TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/10 W182 2169136-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.07.2018

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs4 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W182 2169136-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Republik der Philippinen, vertreten durch die ARGE-Rechtsberatung- Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2017, Zl. 480695600-170381885, gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 52 Abs. 4, 52 Abs. 9, 55 und 46

Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist Staatsangehörige der Philippinen und stammt aus XXXX. Ihr wurde auf Erstantrag im Herkunftsland im Juni 2009 eine bis 28.06.2010 gültige Aufenthaltsbewilligung Schüler für das Bundesgebiet erteilt, welche in weiterer Folge von der Niederlassungsbehörde wiederholt verlängert wurde.

Nach einem Verlängerungsantrag der BF im Juni 2014 wurde seitens der Niederlassungsbehörde im September 2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) der Antrag auf Einleitung eines Verfahrens gemäß § 55 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr. 1000/2005, gestellt. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass die BF, die bis vor kurzem mit ihrer Tante zusammengelebt habe, die sie finanziell unterstützt habe (Haftungserklärung), aufgrund familiärer Probleme zu ihrem Freund gezogen sei und über keinerlei finanzielle Mittel verfüge. Hinsichtlich ihres Schulerfolges habe sie bereits mehrmals kein positives Semesterzeugnis vorlegen können.

Hinsichtlich des Antrages zur Aufenthaltsbeendigung gemäß § 55 NAG teilte das Bundesamt der Niederlassungsbehörde im November 2014 nach Einvernahme der BF gemäß § 55 Abs. 3 und Abs. 4 NAG mit, dass durch den weiteren Aufenthalt der BF keine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 55 Abs. 3 NAG vorliege und auch keine weiteren Gründe für eine Aufenthaltsbeendigung ermittelt werden haben können, weshalb einen Aufenthaltsbeendigung entgegen der Anregung unterbleiben habe können. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich mittlerweile die familiäre Situation der BF, die abgesehen von regelmäßigen Übernachtungen bei ihrem Freund ihren rechtmäßigen Wohnsitz wieder bei ihrer Familie (Tante) habe und deren Unterstützung in allen Belangen genieße, sodass sowohl der Lebensunterhalt als auch die Wohnbedürfnisse gesichert erscheinen, wieder normalisiert habe. Dass die BF ihren Schulerfolg vorübergehend nicht fristgerecht erbracht habe, sei neben Eigenverschulden auf Familienprobleme zurückzuführen. Es sei jedoch nicht aussichtslos und unwahrscheinlich, dass sie den Schulerfolg in einer HAK durch Nachholung der ausstehenden Kolloquien zum Semesterende nachhole.

Laut vorgelegten Semesterzeugnis für das Schuljahr 2014/2015 einer Bundeshandelsakademie vom 06.02.2015 hat die BF das dritte Semester nicht erfolgreich abgeschlossen, wobei sie u.a. in drei Fächern negativ und in 5 Fächern nicht beurteilt wurde. Zuvor ist es ihr auch nicht gelungen, ein wirtschaftskundliches Bundesrealgymnasiums für Berufstätige positiv abzuschließen.

Ihren Verlängerungsantrag im Mai 2015 für eine Aufenthaltsbewilligung als Schülerin war als Begründung eine Bestätigung der XXXX, wonach die BF dort einen Heimhilfe-Kurs von Februar 2016 bis Februar 2017 besuche, beigelegt. Ihr wurde seitens der Niederlassungsbehörde zuletzt eine bis zum 28.06.2016 gültige Aufenthaltsbewilligung Schüler erteilt.

Am 22.06.2016 stellte die BF bei der Niederlassungsbehörde neuerlich einen Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung.

Mit am 17.02.2017 zugestelltem Parteiengehör vom 19.01.2017 wurde der BF seitens der Niederlassungsbehörde mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels nicht mehr vorliegen, zumal sie weder ihren Schulerfolg noch ihren Lebensunterhalt nachgewiesen habe. Hierzu wurde für die BF am 20.02.2017 eine Stellungnahme abgegeben und ein Semesterzeugnis des XXXX für das Wintersemester 2016/2017 vorgelegt.

Mit Schreiben der Niederlassungsbehörde vom 24.03.2017 wurde der Akt der BF zur Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem AsylG 2005 an das Bundesamt mit der Anmerkung vorgelegt, dass aufgrund fehlender Voraussetzungen auch kein Umstieg auf einen Aufenthaltstitel Rot Weiß Rot Karte plus möglich sei.

Seitens des Bundesamtes wurde der BF im Rahmen des Parteiengehörs am 15.05.2017 mitgeteilt, dass ein fremdenpolizeiliches Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung eingeleitet wurde, ihr Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt und Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen (Fragenkatalog) erbeten, wozu sich die BF mit Schriftsatz ihres bevollmächtigten Vertreters vom 10.07.2017 äußerte. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ihre Tante und ihr Onkel in Österreich aufhältig und österreichische Staatsbürger seien. Die BF selbst habe im September 2016 eine Ausbildung als Fachsozialhelferin bei einem XXXX begonnen und vom Februar 2015 bis Februar 2017 in einem Gastronomiebetrieb gearbeitet. Finanziell werde die BF von ihrem Freund, mit welchem sie schon seit über zwei Jahren in einer festen Beziehung stehe, einer guten Bekannten sowie ihrem Onkel unterstützt. Eine Krankenversicherung liege aktuell nicht vor, da die BF keiner Erwerbstätigkeit nachgehe. Die BF beziehe keine Sozialhilfeleistungen in Österreich. Sie wohne bei der Schwester ihres Freundes und müsse für die Unterkunft nicht bezahlen. Sie sei seit sieben Jahren in Österreich aufhältig. Weiters wurde eine Einstellungszusage eines Gastronomiebetriebes für eine 20 Stunden pro Woche Anstellung als Kassenkraft bei Erteilung einer Arbeitsgenehmigung sowie ein Semesterzeugnis des XXXX für das Sommersemester 2016/17 vorgelegt.

