TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/13 W271 1237159-2

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Veröffentlicht am 13.07.2018
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Entscheidungsdatum

13.07.2018

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W271 1237159-2/16E

Schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zu W271 1237159-2 des am 22.02.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX (alias XXXX), StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2017, Zl.XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.02.2018 zu Recht erkannt:

A)

II.1. Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen, als mit dem angefochtenen Bescheid ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG nicht erteilt wurde.

II.2. In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

II.3. Dem Beschwerdeführer wird nach § 55 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.

II.4. Die Spruchpunkte III. und IV. des Bescheids werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: "BF"), ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Usbeken, stellte am 12.02.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamts (in der Folge: "BAA") vom 29.04.2003 wurde der Antrag des BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Es wurde jedoch ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei, weil die Gefahr drohe, dass der BF aufgrund der allgemein schlechten Lage und aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse in eine ausweglose Lage geraten würde. Dem BF wurde eine auf drei Monate befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

2. Am 07.05.2003 erhob der BF eine Berufung gegen den Bescheid des BAA, über die der Unabhängige Bundesasylsenat (kurz: "UBAS") wiederum mit Bescheid vom 13.11.2007 entschied: Die Berufung wurde abgewiesen.

3. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 14.02.2005 (bestätigt durch den Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 07.07.2005) wurde gegen den BF wegen der Tat des versuchten Raubes ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Das Aufenthaltsverbot wurde später von Amts wegen durch den Bescheid des BFA vom 13.11.2015 wegen einer Änderung der Rechtslage aufgehoben.

4. Die dem BF am 29.04.2003 zunächst befristete Aufenthaltsberechtigung wurde regelmäßig verlängert (mit den Bescheiden des BAA vom 25.11.2005, 06.11.2006, 31.10.2007, 09.10.2008, 20.11.2009 und 29.10.2010). Das BAA führte dabei jeweils aus, dass alle Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung vorlägen, weil die allgemeine Situation sich seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten noch nicht geändert habe, sodass dem BF eine Rückkehr nicht zumutbar sei. In den Bescheidbegründungen wurde seit 2008 ausgeführt, dass die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "alleine in der dortigen allgemeinen Lage begründet" sei.

5. Zwischenzeitig erfolgte im Juni 2007 eine Verurteilung des BF wegen der Begehung zweier Straftaten im Zustand der vollen Berauschung und 2010 eine Verurteilung wegen der versuchten Vergewaltigung.

6. In Folge der Verurteilung wegen der Begehung eines Verbrechens wurde dem BF mit Bescheid des BAA vom 25.07.2011 der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt; die befristet erteilte Aufenthaltsberechtigung wurde ihm in dieser Entscheidung entzogen. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass eine Aberkennung zu erfolgen habe, weil der BF ein Verbrechen begangen habe. Im gleichen Bescheid wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG für unzulässig befunden. Das deswegen, weil die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan prekär sei und dem BF wegen seiner persönlichen Lage (psychische Belastung, Entfremdung aufgrund des langjährigen Aufenthalts in Europa und fehlender Anschluss zu Angehörigen) die Gefahr einer Verletzung seiner persönlichen Integrität drohe. Das BAA sah in der Situation des BF im Falle einer Rückkehr eine "reale Gefahr" iSd Art. 2 und 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des BF infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts. Im Vergleich zu den früheren Bescheiden, mit denen das Aufenthaltsrecht des BF jeweils befristet verlängert wurde, spielten nunmehr auch persönliche Gründe des BF eine Rolle für die Unzulässigkeit der Abschiebung.

7. Nach Verbüßung der Strafhaft von etwa 2010 bis 2013 suchte der BF am 25.11.2013, unter Bezugnahme auf den Bescheid des BAA vom 25.07.2011, um Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG an. Diesem Ansuchen wurde durch Ausstellung einer Karte für Geduldete am 23.12.2013 entsprochen. In weiterer Folge wurde jährlich um Verlängerung der Duldung angesucht (Anträge vom 05.11.2014 und 02.11.2015) und wurde die Verlängerung der Duldung Ende 2014 und Ende 2015 gewährt.

8. Am 11.10.2016 stellte der BF das vierte Verlängerungsansuchen für eine Duldung. Mit Schreiben vom 16.05.2017 erhielt dieser eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und eine Mitteilung der beabsichtigen Ablehnung der angesuchten Duldung sowie der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot.

9. Der BF legte in einer Stellungnahme vom 03.07.2017 ärztliche Befunde wegen einer Augenoperation und Nachweise über seine Integrationsbemühungen vor; er gab an, seine Alkoholsucht überwunden zu haben, die in seiner Vergangenheit der Grund für seine Konflikte mit dem Gesetz war.

10. Daraufhin erließ das BFA am 07.08.2017 zwei im Folgenden mit Beschwerde vom jeweils 31.08.2017 bekämpften Bescheide, dem BF jeweils am 17.08.2017 durch Übergabe zugestellt: Im Bescheid Zl. XXXX erteilte das BFA keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ eine Rückkehrentscheidung. Zudem stellte das BFA fest, dass die Abschiebung des BF zulässig sei und verhängte gegen diesen ein Einreiseverbot von 10 Jahren. Im Bescheid Zl. XXXX wies das BFA den Antrag auf eine Verlängerung der Duldung des BF ab.

