TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/25 99/14/0129

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Veröffentlicht am 25.01.2000
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des HB, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 30. März 1999, RV 123/1-4/98, betreffend Haftung nach § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 2.500 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Über das Vermögen des AK wurde am 2. Juni 1995 der Konkurs eröffnet und am 12. Dezember 1995, nach Abschluss eines Zwangsausgleiches, wieder aufgehoben. Der Beschwerdeführer war Masseverwalter im Konkurs des AK.

Das Finanzamt hielt dem Beschwerdeführer im Jahr 1996 vor, es sei bei einer abgabenbehördlichen Prüfung bei AK festgestellt worden, dass für den Zeitraum August bis September 1995 Umsatzerhöhungen von 679.037 S und für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1995 Umsatzerhöhungen von 2,909.454 S vorzunehmen gewesen seien. Dies habe zu Umsatzsteuernachforderungen von 598.082 S geführt, die zum Teil auf die Zeit des Konkurses entfallen seien.

Aus einer im Verwaltungsakt befindlichen "Zusammenstellung der Prüfungsfeststellungen" betreffend AK, der in Österreich einen Kfz-Handel betreibt, ergibt sich, dass für das dritte Quartal 1995 Umsatzerhöhungen von 679.037 S und für das vierte Quartal Umsatzerhöhungen von 2,909.454 S, jeweils für "Erwerbe Fa. Si", vorzunehmen gewesen seien. Für den Zeitraum Jänner bis Juni 1996 seien die erklärten Umsätze einerseits um jene zu mindern, die sich aus der vorgenommenen Differenzbesteuerung hinsichtlich des Verkaufes der Autos der "Fa. Si" ergeben (220.065 S), und andererseits um die Umsätze aus dem Verkauf der genannten Autos zu erhöhen (2,235.744 S). AK habe gebrauchte Kfz der "Fa. Si" in München erworben und in der Folge in Österreich unter Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 24 UStG 1994 an Private verkauft. Die Voraussetzung für die Differenzbesteuerung, dass nämlich für den Erwerb im übrigen Gemeinschaftsgebiet entweder Umsatzsteuer nicht geschuldet oder die Differenzbesteuerung vorgenommen werde, sei aber nicht erfüllt gewesen.

