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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO OÖ 1994 §25 Abs1 Z10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Ulrich Lell Gesellschaft m.b.H. in Ansfelden, vertreten durch Dr. Franz Huber und Dr. Gunther Huber, Rechtsanwälte in Traun, H.-Gruber-Straße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. März 1999, Zl. BauR-011888/8-1999/RU/Vi, betreffend Erteilung eines Bauauftrages (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Ansfelden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 3. November 1998 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 49 Abs. 1 O.ö. Bauordnung 1994 (BO) aufgetragen,
"die folgende bauliche Anlage binnen einer Frist von drei Wochen zu beseitigen:
Wand auf den Parz. 2768/3 und 2768/4 der KG Ansfelden mit einer Länge von 360,6 m, beginnend auf Grenzpunkt 10.283 Richtung Norden, Höhe 5,02 m bis 5,05 m über dem natürlichen Gelände, in einem Abstand von 0,50 m bis 0,67 m zur nordöstlichen Grenze dieser Parzellen bzw. in einem Abstand von 0,50 m bis 0,67 m zu den Nachbarparzellen 2770/2, 2770/3, 2779/1 und 2779/6, alle KG Ansfelden".
In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, die Wandkonstruktion, welche aus senkrechten Stahlträgern mit dazwischen eingeschlossenen Holz-Flechtelementen bestehe, bedürfe einer Baubewilligung gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 BO; es handle sich hiebei um einen sonstigen Bau, der geeignet sei, eine erhebliche Gefahr oder eine wesentliche Belästigung für Menschen herbeizuführen oder das Orts- und Landschaftsbild wesentlich zu beeinträchtigen. Eine Ausnahme gemäß § 25 Abs. 1 Z. 10 leg. cit. komme nicht in Betracht, da eine gewerbebehördliche Bewilligung nicht existiere. Durch die Gesamtfläche von ca. 318 m2 könne diese Wandkonstruktion auf Grund ihrer Größe zweifelsohne eine wesentliche Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes darstellen; dies werde auch im Gutachten des technischen Amtssachverständigen in der Niederschrift vom 10. September 1998 bestätigt. Darüber hinaus sei diese bauliche Anlage mit einem Abstand von 0,50 m bis 0,67 m an der Nachbargrenze errichtet worden, wodurch sich die Nachbarn wesentlich beeinträchtigt fühlen könnten. Da der Behörde bislang auch keine Angaben bezüglich der besonderen technischen Anforderungen, wie Statik etc. vorlägen, könne die Wandkonstruktion auch eine erhebliche Gefahr für Menschen darstellen. Somit sei jedenfalls ein, wenn nicht sogar alle der drei alternativen Tatbestandselemente des § 24 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. erfüllt und Bewilligungspflicht gegeben. Die Grundstücke Nr. 2768/3 und 2768/4, KG Ansfelden, seien von einer rechtswirksamen Bausperre des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 27. Juni 1996 anlässlich der Erstellung des Bebauungsplanes Nr. 126.00 mit der Bezeichnung "Betriebsbaugebiet Lell" erfasst. Aus dem Planungsziel der Bausperrenverordnung gehe hervor, dass auf den genannten Grundstücken ein Erdwall von einer Mindesthöhe von 4,5 m samt Bepflanzung im Bereich der nordöstlichen Nachbargrundgrenzen errichtet werden müsse. Die Errichtung einer mehr als 5,0 m hohen Wand sei in diesem Plan nicht vorgesehen, sodass anzunehmen sei, dass eine allfällige nachträgliche Baubewilligung für die gegenständliche Wand die Durchführung des künftigen Bebauungsplanes erschwere oder sogar verhindere. Auch ohne diese Bausperre komme eine nachträgliche Baubewilligung nicht in Betracht, da eine wesentliche Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes zu befürchten sei und im Übrigen die Höhe von mehr als 5,0 m im Widerspruch zu den Bestimmungen des § 29 O.ö. Bautechnikgesetz stehe.