Die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung (erster Bescheid) begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der BF in der Vergangenheit alkoholkrank gewesen sei und an psychischen Problemen gelitten habe, er derzeit jedoch gesund sei. Dieser benötige zwar Medikamente, leide aber an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Der BF habe inzwischen ein Zertifikat des BFI für die Tätigkeit des Schweißers erworben. In Afghanistan verfüge er zwar über kein familiäres Netz, er habe jedoch eine Tante in Mazar-e Sharif. Dort bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative und könne die Tante als familiärer Anknüpfungspunkt für eine erfolgreiche Reintegration dienen. Mit dem Schweißerkurs weise der BF einen überdurchschnittlichen Bildungsgrad auf. Insgesamt sei dieser daher eine Rückkehr zuzumuten. Eine besondere Gefährdung durch eine Rückkehr sei "nicht erkenntlich", insbesondere da der BF über die lokalen Sprachkenntnisse verfüge. Das Einreiseverbot begründete die belangte Behörde mit den Vorstrafen des BF und der damit indizierten schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

Die Ablehnung der weiteren Duldung (zweiter Bescheid) begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass im erstgenannten, wenn auch noch nicht rechtskräftigen, Bescheid vom selben Tag festgestellt worden sei, dass seine Abschiebung nunmehr zulässig sei und "[d]ie Voraussetzungen für Ihre Duldung somit nicht mehr vor[liegen]" würden.

11. Der BF erhob am 31.08.2017 gegen beide Bescheide des BFA fristgerecht jeweils eine Beschwerde.

12. Die Vorlage der Beschwerden erfolgte mit Schreiben vom 08.09.2017. Am 13.09.2017 langten die Akte betreffend den BF beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: "BVwG") ein.

13. Das BVwG führte am 22.02.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertreterin des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

14. Anschließend an die Verhandlung wurden die Entscheidungen hinsichtlich der beiden bekämpften Bescheide mündlich verkündet: Im Verfahren betreffend die beantragte Duldung (W271 1237159-3) wurde dem Antrag des BF auf Verlängerung einer Karte für Geduldete stattgegeben. Im Verfahren betreffend die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot (W271 1237159-2) wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen versagt, jedoch die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer ausgesprochen, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.

15. Das BFA beantragte eine schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung nur hinsichtlich des Bescheids betreffend die Rückkehrentscheidung (W271 1237159-2). Eine Ausfertigung hinsichtlich der gewährten Duldung wurde nicht verlangt (W271 1237159-3).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Allgemeine Angaben zum BF

Der BF trägt den Namen XXXX und führt das Geburtsdatum XXXX(alias XXXX). Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Volksgruppenangehöriger der Usbeken und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Der BF spricht Dari, Türkisch und Deutsch. Er ist volljährig, ledig und kinderlos. Der BF ist mit einer tadschikischen Staatsbürgerin verlobt, die er über das Internet kennengelernt hat.

Der BF wurde in der Provinz Kunduz, XXXX, geboren und lebte nie an einem anderen Ort in Afghanistan. Im Jahr 2000 verließ er das Land und hielt sich daraufhin ein Jahr im Iran und zwei Jahre in der Türkei auf, wo er jeweils als Schweißer arbeitete.

Am 11.02.2003 wurde der BF in Österreich das erste Mal aufgegriffen und befindet sich nun seit etwa 15 Jahren im Bundesgebiet. Der BF fühlt sich Österreich sehr verbunden. Er ist deswegen schon seit 15 Jahren in Österreich; er hat Österreich seit seiner Einreise nie verlassen.

1.2. Verwandte und Kontakte im Ausland

In Afghanistan hatte der BF eine Tante in Mazar-e Sharif, mit der er zuletzt 1998 in Kontakt stand; wo die Tante jetzt ist, weiß der BF nicht. Die Tante war vor 18 Jahren bereits 50 oder 60 Jahre alt. Dem BF ist nichts über den Verbleib seines Bruders bekannt, der schon vor der Ausreise des BF aus Afghanistan nach Pakistan ging. Zu anderen, möglicherweise in Afghanistan lebenden Verwandten, hat der BF ebenfalls keinen Kontakt.

1.3. Verwandte und Kontakte im Inland

In Österreich verfügt der BF über keine Angehörigen. Er hat aber österreichische Freunde, die er im Gefängnis oder in diversen Arbeitsstellen kennengelernt hat. Mit diesen unterhält er sich auf Deutsch und geht mit ihnen spazieren.

Der BF trifft sich nur selten mit afghanischen Freunden. Das Treffen mit afghanischen Freunden macht den BF traurig, weil nur über Krieg und die Situation gesprochen wird.

1.4. Arbeit und Ausbildung des BF

Der BF geht derzeit keiner regelmäßigen Beschäftigung nach und lebt in Österreich aktuell von der Notstandshilfe. Nicht durchgehend, aber für die überwiegende Zeit seines Aufenthalts in Österreich, bezog der BF Leistungen aus öffentlichen Gebietskörperschaften. Der BF hat eine Jobzusage, konnte die Arbeit aber aufgrund der fehlenden Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis nicht antreten.

