TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/12 W115 2176959-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.07.2018
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Entscheidungsdatum

12.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W115 2176963-1/7E

W115 2176959-1/7E

W115 2176956-1/7E

W115 2176961-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am

XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXXzu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

IV. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am

XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihren Kindern, dem Zweitbeschwerdeführer sowie der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten sie am XXXX die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

1.1. Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer sowie die Drittbeschwerdeführerin im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari übereinstimmend an, dass sie und die Viertbeschwerdeführerin afghanische Staatsangehörige seien und der Volksgruppe der Hazara angehören würden. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Ehemann und ihr ältester Sohn unter dem Kommando des Militäroffiziers XXXX gegen die Taliban gekämpft hätten. Beim Kampf gegen die Taliban seien beide getötet worden. Der genannte Militäroffizier sei ein Verwandter ihrer Familie und deswegen würden die Taliban auch sie und ihre übrigen Kinder umbringen wollen. Der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin gaben übereinstimmend an, aus demselben Grund wie ihre Mutter Afghanistan verlassen zu haben. Im XXXX hätten sie Afghanistan verlassen und hätten sich bis Anfang XXXX im Iran aufgehalten. Vor ca. 45 Tagen seien sie gemeinsam mit der Viertbeschwerdeführerin schlepperunterstützt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien bis nach Österreich gereist. Befragt zu ihrer Schul- und Berufsausbildung gaben die Beschwerdeführer an, dass sie über eine solche nicht verfügen würden. Befragt zu ihren Familienverhältnissen gab die Erstbeschwerdeführerin an, nach dem Tod ihres Ehemannes nicht wieder geheiratet zu haben. Ihre Kinder hätten bislang noch keine Ehe geschlossen.

1.2. Eine EURODAC-Abfrage ergab keinen Treffer.

1.3. Nach Zulassung des Verfahrens durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte wurden die Erstbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin am XXXXund der Zweitbeschwerdeführer am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Kurzbezeichnung BFA; in der Folge belangte Behörde genannt) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen.

Die Erstbeschwerdeführerin gab für sich und die Viertbeschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst an, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. In Afghanistan habe sie gemeinsam mit ihrer Familie in einem Dorf in der Provinz XXXX gelebt. Sie gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Identitätsdokumente für sich und ihre Kinder könne sie nicht vorlegen, da sie nie im Besitz solcher gewesen sei. Befragt zu ihren Familienverhältnissen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Ehemann und ihr ältester Sohn im Kampf gegen die Taliban getötet worden seien. Ihre Eltern seien bereits verstorben und sie habe keine Geschwister. Ihre drei Kinder seien gemeinsam mit ihr nach Österreich gekommen und sie würden hier gemeinsam leben. Befragt zu ihrer Schul- und Berufsausbildung gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie Analphabetin sei. Sie habe keine Schule besucht und auch keinen Beruf erlernt. Sie sei Putzfrau und Erntehelferin gewesen und habe so ihre Familie versorgt. Befragt zu ihren Fluchtgründen brachte die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass ihr Ehemann und ihr ältester Sohn unter dem Kommando von XXXX in der afghanischen Nationalarmee gegen die Taliban gekämpft hätten. Im Zuge dieser Kampfhandlungen seien beide von den Taliban getötet worden. Da XXXX ein Cousin väterlicherseits sei und die Taliban gedroht hätten, alle Angehörigen von ihm zu töten, hätte sie gemeinsam mit ihren drei Kindern Afghanistan verlassen und sei in den Iran geflüchtet. Da sie im Iran keine Aufenthaltsberechtigung gehabt hätten und ihre Kinder dort nicht zur Schule hätten gehen können, habe sie beschlossen, den Iran zu verlassen. Diese Fluchtgründe würden auch für ihre Kinder gelten. In Österreich würde sie bereits Kontakt zu Einheimischen haben und auch mit diesen Deutsch lernen oder mit ihnen spazieren gehen. Sie würde außerdem für ihre Familie einkaufen gehen.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Wesentlichen zusammengefasst an, dass seine bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. In Afghanistan habe er gemeinsam mit seiner Familie in einem Dorf in der Provinz XXXX gelebt. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Identitätsdokumente könne er nicht vorlegen, da er nie im Besitz solcher gewesen sei. Befragt zu seinen Familienverhältnissen gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass er ledig sei und keine Kinder haben würde. Sein Vater und sein älterer Bruder seien im Kampf gegen die Taliban getötet worden. Befragt zu seiner Schul- und Berufsausbildung gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass er keine Schule besucht und auch keinen Beruf erlernt habe. In Afghanistan habe er Ziegen und Schafe gehütet und im Iran als Schuhmacher gearbeitet. Befragt zu seinen Fluchtgründen brachte der Zweitbeschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass sein Vater und sein älterer Bruder unter dem Kommando von XXXX gegen die Taliban gekämpft hätten. Im Zuge dieser Kampfhandlungen seien beide von den Taliban getötet worden. Da XXXX ein Cousin väterlicherseits sei und die Taliban gedroht hätten, alle Angehörigen von ihm zu töten, hätte er gemeinsam mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern Afghanistan verlassen und sei in den Iran geflüchtet. In Österreich würde er bereits Kontakt zu Einheimischen haben und sich mit einigen von ihnen in seiner Freizeit treffen. Darüber hinaus besuche er einen Deutschkurs und helfe regelmäßig beim Roten Kreuz.

