Entscheidungsdatum
10.07.2018Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Spruch
W185 2200411-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2018, Zl. 1191038903/180487639, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Irak, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.05.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein. Mit ihr reiste ihr volljähriger Sohn (Anm: weshalb gegenständlich kein Familienverfahren geführt wurde).
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 01.06.2018 persönlich ausgefolgt. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt und wurde die Beschwerdeführerin darüber mittels Verfahrensanordnung informiert.
Am 14.06.2018 unterschrieb die Beschwerdeführerin folgenden Rechtsmittelverzicht:
"Ich verzichte im Verfahren zu meinem Antrag auf internationalen Schutz mit der Zahl 1191038903 auf ein Rechtsmittel gegen den am 01.06.2018 ergangenen Bescheid und erkläre mich mit einer Überstellung in den im Rahmen eines Konsultationsverfahrens als zuständig festgestellten Mitgliedstaat Bulgarien einverstanden. Der Inhalt wurde mir von einer sprachkundigen Vertrauensperson erklärt. Meine Beraterin vom Verein Menschenrechte Österreich war Frau (es folgen Vor- und Nachname der Rechtsberaterin)."
Am 28.06.2018 wurde die Beschwerdeführerin (gemeinsam mit ihrem volljährigen Sohn) auf dem Luftweg nach Bulgarien überstellt.
In der Folge wurde von der Beschwerdeführerin am 29.06.2018 die vorliegende, von einer Rechtsanwältin verfasste, Beschwerde gegen den o.g. Bescheid des Bundesamtes erhoben. Die Beschwerde war mit 28.06.2018 datiert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 01.06.2018 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.
Ebenfalls am 01.06.2018 wurde der Beschwerdeführerin als Rechtsberater der Verein Menschenrechte Österreich zur Seite gestellt. Die Beschwerdeführerin wurde darüber mittels Verfahrensanordnung informiert.
Am 14.06.2018 unterfertigte die Beschwerdeführerin einen ausdrücklichen schriftlichen Rechtsmittelverzicht betreffend den am 01.06.2018 ergangenen Bescheid über ihren Antrag auf internationalen Schutz und erklärte sich mit der Überstellung in den im Rahmen eines Konsultationsverfahrens als zuständig festgestellten Mitgliedstaat Bulgarien einverstanden. Der Inhalt des Verzichts wurde der Beschwerdeführerin von einer sprachkundigen Vertrauensperson erklärt. Die Beraterin seitens des Verein Menschenrechte Österreich ist in dem genannten Schreiben auch namentlich genannt.
Gegen den angefochtenen Bescheid wurde dennoch am 29.06.2018 Beschwerde erhoben.
Die Beschwerdeführerin leidet an keiner psychischen Erkrankung und auch sonst lagen keine Willensmängel bei der Abgabe der Verzichtserklärung vor.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und wurden von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin nicht an einer psychischen Erkrankung leidet, ergibt sich aus deren eigenen Angaben im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt, wo keine Gesundheitsprobleme vorgebracht wurden. Auch in der Beschwerde wurde eine Erkrankung nicht releviert. Es liegen somit keinerlei Anhaltspunkte hinsichtlich einer psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin vor.
Ein Willensmängel bei der Abgabe der Rechtsmittelverzichtserklärung wurde nicht einmal behauptet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
§ 7 Abs. 2 VwGVG lautet:
"Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat."
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Beschwerdeverzicht eine von der Partei vorgenommene Prozesshandlung, der die Wirkung anhaftet, dass eine von der Partei eingebrachte Beschwerde einer meritorischen Erledigung nicht zugeführt werden darf. Ein einmal ausgesprochener Beschwerdeverzicht kann auch nicht mehr zurückgenommen werden. Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichtes ist besonders streng zu prüfen, und es ist ein anlässlich der Abgabe eines Beschwerdeverzichtes vorliegender Willensmangel zu Gunsten der Partei zu beachten. Voraussetzung für einen gültigen Beschwerdeverzicht ist weiters, dass er ohne Druck und in Kenntnis seiner Rechtsfolgen abgegeben wird (VwGH 12.05.2005, 2005/02/0049).