Der BF besuchte Lehreinheiten für den Kurs "Lichtbogenhandschweißen" (Bescheinigungen vom 30.11.2007 und 25.01.2008). Er verfügt über mehrere Schweißerzertifikate, die er in Österreich erwarb (Diplom:

European Fillet Welder vom 30.11.2007 sowie weitere Zertifikate vom 30.11.2007, 03.12.2007, 10.12.2007, 04.02.2008); er besitzt auch ein Schweißer-Zertifikat des BFI (12.11.2015). Er setzte und setzt umfassende Bemühungen, sich in Österreich am Arbeitsmarkt zu integrieren und ging jeder Tätigkeit nach, die sich ihm anbot (u.a. Schweißer, Gärtner und Bäckereihelfer). Insgesamt arbeitete er vor seinem Gefängnisaufenthalt 2010 für etwa sechs Monate. Während seines Gefängnisaufenthaltes war er zwei Jahre lang als Schweißer tätig und hatte einige Gehilfen, die er beaufsichtigt hat. Der BF arbeitete trotz seiner Schmerzen und Hüftproblematik. Er musste wegen seiner Schmerzen eine Arbeitsstelle nach wenigen Monaten verlassen. Eine andere Arbeitsstelle, die er nach seiner Haftentlassung angetreten hatte, musste er wegen eines Unfalls mit seinem Auge aufgeben. Der BF will weiterhin arbeiten und setzt Initiativen beim AMS.

Der BF verfügt nur über eine geringe Schulbildung. In Österreich hat der BF von Mitte 2006 bis Anfang 2007 einen Alphabetisierungskurs besucht. 2012 besuchte der BF einen A2-Deutschkurs, bestand diesen jedoch nicht. 2014 nahm der BF an der VHS an einem weiteren Deutschkurs teil. Er nimmt derzeit nicht an weiteren Fortbildungen teil. Wegen der erfolgten Einziehung der Karte für Geduldete konnte der BF keine Briefe vom Postamt abholen; der bekämpfte Bescheid und die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden dem BF persönlich übergeben.

Der BF konnte Teilen der Verhandlung auf Deutsch folgen und antwortete zum Teil ohne Übersetzung der Fragen direkt auf Deutsch. Er konnte in der mündlichen Verhandlung auch in einfachen deutschen Sätzen kommunizieren und auf Deutsch über seine Pläne für die Zukunft sprechen.

1.5. Gesundheitszustand und Gesinnung des BF

Der BF weist eine eher zierliche Statur auf. Er nimmt ab und zu Magentabletten, weil er Magenbeschwerden hat. In der Vergangenheit hatte der BF große Probleme mit Alkohol, er hat seine Sucht aber seit 2010 überwunden.

2004 wurde dem BF eine künstliche Hüfte eingesetzt, später erhielt er eine zweite künstliche Hüfte. Diese Problematik verursacht dem BF tägliche Schmerzen, vor allem beim Aufstehen in der Früh und nach wenigen Minuten Sitzen. Dem BF wurden in der Vergangenheit bereits Schmerzmittel verschrieben; bei akuten Schmerzen wurde als Therapievorschlag auch Schonung verordnet.

Ende 2016 erlitt der BF beim Schweißen einen Arbeitsunfall, bei dem ihm ein Metallsplitter ins Auge flog. Beim Herausziehen dieses Splitters verletzte der behandelnde Arzt den BF am Auge. Diese Problematik wurde zunächst mit einem Provisorium behandelt; dazu wurde der Glaskörper des Auges (das Innere) durch eine Silikoneinspritzung ersetzt. Derzeit sieht der BF sehr schlecht auf dem beeinträchtigten Auge; nach einer - erst in Aussicht genommenen, aber noch nicht durchgeführten - Operation gibt es möglicherweise Aussicht auf eine Besserung.

Der BF ist wegen seiner Beschwerden regelmäßig in ärztlicher Kontrolle.

Der BF verlor mit 7 Jahren seine Eltern. Er leidet an psychischen Problemen und seit einigen Jahren auch an physischen Schmerzen. Der dadurch empfundene Druck ist für den BF eine psychische Belastung, weshalb er deswegen auch schon einen Arzt aufgesucht hat. Der BF setzte die gewünschte Therapie nicht fort, weil er die ihm verschriebenen Medikamente nicht vertrug. Der BF leidet nach wie vor an seinen körperlichen und seelischen Schmerzen.

Der BF verfolgt weiterhin berufliche und private Ziele im Leben, die er in Österreich verwirklichen möchte.

Der BF weist eine geringe Schuldbildung und einfache Persönlichkeit auf. Der BF ist melancholisch und nachdenklich. Während seiner Inhaftierung reflektierte der BF sein bisheriges Verhalten und dachte über seine Zukunft nach. Er gelangte zur Einsicht, dass ihn der Verlust seiner Familie, als er noch ein Kind war, leidvoll beeinflusst hat. Das Studium türkischer Literatur bewirkte, dass der BF seine Einstellung zum Leben änderte. Er erkannte, dass ein Mensch sehr wertvoll ist. Der BF stellte fest, dass der frühere Konsum von Alkohol ihn - auch hinsichtlich der Taten, wegen derer er verurteilt wurde - negativ beeinflusst hat. Der BF hat seine Alkoholsucht überwunden und sich seit seiner letzten Tat 2008 sowie seit seiner Entlassung aus der Haft im Jahr 2013 nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Er versucht nun, sein Leben besser zu gestalten. Der BF hat Pläne für seine Zukunft; er will arbeiten und eine Familie gründen.