1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen, oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG auf die Philippinen zulässig sie (Spruchpunkt II.) und gemäß § 55 Abs. 2 FPG festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.). Das Bundesamt ging davon aus, dass die Identität der BF feststehe, weiters dass sich die BF nach Einreise mit einem D-Visum seit 2009 legal auf Grund eines Aufenthaltstitels Schülerin bis zum 25.06.2016 im Bundesgebiet befinde. Zu ihrem Privat- und Familienleben wurde festgestellt, dass sie mit ihren Verwandten nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebe, keiner erlaubten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgehe und kein besonderes Naheverhältnis zu in Österreich legal aufhältigen Personen habe ermittelt werden können, insbesondere keine finanzielle Unterstützung und auch kein gemeinsamer Haushalt mit einem namentlich genannten Freund. Im Herkunftsstaat verfüge sie über Familienangehörige und die öffentlichen Interessen Österreichs würden ihre privaten Interessen (am Verbleib im Bundesgebiet) überwiegen. Sodann wurden Feststellungen zum Herkunftsstaat der BF getroffen. Rechtlich wurde ausgeführt, dass im Fall der BF die Voraussetzungen gemäß § 52 Abs. 4 FPG vorlägen, wonach die Behörde nach dem NAG verpflichtet sei, ihr bekanntgewordene Tatsachen, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigten, dem Bundesamt mitzuteilen. Werde durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen, so sei die Erlassung gemäß § 9 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Weder bestehe ein gemeinsamer Haushalt mit ihrem Onkel und ihrer Tante im Bundesgebiet, noch liege eine Haftungserklärung ihrer Tante vor und hätten andere Zusagen nicht ermittelt werden können. Eine Beziehung zu ihrem namentlich genannten Freund habe nicht nachgewiesen werden können, ebenso wenig eine finanzielle Unterstützung durch ihn. Ein gemeinsamer Wohnsitz liege nicht vor, auch nicht eine Verlobung oder Eheschließung. Für die BF würden ihre Kenntnisse der deutschen Sprache, ihre Unbescholtenheit, ihr Wille zum weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet und ihre zeitweise Erwerbstätigkeit sprechen. Dagegen spreche das Fehlen eines schützenswerten Familienlebens. Auch ihr Privatleben erscheine nach ihrem schulischen Scheitern nicht schützenswert, zumal ein Umstieg in einen anderen Aufenthaltstitel nicht möglich sei, was ihr bewusst gewesen sei und sie ihren siebenjährigen Aufenthalt nicht dazu genutzt habe, um eine Studienberechtigung und damit einen weiteren legalen Aufenthaltstitel zu erlangen. Die vorgelegte Bescheinigung eines Gastronomiebetriebes könne nicht als Einstellungszusage gewertet werden und sei wegen fehlender Gehaltsangaben davon auszugehen, dass die BF dadurch nicht selbsterhaltungsfähig wäre. Ferner könne nicht von ihrer sozialen Integration ausgegangen werden, da sie wiederholt Probleme in der Schule gehabt und keinen Freundeskreis habe finden können. Ihr Kontakt zu Tante und Onkel habe sich nicht wie 2014 angenommen verbessert. Außer zu einer Freundin und einem Freund samt dessen Schwester habe sie keine sozialen Beziehungen aufbauen können. Ihre Schulerfolge würden sich immer erst nach Interventionen und Nachsicht durch die Behörde einstellen. Ihr unentgeltliches Wohnrecht habe nicht belegt werden können. Wegen ihrer schleppenden schulischen Erfolge, des Auseinanderlebens mit ihren durch eine Haftungserklärung verbundenen Verwandten in Österreich und der nach sieben Jahren kaum stattgefundenen Integration sei eine Rückkehrentscheidung auszusprechen gewesen. Es ergebe sich aus den Feststellungen zum Zielstaat keine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG und habe die BF selbst keine solchen Gründe vorgebracht. Auch seine keine Gründe gemäß § 55 FPG hervorgekommen, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festzusetzen gewesen sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 04.08.2017 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