Die Drittbeschwerdeführerin gab im Wesentlichen zusammengefasst an, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. In Afghanistan habe sie gemeinsam mit ihrer Familie in einem Dorf in der Provinz XXXX gelebt. Sie gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Identitätsdokumente könne sie nicht vorlegen, da sie nie im Besitz solcher gewesen sei. Befragt zu ihren Familienverhältnissen gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie ledig sei und keine Kinder haben würde. Ihr Vater und ihr ältester Bruder seien im Kampf gegen die Taliban getötet worden. Befragt zu ihrer Schul- und Berufsausbildung gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie in Afghanistan keine Schule besucht und auch keinen Beruf erlernt habe. Sie habe ihrer Mutter im Haushalt geholfen und im Iran dann als Schneiderhelferin gearbeitet. Befragt zu ihren Fluchtgründen brachte die Drittbeschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass ihr Vater und ihr ältester Bruder unter dem Kommando von XXXX gegen die Taliban gekämpft hätten. Im Zuge dieser Kampfhandlungen seien beide von den Taliban getötet worden. Da XXXXein Cousin väterlicherseits sei und die Taliban gedroht hätten, alle Angehörigen von ihm zu töten, hätte ihre Mutter entschieden, dass sie Afghanistan verlassen müssten. Daraufhin seien sie in den Iran geflüchtet. Da sie im Iran keine Aufenthaltsberechtigung gehabt hätten und das Leben sehr schwer für sie gewesen sei, hätten sie beschlossen, den Iran zu verlassen. In Österreich würde sie bereits Kontakt zu Einheimischen haben. Sie würden sich regelmäßig treffen und Feste gemeinsam feiern. Außerdem besuche sie hier die Schule und lerne Deutsch. Sie könne bereits Lesen und Schreiben. Ihr Wunsch sei es, hier eine Ausbildung zu machen und später Krankenschwester zu werden.

Im Zuge dieser Einvernahmen wurden von den Beschwerdeführern integrationsbescheinigende Unterlagen in Vorlage gebracht.

Weiters wurden den Beschwerdeführern von der belangten Behörde Länderfeststellungen zu Afghanistan ausgehändigt und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Zu den ausgehändigten Länderfeststellungen wurde keine Stellungnahme abgegeben.

1.4. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen unter Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXXerteilt.

1.5. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom XXXX wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine Rechtsberatung zur Seite gestellt.

2. Gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide wurde vom bevollmächtigten Vertreter unter Vorlage der diesbezüglichen Vertretungsvollmacht fristgerecht Beschwerde erhoben und der Beweisführung sowie der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde substantiiert entgegengetreten. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.

3. Die gegenständlichen Beschwerden samt Verwaltungsakte langten der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte in der Folge eine mündliche Verhandlung an und übermittelte gleichzeitig aktuelle Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan. Mit Schreiben vom XXXX wurde von der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Teilnahme eines Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen wurde von den Parteien vorab nicht erstattet.

3.2. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX brachten die Beschwerdeführer nach Erläuterung des bisherigen Verfahrensganges und des Akteninhaltes im Beisein des bevollmächtigten Vertreters sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari auf richterliche Befragung im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Hinsichtlich des Vornamens der Viertbeschwerdeführerin wurde vorgebracht, dass dieser von der belangten Behörde nicht richtig protokolliert worden sei. Dieser würde richtigerweise "XXXX" lauten. Weiters sei es zu Fehlern hinsichtlich der Geburtsdaten gekommen. Der Grund sei gewesen, dass sie der Meinung gewesen seien, dass die Reihenfolge der Monate hier, auch der Reihenfolge im Afghanischen Kalender entsprechen würden. Entgegen den Angaben im bisherigen Verfahren, sei der Zweitbeschwerdeführer amXXXX, die Drittbeschwerdeführerin am XXXX und die Viertbeschwerdeführerin am XXXX geboren. Sie hätten ihre Geburtsdaten nicht früher korrigiert, da sie sich bisher nach ihren ausgestellten Karten für subsidiär Schutzberechtigte gerichtet hätten. Dokumente zum Nachweis ihrer Identität würden sie nicht vorlegen können. Weiters gaben die Beschwerdeführer an, dass sie der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehören würden. Ihre Muttersprache sei Dari. Sie würden weiters noch Farsi und Deutsch sprechen. Die Viertbeschwerdeführerin spreche darüber hinaus auch noch Englisch. In diesem Zusammenhang wurde von der Erstbeschwerdeführerin ausgeführt, dass sie bemüht sei, ihre Deutschkenntnisse immer weiter zu verbessern. Diesbezüglich habe sie einen Alphabetisierungskurs besucht und absolviere aktuell auch einen Deutschkurs. Der Zweitbeschwerdeführer sowie die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin gaben an, dass sie in Deutsch sowohl Lesen als auch Schreiben können würden. Befragt zu ihrer Schul- und Berufsausbildung in Afghanistan gaben sowohl die Erstbeschwerdeführerin als auch der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin an, in Afghanistan weder eine Schul- noch eine Berufsausbildung absolviert zu haben. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, als Reinigungskraft gearbeitet zu haben. Der Zweitbeschwerdeführer sei Hirte gewesen und die Drittbeschwerdeführerin habe ihrer Mutter bei ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft geholfen. Von der Viertbeschwerdeführerin wurde angegeben, dass sie in Afghanistan sieben Jahre die Grundschule besucht habe. Vor ihrer Ausreise aus Afghanistan hätten sie gemeinsam in einem namentlich genannten Dorf der Provinz XXXX gelebt. Zu ihren Familienverhältnissen befragt, gaben die Beschwerdeführer zusammengefasst übereinstimmend an, dass sich von ihrer Kernfamilie niemand mehr in Afghanistan befinden würde. In Österreich würden sie gemeinsam in einer Flüchtlingsunterkunft leben.