1.6. Vorstrafen des BF

Erste Verurteilung:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28.10.2004 wurde über den BF wegen §§ 15, 142 Abs. 1 StGB (versuchter Raub) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Er wurde für schuldig befunden, am 21.08.2004 versucht zu haben, einer Frau mit Gewalt gegen ihre Person mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, ihre Handtasche samt Inhalt wegzunehmen. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass er dabei die Frau in einen Hauseingang drängte, ihr den Mund zuhielt und ihren linken Arm auf den Rücken drehte, um ihr die Handtasche zu entreißen. Die Tat ereignete sich gegen 03:00 Uhr Früh. Der BF hatte zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit Bekannten Alkohol konsumiert gehabt. Er war jedoch voll diskretions- und dispositionsfähig. Die überfallene Frau war ebenfalls alkoholisiert. Das Gericht erachtete das Opfer für glaubwürdig. Die Angaben des BF wurden demgegenüber nicht als glaubwürdig erachtet, sondern als Schutzbehauptungen beurteilt.

Das Oberlandesgericht Wien sprach mit Urteil vom 11.01.2005 nach Berufung des BF gegen diese Entscheidung aus, dass der Vollzug eines 16-monatigen Strafteils der verhängten Freiheitsstrafe für die Dauer einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Den vom Landesgericht angenommenen Erschwerungsgrund, der BF habe bewusst die Wehr- und Hilflosigkeit der Beraubten ausgenutzt, ließ das Oberlandesgericht entfallen. Es wertete jedoch eine leichte Verletzung des Opfers als erschwerend. Mildernd wurden die bisherige Unbescholtenheit des BF gewertet sowie, dass die Tat nur versucht wurde. Die alkoholbedingte Enthemmung des BF zur Zeit des Raubes wurde nicht als mildernd bewertet, weil der BF zuvor bewusst eine "Zechtour" unternommen hatte und er bereits zuvor in berauschtem Zustand unvorhersehbare Reaktionen (z.B. Gewalt gegen Sachen) zeigte. Das OLG bezeichnete den Tathergang zudem als "heftig und nahezu heimtückisch" sowie als "rücksichtslos" und maß dem Verhalten des BF einen hohen sozialen Störwert bei, weswegen die ausgesprochene Bestrafung - auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen - nicht weiter reduziert wurde.

Der unbedingt verhängte Strafteil von acht Monaten wurde am 20.04.2005 vollzogen.

Zweite Verurteilung:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16.06.2007 wurde über den BF wegen § 287 Abs. 1 (§ 107 Abs. 2, §§ 125, 126 Abs. 1 Z 5) StGB (gefährliche Drohung mit dem Tod sowie Beschädigung an einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur, jeweils im Zustand der die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Berauschung) eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt. Der BF wurde für schuldig befunden, sich am 09.05.2007 - wenn auch nur fahrlässig - in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt zu haben und dabei einen Mann an der Jacke festgehalten sowie mit dem "Kopfabschneiden" und dem Tod gedroht zu haben, wobei er ein Messer mit im Ärmel versteckter Klinge hielt, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. Zudem wurde der BF für schuldig befunden, mit dem Kopf eine Delle in die Heckklappe eines Dienstfahrzeuges der BPD Wien geschlagen zu haben. Die Probezeit betreffend den bedingt nachgesehenen Strafteil der erstgenannten Verurteilung wurde auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Die viermonatige Strafe wurde am 07.09.2007 vollzogen.

Dritte Verurteilung:

Am 25.11.2010 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien den BF gemäß §§ 15, 201 Abs. 1 StGB (versuchte Vergewaltigung) zu einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe; nach Berufung der Staatsanwaltschaft wurde die Strafe auf eine insgesamt dreijährige Freiheitsstrafe erhöht. Der alkoholisierte aber zurechnungsfähige BF versuchte, am 10.10.2008 eine Frau mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs zu nötigen. Der BF sperrte die Frau in der Wohnung ein, würgte sie, schlug ihren Kopf gegen die Wand, trachtete danach, sie auszuziehen, hielt ihr ein Messer entgegen und erklärte, dass er "Sex brauchen würde", wobei sein Vorhaben nur deswegen unterbrochen wurde, weil es dem Opfer gelang, eines im Zimmer liegenden Hammers habhaft zu werden und zu flüchten. Dem Opfer wurde als Privatbeteiligtem ein Betrag von EUR 500,00 zugesprochen.

Aus der Begründung der Entscheidung ergibt sich zum Tathergang, dass der BF sein späteres Opfer auf der Straße ansprach, ihm schmeichelte, mit ihm einkaufen ging, es in seine Wohnung führte, dort für es kochte und dann wie beschrieben zudringlich wurde. Das Opfer ging mit dem BF mit, weil dieser sehr freundlich war und schließlich weinte, weil seine Familie im Ausland sei und er jemanden zum Reden brauchte. Nach der Tat befand das Opfer sich in medizinischer Behandlung.

Das Gericht beschrieb die Persönlichkeit des BF als wenig differenziert und einfach strukturiert. Auf Basis der Untersuchung einer Sachverständigen stellte das Gericht fest, dass sich beim BF Hinweise auf eine hohe Affektlabilität, Irritierbarkeit, Angstzeichen und Stimmungsschwankungen fanden, wobei die Anpassungsfähigkeit des BF sich als deutlich herabgesetzt zeigte und er eine tendenziell beeinträchtigte Kontakt- und Beziehungsfähigkeit zeigte. Die Sachverständige kam zum Schluss, dass sich beim BF der schädliche Gebrauch durch Alkohol ICD 10 (F10) feststellen ließ.