1.3. Gegen den Bescheid wurde seitens der bevollmächtigten Vertreter der BF für diese binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wurde ua. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die BF lebe seit mehr als 8 Jahren, also bereits ein Drittel ihres Lebens in Österreich und habe hier Familienangehörige und einen Lebensgefährten. Sie halte zudem täglichen Kontakt zu ihrem Onkel und ihrer namentlich genannten "Pflegemutter", welche die BF immer mit Bargeld unterstützt hätten. Ihr Freund wohne noch bei seinen Eltern. Mit ihrer Adoptivmutter auf den Philippinen habe die BF nur mehr via Facebook einmal wöchentlich und einmal monatlich telefonisch Kontakt. Ihre leiblichen Eltern kenne die BF nicht und würden Adoptivkinder nicht gleichwertig wie eigene Kinder behandelt werden. Der Partner der BF habe Einkünfte von monatlich 1500.- Euro und werde eine Haftungserklärung von ihm vorgelegt. Die Beziehung bestehe seit zwei Jahren, er lebe praktischerweise jedoch noch bei den Eltern. Davor habe die BF eine 3,5 Jahre lange Beziehung mit einem Österreicher geführt. Eine derartige Bindung habe die BF nicht zu ihren auf den Philippinen lebenden Angehörigen; dies habe die Behörde unberücksichtigt gelassen. Zur Selbsterhaltungsfähigkeit der BF wurde auf eine bereits vorgelegte Einstellungszusage eines Gastronomiebetriebes verwiesen und vorgebracht, dass sie infolge der von ihrem Onkel zur Gänze bezahlten Miete damit ihren Unterhalt habe bestreiten können. Durch die geplante Fortbildung in der Altenpflege und den künftigen Abschluss dieser Ausbildung sei auch von ihrer künftigen Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen, zumal sie auch bereits über eine mündliche Arbeitszusage vom Altersheim nach Abschluss ihrer Ausbildung verfüge. Die Feststellungen der Behörde seien vage, gingen überhaupt nicht auf die von der BF vorgelegten Urkunden ein und seien daher nicht ausreichend, um der BF keine Verfestigung im Bundesgebiet vorwerfen zu können. Die BF sei sehr integriert, spreche fließend Deutsch und hätten die Familienangehörigen jederzeit die sozialen und familiären Anknüpfungspunkte der BF in Österreich bezeugen können und sei von ihrer permanenten Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen. Zweifellos habe die BF seit mehr als 5 Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Österreich, weshalb ihr Privat- und Familienleben überwiege und ihr ein Aufenthaltstitel zu gewähren sei. Der Beschwerde waren u.a. Bestätigungen über Praktikumseinsätze der BF, ein Mietvertag, ein Meldezettel sowie ein Schreiben der BF vom 28.05.2017, das im Wesentlichen ihre bisherigen Schulbesuche betraf, beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 29.08.2017 wurde eine Haftungserklärung des Freundes der BF gemäß § 2 Abs. 1 Z 15 NAG vom 08.03.2017 in Kopie vorgelegt.

Am 19.09.2017 teilte das Bundesamt mit, dass die BF den Schengen-Raum verlassen hat und sich von Dubai auf die Philippinen begeben werde. Nach der Stellungnahme des Vertreters der BF vom 21.09.2017 hat diese mit ihrem österreichischen Lebensgefährten eine Urlaubsreise nach Dubai unternommen und kann seither nicht mehr nach Österreich einreisen.

1.4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 09.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, zu der ein Vertreter des Bundesamtes entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch eine zeugenschaftliche Einvernahme der Tante der BF, deren Lebensgefährten (Onkel) sowie der Frau XXXX in Anwesenheit des bevollmächtigten Vertreters der BF, weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, wobei das Bundesamt lediglich schriftlich die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die Tante der BF, eine österreichische Staatsangehörige, legte im Wesentlichen unmissverständlich dar, dass ihr Verhältnis zur BF aufgrund mehrfachen Vertrauensbruches durch diese unwiederbringlich zerrüttet sei. Ihrerseits sei keinerlei Unterstützung hinsichtlich der BF zu erwarten. Sie wolle nichts mehr mit ihr zu tun haben.

Der Lebensgefährte der Zeugin, ebenfalls ein österreichischer Staatsangehöriger, brachte auf Nachfragen im Wesentlichen vor, dass er Kontakt zur BF auf den Philippinen habe. Finanziell habe er die BF mit Ausnahme von Fahrkarten kaum unterstützt.

Frau XXXX, die Großmutter einer ehemaligen Schulkollegin der BF und österreichische Staatsangehörige, brachte im Wesentlichen vor, dass sie die BF als Freundin und finanziell unterstütze. Sie übe quasi die Funktion eines Elternersatzes für die BF aus. Die BF habe etwa bis 2012 bei ihrer Tante gewohnt, danach u.a. etwa bis Februar 2015 bei ihrem damaligen Freund. Mit ihrem nunmehrigen Freund sei sie seither zusammen. Von November 2016 bis März 2017 habe sie mit ihm zusammen bei dessen Eltern gewohnt. Sie habe dann in der Wohnung der Schwester ihres Freundes gewohnt. Die BF habe zwei Jahre geringfügig bei einem Pfarramt als Putzkraft und zwei Jahre bei einem Gastronomiebetrieb gearbeitet, habe diese Arbeit aber beendet, da sie ein Praktikum von 520 Stunden zu absolvieren gehabt hätte, und dies sich zeitlich nicht mehr ausgegangen wäre. Die BF sei im September 2017 nach einer Urlaubsreise nach Dubai, zu der sie zu ihrem Geburtstag eingeladen worden sei, ins Herkunftsland zurückgekehrt, da sie nicht mehr nach Österreich einreisen habe können. Derzeit halte sie sich bei ihren Adoptiveltern auf. Laut der von der Zeugin eingeholten Information könnte die BF ihre Ausbildung bei XXXX fortsetzen und würde dies noch zwei Semester dauern. Das erste Semester sei ihr damals von der Caritas gespendet, das zweite Semester teilweise von der Zeugin sowie dem Freund der BF finanziert worden, wobei noch ein Teilbetrag von 276,- Euro offen sei. Die Ausbildung koste im Semester 476,- Euro. Die BF könne bei einer Rückkehr im Sommerhaus der Zeugin wohnen.

Mit dem bevollmächtigten Vertreter der BF wurden in der Verhandlung 09.04.2018 aktuelle Länderberichte zum Herkunftsstaat erörtert, wobei ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde, binnen 2 Wochen eine schriftliche Stellungnahme dazu nachzureichen.

In einer fortgesetzten Verhandlung am 23.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht wurde in Anwesenheit des bevollmächtigten Vertreters der BF Beweis aufgenommen durch eine zeugenschaftliche Einvernahme des in der Beschwerde genannten Freundes der BF, XXXX. Der Zeuge ist österreichischer Staatsangehöriger und brachte im Wesentlichen vor, dass er seit 2014/15 mit der BF befreundet sei. Eine Beziehung habe er jedoch nie mit der BF gehabt. Bei einer Rückkehr würde er die BF finanziell unterstützen. Er verdiene im Monat etwa 1.600,- Euro. Die BF halte sich derzeit bei ihren Eltern auf den Philippinen auf.