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 3. Dezember 1998 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. März 1999 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin mit der Feststellung keine Folge gegeben, dass die Beschwerdeführerin durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt wird. Es müsse ein rechtskräftiger gewerbebehördlicher Genehmigungsbescheid vorliegen, um davon ausgehen zu können, dass eine Lärmschutzwand nach der Gewerbeordnung vorgesehen bzw. unter dem "Regime" der Gewerbeordnung errichtet worden sei. Ansonsten könnte jeder Betriebsinhaber mit dem Hinweis, dass Lärmschutzwände nach der Gewerbeordnung möglich seien, solche Wände errichten, ohne jegliche behördliche Bewilligung einholen zu müssen. Ein derartiges Rechtsverständnis könne dem oberösterreichischen Bauordnungsgesetzgeber jedoch nicht unterstellt werden. Weder die Subsumierung der bereits errichteten Lärmschutzwand unter die Bestimmung des § 24 Abs. 1 Z. 2 BO noch die Rechtsansicht, wonach die Ausnahmebestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 10 leg. cit. nicht vorläge, sei rechtsirrig; die Rechte der Beschwerdeführerin seien daher durch den Berufungsbescheid nicht verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Abstandnahme von der Erlassung eines Bauauftrages verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin trägt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, auf Grund der im Spruch des gewerbebehördlichen Bewilligungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. November 1997 angeführten Projektsunterlagen, insbesondere des schalltechnischen Projektes Sch. vom 24. Juni 1997, der Verhandlungsschrift vom 23. September 1997 und der bescheidmäßig erteilten Auflagen sei die Errichtung einer Schallschutzwand an der Ostseite der Grundstücke Nr. 2768/3 und 2768/4 gewerbebehördlich aufgetragen worden, wobei damit gerade den in der seinerzeitigen Verhandlung deponierten Wünschen der Nachbarn entsprochen worden sei. Diese nach anderen Vorschriften, nämlich der Gewerbeordnung, vorgesehene Lärmschutzwand sei zumindest bis zu dem den Bewilligungsbescheid aufhebenden Berufungsbescheid vom 27. Oktober 1998 gemäß § 25 Abs. 1 Z. 10 BO, somit jedenfalls im Zeitpunkt der Errichtung der Lärmschutzwand von der Baubewilligungspflicht nach der O.ö. Bauordnung 1994 ausgenommen gewesen. Auch die belangte Behörde verkenne, dass im Zeitpunkt der Errichtung der Lärmschutzwand im Sommer 1998 auf Grund des seinerzeit noch nicht mit Bescheid erledigten gewerbebehördlichen Berufungsverfahrens gemäß § 78 GewO in der geltenden Fassung der die Baubewilligungspflicht ausschließende Tatbestand des § 25 Abs. 1 Z. 10 BO bereits verwirklicht gewesen sei. Vielmehr sei es bei sonstiger Verwaltungsstrafe geboten gewesen, die von den Baubehörden nunmehr als nicht konsentiert angesehene Lärmschutzwand zu errichten. Auf Grund dieses Sachverhaltes hätte die belangte Behörde den Berufungsbescheid aufheben müssen, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund inhaltlich rechtswidrig sei.
Die Baubehörden haben den hier zu beurteilenden Bauauftrag auf § 49 Abs. 1 BO gestützt. Diese Gesetzesstelle hat in der hier anzuwendenden Stammfassung LGBl. Nr. 66/1994 folgenden Wortlaut:
"(1) Stellt die Baubehörde fest, dass eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie - unbeschadet des § 41 - dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann."
§ 49 Abs. 1 BO setzt demnach eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage voraus, die ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsansicht, die vom Bauauftrag umfasste bauliche Anlage sei nach § 25 Abs. 1 Z. 10 BO von der Bewilligungspflicht ausgenommen.
Diese Gesetzesstelle hat folgenden Wortlaut:
"§ 25
Ausnahmen von der Bewilligungspflicht
(1) Ausgenommen von der Bewilligungspflicht sind:
....
