mit einem Strafmaß, welches einer Überschreitung von 8 km/h (ohne Abzug der Messtoleranz: 138 km/h ggü. 130 km/h) entspricht.“

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 19. April 2018 wurde die Autobahnpolizeiinspektion *** aufgefordert, dem erkennenden Gericht ehestmöglich jenen Aktenvermerk zu übermitteln, welcher der Anordnung der Organe der Straßenaufsicht gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 zugrunde liegt. Weiters wurde gebeten, zur Art der Kundmachung der Verkehrsbeschränkung Informationen zur Verfügung zu stellen und Auskunft darüber zu geben, ob auch eine Regelung mit Lichtzeichen vorgenommen wurde bzw. weshalb eine solche – im Falle eines Verzichtes auf Lichtzeichen – nicht erfolgte. Auch wurde ersucht, jene Maßnahme bekannt zu geben, welche dieser Amtshandlung zugrunde lag und war deren Notwendigkeit zu begründen.

Mit E-Mail vom 27. April 2018 wurde von der Landespolizeidirektion Niederösterreich, Landesverkehrsabteilung, FB 2.1 (Geschwindigkeitsüberwachung), berichtet, dass im gegenständlichen Fall Lkw-Ausleitungen gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 durchgeführt wurden. Aus diesem Grund gelte eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h, welche mittels Überkopfanzeige ordnungsgemäß kundgemacht worden wäre. Als Anlage dieser elektronischen Nachricht wurde der Aktenvermerk über Verkehrsbeschränkungen gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 sowie ein Foto der Überkopfanzeige übermittelt.

4.   Feststellungen:

Am 02. Juni 2017, 18:09 Uhr, fuhr der Beschwerdeführer mit dem Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen *** im Gemeindegebiet *** auf der Autobahn ***, nächst Strkm. ***, in Fahrtrichtung *** - unter Berücksichtigung einer Messtoleranz von 7 km/h - mit einer Geschwindigkeit von 131 km/h. Zur Durchführung einer Lkw-Kontrolle wurde von den Organen der Straßenaufsicht gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h angeordnet und wurde in diesem Zusammenhang bei Strmk *** diese Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h durch eine Verkehrsbeeinflussungsanlage über Kopf zweifach kundgemacht.

Der dieser Amtshandlung zugrundeliegende Aktenvermerk der Autobahnpolizeiinspektion *** lautet im verfahrensrelevanten Umfang wie folgt:

„Verkehrskontrollplatz ***, AV über Verkehrsbeschränkungen gemäß § 97 Abs. 5 StVO 1960. […]

Datum: 02.06.2017 Uhrzeit 17:28 Uhr bis 20:24 Uhr

Art: Lkw“

Weiters wurde der Name des Einsatzleiters sowie dessen Unterschrift im Aktenvermerk festgehalten.

5.   Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich allesamt aus dem unbedenklichen Akteninhalt zur Zl. *** sowie aus der vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingeholten Stellungnahme der Anzeigenlegerin und werden im Verfahren auch nicht bestritten.

6.   Rechtslage:

§ 20 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) lautet:

Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

§ 99 Abs. 2e StVO 1960 schreibt vor:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 150 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 48 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 50 km/h überschreitet.

§ 44 Abs. 1 und 1a StVO 1960:

(1) Die im § 43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des § 8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen „Autobahn“, „Ende der Autobahn“, „Autostraße“, „Ende der Autostraße“, „Einbahnstraße“, „Ortstafel“, „Ortsende“, „Internationaler Hauptverkehrsweg“, „Straße mit Vorrang“, „Straße ohne Vorrang“, „Straße für Omnibusse“ und „Fahrstreifen für Omnibusse“ in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

(1a) Werden Verkehrsverbote, Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrserleichterungen für den Fall zeitlich nicht vorherbestimmbarer Verkehrsbedingungen (wie etwa Regen, Schneefall, besondere Verkehrsdichte) verordnet und erfolgt die Kundmachung dieser Verordnung im Rahmen eines Systems, das selbsttätig bei Eintritt und für die Dauer dieser Verkehrsbedingungen die entsprechenden Straßenverkehrszeichen anzeigt (Verkehrsbeeinflussungssystem), so kann der in Abs. 1 genannte Aktenvermerk entfallen. In diesem Fall ist jedoch sicherzustellen, dass der Inhalt, der Zeitpunkt und die Dauer der Anzeige selbsttätig durch das System aufgezeichnet werden; diese Aufzeichnungen sind entweder in elektronisch lesbarer Form zu speichern oder in Form von Ausdrucken aufzubewahren. Parteien im Sinne des § 8 AVG ist auf Verlangen ein Ausdruck der Aufzeichnungen oder eine Kopie des Ausdrucks auszufolgen.

