TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/11 W226 2147037-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.2018
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Entscheidungsdatum

11.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W226 2147037-2/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Windhager als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2017, Zl: 732764708-160667293, zu

Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm. § 7 Abs. 4 AsylG

2005, § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 sowie § 57 AsylG 2005, § 10 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 3 FPG, § 46 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass gegen den Beschwerdeführer ein auf 7 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführe (BF) reiste im minderjährigen Alter gemeinsam mit seiner Mutter und seinen minderjährigen Geschwistern illegal in das Bundesgebiet ein und beantragte am 12.09.2003 durch seine Mutter Asyl.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2004, Zl 03 27.647-BAT, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG gewährt. Gemäß § 12 AsylG wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Behörde begründet diese Entscheidung dahingehend, dass der verstorbene Vater Feldkommandant der tschetschenischen Armee gewesen sei. Dieser sei bereits ermordet worden bzw. den Kampfhandlungen zum Opfer gefallen, die Mutter und die Geschwister sowie der BF seien bereits in Aserbaidschan von UNHCR als Mandatsflüchtling anerkannt worden.

Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet wiederholt straffällig:

Mit Urteil des XXXX zu Zl. XXXX vom XXXX wurde er gemäß §§ 83, 84 Abs 1 StGBzu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt verurteilt (Jugendstraftrat).

Damit einhergehend wurde über ihn die Bewährungshilfe angeordnet. Aufgrund der weiteren Verurteilungen wurde die Probezeit für den bedingt erlassenen Strafteil auf fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des XXXX zu Zl. XXXX vom XXXX wurde er gemäß § 142 Abs. 1, §15 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 15 Monaten bedingt verurteilt (Jugendstraftat).

Diesem Urteil vom XXXX lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit anderen Mittätern die Verbrechen des teilweise vollendeten, teilweise versuchten Raubes zu verantworten hatte, nachdem er gemeinsam mit den Mittätern andere Personen mit Schlägen bedrohte, wobei die Opfer umzingelt wurden und in weiterer Folge Mobiltelefone abgenötigt oder weggenommen wurden. Das Gericht wertete dabei die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von vier Verbrechen als erschwerend.

Am 02.05.2016 langte eine Mitteilung der Österreichischen Botschaft XXXX ein, wonach die Konsularabteilung der Österreichischen Botschaft XXXX von der Französischen Grenzpolizei in der Angelegenheit des BF kontaktiert worden sei. Der BF sei am XXXX zu vier Jahren Gefängnis in Frankreich verurteilt worden, davon ein Jahr auf Bewährung, dies wegen mehrfachen Raubes.

Im Österreichischen Strafregister scheint diese Verurteilung vom XXXX, Zl. XXXX wegen Art. 311-4, Art. 311-11 und Art. 311-1 etc., Diebstahl unter Gewaltanwendung, schwerer Diebstahl, Entführung und Freiheitsberaubung auf, die Freiheitsstrafe wurde mit vier Jahren bemessen, davon ein Jahr bedingt. Auf die näheren Umstände dieser Strafe wird in weiterer Folge einzugehen sein.

Der BF wurde in weiterer Folge aus Frankreich nach Österreich rücküberstellt, bereits am XXXX wurde er erneut durch das XXXX zur Zl. XXXX wegen §§ 15, 105, 106 Z 1 1. Fall, 106 Abs. 1 Z 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten bedingt verurteilt.

Diesem letzten Urteil in Österreich lag zugrunde, dass der BF nach der Rückkehr aus Frankreich den Lebensgefährten seiner Schwester durch die Äußerung "Wenn ich dich noch einmal mit meiner Schwester sehe, steche ich dich ab. Du weißt, was meine Freunde mit dir machen, wenn sie dich mit meiner Schwester sehen" durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung zu nötigen versucht hat und besonders wichtige Interessen des Genötigten und einer dritten Person, nämlich der Schwester des BF, verletzt hat, und zwar zur Beendigung ihrer Liebesbeziehung (AS 181).