In der Verhandlung wurde weiters telefonisch ein Gespräch mit dem Direktor des XXXX geführt, dessen Angaben zufolge die BF ihre Ausbildung neu beginnen müsste, da sie zu wenig Praktikum-Stunden habe. Zu schulischen Leistungen befragt gab dieser an, dass die BF alle Theoriefächer positiv abgeschlossen habe, ihr Problem jedoch die Fehlstunden gewesen seien. Die Fehlstunden seien nicht ab September 2017, sondern laufend während der ganzen Ausbildung entstanden. Da die Ausbildung dual ausgelegt sei und die Theorieteile im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Praxisteilen stehen würden, müsste die BF alles noch einmal machen. Sie müsste sich auch neu anmelden und müsste man sich mit ihr auseinandersetzen und entscheiden, ob sie wieder aufgenommen werde. Die BF habe vor ihrer Ausbildung bei der XXXX auch einen Ausbildungsplatz bei der XXXX erhalten, der von einer Arbeitsstiftung finanziell unterstützt worden sei, sie habe diesen jedoch abgebrochen. Die Gründe dafür seien dem Direktor unbekannt.

1.5. Laut einem Schreiben vom 14.05.2018 der Frau XXXX wäre es möglich, dass die BF wieder das dritte und vierte Semester einer Abend-Handelsakademie bis zum Abschluss besuchen könnte. Währenddessen könnte die BF in der Gastronomie halbtags Wohnung und Lebensunterhalt verdienen. Auch bestünde nach ihren Informationen Interesse von Arbeitgebern an Personen, die im Rahmen der Fachsozialen Schulen der XXXX und XXXX bereits ein Pflegepraktikum im Ausmaß von 380 Stunden geleistet hätten, wobei ein Führerschein nötig wäre. Beides wäre der BF schon zuzutrauen.

Mit Schreiben vom 24.05.2018 wurde eine Bestätigung einer Abend-Handelsakademie nachgereicht, wonach die BF im Dezember 2018 wieder an dieser Schule als Studierende des dritten Semesters einsteigen könnte, wobei sich die Ausbildung insgesamt über acht Semester erstrecken würde und der BF einzelnen Unterrichtsmodule angerechnet werden könnten.

Mit Schreiben vom 05.06.2018 wurde eine Haftungserklärung des XXXX nach § 2 Abs. 1 Z 15 NAG vom 04.06.2018 für die BF in Kopie nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum individuellen Vorbringen der BF:

Aufgrund der der Entscheidung zugrunde liegenden Akten des Bundesamtes samt Beschwerdeschrift sowie des Bundesverwaltungsgerichtes und den zeugenschaftlichen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 09. und 23.04.2018 steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Die BF ist Staatsangehörige der Philippinen von der Insel XXXX und befand sich seit ihrer legalen Einreise im August 2009 mit einer Aufenthaltsbewilligung Schüler bis zum 25.06.2016 legal im österreichischen Bundesgebiet. Am 22.06.2016 beantragte sie die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels. Im September 2017 verließ sie zum Zweck einer Urlaubsreise ohne Bestätigung eines Rückreisevisums freiwillig den Schengenraum und kehrte noch im September 2017 ins Herkunftsland zurück, wo sie sich seither bei ihren Adoptiv-Eltern aufhält.

Die BF ist arbeitsfähig und verfügt über eine Schulausbildung samt Matura auf den Philippinen. Sie hat aktuell keine lebensbedrohenden Krankheiten geltend gemacht. Die BF verfügt im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte (Adoptiv-Eltern).

Die unbescholtene BF hat sich rund acht Jahre legal ohne Niederlassung im Bundesgebiet aufgehalten. In Österreich halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten der BF auf, zu denen ein enges Verhältnis besteht. Ihre in Österreich lebende Tante wünscht keinen Kontakt mehr zur BF. Die BF hat im Bundesgebiet ihre Ausbildungen (Gymnasium, HAK-Abendschule, Ausbildungen bei XXXX) immer wieder abgebrochen. Bei ihrer letzten Ausbildung bei XXXX war ihr Lernerfolg bereits vor Abbruch durch eine erhebliche Anzahl von Fehlstunden bei Praktika belastet. Daneben war sie zwei Jahre stundenweise, zunächst im Pfarramt und zuletzt bei einem Gastronomiebetrieb geringfügig berufstätig und hat damit zu ihrem Lebensunterhalt beigetragen und diesen mit zusätzlichen finanziellen Unterstützungen österreichischer Freunde bestritten. Es ist davon auszugehen, dass die BF über sehr gute Deutschkenntnisse und einem inländischen Freundes- und Bekanntenkreis verfügt.

Im Übrigen wird der unter Punkt I. festgehaltene Verfahrensgang den Feststellungen zugrundegelegt.