10. Lärm- und Schallschutzwände, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen sind oder errichtet werden;
...."
Die Baubehörden und die belangte Behörde gehen in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass diese Ausnahme von der Bewilligungspflicht im Beschwerdefall deshalb nicht angewendet werden könne, weil der im Grunde der §§ 74 und 77 GewO 1994 von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich erlassene Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vom 10. November 1997, mit welchem die Errichtung einer Lärmschutzwand vorgeschrieben worden sei, nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. Oktober 1998 als Berufungsbehörde sei nämlich der Berufung von Nachbarn gegen den Betriebsanlagenbewilligungsbescheid der Gewerbebehörde erster Instanz Folge gegeben und das Ansuchen um Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides abgewiesen worden.
Nun hat der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1999, Zl. 98/04/0233, den Berufungsbescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. Oktober 1998 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof wirkt gemäß § 42 Abs. 3 VwGG auf den Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Bescheides zurück (ex tunc-Wirkung). Diese ex tunc-Wirkung bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses bedeutet auch, dass allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-)Akten, die während der Geltung des dann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/05/0348, uva).
Für den Beschwerdefall bedeutet dies nun, dass ein erstinstanzlicher Betriebsanlagenbewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. November 1997 weiterhin vorliegt, jedenfalls aber im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides vorlag.
Gemäß § 78 GewO 1994 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 63/1997 (vgl. hiezu den 2. Abschnitt Art. III Abs. 2 dieses Bundesgesetzes) dürfen Anlagen oder Teile von Anlagen vor Eintritt der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides errichtet und betrieben werden, wenn
1. nur der Genehmigungswerber gegen den Genehmigungsbescheid berufen hat, oder
2. die Anlage vom Landeshauptmann genehmigt wurde und die Auflagen des Genehmigungsbescheides bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Das Recht zum Errichten und Betreiben gemäß Z. 2 endigt spätestens drei Jahre nach der Zustellung des Genehmigungsbescheides an den Genehmigungswerber.
Z. 2 gilt nicht, wenn das Arbeitsinspektorat gegen den Genehmigungsbescheid berufen hat.
Diese Norm wurde weder von den Baubehörden noch von der belangten Behörde in den Begründungen ihrer Bescheide mitbedacht. Im Beschwerdefall liegt ein Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vor, der dem Landeshauptmann im Sinne des § 78 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 zuzurechnen ist. Anlagen oder Teile von Anlagen, die vom Betriebsanlagengenehmigungsbescheid umfasst sind, dürfen daher errichtet und betrieben werden, wenn die Auflagen dieses Genehmigungsbescheides bei der Errichtung und beim Betrieb der Anlage eingehalten werden. Unter diesen Voraussetzungen war daher die Beschwerdeführerin als Inhaberin der Betriebsanlagengenehmigung berechtigt, die beschwerdegegenständliche Lärmschutzwand zu errichten, sofern diese von diesem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid, sei es als Teil der Anlage oder als zu erfüllende Auflage, umfasst war.
Ist die Lärm- und Schallschutzwand nach dem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vorgesehen und wird sie auf Grund dieses Bescheides zulässigerweise errichtet, besteht aber nach § 25 Abs. 1 Z. 10 BO eine Ausnahme von der baubehördlichen Bewilligungspflicht. § 25 Abs. 1 Z. 10 BO knüpft nicht an einen rechtskräftigen (Bewilligungs-)Bescheid an, sondern gewährt eine Ausnahme von der baubehördlichen Bewilligungspflicht für den Fall, dass Lärm- und Schallschutzwände nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen sind oder nach diesen Rechtsvorschriften errichtet werden. Ob diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall vorliegen, kann mangels entsprechender Feststellungen, welche die Behörden, ausgehend von ihrer als unzutreffend erkannten Rechtsansicht, nicht getroffen haben, vom Verwaltungsgerichtshof derzeit nicht beurteilt werden.
Schon aus diesem Grund erweist sich daher der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen war.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Jänner 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999050091.X00Im RIS seit
20.11.2000