In den Entscheidungsgründen kam das Gericht zum Ergebnis, dass der BF nur zugegeben habe, dem Opfer mit dem Abschneiden der Ohren gedroht zu haben, aus den glaubwürdigen Angaben des Opfers sei jedoch zu folgen, dass der BF ihn tatsächlich mit dem Umbringen bedroht habe. Er habe sich demzufolge mit der Verwirklichung des Tatbildes des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung abgefunden und habe sich billigend damit abgefunden.

Am 12.01.2017 wurde der BF durch die belangte Behörde zum beabsichtigten Aberkennungsverfahren niederschriftlich einvernommen.

Der BF verwies darauf, dass er in keiner eheähnlichen Beziehung oder Partnerschaft lebe, er habe auch keine Kinder oder Sorgepflichten. Drei Schwestern von ihm und seine Mutter würden hier leben und zur Schule gehen bzw. arbeiten, im Herkunftsstaat habe er schon Verwandtschaft, aber keinen Kontakt zu diesen. Die Verwandten würden nur Kontakt zur Mutter haben, aber sie würde beim Reden aufpassen, damit es keine Schwierigkeiten gäbe. Die Mutter habe acht Geschwister, welche teilweise in Russland oder Kasachstan verteilt leben würden. Er selbst lebe "vom AMS", er habe eine Optikerlehre gemacht, aber nicht abgeschlossen und sei seit drei Jahren arbeitslos. Er sei ja in Haft gewesen (in Frankreich), könne jetzt beim AMS aber wieder Kurse machen.

Gesundheitliche Probleme wurden vom BF verneint. Auf die Frage, ob er über einen russischen Reisepass verfüge, vermeinte der BF, dass er noch nie einen besessen habe, seit er hier in Österreich lebe. In der Russischen Föderation sei er zuletzt vor der Asylantragstellung gewesen, es bestehe im Fall der Rückkehr eine Lebensgefahr für ihn.

Er sei von der Religion her Muslim, würde die Religion aber nicht praktizieren. Er gehe nur gelegentlich freitags in eine Moschee, er habe nichts mit den Extremisten zu tun.

Auf Vorhalt seiner strafrechtlichen Verurteilungen vermeinte der BF, dass er viele Fehler gemacht habe, er habe in Frankreich zweieinhalb Jahre Haft bekommen und habe daraus gelernt. Das, was zuletzt gewesen sei (angemerkt: die letzte strafrechtliche Verurteilung im Bundesgebiet), sei aus einer Emotion heraus erfolgt, er habe sich nicht unter Kontrolle gehabt.

Zu den Straftaten befragt vermeinte der BF, dass diese eine "Jugenddummheit" gewesen seien und er habe einen falschen Freundeskreis gehabt bzw. nicht nachgedacht. Auf Vorhalt, dass er im Fall der Rückkehr in die Russische Föderation nicht nach Tschetschenien gehen müsse, er könne sich auch anderswo in Russland niederlassen und arbeiten, vermeinte der BF, dass er seit dem JahrXXXXnicht mehr dort gewesen sei.

Dem BF wurde nunmehr vorgehalten, dass dem BFA bekannt geworden sei, dass der BF einen Inlandspass und einen Auslandspass , letzterer ausgestellt im August XXXX, erhalten habe. Der BF führte diesbezüglich aus, keine Russischen Reisepässe zu besitzen und niemals welche beantragt zu haben.