1.2. Zur Situation im Herkunftsland wird von folgenden Feststellungen ausgegangen:

1.2.1. Sicherheitslage:

Seit der Unabhängigkeit der Republik der Philippinen am 4. Juli 1946 existiert eine Reihe virulenter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte, die bis heute von sämtlichen Regierungen gar nicht oder nur teilweise gelöst werden konnten. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Gruppen, die - mitunter auch bewaffnet - gegen die Zentralregierung und für unterschiedliche politische Ziele kämpfen. Nennenswert sind vor allem die kommunistische Neue Volksarmee (NPA) auf der Nordinsel Luzon und die Moro Nationale Befreiungsfront (MNLF) auf der Südinsel Mindanao, welche für einen unabhängigen Bangsamoro-Staat kämpft. Hinzu kommen muslimische Organisation, wie die Moro Islamische Befreiungsfront (MILF) (GIZ 12.2016a). Am 2. September 2016 wurde ein Bombenanschlag auf einen Nachtmarkt in der in Ost-Mindanao gelegenen Stadt Davao verübt. Im Nachgang dieses Anschlags und aufgrund erhöhter Gefahren von terroristischen Anschlägen wurde die philippinische Polizei am 1. Dezember 2016 landesweit bis auf weiteres in eine erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und ein "State of Lawlessness" ausgerufen. Dies erfolgte im Kontext von Gefechten der philippinischen Armee mit islamistischen Gruppen im Süden des Landes (Mindanao) sowie eines Bombenanschlags in Marawi (Mindanao) und eines vereitelten Bombenanschlags in der Nähe der Botschaft der USA in Manila. Zudem führten kommunistische Rebellen insbesondere in Mindanao erneut Anschläge und Entführungen durch. Anschläge philippinischer terroristischer Gruppierungen können sich überall im Land ereignen. Erhöhte Gefährdungen bestehen vor allem in den Großstädten des Landes an belebten Orten wie Einkaufszentren und bei Veranstaltungen mit größeren Menschenmengen (z.B. bei Festivals und Prozessionen). Auf Mindanao und in der Sulu-See ist die Gefahr jedoch besonders hoch. Unterschiedliche Gruppen von islamistischen Terroristen liefern sich in Mindanao zum Teil schwere Gefechte mit der philippinischen Armee und führen Bombenanschläge und vermehrt Entführungen von Filipinos und auch von Ausländern durch. Die in der Region operierende islamistische Terrorgruppe Abu Sayyaf ist für Entführungen und Ermordungen vor allem auf Mindanao und in der Sulu-See verantwortlich und zielt vermehrt auf ausländische Entführungsopfer. Ein Entführungsrisiko kann auch in anderen Landesteilen nicht ausgeschlossen werden. Kommunistische Rebellen der New People¿s Army (NPA) führen insbesondere in Mindanao und vereinzelt auch in anderen Regionen der Philippinen einen bewaffneten Guerillakampf gegen philippinische Sicherheitskräfte, verüben Bombenanschläge sowie Entführungen. Auch in Manila und Cebu besteht die Gefahr von Anschlägen und Entführungen. Seit einem Bombenanschlag im Jahr 2011, auf einen Reisebus in Makati, dem Geschäftszentrum von Manila, gab es mehrere Berichte über verhinderte Bombenanschläge im Großraum Manila (AA 3.3.2017).

Präsident Duterte hat Friedensprozesse mit den muslimischen und kommunistischen Rebellen in unterschiedlichen Teilen des Landes eingeleitet und Waffenstillstände geschlossen. Die Regierung hat die Moro National Liberation Front (MNLF), die Moro Islamic Liberation Fighters (MILF) sowie die kommunistischen Aufständischen der New People's Army (NPA) in ihre Friedensbemühungen einbezogen. Davon unabhängig setzt sie ihren Kampf gegen die islamistische und terroristisch operierende Abu Sayyaf fort (AA 11.2016b). Duterte kündigte jedoch im Februar 2017 den Waffenstillstand mit den kommunistischen Rebellen (DS 3.2.2017).

Laut Bericht von CNN vom 30.05.2017, sind ISIS-Kämpfer am 24.05.2017 auf der südlichen Insel Mindanao in die überwiegend von Muslimen bewohnte etwa 200.000 Einwohner Stadt Marawi eingedrungen. Bei den Kämpfen wurden zumindest 103 Personen getötet. Laut Bericht der philippinischen Streitkräfte wurden 19 Zivilisten, 11 Soldaten, 4 Polizisten und 61 Kämpfer getötet. Den Ereignissen vorausgegangen sei eine Militäroperation gegen Isnilon Hapilon, einen philippinischen Anführer, der 2016 zum ISIS Emir für Südostasien ausgerufen wurde. Hapilon dürfte auf einen Hilferuf hin Verstärkung durch die "Maute Group", eine militante islamistische Organisation, die mit ISIS verbündet seien, erhalten haben, die zu Hunderten in die Stadt Marawi eingedrungen, Gebäuden in Brand gesetzt, Regierungstruppen in Straßenkämpfen verwickelt, Geisel genommen und schwarze ISIS Fahnen über der Stadt gehisst hätten (CNN 5.2017). Innerhalb einer Woche seien aufgrund der anhaltenden Kämpfe zwischen militanten Islamisten und Regierungstruppen sowie Luftangriffen fast die Hälfte der Einwohner aus der zerstörten Stadt Marawi geflüchtet (Inquirer News 31.05.2017). Die andauernden Kämpfe um die Stadt führten im Juni zu einer bisherigen Opferzahl von 537 Toten, davon 93 Soldaten und Polizisten, 399 militante Islamisten und 45 Zivilisten. Präsident Duterte hat über die ganze Insel Mindanao den Kriegszustand verhängt. Laut Angaben der Militärs wurden die IS-Kämpfer von Freiwilligen aus südostasiatischen Ländern wie Indonesien und Malaysia sowie aus den mittleren Osten wie Syrien unterstützt. Die zahlreichen zivilen Flüchtlinge aus der Stadt, darunter viele Frauen und Kinder, seien in Evakuationszentren in der Stadt Iligan und in der Umgebung untergebracht (Xinhuanet 7.2017). Im Zusammenhang mit den Vorfällen in Marawi und dem Kriegsrecht werden von Menschenrechtsorganisationen Menschenrechtsverletzungen insbesondere gegen das muslimische Volk der Moro (Maranao), das aus der Region stammt, und seither unter automatischen Terrorismus-Verdacht stünde, berichtet. Auch würden laut eines Sprechers einer lokalen Menschrechtsgruppe Muslime aus Mindanao seit dem Kriegsrecht anders behandelt bzw. diskriminiert werden (Inquirer News 15.07.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Philippinen, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Philippinen/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.3.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (3.3.2017): Philippinen, Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PhilippinenSicherheit.html, Zugriff 27.3.2017