Das Opfer des BF litt an einer schizo-affektiven Psychose und stand unter Sachwalterschaft, doch lag keine Beeinträchtigung der intellektuellen Leistungskapazität vor. Das Opfer wurde wegen seiner detaillierten und inhaltlich stimmigen Aussagen für glaubwürdig befunden. Dem BF wurde kein Glauben hinsichtlich seiner Verantwortung geschenkt, das Opfer nicht zu kennen und unschuldig zu sein. Der BF verantwortete sich weiters damit, bis vier Monate vor der Verhandlung am 12.08.2010 so viel getrunken zu haben, dass er nicht mehr gewusst habe, was er tue und dass auch seine Vorstrafen im Zusammenhang mit Alkohol gestanden haben. Ein im Tatzeitpunkt vorliegender, leichter bis mittelschwerer Rauschzustand, könnte - so das Gericht - das Durchbrechen eines bedürfnisorientierten Handlungsstils begünstigt haben. Einen Zustand der vollen Berauschung nahm das Gericht jedoch nicht an. Vielmehr wertete das Berufungsgericht die Alkoholisierung des BF als erschwerend, weil ihm die enthemmende Wirkung von Alkohol bereits wegen seiner Vorverurteilungen bekannt hätte sein müssen.

Das Gericht wertete die dem Opfer zugefügten Verletzungen und die einschlägigen Vorstrafen des BF als erschwerend. Als mildernd wurde berücksichtigt, dass die Tat beim Versuch geblieben ist. Eine bedingte Strafnachsicht wurde aus spezial- und generalpräventiven Gründen ausgeschlossen. Das Berufungsgericht wertete weiters als erschwerend, dass der BF die Tat innerhalb offener Probezeit begangen hatte und Gewalt sowie die Entziehung der persönlichen Freiheit als Mittel der Nötigung eingesetzt hat.

Die Strafe wurde unter Einrechnung der am 03.10.2010 angetretenen Vorhaften, am 31.10.2013 vollzogen; Anfang November 2013 wurde der BF aus der Haft entlassen.

Die Tilgung der Strafen wird voraussichtlich am 31.10.2033 eintreten.

1.7. Aufenthaltstitel des BF

Der BF stellte am 12.02.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Entscheidung des BAA vom 29.04.2003 wurde dem BF Asyl nicht gewährt, aber seine Ausweisung für unzulässig befunden. Die dagegen erhobene Berufung wurde am 13.11.2007 abgewiesen. Die dem BF zunächst gewährte befristete Aufenthaltsberechtigung wurde, in weiterer Folge unter dem Titel des subsidiär Schutzberechtigten, mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 01.11.2011 (Bescheide des BAA vom 25.11.2005, 06.11.2006, 31.10.2007, 09.10.2008, 20.11.2009, und 29.10.2010). Das BAA führte dabei jeweils aus, dass alle Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung vorlägen, weil die allgemeine Situation sich seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten noch nicht geändert habe, sodass dem BF eine Rückkehr nicht zumutbar sei. In den Bescheidbegründungen wurde seit 2008 ausgeführt, dass die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "alleine in der dortigen allgemeinen Lage begründet" sei.

Gegen den BF wurde wegen seiner ersten strafrechtlichen Verurteilung am 14.02.2005 (nach Berufung bestätigt am 07.07.2005) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen. Das Aufenthaltsverbot wurde später von Amts wegen durch den Bescheid des BFA vom 13.11.2015 wegen einer Änderung der Rechtslage aufgehoben.

Wegen des Begehens eines Verbrechens wurde gegen den BF im März 2011 ein Aberkennungsverfahren eingeleitet und ihm mit Bescheid des BAA vom 25.07.2011 der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan wegen der prekären Sicherheitslage im Zusammenhang mit der persönlichen Lage des BF (psychische Belastung, Entfremdung aufgrund des langjährigen Aufenthalts in Europa, fehlender Anschluss zu Angehörigen) unzulässig sei.

Nach der Entlassung aus der Haft stellte der BF Ende November 2013 erstmalig und in weiterer Folge auch jeweils Ende 2014, 2015 und 2015 einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG; den Anträgen aus 2013, 2014 und 2015 wurde stattgegeben und dem BF jeweils eine Duldung für ein weiteres Jahr gewährt.

1.8. Situation im Herkunftsstaat

Medizinische Versorgung

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9.2016).

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9.2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9.2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9.2016).

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

Medikamente

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

Krankenhäuser in Afghanistan

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

(Zusammenfassung aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 22. "Medizinische Versorgung")

Rückkehrer

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9.2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

(Zusammenfassung aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 23. "Rückkehr")

Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt in Afghanistan ist herausfordernd und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Abschätzung der Arbeitslosenrate ist wegen des informellen Charakters des Markts schwierig. Auch für höher gebildete und höherqualifizierte Personen ist es, nach einer Quelle der UN schwierig, ohne ein Netzwerk Arbeit zu bekommen und ohne jemanden zu haben, welcher jemandem einem Arbeitgeber vorstellt. Afghanistan wird von Amnesty International als hochgradig korrupt beschrieben. Nepotismus ist weitverbreitet und die meisten höheren Positionen in der Verwaltung und Gesellschaft im Allgemeinen werden auf Grundlage von Beziehungen und früheren Bekanntschaften verteilt. Aus Sicht eines Arbeitgebers ist es sinnvoll jemanden aus seinem eigenen Netzwerk aufzunehmen, weil man genau weiß, was man bekommt. Wenn jemand aus der erweiterten Familie aufgenommen wird, so bleiben die Ressourcen im Familiennetzwerk. Eine Studie aus 2012 der ILO über Beschäftigungsmuster in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher einstufen als formale Qualifikationen und, dass dies der Schlüssel zur Sicherung von Beschäftigung wäre. Nach einer Analyse von Landinfo hat sich daran seit 2012 nichts geändert.