Mit Bescheid vom 17.01.2017 wurde der dem BF mit Bescheid vom 04.06.2004 zuerkannte Status des Asylberechtigten gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt, weiters wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die belangte Behörde erließ gegen den BF ein Einreiseverbot auf die Dauer von zehn Jahren. Die belangte Behörde verwies darauf, dass der BF sich nachweislich zwei Pässe trotz Asylstatus habe ausstellen lassen. Im Strafregister würden mehrere rechtskräftige Verurteilungen aufscheinen, es sei somit keine soziale Verfestigung erkennbar. Die belangte Behörde verwies darauf, dass durch die Ausstellung der Reisepässe ein Endigungstatbestand eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte darin primär aus, dass ihm weiterhin eine Gefahr gem. Art. 2 oder 3 EMRK im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland drohe. Zu den vorgehaltenen Reisepässen führte der BF aus, dass er nach der Einvernahme seine Mutter gefragt habe, diese habe die Verwandten kontaktiert und habe versucht herauszufinden, wer die Pässe beantragt habe und weshalb. Seine Mutter habe ihm gesagt, dass sie niemals für ihn einen internationalen Reisepass beantragt habe. Von den Verwandten mütterlicherseits hätte er jedoch die Auskunft erhalten, dass die Verwandten in der Russischen Föderation versucht hätten, das Eigentum des getöteten Vaters auf den BF umschreiben zu lassen, wovon der BF selbst gar nichts gewusst habe. Der Reisepass sei aber gar nicht abgeholt worden und müsste, falls er ausgestellt worden sei, noch bei der russischen Behörde aufliegen. Es sei somit nicht zutreffend, dass der BF sich unter den Schutz des Heimatlandes gestellt habe.

Mit Beschluss vom 11.04.2017, Zl. W226 2147037-1/12E wurde die Angelegenheit gem. § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Im Wesentlichen wurde diese Entscheidung damit begründet, dass der BF zum Zeitpunkt der Ausstellung der Reisedokumente noch minderjährig gewesen sei und sich aus den Recherchen überhaupt nicht ergebe, ob die beantragten Dokumente tatsächlich ausgestellt und auch abgeholt worden seien. Mit den Ausführungen des BF zum Erhalt dieser Reisedokumente habe sich die belangte Behörde zudem nicht näher auseinandergesetzt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.05.2017 wurde der mit Bescheid vom 04.06.2004 zuerkannte Status des Asylberechtigten nunmehr gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt. Erneut wurde auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gegen den BF wurde erneut eine Rückkehrentscheidung erlassen, der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und wurde gegen den BF laut Spruch ein unbefristetes Einreiseverbot gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG erlassen. Die belangte Behörde verwies nunmehr auf die "stringente kriminelle Karriere" des BF und führte seine strafrechtlichen Verurteilungen aus. Die Aktualität des Grundes, der zur Zuerkennung des Status geführt habe, sei zweifelhaft, der BF sei zudem niemals persönlich einer Verfolgung bzw. menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt gewesen.

Die belangte Behörde verwies darauf, dass ein Asylausschließungsgrund vorliege, der BF sei wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt worden und falle die Zukunftsprognose klar gegen den BF aus.

Bezogen auf das erlassene, unbefristete Einreiseverbot führte die belangte Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung aus, dass dieses "auf die Dauer von bis zu zehn Jahren erlassen wird", wobei im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auf die Dauer das Einreiseverbotes nicht mehr näher eingegangen wird.

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde verwies der BF erneut auf das Schicksal seines verstorbenen Vaters, welcher Polizist gewesen sei und bereits im ersten Tschetschenienkrieg in hochrangiger Position im tschetschenischen Widerstand tätig gewesen sei. Er sei im Jahr XXXXChef des nationalen Sicherheitsdienstes der Republik Itschkeria gewesen und in Feindschaft mit dem Vater des nunmehrigen Gouverneurs von Tschetschenien gestanden. Der Vater des BF sei im zweiten Tschetschenienkrieg ein bekannter Feldkommandant gewesen und sei im Jahr XXXX bei einer Spezialoperation getötet worden. Der BF sei damals als kleines Kind mit seiner Mutter und drei Schwestern nach Aserbaidschan geflohen, wo die Familie als Mandatsflüchtling anerkannt worden sei.