Für den Beschwerdeverzicht bestehen keine besonderen Formvorschriften, jedoch muss dieser ausdrücklich und zweifelsfrei erklärt werden und frei von Willensmängeln sein; liegt ein Willensmangel vor, ist der Verzicht unwirksam. Die Rechtsprechung wendet dabei sinngemäß die Regeln des Zivilrechts über den Irrtum, insbesondere § 871 ABGB, an. Demnach kommt eine rechtsverbindliche Willenserklärung der verzichtenden Partei unter anderem dann nicht zustande, wenn sie in einem wesentlichen Irrtum befangen und dieser "durch den anderen Teil", d. h. durch den Organwalter der Behörde, "veranlasst war". "Veranlassen" umfasst in diesem Zusammenhang jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten des Organwalters, wobei nicht gefordert ist, dass die Irreführung schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, herbeigeführt wurde. Ein Willensmangel liegt aber beispielsweise auch dann vor, wenn die Partei durch eine irreführende oder unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten einer Beschwerde bekommen hat. Neben der Kenntnis seiner Rechtsfolgen ist Voraussetzung für einen gültigen Beschwerdeverzicht auch, dass die Partei nicht von der Behörde in rechtswidriger Weise durch Druck, Zwang oder Drohung zur Abgabe bestimmt wurde. Abgesehen davon kommt es aber auf die Absichten, Motive und Beweggründe, welche die Partei zum Verzicht veranlasst haben, nicht an (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 63, Rz. 75-76).
Ein Beschwerdeverzicht eines Fremden ist ohne Beiziehung eines Dolmetschers nur dann wirksam, wenn feststeht, dass der Fremde im Zeitpunkt der Abgabe des Beschwerdeverzichtes der deutschen Sprache hinlänglich mächtig war, um sich der Tragweite des Verzichtes bewusst zu sein, und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann (VwGH 27.04.2016, Ra 2015/10/0111).
Ein Beschwerdeverzicht kann - und zwar durch ausdrückliche Erklärung - erst nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides und während der Rechtsmittelfrist erfolgen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/02/0227).
Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind an einen wirksamen Beschwerdeverzicht strenge Maßstäbe anzulegen, um einen Willensmangel bei seiner Abgabe ausschließen zu können. Dieser strenge Beurteilungsmaßstab erfordert eine hinreichende Ermittlung der Umstände, unter welchen der Verzicht abgegeben wurde, um dessen Wirksamkeit beurteilen zu können. Die Rückkehrvorbereitung durch einen Rechtsberater kann die gesetzlich zwingend vorgesehene Rechtsberatung durch den dazu bestellten Rechtsberater nicht ersetzen. Zweck der Rechtsberatung ist es, den Asylwerber im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beraten, was die Beratung darüber einschließt, ob eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden soll. Damit hat sich die Rechtsberatung aber jedenfalls auf all jene Rechtshandlungen zu beziehen, die diese Fragen in irgendeiner Weise endgültig entscheiden. Die Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes zählt jedenfalls dazu (VfGH 12.03.2014, U 1286/2013; 26.02.2014, U 489/2013).
Im vorliegenden Beschwerdefall erklärte die Beschwerdeführerin nach der Zustellung des angefochtenen Bescheides und im Beisein der für das Asylverfahren bestellten Rechtsberaterin und einer sprachkundigen Vertrauensperson schriftlich, dass sie auf die Einbringung einer Beschwerde verzichte und mit der Überstellung in den für die Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat Bulgarien einverstanden sei.
Die Rechtsfolge des Beschwerdeverzichtes, nämlich die Durchsetzung des angefochtenen Bescheides durch Rückkehr der Beschwerdeführerin in den für seinen Antrag auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat Bulgarien, ist in der unterschiebenen Erklärung ausdrücklich angeführt, sodass ein Irrtum ausgeschlossen werden kann.
Da somit nach Zustellung des angefochtenen Bescheides und innerhalb der Rechtsmittelfrist ein wirksamer Beschwerdeverzicht abgegeben wurde, welcher auch nicht widerrufen werden kann, ist dieser Bescheid bereits am 14.06.2018 in Rechtskraft erwachsen, weshalb die am 29.06.2018 dennoch erhobene Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Rechtsmittelverzicht, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W185.2200411.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.07.2018