Nach der IOM gibt es lokale Webseiten, welche freie Stellen im öffentlichen und privaten Sektor ausweisen. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, unregulierten Arbeitsmarkts. Der Arbeitsmarkt besteht hauptsächlich aus manueller Arbeit ohne die Anforderung für eine formale Ausbildung und gibt das niedrige Bildungsniveau wieder.

Eine lokale Botschaft beschreibt, wie Tagelöhner von der Straße angeworben werden. In Kabul gibt es lokale Treffpunkte für Arbeitssuchende und Nachfragende. Dort werden Vereinbarungen über Tagesarbeiten und kleinere Tätigkeiten kurzer Dauer, in der Regel unqualifizierte Handarbeit, wobei es auch höherqualifizierte Tätigkeiten sein können, abgeschlossen. Es kommen viele Personen zusammen, und nicht jeder erhält Arbeit. Das Gehalt beträgt ungefähr 4,3 USD/Tag für unqualifizierte Arbeit, während qualifizierte Arbeiter bis zu ungefähr 14,5 USD/Tag verdienen können.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus folgender Quelle: EASO Bericht Netzwerke, Pkt. 4.1.)

2. Beweiswürdigung

Ad 1.1. Allgemeine Angaben zum BF

Der BF legte kein geeignetes, überprüfbares Identitätsdokument vor, somit steht seine Identität nicht fest. Soweit er im Verfahren namentlich bezeichnet wird, dient dies lediglich der Individualisierung als Verfahrenspartei, nicht aber als Feststellung seiner Identität.

Das Geburtsdatum des BF wird seit seinem Aufgriff in XXXX im Februar 2003 mit dem XXXX geführt. In der Beschwerdeverhandlung gab der BF nun davon abweichend an, am XXXX (dies entspricht dem XXXX), geboren worden zu sein.

Die Feststellungen zur Nationalität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den Sprachkenntnissen sowie zur Herkunft und zu den Auslandsaufenthalten samt beruflicher Aktivitäten des BF gründen sich auf dessen konstant gleichlautenden und glaubwürdigen Aussagen im Zuge seiner früheren Befragungen vor dem BAA, dem UBAS und in der nunmehrigen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Dass der BF volljährig, ledig und kinderlos ist, führte er gleichermaßen überzeugend an und konnte dies entsprechend festgestellt werden. Ebenso verhält es sich mit seinen Aussagen vor dem BVwG betreffend seine Verlobte aus Tadschikistan.

Dass sich der BF mittlerweile seit 15 Jahren im Bundesgebiet aufhält, ergibt sich aus dem Meldeblatt der Grenzbezirksstelle XXXX vom 11.02.2003 in Zusammenschau mit seinen Aussagen, dass er sich seit seiner Asylantragsstellung durchgehend in Österreich aufhielt. In der mündlichen Verhandlung gab der BF an, Österreich zu "lieben" und sprach positiv von seinen Erfahrungen mit Menschen in Österreich, was eine große Verbundenheit zu Österreich ausdrückt.

Ad 1.2. Verwandte und Kontakte im Ausland

Dass der BF z.T. schon sehr lange keinen Kontakt zu seiner betagten Tante (nunmehr etwa 70 bis 80 Jahre alt) aus Mazar-e Sharif oder anderen möglichen Verwandten in Afghanistan pflegt und er über den Verbleib seiner Tante und seines Bruders im Ungewissen ist, gab der BF in seinen Einvernahmen vor dem BAA, dem UBAS und dem BVwG übereinstimmend an. Es konnte sohin nicht festgestellt werden, dass der BF noch Kontakt ins Herkunftsland pflegt.

Ad 1.3. Verwandte und Kontakte im Inland

Dass der BF über keine Angehörigen im Bundesgebiet verfügt, ergibt sich aus dessen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Die Feststellungen zu den österreichischen und afghanischen Freunden im Bundesgebiet stützen sich auf dessen ebenfalls widerspruchsfreie und glaubwürdige Angaben vor dem BVwG.

Ad 1.4. Arbeit und Ausbildung des BF

Die Feststellungen zur derzeit fehlenden Beschäftigung und hinsichtlich der Nutzung der Notstandshilfe beruhen auf den Aussagen des BF und dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Der BF gab durch Vorlage eines Konvoluts an Bewerbungsunterlagen nachvollziehbar an, dass er sich beim AMS um Arbeit bemüht und gab an, dass er eine Arbeitsstelle in Aussicht hat, diese jedoch aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis nicht antreten konnte.

Der BF gab überzeugend an, jeder Beschäftigung in Österreich, die sich ihm anbot, nachgegangen zu sein. Sein fortwährender Arbeitswille zeigt sich beispielsweise in seinen Aussagen, "nach wie vor" arbeiten zu wollen (Verhandlungsprotokoll, Seite 11) und "Ich möchte gerne beschäftigt sein, [...]". Dass der BF seine Beschäftigungen zum Teil aufgrund gesundheitlicher Probleme einstellen musste, gab er in der mündlichen Verhandlung an. Glaubwürdig waren die Aussagen des BF angesichts seiner Krankengeschichte und der ärztlich dokumentierten körperlich schlechten Verfassung. Die Angaben über seine Bemühungen um Integration am Arbeitsmarkt waren glaubwürdig und wurden durch Vorlage eines Konvolutes von Jobbewerbungen im Rahmen des AMS, eines Lebenslaufes, Bewerbungsschreibens und einer AMS-Karte, die das Wahrnehmen von Vorstellungsgesprächen, verdeutlicht.