Der Beschwerdeführer verwies darauf, zwar wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden zu sein, dies würde jedoch keine Gefahr für die Allgemeinheit bedeuten. Es könne von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden. Auch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erscheine bei einer Gesamtbetrachtung und einer konkreten Interessensabwägung als unverhältnismäßig. Dem BF würde im Herkunftsland weiterhin Verfolgung aus den in den GFK genannten Gründen drohen. Der Vater des BF sei ein prominenter Vertreter der international nicht anerkannten Tschetschenischen Republik gewesen, ein Rebellenführer und Feldkommandant von hohem Bekanntheitsgrad. Der BF müsse bei einer Rückkehr nach Tschetschenien jedenfalls befürchten, dass ihn der Tschetschenische Gouverneur aus Propagandazwecken öffentlich vorführe und verkünden würde, dass der BF als Sohn seines Vaters zurückgekehrt sei und der BF müsste sich dann öffentlich für die Taten seines Vaters entschuldigen und dem tschetschenischen Gouverneur seine Loyalität bezeugen. Würde er dies nicht machen, bestünde ein reales Risiko, dass er gefoltert werde, verschwinde oder extralegal hingerichtet werde. Es würde auch keine zumutbare Innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, da aus den Länderfeststellungen hervorgehe, dass Verwandte von prominenten Widerstandskämpfern in der gesamten russischen Föderation gefährdet seien. Darüber hinaus verweist der BF darauf, dass seiner Rechtsvertretung nur eine Urteilsausfertigung der französischen Beschwerdeinstanz in französischer Sprache vorliege, er habe auch die von der Behörde angegebenen Straftaten in Frankreich nicht begangen. Die von der belangten Behörde angeführten "Straßenraubdelikte" seien nicht zutreffend.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.08.2017 W226 2147037-2/8E wurde die Beschwerde wegen Verspätung zurückgewiesen, dieser Beschluss wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.10.2017, Zl. E 2966/2017-6 wegen Anwendung wegen eines verfassungswidrigen Gesetzes aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof verwies darauf, dass mit Erkenntnis vom 26.09.2017, G 134/2017 näher benannte Bestimmungen im § 16 BFA-VG als verfassungswidrig aufgehoben worden sind. Da der Verfassungsgerichtshof in dieser Entscheidung vom 26.09.2017 ausgesprochen habe, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, habe dies auch für den Verfassungsgerichtshof die Wirkung, dass er die betreffenden Bestimmungen nicht mehr anzuwenden hat.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt und der BF am 01.03.2018 im Zuge einer Beschwerdeverhandlung, wie beantragt, einvernommen.

Nach persönlicher Anhörung, nach nochmaliger Übersetzung diverser vom BF vorgelegter Dokumente und insbesonders nach Übersetzung des im Verfahren vorliegenden französischen Strafurteils hat das Bundesverwaltungsgericht über die offene Beschwerde wir folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA am 12.01.2017, der Beschwerde samt Beschwerdeergänzungen, dem Strafurteil des XXXX vom XXXX, der Einsichtnahme in die Asylakten des Beschwerdeführers, der Einsicht in den aktuellen Strafregisterauszug sowie Auszügen aus IZR und ZMR sowie der Einsichtnahme in die seitens der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid berücksichtigten Länderinformationen der Staatendokumentation zur Russischen Föderation (insbesondere Tschetschenien) werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsbürger, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig und Muslim.

Der Beschwerdeführer reiste im minderjährigen Alter gemeinsam mit seiner Mutter und seinen minderjährigen Geschwistern illegal in das Bundesgebiet ein und stellte durch seine Mutter einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 04.06.2004 wurde dem BF Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerdeführer weist nachfolgende strafrechtliche Verurteilungen in Österreich auf:

01)XXXX vom XXXX §§ 83, 84 Abs 1 StGB

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Jugendstraftat.

02) XXXX vom XXXX §§ 15, 142 (1) StGB

Freiheitsstrafe 15 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

03) XXXX vom XXXX

§§ 15, 105, 106 (1) Z 1, 1. Fall, 106 (1) Z 3 StGB.