Zu ihrer Situation in Österreich befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie an den Vormittagen regelmäßig einen Deutschkurs besuche (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden vom bevollmächtigten Vertreter eine Teilnahmebestätigung hinsichtlich der Absolvierung des Kurses "Deutsch für Asylwerbende - Alphabetisierung vertiefen" vom XXXXsowie eine Bestätigung hinsichtlich des laufenden Besuches des Kurses "Deutsch für Asylwerbende - Alphabetisierung 3" in Vorlage gebracht). Danach treffe sie sich mit Freunden, gehe einkaufen bzw. manchmal spazieren. In ihrem Freundeskreis würden sich auch viele Österreicher befinden. Sie würden oft miteinander reden und auch gemeinsame Feste feiern. Sie sei sehr daran interessiert, dass ihre Kinder hier eine gute Ausbildung erhalten würden. Diesbezüglich habe sie sie auch immer unterstützt. Bereits in Afghanistan sei es ihr sehr wichtig gewesen, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung erhalten würden. Da die Lage für sie und ihre Familie sehr schwer gewesen sei, hätte aber nur ihre jüngste Tochter in Afghanistan eine Schule besuchen können. Ihre anderen Kinder hätten arbeiten müssen. In diesem Zusammenhang wurde von der Viertbeschwerdeführerin angegeben, dass ihre Mutter hier in Österreich auch zu jeden Elternsprechtag in der Schule gehen würde. Weiters wurde von der Erstbeschwerdeführerin angegeben, dass sie das Familieneinkommen verwalte und auch Behördenwege absolviere. Dies aber mit Unterstützung ihrer Kinder, da sie noch nicht so gut Deutsch spreche. Die Initiative gehe aber immer von ihr aus.

Zu seiner Situation in Österreich befragt, gab der Zweitbeschwerdeführer zusammengefasst an, dass er in Österreich seinen Pflichtschulabschluss nachholen wolle. Sein Berufswunsch sei Automechaniker. Er sei auch ehrenamtlich für die Gemeinde tätig gewesen (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden vom bevollmächtigten Vertreter integrationsbescheinigende Unterlagen in Vorlage gebracht.).

Zu ihrer Situation in Österreich befragt, gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie bereits mehrere Deutschkurse besucht und die anschließenden Prüfungen erfolgreich absolviert habe. Im September dieses Jahres wolle sie ihren Pflichtschulabschluss nachholen und danach eine Ausbildung zur Zahnarztassistentin beginnen (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden vom bevollmächtigten Vertreter u.a. ein ÖSD-Zertifikat A2 "bestanden" vom XXXX sowie eine Bestätigung hinsichtlich des laufenden Kursbesuches für die Vorbereitung auf den externen Pflichtschulabschluss vomXXXX in Vorlage gebracht.). Ihr Wunsch sei es, sich hier in Österreich ein eigenes Leben aufzubauen, eine eigene Wohnung zu haben, den Beruf der Zahnarztassistentin auszuüben und einmal eine eigene Familie zu gründen. Aber auch im Falle einer Eheschließung würde sie ihren Beruf nicht aufgeben. In ihrer Freizeit würde sie viel mit ihren österreichischen Freundinnen unternehmen. So würden sie z.B. gemeinsam Kleidung oder Schmuck kaufen bzw. sich gegenseitig schminken. Auch würden sie gemeinsam Geburtstagspartys feiern. Weiters habe sie vor einiger Zeit gemeinsam mit ihrer Schwester eine Tanzgruppe für moderne Tänze besucht. Dies sei eine Mischung aus Gymnastik und Tanz gewesen. An diesen Tanzveranstaltungen habe sie in Sportbekleidung und ohne Kopfbedeckung teilgenommen. In diesem Zusammenhang wurde von der Drittbeschwerdeführerin angegeben, dass sie ihr Kopftuch immer öfters ablegen würde. So lege sie ihr Kopftuch ab, wenn sie sich unter ihren österreichischen Freunden befinde.