Dass der BF über mehrere Schweißer-Zertifikate verfügt, konnte durch die dazu vorgelegten Urkunden nachgewiesen werden. Auch wurden Bestätigungen über die Teilnahme an einem Deutschsprach- und Alphabetisierungskurs vom BF im Verfahren vorgelegt und entsprechende Deutschkenntnisse durch die erkennende Richterin festgestellt (vgl. z.B. Verhandlungsprotokoll, Seiten 13 f). Dass dieser aufgrund einer fehlenden Aufenthaltsberechtigung keinen weiteren Sprachkurs besuchen kann und es Probleme bei der Behebung von Post aufgrund einer fehlenden Aufenthaltskarte gibt, ergab sich aus dem Verfahrensverlauf und aus der Schilderung des BF vor dem erkennenden Gericht.

Ad 1.5. Gesundheitszustand und Gesinnung des BF

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen sich auf den dahingehenden glaubwürdigen und gleichbleibenden Angaben des BF im Zuge des zahlreiche Befragungen umfassenden Verfahrens in Verbindung mit den zahlreichen vorgelegten medizinischen Unterlagen zu seiner Krankheitsgeschichte (Diagnosen, Befunde, Ambulanzkarten, Wiederbestellung für OP-Termin am Auge im April 2018) und dem persönlichen Eindruck, den sich die erkennende Richterin in der Beschwerdeverhandlung verschafft hat.

Der BF brachte überzeugend dar, seine Alkoholsucht als sein großes Problem erkannt und überwunden zu haben (vgl. die in der Urteilsausführung der dritten Verurteilung getätigte Angabe, dass der BF seit vier Monaten vor der Verhandlung im August 2010 keinen Alkohol mehr trank; vgl. auch Verhandlungsprotokoll, Seite 12). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht legte der BF dar, dass sich seit der Aberkennung des subsidiären Schutzes wegen des Begehens eines Verbrechens viel für ihn geändert hat. Er begann, nachzudenken und identifizierte, unterstützt durch türkische Literatur, die ihm im Gefängnis zur Verfügung stand, Alkohol als sein Problem ("Ich habe gesehen, dass ich tatsächlich, wenn ich Alkohol getrunken habe, diese Dinge gemacht habe. Da fing ich an nachzudenken.", Verhandlungsprotokoll, Seite 10). Der BF führte noch aus, er habe versucht, es besser zu machen, "aber bis jetzt leider ohne Erfolg. Jetzt wo ich versuche das Leben besser zu gestalten, gibt es Hindernisse [...]" (Verhandlungsprotokoll, Seite 13). Diese Aussage ("ohne Erfolg") ist im Zusammenhang mit dem schlechten körperlichen Zustand des BF zu sehen: Als er nach seinem Gefängnisaufenthalt wieder eine Beschäftigung gefunden hatte, verletzte er sich schwer am Auge und musste diese Beschäftigung aufgeben. Diese Angabe unterstreicht auch den melancholischen Wesenszug des BF. Der BF hat aber nicht "aufgegeben", sondern verfolgt erkennbar Ziele für seine Zukunft und will weiterhin arbeiten und sein Leben gestalten ("Ich möchte einfach arbeiten hier. [...] Ich möchte eine Familie haben. [...]", Verhandlungsprotokoll, Seite 13).

Die weiteren Feststellungen zu Persönlichkeit und Gesinnung des BF gründen sich auf seine Angaben zu seiner geringen Schulbildung, seinen in einfacher Sprache gehaltenen Antworten sowie auf seine wiederholten Bemerkungen, er sei "traurig" (Einvernahme vor dem UBAS am 27.08.2007, Seite 3; Verhandlungsprotokoll, Seite 13), oder er habe im Zusammenhang mit verschiedenen Anlässen "weinen" müssen (vgl. schon die Urteilsausführungen im Zusammenhang mit der dritten strafrechtlichen Verurteilung sowie Verhandlungsprotokoll, Seite 15). Dazu gab er in der mündlichen Verhandlung an, es belaste ihn, dass in Afghanistan derzeit viele Menschen ums Leben kommen würden und er würde manchmal "weinen", wenn er in den Nachrichten sieht und hört, was passiert.

In der mündlichen Verhandlung gab der BF an, wegen seiner psychischen Belastungen auch eine Gesprächstherapie machen zu wollen. Ein Arzt sagte ihm die Behandlung zu, wenn er zuvor Tabletten einnehmen würde. Da der BF nach seiner glaubwürdigen Aussage die Tabletten nicht vertrug, brach er seine Behandlung ab (Verhandlungsprotokoll, Seite 12). Der BF leidet jedoch weiterhin an seinen physischen und psychischen Belastungen.

Ad 1.6. Vorstrafen des BF

Die Feststellung, dass der BF dreifach gerichtlich vorbestraft ist, sich seit seiner letzten Tat sowie seit seiner Entlassung aus dem Gefängnis aber wohl verhält, gründet sich auf dessen Aussagen vor BVwG in Zusammenschau mit dem eingeholten Strafregisterauszug vom 01.02.2018 und den eingeholten Strafakten samt Verurteilungen betreffend den BF. Die Feststellungen zu den Tatumständen ergeben sich aus den im Akt einliegenden Strafurteilen.