-

CNN: ISIS in Southeast Asia: Philippines battles growing threat, 30.05.2017,

https://edition.cnn.com/2017/05/28/asia/isis-threat-southeast-asia/index.html

-

DS - Der Standard (3.2.2017): Duterte kündigt Waffenstillstand mit Kommunistischen-Rebellen,

http://derstandard.at/2000052061953/Duterte-kuendigt-Waffenstillstand-mit-kommunistischen-Rebellen-auf, Zugriff 27.3.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Philippinen, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/philippinen/geschichte-staat/, Zugriff 27.3.2017

-

Inquirer News: Bodies litter streets of Marawi, 31.05.2017, http://newsinfo.inquirer.net/901098/bodies-litter-streets-of-marawi

-

Inquirer News: Rights groups: Martial law abuses plenty, just unreported, 15.07.2017,

http://newsinfo.inquirer.net/914188/rights-groups-martial-law-abuses-plenty-just-unreported

-

Xinhuanet: Death toll in ongoing Marawi conflict rises to 537, says Philippine military, 15.07.2017, http://www.xinhuanet.com/english/2017-07/15/c_136446319.htm

-

1.2.2. Anti-Drogen-Kampagne

Noch vor seiner Wahl versprach Präsident Duterte, den Konsum illegaler Drogen innerhalb eines halben Jahres zu beenden (NZZ 30.1.2017). Kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Duterte am 30.6.2016 startete die Regierung eine Anti-Drogen-Kampagne, die im ganzen Land zu einer Welle von rechtswidrigen Tötungen führte. In vielen Fällen steht der Verdacht im Raum, es könnte sich um außergerichtliche Hinrichtungen gehandelt haben. Die Tötungen begannen nach dem Amtsantritt von Präsident Duterte, der sich mehrfach öffentlich dafür ausgesprochen hatte, dass Personen, die im Verdacht standen, Drogen zu konsumieren oder zu verkaufen, inhaftiert und getötet werden sollten (AI 22.2.2017; vgl. HR 2.8.2016). Die Philippine National Police (PNP) berichtet von 2.155 verdächtigten Personen, die im Rahmen der Polizei-Operationen der Anti-Drogen-Kampagne zwischen Juli und Dezember 2016 zu Tode kamen; und ungefähr 4.000 weitere Tötungen in diesem Zusammenhang, durch unbekannte Personen. Zwischen Januar und September 2016 leitete die Abteilung Internal Affairs Service der PNP von 940 Tötungen durch die Polizei in 709 Fällen interne Ermittlungen ein. Ende September 2016 gab es jedoch noch keine administrativen oder strafrechtlichen Anklagen gegen PNP-Offiziere. Ende Dezember 2016 wurden bei ca. 800 Fällen eine Anklage gegen unbekannte Personen wegen Tötung erhoben. In Zusammenhang mit der Anti-Drogen-Kampagne forderten die Behörden Rauschgiftkriminelle auf, sich bei der Polizei zu melden, um das Risiko ernsthafter Folgen zu vermeiden. In der Folge meldeten sich im Zeitraum von Juli bis Ende Dezember 2016 mehr als 980.000 Personen (laut Amnesty International 800.000 (AI 22.2.2017)) bei der Polizei. Die Mehrheit davon wurde als "surrenderees" registriert (laut offizieller Sicht haben sie sich also "ergeben") und wieder freigelassen. Laut Zivilgesellschaft und anderen Beobachtern herrscht seitdem unter den Bevölkerungsgruppen, die mit Drogen zu tun haben, ein Klima der Angst um ihr Leben (USDOS 3.3.2017).

Ende Januar 2017 wurde Dutertes Drogenkrieg unterbrochen und alle Anti-Drogen-Sondereinheiten der Polizei wurden wegen angeblich weitverbreiteter Korruption aufgelöst. Nach Berichten über schwere Vergehen der Polizei setzte der Präsident auf das Militär. Die Polizei nahm jedoch nach einem Monat offizieller Pause die Kampagne im März 2017 wieder auf (FAZ 6.3.2017; vgl. WIWO 5.2.2017; NZZ 30.1.2017). Ende Februar 2017, nach der Verhaftung der philippinischen Senatorin Leila de Lima, eine entschiedene Gegnerin von Dutertes Anti-Drogen-Politik, sind tausende Menschen dagegen auf die Straße gegangen (Kurier 25.2.2017). Inzwischen hat der Präsident angekündigt, dass er den Drogenkrieg bis zum Ende seiner Amtszeit 2022 weiterführen werde (NZZ 30.1.2017). Die Angaben zur Opferzahl der Anti-Drogen-Politik gehen, je nach Quelle, auseinander. Es wird in der Regel von 6.000 bis 7.500 Opfern berichtet (AI 22.2.2017; vgl. DS 25.2.2017; FAZ 30.1.2017; Kurier 25.2.2017, DS 20.3.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Phillipines, http://www.ecoi.net/local_link/336601/466252_en.html, Zugriff 27.3.2017

-

DS - Der Standard (25.2.2017): Proteste gegen Drogenpolitik von Staatschef Duterte,

http://derstandard.at/2000053187571/Proteste-gegen-Drogenpolitik-von-Staatschef-Duterte, Zugriff 27.3.2017