Zu ihrer Situation in Österreich befragt, gab die Viertbeschwerdeführerin an, dass sie zurzeit die erste Klasse einer berufsbildenden höheren Schule mit dem Schwerpunkt Medizin besuche (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurde vom bevollmächtigten Vertreter eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2017/2018 über den Besuch des I. Jahrganges der XXXX durch die Viertbeschwerdeführerin als ordentliche Schülerin in Vorlage gebracht.). Nach ihrer Matura wolle sie Medizin studieren und Zahnärztin werden. In ihrer Freizeit gehe sie ebenfalls gerne mit ihren Freundinnen einkaufen und sie würden bei diesen Gelegenheiten u. a. Kleidung und Schminksachen kaufen. Auch würde sie sich regelmäßig mit früheren Mitschülern und Mitschülerinnen treffen und sie würden bei diesen Gelegenheiten Eis essen oder im Winter Eis laufen gehen. Weiters besuche sie auch diese Tanzgruppe, die auch ihre Schwester besucht habe. In dieser Tanzgruppe würde sie zurzeit für einen Auftritt üben, der diesen Sommer stattfinden solle. Im Rahmen dieser Tanzgruppe würde sie kein Kopftuch tragen und auch im Rahmen des zuvor geschilderten Auftrittes habe sie vor, ohne Kopftuch zu tanzen. Des Weiteren besuche sie eine Musikschule und lerne Gitarre spielen. Ihr Wunsch sei es, hier in Österreich ihr eigenes Haus bzw. eine eigene Wohnung zu besitzen und ihr eigenes Geld zu verdienen. Auch im Falle einer Eheschließung würde sie ihren Beruf nicht aufgeben. Sie wolle auch aus dem Grund Ärztin werden, damit ihre Familie von ihrem Einkommen leben könne. Wenn sie eigene Kinder habe, wolle sie diese ebenfalls unterstützen, damit auch diese studieren können würden.

Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Ehemann und ihr ältester Sohn im Zuge von Kampfhandlungen gegen die Taliban von diesen getötet worden seien. Sie hätten unter dem Kommando des Generals XXXX gekämpft. In diesem Zusammenhang wurde vom Zweitbeschwerdeführer ergänzend vorgebracht, dass dieser General mit ihnen verwandt sei und die Taliban gedroht hätten, alle Verwandten dieses Generals zu töten. Die Beschwerdeführer gaben übereinstimmend an, dass sie aufgrund dieser Bedrohung Afghanistan verlassen hätten. In weiterer Folge wurden ergänzend zu den mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan durch den verfahrensführenden Richter aufgrund der in der heutigen Verhandlung von der Erst- sowie von der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin geschilderten Lebensweise in Österreich folgende Unterlagen in das Verfahren eingebracht:

? UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016

? Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand Mai 2018)

Nach Erörterung dieser Unterlagen und der mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen, gab der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführer dazu an, dass auf eine Stellungnahme verzichtet werde.

Weiters wurde vom Bundesverwaltungsgericht die Verhandlungsschrift der belangten Behörde übermittelt. Eine Stellungnahme dazu wurde von dieser nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer tragen die im Spruch genannten Namen und sind am XXXX (Erstbeschwerdeführerin), am XXXX (Zweitbeschwerdeführer), am XXXX (Drittbeschwerdeführerin) sowie am XXXX (Viertbeschwerdeführerin) geboren. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des Zweitbeschwerdeführers sowie die Mutter der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin. Der Zweitbeschwerdeführer sowie die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin sind ledig und haben keine Kinder.

Der Zweitbeschwerdeführer stellte am XXXX - sohin vor seinem 18. Geburtstag - einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan, gehören der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Die Beschwerdeführer haben bis zu ihrer gemeinsamen Ausreise in einem Dorf in der Provinz XXXX gelebt. Danach haben sie sich ca. eineinhalb Jahre im Iran aufgehalten und leben nun im Familienverband in Österreich.

Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari. Die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin haben in Afghanistan keine Schul- und Berufsausbildung absolviert. Die Erstbeschwerdeführerin hat in Afghanistan als Reinigungskraft gearbeitet. Der Zweitbeschwerdeführer hat in Afghanistan als Hirte und im Iran als Schuhmacher gearbeitet. Die Drittbeschwerdeführerin hat in Afghanistan der Erstbeschwerdeführerin bei ihren Tätigkeiten geholfen und hat im Iran als Schneiderhelferin gearbeitet. Die Viertbeschwerdeführerin hat in Afghanistan sieben Jahre die Grundschule besucht.

Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater des Zweitbeschwerdeführers sowie Vater der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin ist bereits verstorben. Ebenso ist der älteste Sohn der Erstbeschwerdeführerin und Bruder des Zweitbeschwerdeführers sowie Bruder der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin bereits verstorben.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation der Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Die Erstbeschwerdeführerin ist in ihrer Wertehaltung und ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert. Sie lebt in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition und lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab. Sie bewältigt ihren Alltag in Österreich selbstständig und ist seit dem Tod ihres Ehemannes für die Erziehung ihrer Kinder alleine verantwortlich. Sie will ihre Kinder frei von Zwängen erziehen und ist sehr darum bemüht, dass ihre Kinder in Österreich eine gute Schul- und Berufsausbildung erhalten, damit sie ein selbstbestimmtes Leben nach ihren eigenen Vorstellungen führen können. In dieser Hinsicht werden ihre Kinder aktiv von ihr unterstützt. Die Erstbeschwerdeführerin ist bemüht trotz ihres Alters und ihrer nicht vorhandenen Schul- und Berufsausbildung die deutsche Sprache immer besser zu erlernen und besucht nach einem bereits absolvierten Alphabetisierungskurs derzeit einen Deutschkurs. Sie geht alleine einkaufen, nimmt Behördenwege wahr und besucht regelmäßig die Elternsprechtage in der Schule der Viertbeschwerdeführerin. Die von ihr angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Die Beschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich für sich und ihre Töchter nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die persönliche Haltung der Erstbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Sie würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden.

Bei der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin handelt es sich um junge selbstständige Frauen, die in ihrer Wertehaltung und ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert sind. Sie leben in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition und lehnen die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab. Sowohl die Dritt- als auch die Viertbeschwerdeführerin kleiden sich nach westlicher Mode und schminken sich. Auf das Tragen des Kopftuches wird mehr und mehr verzichtet. Die Drittbeschwerdeführerin spricht gut Deutsch, hat den

A2-Deutschkurs erfolgreich absolviert und besucht derzeit einen Kurs für die Vorbereitung auf den externen Pflichtschulabschluss. Die Drittbeschwerdeführerin beabsichtigt eine Ausbildung zur Zahnarztassistentin zu absolvieren, um in Österreich berufliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu erlangen. Die Viertbeschwerdeführerin spricht sehr gut Deutsch und besucht derzeit die erste Klasse einer berufsbildenden höheren Schule mit dem Schwerpunkt Medizin. Nach der Matura beabsichtigt die Viertbeschwerdeführerin Medizin zu studieren und Zahnärztin zu werden, um in Österreich berufliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu erlangen. Beide Beschwerdeführerinnen beabsichtigen im Falle eigener Kinder, diese frei von Zwängen zu erziehen und im Falle einer Eheschließung weiterhin berufstätig zu bleiben. Weiters verfügen beide Beschwerdeführerinnen über einen österreichischen Freundeskreis und besucht die Viertbeschwerdeführerin eine Tanzgruppe, bestehend aus österreichischen Tänzerinnen, und probt derzeit für einen öffentlichen Auftritt, der diesen Sommer stattfinden soll. Im Rahmen dieser Tanzgruppe tanzt die Viertbeschwerdeführerin ohne Kopftuch. Weiters besucht die Viertbeschwerdeführerin die Musikschule und lernt Gitarre. Auch die Drittbeschwerdeführerin hat diese Tanzgruppe besucht. Darüber hinaus unternehmen die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin Radausflüge zu einem nahegelegenen See. Die von ihnen angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Die Beschwerdeführerinnen lehnen die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und können sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die persönliche Haltung der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Sie würden im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frauen angesehen werden.

Der Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführerin drohen bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund ihrer Wertehaltung eine Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen. Vom afghanischen Staat können sie keinen effektiven Schutz erwarten.

Es besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:

Aufgrund der mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan und den in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zusätzlich in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer getroffen:

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, in der Fassung vom 30.01.2018:

Politische Lage (Verfassung):

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde (IDEA o.D.) und auf der Verfassung aus dem Jahr 1964 basiert. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und dass alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.01.2004).

Sicherheitslage (Allgemein):

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Kontrolle von Distrikten und Regionen:

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen:

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Rechtsschutz/Justizwesen:

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9.2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und -verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9.2016).

Todesstrafe:

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen. Es gibt ein Präsidialdekret aus dem Jahre 1992, welches die Anwendung der Todesstrafe auf fünf Deliktarten einschränkt: (vorsätzlicher) Mord, Genozid, Sprengstoffattentate (i.V.m. Mord), Straßenräuberei (i.V.m. Mord) und Angriffe gegen die territoriale Integrität Afghanistans. Dieses Präsidialdekret wurde allerdings in jüngster Zeit nicht beachtet. Unter dem Einfluss der Scharia droht die Todesstrafe auch bei anderen "Delikten" (z.B. Blasphemie, Apostasie). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen bzw. bestätigt und kann nur mit Zustimmung des Präsidenten vollstreckt werden. Die Todesstrafe wird durch Erhängen vollstreckt. In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig wahrgenommenen Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können (AA 9.2016).