Freiheitsstrafe 15 Monate bedingt

Nach der vorliegenden Übersetzung des XXXX, Landesgericht XXXX, vom XXXX, wurde der BF in Frankreich wegen räuberischen Diebstahls, schweren Diebstahls mit zwei Qualifikationen, Festnahme, Entführung, Freiheitsentziehung oder willkürlicher Festnahme mit anschließender Freilassung vor dem siebten Tag, schweren Diebstahls aus zwei Qualifikationen - Festnahme, Entführung, Freiheitsentziehung oder willkürlicher Festnahme mit anschließender Freilassung vor dem siebten Tag, verurteilt.

Im Wesentlichen begründet das XXXX Gericht diese Entscheidung dahingehend, dass der BF gemeinsam mit zwei weiteren Komplizen, beide ebenfalls tschetschenischen Ursprungs, über längere Zeit mehrere Opfer, die über eine Website für Escort-Girls angesprochen worden sind, Gewalt angetan, misshandelt, geohrfeigt, geknebelt und mit Klebeband an den Füßen und Handgelenken gefesselt sowie bedroht und dazu gezwungen hat, das Vermögen bestehend aus Bargeld, Schmuck, einigen Telefonen, Computern oder Tablet-Computern abzugeben.

Nach dem Inhalt der vorliegenden Beschlüsse auf Verhängung der Untersuchungshaft (AS 149 ff) wurde dem BF zu Last gelegt, die Tat unter Anwendung von Waffengewalt, und zwar eines Küchenmessers, begangen zu haben, die Opfer - ukrainische Escort-Girls - wurden demzufolge angehalten, entführt oder festgehalten oder eingesperrt, wobei die genannten Personen vor dem vollendeten 7. Tag nach der Ergreifung freiwillig freigelassen wurden. Nach den Anzeigen der Opfer seien diese vom BF bedroht worden, sich auf den Fußboden zu legen, widrigenfalls er seine Waffe zucken würde, einem Opfer sei brutal vom BF ins Gesicht geschlagen worden, der BF habe eine Rolle Klebeband zur Hand genommen, erst nach Hilferufen eines Opfers die Flucht ergriffen.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen und benötigt keine exklusiv im Bundesgebiet verfügbare medizinische Behandlung.

Der Beschwerdeführer spricht Deutsch, Tschetschenisch und Russisch.

Im Bundesgebiet halten sich Familienangehörige auf, wobei er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in das Bundesgebiet eingereist ist, und sie alle anerkannte Flüchtlinge sind.

Der Beschwerdeführer hat sich selbst als arbeitsfähig und arbeitswillig bezeichnet. Der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer konnte sich nach Eintritt der Volljährigkeit nicht selbständig im Bundesgebiet versorgen.

In der Russischen Föderation - konkret in Tschetschenien und auch in anderen Landesteilen - halten sich unverändert Angehörige des Beschwerdeführers auf.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass dieser konkret Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden. Eine Wiedereinreise in die Russische Föderation kann ohne Gefährdung seiner Person erfolgen.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder und damit keine Sorgepflichten.

Der Beschwerdeführer ist im XXXX Lebensjahr erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten und wurde mittlerweile vier Mal zu Haftstrafen verurteilt. In Frankreich wurde er zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 4 Jahren verurteilt. Es sind familiäre Bindungen des Beschwerdeführers erkennbar, die auf ein schützenswertes Familienleben im Bundesgebiet hindeuten, der Eingriff in diese ist im Sinne des Art 8 EMRK jedoch gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer wurde im Zeitraum 2010 bis 2016 insgesamt 4 Mal von inländischen Gerichten und einem französischen Landesgericht rechtskräftig wegen Vergehen und Verbrechen (Vermögensdelikte, Delikte gegen Leib und Leben) verurteilt, wobei es sich teils um Jugendstraftaten, teils um Straftaten als junger Erwachsener handelt.