Auf Vorhalt teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt u. a. mit, dem Erwerb eines gebrauchten Kfz der "Fa. Si" sei eine genaue Erhebung der umsatzsteuerlichen Rechtslage, und zwar unmittelbar durch telefonische Anfrage beim Finanzamt, bei Herrn Fi, vorgenommen worden. Nach Darstellung des Sachverhaltes habe Herr Fi zur Auskunft gegeben, dass gebrauchte Kfz, die älter als sechs Monate seien und deren Kilometerstand mehr als 6.000 betrage, bei der Einfuhr aus dem EG-Raum nach Österreich nicht "erwerbsbesteuert" würden; bei der Weiterveräußerung in Österreich würden solche Fahrzeuge wie inländische gebrauchte Kfz behandelt. Der Beschwerdeführer habe anschließend hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen der Erwerbsbesteuerung noch mit der Kanzlei des Steuerberaters Dr. N gesprochen; dabei sei ihm die Richtigkeit der Auskunft des Herrn Fi bestätigt worden.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom 19. August 1997 wurde der Beschwerdeführer als Masseverwalter im Konkurs des AK gemäß § 9 Abs 1 BAO für Umsatzsteuer 1995 in Höhe von 311.985 S zur Haftung herangezogen. Die Tatsache der Einholung einer Auskunft beim Finanzamt sei aktenkundig und werde vom betroffenen Finanzbediensteten nicht bestritten. Das Finanzamt sehe es aber mit Rücksicht auf die Tragweite der Rechtsfrage nicht als ausreichend an, dass sich der Beschwerdeführer mit der telefonischen Auskunft des für die steuerliche Behandlung von Autodirektimporten zuständigen Bediensteten des Finanzamtes zufrieden gegeben habe; der Beschwerdeführer hätte der ihm obliegenden Informationspflicht nur durch eine schriftliche Anfrage an das Finanzamt Genüge getan. Die Umsätze für das dritte Quartal fielen zur Gänze in die Verantwortung des Beschwerdeführers, die Umsätze des vierten Quartals aber nur mehr hinsichtlich jenes des Oktobers. Die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Umsatzerhöhung betrage 1,871.913 S, die darauf entfallende Umsatzsteuer 311.985 S.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer werde für Umsatzsteuer betreffend den Zeitraum August bis Oktober 1995 (insgesamt 311.985 S) in Anspruch genommen. Eine im September 1996 durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung habe die Nachforderung für den genannten Zeitraum ergeben. Der Abgabenbetrag sei beim Primärschuldner auf Grund seiner finanziellen Situation, nämlich Abgabenrückständen von ca 1,5 Mio S, nicht einbringlich. Das Unternehmen des Gemeinschuldners sei während des Konkursverfahrens fortgeführt worden. Der Beschwerdeführer habe die schon vorher im Betrieb tätige Margit L mit der Führung der Buchhaltung betraut. Nach den Feststellungen der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht ausreichend überprüft. Nur die Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 1995 trage seine Unterschrift, jene für Juli, August und September 1995 seien von seiner Kanzleileiterin unterfertigt worden. Die Differenzbesteuerung sei nicht erst durch das UStG 1994 eingeführt worden, sondern auch im UStG 1972 vorgesehen gewesen. Mit dem UStG 1994 komme als Besonderheit lediglich dazu, dass gemäß Art 24 der Binnenmarktregelung die Differenzbesteuerung im Rahmen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung und bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung neuer Fahrzeuge ausdrücklich ausgeschlossen sei. "Den Feststellungen der Betriebsprüfung entsprechend wurden die Umsätze aus der Weiterveräußerung von bei einem Unternehmer (KFZ-Autovermietung) in der BRD erworbenen gebrauchten Fahrzeugen der Differenzbesteuerung unterworfen. Die Voraussetzungen für die Differenzbesteuerung lagen nach den gesetzlichen Bestimmungen eindeutig nicht vor." Der belangten Behörde sei nicht klar, wie der Beschwerdeführer zu der Auffassung gelange, aus der von ihm an das Finanzamt gestellten Anfrage ergebe sich, dass die Differenzbesteuerung zur Anwendung kommen könne. Die Auskunft des Finanzamtes habe nämlich dahingehend gelautet, dass bei der Weiterveräußerung die Umsatzbesteuerung wie bei inländischen gebrauchten Fahrzeugen erfolge und dass im Ausland keine Umsatzbesteuerung vorgenommen werde. Der Steuerberater habe sich bei einer Befragung durch das Finanzamt nicht daran erinnern können, welche konkrete Frage der Beschwerdeführer an ihn gestellt habe. Die Buchhalterin Margit L habe angegeben, die steuerliche Behandlung der Umsätze nach den Anweisungen des Gemeinschuldners vorgenommen zu haben. Es sei davon auszugehen, dass die Buchhalterin die Sonderregelungen der Differenzbesteuerung über Anweisung des Gemeinschuldners zu Unrecht angewandt habe. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte dem Beschwerdeführer oder seiner Kanzleileiterin die unrichtige steuerliche Behandlung auffallen müssen. Die vom Beschwerdeführer und auch von der Kanzleileiterin angeführte Auskunftserteilung (des Finanzamtes bzw des Steuerberaters) lasse nur auf eine Anfrage betreffend die Erwerbsbesteuerung und nicht auf eine solche betreffend die Differenzbesteuerung schließen. Das schuldhafte Verhalten des Beschwerdeführers, welches zur Uneinbringlichkeit der Abgabe geführt habe, liege darin, dass der Beschwerdeführer nicht die gehörige Aufmerksamkeit habe walten lassen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach der Gemeinschuldner außerhalb der (genehmigten) Unternehmensfortführung Rechtsgeschäfte abgeschlossen habe, folge die belangte Behörde nicht, zumal der Gemeinschuldner im Zuge des Konkursverfahrens wohl kaum ausreichende Mittel für Barkäufe bei dem deutschen Unternehmen gehabt hätte; zudem habe auch die Buchhalterin ausgesagt, dass mehrere Kfz importiert worden seien und diese Geschäfte vom Beschwerdeführer genehmigt gewesen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten (iSd § 9 Abs 1 BAO) des Beschwerdeführers erblickt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - Gleiches ergibt sich auch aus ihren Ausführungen in der Gegenschrift - darin, dass er es hinsichtlich der Umsatzsteuerzeiträume August bis Oktober 1995 unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass die Besteuerung der Weiterveräußerung der von der "Fa. Si" gekauften Kfz nach den allgemeinen umsatzsteuerlichen Vorschriften erfolge. Die Voraussetzungen des § 24 UStG 1994 betreffend die Differenzbesteuerung seien nämlich nicht gegeben.

Die belangte Behörde übersieht dabei, dass in der "Zusammenfassung der Prüfungsfeststellungen" vom 6. September 1996 eine Veräußerung der Kfz durch AK dem Zeitraum Jänner bis Juni 1996 zugeordnet ist. Im Jahr 1996 oblag dem Beschwerdeführer allerdings nicht mehr die Funktion des Masseverwalters.

Der angefochtene Bescheid lässt nicht erkennen, auf Grund welcher Überlegungen die belangte Behörde zur Sachverhaltsfeststellung gelangt ist, dass die Weiterveräußerung der von der "Fa. Si" eingekauften Kfz bereits in den Monaten August bis Oktober 1995 erfolgt sei. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl 416/1994. Der Beschwerdeführer hat als Rechtsanwalt die Beschwerde eigenhändig unterfertigt, er ist nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten; gemäß § 49 Abs 1 VwGG idF BGBl 1997 I 88 konnte daher ein Kostenersatz für den Schriftsatzaufwand nicht zugesprochen werden.

Wien, am 25. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999140129.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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