Im Jahr 2015 wurde die Todesstrafe weiterhin verhängt - oft nach unfairen Verfahren. Die von Präsident Ghani im Jahr 2014 angeordnete Überprüfung von fast 400 noch nicht vollstreckten Todesurteilen war Ende 2015 noch nicht abgeschlossen (AI 24.2.2016).

Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hatte und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, die eine Umwandlung von Todesstrafen in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, werden weiter Todesurteile vollstreckt. Im Mai 2016 fand die Hinrichtung von sechs verurteilten Terroristen statt. Die Vollstreckung der bereits rechtskräftigen Todesurteile war Teil einer von Präsident Ghani angekündigten härteren Politik im Kampf gegen Aufständische und folgte als Reaktion auf öffentliche Vergeltungsrufe nach einem schweren Taliban-Anschlag. Zuvor wurden 2014 und 2012 sechs bzw. 16 Todesstrafen verurteilter Straftäter vollstreckt (AA 9.2016).

Allgemeine Menschenrechtslage:

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9.2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9.2016).

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet (AI 24.2.2016).

Haftbedingungen:

Aus dem Bericht der UNAMA, dem eine fast zweijährige Studie (1. Februar 2013 bis 31. Dezember 2014) in 221 Anstalten in 28 verschieden Provinzen Afghanistans vorrausgegangen war, geht hervor, dass allgemein die Zahl der interviewten Häftlinge, die misshandelt bzw. gefoltert wurden, um 14% niedriger ist als im Vergleichszeitraum (Oktober 2011 bis Dezember 2013). Von den 790 befragten Häftlingen gaben 278 an misshandelt oder gefoltert worden zu sein, was in etwa 35% entspricht (UNAMA 2.2015; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Ein staatliches Komitee führte Interviews, um die im UNAMA-Bericht 2013 vorgebrachten Folteranschuldigungen zu prüfen. Die Feststellungen des Komitees wurden nicht veröffentlicht. Die Regierung hat die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (USDOS 13.4.2016). In einem Fall wurden zwei Beamte des nationalen Geheimdienstes (NDS) aufgrund von Folter strafrechtlich verfolgt (OHCHR 11.2.2016).

Im Juni 2015 erließ der NDS eine Anordnung, in der nachdrücklich auf das Verbot von Folter, insbesondere bei Polizeiverhören, hingewiesen wurde; trotzdem kam es zu Folter und anderen Misshandlungen und Isolationshaft, im afghanischen Strafvollzugssystem (AI 24.2.2016).

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sind in den meisten Provinzen ein Problem. Beobachtern zufolge, werden Individuen gelegentlich von Polizei und Staatsanwälten, auf Basis von Handlungen, die nach afghanischem Recht nicht strafbar sind, ohne Anklage inhaftiert (USDOS 13.4.2016; vgl. AI 24.2.2016). Teilweise auch deshalb weil das Justizsystem nicht in der Lage ist, die Festgenommenen in gegebener Zeit weiter zu beamtshandeln (USDOS 13.4.2016). Die UNAMA berichtete von Verhaftungen wegen "moralischer" Vergehen, Vertragsbruch, Familiendisputen usw. zum Zwecke des Erhalts von Geständnissen. Beobachter berichten, dass ausschließlich Frauen für "moralische" Vergehen inhaftiert werden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016).

Frauen:

Jahrzehntelanger Kampf gegen patriarchale und frauenfeindliche Normen, führte zu einer Sensibilisierung in Bezug auf Frauen und ihrer Rechte. Allmählich entwickelt sich die Rolle von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Bereichen (AF 7.12.2016). Die Situation der Frauen hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft erheblich verbessert; die vollumfängliche Realisierung ihrer Rechte innerhalb der konservativ-islamischen afghanischen Gesellschaft bleibt schwierig. Die konkrete Situation von Frauen kann sich allerdings je nach regionalem und sozialem Hintergrund stark unterscheiden (AA 9.2016).

Artikel 22 der afghanischen Verfassung besagt, dass jegliche Form von Benachteiligung oder Bevorzugung unter den Bürgern Afghanistans verboten ist. Die Bürger Afghanistans, sowohl Frauen als auch Männer, haben vor dem Gesetz gleiche Rechte und Pflichten (Max Planck Institut 27.1.2004). Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die Errichtung des afghanischen Ministeriums für Frauenangelegenheiten (MoWA) im Jahr 2001 (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Afghanistan ist eine Erfolgsgeschichte in der Verbesserung des Zugangs zu Bildung - auch für Mädchen (Education for Development 7.7.2015). Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt (BFA Staatendokumentation 3.2014).

Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben. Laut Artikel 4 des afghanischen Bildungsgesetzes ist mittlere (elementare) Bildung in Afghanistan verpflichtend. Artikel 43 der afghanischen Verfassung besagt, dass alle afghanischen Staatsbürger das Recht auf Bildung haben (SIGAR 4.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004).