Das LG für Strafsachen beschrieb im Urteil vom 28.10.2004 den BF dahingehend, er habe das Bild eines Mannes hinterlassen, der "keinerlei Achtung - insbesondere vor Frauen" habe. Diese Würdigung wurde im angefochtenen Bescheid übernommen. Dieses "Bild" wurde aber schon vom Berufungsgericht nicht bestätigt ("[...] Strafzumessungsgründe sind zunächst in mehrfacher Hinsicht zu ergänzen und zu modifizieren."; Seite 2 der Berufungsentscheidung). Dieses bewertete das Verhalten des BF zwar als "heftig und nahezu heimtückisch" sowie als gegenüber einer "alleine auf dem Heimweg befindliche[n] Frau" für "rücksichtslos", nicht aber als gesondert gegen Frauen gerichtet. Auch für das Bundesverwaltungsgericht ergaben sich - anders als von der belangten Behörde festgestellt (Seite 5 des bekämpften Bescheids) - weder aus den vorliegenden Akten noch aus dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck des BF Anhaltspunkte für eine entsprechende Feststellung.

Ad 1.7. Aufenthaltstitel des BF

Die Feststellungen zu den Aufenthaltstiteln des BF ergeben sich aus den jeweils zusammengefasst wiedergegebenen Bescheiden und Dokumenten.

Mit Bescheid des BAA vom 25.07.2011 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen auf Grund der Begehung eines Verbrechens aberkannt (§ 9 Abs. 2 Z 3 AsylG in der angewendeten Fassung). Die Aberkennung erfolgte - entgegen der Bescheidbegründung des Bundesamtes für Fremdenwesen- und Asyl im angefochtenen Bescheid (Seite 5 des angefochtenen Bescheids) - aber nicht wegen einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG in der angewendeten Fassung (Seiten 4 f des Bescheids des BAA vom 25.07.2011). Eine entsprechende Feststellung konnte daher nicht getroffen werden.

Entgegen der Beweiswürdigung im bekämpften Bescheid auf dessen Seite 109 konnte nicht festgestellt werden, dass dem Bescheid aus 2011, mit dem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, zugrunde gelegt wurde, dass der BF zu diesem Zeitpunkt Psychopharmaka nahm. Vielmehr legte das BAA seiner Entscheidung lediglich die psychische Belastung des BF - die heute noch zu erkennen ist (vgl. Pkt. 1.1.5. oben) - zu Grunde (Seite 5 des Bescheids des BAA vom 25.07.2011).

Ad 1.8. Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zu Afghanistan gründen sich auf das vom BFA herausgegebene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan - mit Stand vom 30.01.2018 (letzte Gesamtaktualisierung am 02.03.2017).

Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht daraus, dass aufgrund von § 5 Abs. 2 BFA-Errichtungsgesetz vorgesehen ist, dass die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (als allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind. Die Dokumentation ist weiters in Bezug auf Fakten, die nicht oder nicht mehr den Tatsachen entsprechen, zu berichtigen. Eine allenfalls auf diesen Tatsachen aufbauende Analyse ist schließlich richtig zu stellen. Soweit dem LIB Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass die Informationen über die Lage im Herkunftsstaat regelmäßig aktualisiert werden und jene Informationen, die nicht durch neue Berichte ersetzt werden, mangels einer maßgeblichen Änderung der Sachlage nach wie vor relevant für die Lagebeurteilung im Herkunftsstaat sind.

Die Feststellungen u.a. zur Lage durch bzw. für Rückkehrer gründen sich auch auf den aktuellen, nachvollziehbaren und schlüssigen Informationsbericht des EU-Unterstützungsbüros für Asylfragen EASO zu sozioökonomischen Schlüsselindikatoren, staatlichem Schutz und Mobilität in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat von August 2017 sowie insbesondere betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Wohnungssituation auf den Bericht von EASO zu afghanischen Netzwerken von Jänner 2018.

Ein entsprechender Beweiswert dieser Informationen ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht auch daraus, dass diese Einrichtung gemäß Art. 4 lit. a und b der EU-Verordnung Nr. 439/2010 relevante, zuverlässige, genaue und aktuelle Informationen über Herkunftsländer transparent und unparteiisch sammelt und darüber Bericht erstattet. Überdies nennt die EU-Richtlinie 2013/32/EU (konkret: deren Art. 10 Abs. 3 lit b) gerade die Berichte des Unterstützungsbüros als zu verwendende Informationsquelle.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Anzuwendendes Recht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG BGBl. I. Nr. 33/2013, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 138/2017, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrens - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels gesonderter Bestimmungen im AsylG, FPG oder BFA-VG die Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Mit Datum vom 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 145/2017, in der Folge: "AsylG 2005").

Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, werden durch das BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge: "BFA-VG"), BGBl. I. Nr. 87/2012, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 145/2017, geregelt. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt (§ 1 leg. cit.).

Weitere hier relevante Bestimmungen enthält das "Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel" (in der Folge: "FPG"), BGBl. I. Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr 145/2017.

3.2. Zu A)

Die belangte erließ Behörde folgende Entscheidung: Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt 1). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt 2). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt 3). Gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt 4).

Dazu im Detail:

3.2.1. Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 ist gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn "ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt".

Der BF ist in Österreich nur geduldet und hält sich damit nach § 31 Abs. 1a Z 3 FPG nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; der BF fällt auch nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG. Dementsprechend war gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG zu prüfen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen (Hervorhebungen nur hier):

"1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Gelt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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