Seit dem Jahr 2010 wurde er wiederholt wegen auch schweren Raubes, schwerer Körperverletzung, schwerer Nötigung zu bedingten und teilbedingten Haftstrafen verurteilt.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verwirklicht hat. Er wurde von einem französischen Gericht, dem XXXX, Landesgericht XXXX, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt und bedeutet aufgrund dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft.

Für den BF wurde zudem wie dargestellt sowohl ein Inlandspass als auch ein internationaler Reisepass ausgestellt, dies in den Jahren XXXX und XXXX.

Zur Lage in der Russischen Föderation/Tschetschenien wird festgestellt:

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 15.6.2017, vgl. GIZ 7.2017c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte) (AA 3.2017a). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin (AA 3.2017a, vgl. EASO 3.2017). Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weiter gehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre (Kurier 13.7.2017).

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum (AA 3.2017a).

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht (GIZ 4.2017a, vgl. AA 3.2017a).

Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität (RA 7.10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Russische Föderation - Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 21.6.2017

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.6.2017): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 21.6.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (4.2017a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c24819, Zugriff 21.6.2017

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GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2017c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 11.7.2017

-

Kurier.at (13.7.2017): Nemzow-Mord: 20 Jahre Straflager für Mörder,

https://kurier.at/politik/ausland/nemzow-mord-20-jahre-straflager-fuer-moerder/274.903.855, Zugriff 13.7.2017

-

RA - Russland Analysen (7.10.2016): Nr. 322, Bewegung in der russischen Politik?,

http://www.laender-analysen.de/russland/pdf/RusslandAnalysen322.pdf, Zugriff 21.6.2017

-

Standard (29.7.2017): Alle Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldiggesprochen,

http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzow-schuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramsan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens zurücktreten, nachdem er von Kadyrow kritisiert worden war, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter in die föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen im September 2016, wenn auch das Republikoberhaupt gewählt wird, durchzuführen. Die Entscheidung erklärte man mit potentiellen Einsparungen durch das Zusammenlegen der beiden Wahlgänge, Experten gehen jedoch davon aus, dass Kadyrow einen Teil der Abgeordneten durch jüngere, aus seinem Umfeld stammende Politiker ersetzen möchte. Bei den Wahlen vom 18. September 2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Den offiziellen Angaben zufolge wurde Kadyrow mit über 97% der Stimmen im Amt des Oberhauptes der Republik bestätigt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld HRW über Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte (ÖB Moskau 12.2016). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 24.1.2017).

Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die darauf aus wären, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtlern, aber auch von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert. Im März ernannte Präsident Putin Kadyrow im Zusammenhang mit dessen im April auslaufender Amtszeit zum Interims-Oberhaupt der Republik und drückte seine Unterstützung für Kadyrows erneute Kandidatur aus. Bei den Wahlen im September 2016 wurde Kadyrow laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt, wohingegen unabhängige Medien von krassen Regelverstößen bei der Wahl berichteten (ÖB Moskau 12.2016). Im Vorfeld dieser Wahlen zielten lokale Behörden auf Kritiker und Personen, die als nicht loyal zu Kadyrow gelten ab, z.B. mittels Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlungen, Todesdrohungen und Androhung von Gewalt gegenüber Verwandten (HRW 12.1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013):

Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/334746/476500_de.html, Zugriff 28.6.2017)

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2015): The Unstoppable Rise Of Ramzan Kadyrov, http://www.rferl.org/content/profile-ramzan-kadyrov-chechnya-russia-putin/26802368.html, Zugriff 21.6.2017

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Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 21.6.2017

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).

Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017).

Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.7.2017b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 21.7.2017

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FAZ (26.4.2017):"Erst der Anfang", http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/anschlag-in-st-petersburg-russland-steht-im-visier-von-terror-14989012.html, Zugriff 21.7.2017

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FP - Foreign Policy (4.5.2017): Putin has a new secret weapon in Syria: Chechens,

http://foreignpolicy.com/2017/05/04/putin-has-a-new-secret-weapon-in-syria-chechens/, Zugriff 21.7.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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