Seit dem Jahr 2000 hat sich die durchschnittliche Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen von 2,5 Jahren auf 9,3 Jahre erhöht (AF 2015). Das afghanische Bildungsministerium errichtete gemeinsam mit USAID und anderen Gebern, mehr als 16.000 Schulen; rekrutierte und bildete mehr als 154.000 Lehrerinnen und Lehrer aus, und erhöhte die Zahl der Schuleinschreibungen um mehr als 60%. Das Bildungsministerium gibt die Zahl der Schüler/innen mit ca. 9 Millionen an, davon sind etwa 40% Mädchen. Frauen und Mädchen gehen öfter zur Schule wenn sie keine langen Distanzen zurücklegen müssen. USAID hat 84.000 afghanische Mädchen dabei unterstützt Schulen innerhalb ihrer Gemeinden besuchen zu können, damit sich nicht durch teilweise gefährliche Gegenden pendeln müssen (USAID 19.12.2016).

Laut dem afghanischen Statistikbüro, gab es landesweit 15.645 Schulen, 9.184.494 Schüler/innen, davon waren 362.906 weiblich. Diese Zahlen beinhalten alle Schultypen, dazu zählen Volks- und Mittelschulen, Abendschulen, Berufsschulen, Lehrerausbildungszentren, etc. Die Zahl der Schülerinnen hat sich im Zeitraum 2015 - 2016 zum Vergleichszeitraum

2014 - 2015 um 2,2% erhöht. Die Gesamtzahl der Lehrer/innen betrug 199.509, davon waren 63.911 Frauen (CSO 2016).

Seit dem Jahr 2008 hat sich die Studierendenzahl in Afghanistan um 50% erhöht. Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an. (The Economist 13.8.2016; vgl. auch:

MORAA 31.5.2016).

Im Herbst 2015 eröffnete an der Universität Kabul der Masterlehrgang für "Frauen- und Genderstudies" (Khaama Press 18.10.2015; vgl. auch:

University Herold 18.10.2015); im ersten Lehrgang waren 28 Student/innen eingeschrieben, wovon 10 Männer waren (University Herold 18.10.2015).

Für viele Frauen ist es noch immer sehr schwierig, außerhalb des Bildungs- und Gesundheitssektors Berufe zu ergreifen. Einflussreiche Positionen werden abhängig von Beziehungen und Vermögen vergeben (AA 9.2016). Oft scheitern Frauen schon an den schwierigen Transportmöglichkeiten und eingeschränkter Bewegungsfreiheit ohne männliche Begleitung (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Bemerkenswert ist die Steigerung jener Afghan/innen, die der Meinung sind, Frauen sollen sich bilden und außerhalb des Heimes arbeiten dürfen. Bei einer Befragung gaben 81% der Befragten an, Männer und Frauen sollten gleiche Bildungschancen haben (The Diplomat 9.12.2016; vgl. auch: AF 7.12.2016).

Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat sich seit dem Jahr 2001 stetig verbessert und betrug im Jahr 2016 19%. Rund 64% der Afghan/innen befürworteten Frauen außerhalb ihres Heimes arbeiten zu dürfen. Frauen sind dennoch einer Vielzahl von Hindernissen ausgesetzt; dazu zählen: Einschränkungen, Belästigung, Diskriminierung und Gewalt, aber auch praktische Hürden, wie z.B. fehlende Arbeitserfahrung, Fachkenntnisse und (Aus)Bildung (UN Women 2016). Die Alpahbetisierungsrate bei Frauen in Afghanistan liegt durchschnittlich bei 17%, in manchen Provinzen sogar unter 2% (UN Women 2016; vgl. auch: UNESCO Institute for statistics o.D.). In der Altersklasse der 15 - 24 jährigen betrug die Alphabetisierungsrate im Jahr 2015 bei Frauen 46,11%, bei den über 65-jährigen 4,33% (UNESCO Institute for statistics o.D.).

Viele Frauen haben sich in bedeutenden Positionen in den verschiedenen Bereichen von nationaler Wichtigkeit entwickelt, dazu zählen Politik, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Der Raum für weibliche Führungskräfte bleibt eingeschränkt, von Gebern abhängig und ist hauptsächlich in den Städten vertreten. Frauen sind im Privatsektor unterrepräsentiert und haben keine aktive Rolle in der Wirtschaftsproduktion. Unsicherheit, Belästigung, Immobilität, religiöser Extremismus und Korruption sind verbreitet. Begriffe wie zum Beispiel Geschlechtergleichstellung werden weiterhin missverstanden. Frauen in Führungspositionen werden als symbolisch betrachtet, werden politisch mangelhaft unterstützt, haben schwach ausgebildete Entscheidungs- und Durchsetzungskompetenzen und mangelnden Zugang zu personellen und finanziellen Mitteln (USIP 9.2015). Frauen sind im Arbeitsleben mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert, etwa Verwandte, die verlangen sie sollen zu Hause bleiben; oder Einstellungsverfahren, die Männer bevorzugten. Jene die arbeiteten, berichteten von sexueller Belästigung, fehlenden Transport- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten; Benachteiligungen bei Lohnauszahlungen existieren im Privatsektor. Journalistinnen, Sozialarbeiterinnen und Polizistinnen berichteten von Drohungen und Misshandlungen (USDOS 13.4.2016).