-

DS - Der Standard (20.3.2017): Duterte bezeichnet europäische Kritiker als Verrückte,

http://derstandard.at/2000054482901/Duterte-bezeichnet-europaeische-Kritiker-als-Verrueckte, Zugriff 27.3.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgmeine (30.1.2017): Duterte stoppt vorübergehend brutalen Anti-Drogen-Kampf, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/rodrigo-duterte-plant-abschaffung-der-anti-drogen-einheiten-14798211.html, Zugriff 20.3.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine (6.3.2017): Polizeichef: "Das ist Krieg",

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/philippinen-polizei-nimmt-anti-drogen-kampagne-wieder-auf-14911259.html, Zugriff 29.3.2017

-

HR - Human Rights (2.8.2016): Länderinformation: Menschenrechte in den Philippinen,

http://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/philippinen/, Zugriff 27.3.2017

-

Kurier (25.2.2017): Manila: Proteste gegen Dutertes Anti-Drogen-Politik,

https://kurier.at/politik/ausland/manila-proteste-gegen-dutertes-anti-drogen-politik/248.540.533, Zugriff 27.3.2017

-

NZZ - Neue Züricher Zeitung (30.1.2017): Duterte setzt auf das Militär,

https://www.nzz.ch/international/drogenkrieg-auf-den-philippinen-polizei-kuendigt-interne-saeuberungen-an-ld.142577, Zugriff 29.3.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html, Zugriff 27.3.2017

-

WIWO - Wirtschafts-Woche (5.2.2017): Militäreinsatz gegen Junkies, http://www.wiwo.de/politik/ausland/philippinen-schicken-soldaten-gegen-die-bevoelkerung-militaereinsatz-gegen-junkies-/19350210.html, Zugriff 29.3.2017

1.2.3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die philippinische Judikative basiert auf US-amerikanischem bürgerlichem Recht. Die gültige Verfassung aus dem Jahre 1987 enthält eine Bill of Rights, wonach der Grundsatz der Verfassungsgerichtsbarkeit gilt. Das heißt, die Rechte sind für jeden Bürger beim Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, einklagbar. Das betrifft im Prinzip auch staatliche Gesetze, die als nicht verfassungskonform gelten. Der Oberste Gerichtshof besteht aus 15 Richtern, welche vom Präsidenten auf Vorschlag eines Richterrates, des Judicial and Bar Council, ernannt werden und die bis zu ihrem 70. Lebensjahr im Amt bleiben. Der Sandiganbayan entspricht einem Sondergericht, das sich mit Korruptionsfällen befasst, in die Regierungsbeamte verstrickt sind. Bezüglich Rechtsstaatlichkeit besteht das Problem nicht im Fehlen von Gesetzen, sondern eher in deren Umsetzung. Da bis dato die eigentliche Macht im Staate in den Händen nur weniger politisch potenter und sehr wohlhabender landbesitzender Familien und Großunternehmen liegt, ist es für den "Normalbürger" kaum möglich, sich gegen diese mächtigen Interessen zu stemmen (GIZ 12.2016a). Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor und die Angeklagten haben das Recht auf eine faire öffentliche Verhandlung. Diese Rechte werden in der Regel zwar durchgesetzt, aber nicht immer rechtzeitig. Aufgrund der Korruption durch Vetternwirtschaft, persönliche Verbindungen und Schmiergeldzahlungen bleiben wohlhabende und einflussreiche Personen oft straffrei. Personalmangel, ineffiziente Verfahren und lange Verzögerungen aus verfahrensrechtlichen Gründen wirken weiterhin hemmend auf das Justizwesen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 11.2016b). Ein weiteres Problem stellt das nicht effektive Zeugenschutzprogramm dar (GIZ 12.2016a).

Menschenrechtsorganisationen berichten, dass das Zeugenschutzprogramm der Justizbehörde aufgrund fehlender Finanzierung, verfahrensbedingter Verzögerungen und des Scheiterns wegen dem Zweifel an der Effektivität des Programms oft nicht in der Lage ist, für die Betroffenen den entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Die Kommission für Menschenrechte bietet ein solideres Zeugenschutzprogramm an, das aufgrund der Opfer der von der Regierung durchgeführten Anti-Drogen-Kampagne überbelastet ist. Dem Ombudsmann sind auch Fälle von Polizeimissbrauch und Korruption bekannt, in denen die Opfer und die Zeugen, aber manchmal auch deren Familien, aufgrund deren mangelhaften Zusammenarbeit mit der Behörde unter Druck gesetzt werden (USDOS 3.3.2017).

Die Bemühungen des Obersten Gerichtshofs werden weiterhin fortgesetzt, um schnellere Verfahren gewährleisten zu können, um Amtsvergehen zu reduzieren, um die Leistungsfähigkeit der Judikative zu erhöhen und das Vertrauen der Öffentlichkeit ins Justizwesen zurückzugewinnen (USDOS 3.3.2017). Die Europäische Kommission und die philippinische Regierung führen schon seit 2006 (wie z.B. EPJUST, EPJUST II) verschiedene gemeinsame Projekte durch, um den Justizsektor auf den Philippinen zu stärken. Bis 2019 läuft das aktuellste Kooperationsprogramm zwischen der Europäische Union und den Philippinen unter dem Titel GOJUST (Governance in Justice) (EEAS 23.2.2017; vgl. BC 6.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Philippinen, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Philippinen/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.3.2017

-

BC - British Council (6.2016): GOJUST: contributing to inclusive growth in the Philippines,

https://www.britishcouncil.org/partner/international-development/news-and-events/contributing-to-inclusive-growth-in-Philippines, Zugriff 27.3.2017

-

EEAS - European External Action Service (23.2.2017):

https://eeas.europa.eu/delegations/philippines/21223/eu-and-justice-sector-coordinating-council-launch-gojust-programme-23-february_en, Zugriff 27.3.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Philippinen, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/philippinen/geschichte-staat/, Zugriff 27.3.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html, Zugriff 27.3.2017