§ 97 Abs. 5 StVO 1960 idF BGBl. I Nr. 123/2015:

Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen oder zwecks Durchführung von Verkehrserhebungen (wie Verkehrszählungen u. dgl.) zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten. Bei solchen Amtshandlungen sind die Organe der Straßenaufsicht auch berechtigt, die aus Gründen der Verkehrssicherheit allenfalls notwendigen Verkehrsbeschränkungen (zB sogenannte Geschwindigkeitstrichter) anzuordnen und durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen sowie eine allenfalls notwendige Regelung mit Lichtzeichen vorzunehmen. Art, Zeit und Dauer der angeordneten Verkehrsbeschränkungen sind in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG) festzuhalten.

Nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 ist strafbar:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

Aus dem festgestellten Aktenvermerk ergibt sich, dass die Art der angeordneten Verkehrsbeschränkung aus dem von der Autobahnpolizeiinspektion *** iSd

§ 97 Abs. 5 StVO 1960 erstellten Aktenvermerkes nicht hervorgeht. Aus der Bezeichnung „LKW“ kann nicht geschlossen werden, welche konkreten Verkehrsbe-schränkungsmaßnahmen (Art, Geltungsort) von den Organen der Straßenaufsicht im angelasteten Tatzeitpunkt nach dieser gesetzlichen Bestimmung im konkreten Fall angeordnet wurden. Schon aus diesem Grund können die in der Begründung der belangten Behörde angeführten Angaben eines etwaigen Geschwindigkeitstrichters nach dieser Gesetzeslage nicht nachvollzogen werden, da die von der Strafbehörde getroffenen Feststellungen im Aktenvermerk keine Deckung finden.

Mangels Aufnahme eines Schaltprotokolles iSd § 44 Abs. 1a StVO 1960 ist für die Zulässigkeit der von den Organen der Straßenaufsicht angeordneten Maßnahmen das in § 97 Abs. 5 StVO 1960 normierte Verfahren zu beachten. Dadurch soll die Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der angeordneten Maßnahmen im Nachhinein durch die zuständigen Behörden, die Gerichte und die von der Anordnung Betroffenen gewährleistet sein. Liegt ein in dieser Ermächtigungsnorm geforderter Aktenvermerk vor, der die in dieser Gesetzesstelle normierten Inhalte nicht aufweist, kann die im Tatzeitpunkt am gegenständlichen Tatort auf der *** kundgemachte Verkehrsbeschränkung keine Wirksamkeit entfalten.

Aufgrund der Unwirksamkeit der kundgemachten Verkehrsbeschränkung galt zum fraglichen Zeitpunkt die allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß
§ 20 Abs. 2 StVO 1960 von 130 km/h; diese hat der Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der von der belangten Behörde angenommenen Fahrgeschwindigkeit von 131 km/h um 1 km/h überschritten.

Die ihm zur Last gelegte Tat hat der Beschwerdeführer in Folge der Unwirksamkeit der angeordneten Verkehrsbeschränkung nach § 52 lit. a Z 10a StVO 1960 nicht begangen, weshalb er somit auch nicht nach der bei einer Geschwindigkeits-überschreitung um mehr als 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets relevanten Strafnorm des § 99 Abs. 2e StVO 1960 bestraft werden kann.

Durch eine Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO 1960 und durch das Überschreiten einer durch Gebotszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit nach
§ 52 lit. a Z 10a StVO 1960 werden verschiedene selbständige Delikte gesetzt, die auch getrennt zu bestrafen sind (VwGH 16.03.2018, Ra 2017/02/0265 mwN).

Eine Korrektur der Tatanlastung im Hinblick auf die Übertretung der grundsätzlichen Beschränkung des § 20 Abs. 2 StVO 1960 im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich, da dem Beschuldigten sonst ein anderer Sachverhalt zur Last gelegt werden würde. Eine Änderung des Tatvorwurfes erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht stellt eine unzulässige Auswechslung der Tat und eine Überschreitung der "Sache" des Verfahrens iSd
§ 50 VwGVG dar und würde die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes überschreiten (vgl. etwa VwGH 17.02.2016, Ra 2016/04/0006).

Im Ergebnis ist sohin das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstraf-verfahren im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer die zur Last gelegte Tat nicht begangen hat, das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das Straferkenntnis aufzuheben ist (§ 44 Abs. 2 VwGVG). Davon abgesehen hat die belangte Behörde bei Aktenvorlage ausdrücklich auf eine Verhandlung verzichtet und auch in weiterer Folge keinen Verhandlungswunsch mehr bekannt gegeben. Eine mündliche Erörterung würde fallbezogen auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Geschwindigkeit; Sache des Verfahrens;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.903.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

01.08.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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