Frauen machen 30% der Medienmitarbeiter/innen aus. Teilweise leiten Frauen landesweit Radiostationen - manche Radiostationen setzten sich ausschließlich mit Frauenangelegenheiten auseinander. Nichtsdestotrotz, finden Reporterinnen es schwierig ihren Job auszuüben. Unsicherheit, fehlende Ausbildung und unsichere Arbeitsbedingungen schränken die Teilhabe von Frauen in den Medien weiterhin ein (USDOS 13.4.2016).

Die politische Partizipation von Frauen ist rechtlich verankert und hat sich deutlich verbessert. So sieht die afghanische Verfassung Frauenquoten für das Zweikammerparlament vor: Ein Drittel der 102 Sitze im Oberhaus (Meshrano Jirga) werden durch den Präsidenten vergeben; die Hälfte davon ist gemäß Verfassung für Frauen bestimmt (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Zurzeit sind 18 Senatorinnen in der Meshrano Jirga vertreten. Im Unterhaus (Wolesi Jirga) sind 64 der 249 Sitze für Parlamentarierinnen reserviert; derzeit sind 67 Frauen Mitglied des Unterhauses. Die von Präsident Ghani bewirkten Wahlreformen sehen zudem Frauenquoten von 25% der Sitze für Provinz- und Distriktratswahlen vor; zudem sind mindestens zwei von sieben Sitzen in der einflussreichen Wahlkommission (Independent Election Commission) für Frauen vorgesehen. Die afghanische Regierung hat derzeit vier Ministerinnen (von insgesamt 25 Ministern) (AA 9.2016). Drei Afghaninnen sind zu Botschafterinnen ernannt worden (UN Women 2016). Frauen in hochrangigen Regierungspositionen waren weiterhin Opfer von Drohungen und Gewalt (USDOS 13.4.2016).

Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women's Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit seiner Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9.2016).

Polizei und Militär sind Bereiche, in denen die Arbeit von Frauen besonders die traditionellen Geschlechterrollen Afghanistans herausfordert. Der Fall des Taliban-Regimes brachte, wenn auch geringer als zu Beginn erwartet, wesentliche Änderungen für Frauen mit sich. So begannen Frauen etwa wieder zu arbeiten (BFA Staatendokumentation 26.3.2014). Im Jahr 2016 haben mehr Frauen denn je die Militärschule und die Polizeiakademie absolviert (AF 7.12.2016). Das Innenministerium bemüht sich um die Einstellung von mehr Polizistinnen, allerdings wird gerade im Sicherheitssektor immer wieder über Gewalt gegen Frauen berichtet. Die afghanische Regierung hat sich bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ehrgeizige Ziele gesetzt und plant u.a. in der ersten Jahreshälfte 2016 ein Anti-Diskriminierungspaket für Frauen im öffentlichen Sektor zu verabschieden. Dieses ist allerdings bisher noch nicht geschehen (AA 9.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016). Laut Verteidigungsministerium werden derzeit 400 Frauen in unterschiedlichen Bereichen des Verteidigungsministeriums ausgebildet: 30 sind in der nationalen Militärakademie, 62 in der Offiziersakademie der ANA, 143 in der Malalai Militärschule und 109 Rekrutinnen absolvieren ein Training in der Türkei (Tolonews 28.1.2017).

Im Allgemeinen verbessert sich die Situation der Frauen innerhalb der Sicherheitskräfte, bleibt aber weiterhin fragil. Der Schutz von Frauenrechten hat in größeren städtischen Gegenden, wie Kabul, Mazar-e Sharif und in der Provinz Herat, moderate Fortschritte gemacht; viele ländliche Gegenden sind extrem konservativ und sind aktiv gegen Initiativen, die den Status der Frau innerhalb der Gesellschaft verändern könnte (USDOD 6.2016).

Auch wenn die Regierung Fortschritte machte, indem sie zusätzliche Polizistinnen rekrutierte, erschweren kulturelle Normen und Diskriminierung die Rekrutierung und den Verbleib in der Polizei (USDOS 13.4.2016).

Initiiert wurde ein umfassendes Programm zur Popularisierung des Polizeidienstes für Frauen (SIGAR 30.7.2016; vgl. auch: Sputnik News 5.12.2016). Dies Programm fördert in verschiedenster Weise Möglichkeiten zur Steigerung der Frauenrate innerhalb der ANDSF (SIGAR 30.7.2016). Das afghanische Innenministerium gewährte im Vorjahr 5.000 Stellen für Frauen bei der Polizei, diese Stellen sind fast alle noch immer vakant (Sputnik News 5.12.2016; vgl. auch:

SIGAR 30.7.2016). Eines der größten Probleme ist, dass sowohl junge Mädchen als auch Ehefrauen in ihren Fa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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