1.2.4. Sicherheitsbehörden

Die Nationale Polizei der Philippinen (Philippine National Police, PNP) ist für die innere Sicherheit im größten Teil des Landes zuständig und sie ist dem Department of the Interior and Local Government (DILG) untergeordnet. Das Militär (Armed Forces of the Philippines, AFP) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, aber in konfliktbetroffenen Regionen wird es auch für die innere Sicherheit (besonders in den Regionen von Mindanao) eingesetzt. Die AFP ist dem Verteidigungsministerium unterstellt. Gouverneure, Bürgermeister und andere lokale Beamte haben einen erheblichen Einfluss auf die regionalen Polizeieinheiten, darunter auf die Ernennung der obersten Polizeibeamten auf Bezirks- und kommunaler Ebene; Bereitstellung von Ressourcen etc., was oft zur Korruption und Bestechung führt. Die PNP mit einer derzeitigen Stärke von 168.000 Mann wird weiterhin durch institutionelle Defizite und Korruption gekennzeichnet. Weiters wurde die PNP sowohl von nationalen als auch von internationalen Menschenrechtsgruppen wegen ihrer Rolle in Duterte¿s Anti-Drogen-Krieg (Operation Double Barrel) kritisiert (USDOS 3.3.2017). Die Regierungsmechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption in der Polizei sind weitgehend ineffektiv. Obwohl die Korruption unter den Regierungs- und Sicherheitskräften vom Präsident Duterte öffentlich verurteilt wurde, wurden die Aufsichtsmechanismen unzureichend ausgestattet und der Aufwand um korrupte Sicherheitsbeamten ins Visier zu nehmen, war gering. Von Januar bis August erhielt der Ombudsmann 181 Beschwerden über 294 Fälle von Menschenrechtsverletzungen (Tötungen, Verletzungen, rechtswidrige Verhaftungen, Folter) infolge von angeblichen militärischen und polizeilichen Einsätzen; im Großteil der Fälle, 92%, handelt es sich um Sicherheitsbeamte der unteren Dienstgrade. Im August standen alle Fälle noch zur weiteren Untersuchung offen. Weiters gibt es keine Verurteilungen von hochrangigen Polizei- oder Militärbeamten (USDOS 3.3.2017).

Die Polizei setzte 2016 weiterhin unnötige und unverhältnismäßige Gewalt ein. Im April löste sie in Kidapawan unter Einsatz von Schusswaffen eine Demonstration von 5.000 Bauern auf, die angesichts einer Dürre Reislieferungen forderten und eine Straße blockierten. Dabei wurden mindestens zwei Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt. In einem im Juni 2016 veröffentlichten Bericht stellte die Menschenrechtskommission der Philippinen fest, dass die Polizei mit exzessiver und ungerechtfertigter Gewalt gegen die Demonstrierenden vorgegangen war. Bis zum Jahresende war jedoch noch kein Polizist dafür zur Rechenschaft gezogen worden. Im Oktober 2016 ging die Polizei mit brutaler Gewalt gegen eine Kundgebung vor der US-Botschaft vor, zu der Organisationen indigener Bevölkerungsgruppen aufgerufen hatten. Ihr Protest richtete sich gegen die militärische Nutzung und Vereinnahmung ihres angestammten Landes. Mindestens zwei Personen wurden verletzt, als ein Polizeifahrzeug Demonstrierende überfuhr (AI 22.2.2017). Es wurden jedoch Bemühungen fortgesetzt, um die PNP zu reformieren und zu professionalisieren. Neben der verbesserten Ausbildung, den erweiterten Gemeinschaftsinitiativen und den Gehaltserhöhungen wurden menschenrechtliche Themen in die Kurse für Polizisten integriert und das Büro für Menschenrechte der PNP führte landesweite Routinetrainings zum Thema menschenrechtliche Verantwortlichkeit in der Polizeiarbeit durch (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Phillipines, http://www.ecoi.net/local_link/336601/466252_en.html, Zugriff 27.3.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Philippines, http://www.ecoi.net/local_link/337289/480060_de.html, Zugriff 27.3.2017

1.2.5. Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl das Gesetz solche Praktiken verbietet, kam es zu Übergriffen durch die Sicherheitskräfte und die Polizei. Die Kommission für Menschenrechte (CHR) untersuchte bis August 2016 33 Fälle von angeblichen Foltervorwürfen begangen durch Sicherheitskräfte, hauptsächlich in Untersuchungshaft. Im gleichen Zeitraum dokumentierte die NGO Task Force Detainees of the Philippines (TFDP) fünf Fälle von Folter mit elf Opfern.

Im März 2016 wurde ein Polizist für schuldig befunden, einen Busfahrer gefoltert zu haben; er wurde zur Höchststrafe von zwei Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt. Dies war die erste Verurteilung auf der Grundlage des Antifoltergesetzes aus dem Jahr 2009. Viele weitere Personen warten jedoch noch immer darauf, dass man auch in ihren Fällen die Täter zur Verantwortung zieht. 2014 sammelte Amnesty International 55 Zeugenberichte von Menschen, die seit 2009 Folter durch Polizeibeamte erlitten haben. Psychischer Missbrauch wurde illegal im Rahmen des Anti-Folter-Gesetzes besonders in Drogenfällen ausgeübt (USDOS 3.3.2017). Ein Gesetzentwurf zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter wurde 2016 nicht weiterverfolgt. Im Mai zeigte sich der UN-Ausschuss gegen Folter besorgt über Folter durch die Polizei. Er forderte die Philippinen nachdrücklich auf, alle geheimen Hafteinrichtungen zu schließen, in denen Gefangene - unter ihnen auch Minderjährige - Folter und andere Misshandlungen erleiden (AI 22.2.2017).

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten