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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Univ. Prof. Dr. Heinz Keinert in Linz, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. Dezember 1995, Zl. BauR - 011286/6 - 1995 Pe/Vi, betreffend einen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Bad Leonfelden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 16. Oktober 1992 bewilligte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde entsprechend dem Ansuchen und dem vorgelegten Teilungsplan einen Bauplatz auf dem Grundstück Nr. 620/3, EZ 527, KG Leonfelden. Im selben Bescheid wurden auch verschiedene Ab- und Zuschreibungen, u.a. auch das Grundstück Nr. 620/23 betreffend, bewilligt.
Mit Ansuchen vom 5. September 1992 beantragte der Beschwerdeführer die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einfriedungsmauern auf den Grundstücken Nr. 620/3 und Nr. 620/23. In der Baubeschreibung wurde unter den Angaben über die Bauausführung (Formulartext: Art und Höhe der Einfriedung und Abstand von öffentlichen Verkehrsflächen) ausgeführt: "Direkt angrenzend H = 1,00 m". Mit dem Bauansuchen wurden die Einreichpläne, u.a. zwei Lagepläne, vorgelegt. Ein Lageplan, der von einem Bediensteten der Baubehörde mit "Variante I" bezeichnet wurde, weist die Einfriedungsmauer an der nördlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes Nr. 620/3, auf dem das Haus errichtet werden sollte, aus; nach diesem Lageplan blieb das nördlich anschließende Grundstück Nr. 620/23 als Verbindungsfläche zum öffentlichen Gut (Grundstück Nr. 620/22) unbebaut. Ein weiterer Lageplan, der als "Variante II" bezeichnet wurde, weist das Gebäude zum Teil auf dem Grundstück Nr. 620/3 und zum Teil auf dem Grundstück Nr. 620/23 aus; die Einfriedungsmauer sollte an der Grundgrenze des Grundstückes Nr. 620/23 zum öffentlichen Gut, Grundstück Nr. 620/22, errichtet werden. Aus der Nordansicht lässt sich entnehmen, dass die Einfriedungsmauer mit einer Höhe von ca. 1,20 m vorgesehen war.
In seinem Schreiben vom 8. November 1992 an die Baubehörde erklärte der Beschwerdeführer, dass wegen der von der Gemeinde beantragten, aber noch nicht rechtskräftigen Änderung des Flächenwidmungsplanes durch Wegfall des Grüngürtels (hier: des Grundstückes Nr. 620/23) beide Situierungen des Gebäudes eingereicht würden und um folgende Baubewilligung ersucht würde:
"1. Grundsätzlich nach jetzigem Stand, also unterhalb des dzt. Grüngürtels (nur für Parz. 620/3);
2. Für den Fall der zu erwartenden Umwidmung, also bedingt, an der von der Gemeinde Bad Leonfelden an sich gewünschten Stelle, nämlich an der Baufluchtlinie 8 m von der Eisenhandstraße.
Diese Vorgangsweise erspart bei Umwidmung ein neues Verfahren."
Am 19. November 1992 fand die Bauverhandlung statt. Aus der Verhandlungsschrift werden folgende Passagen hier wörtlich wiedergegeben:
"Da für das Grundstück Nr. 620/3 die Bauplatzbewilligung vorliegt, ist das heute vorliegende Projekt auch auf diese Grundfläche abgestimmt. Der Lageplan wurde vom Sachverständigen mit "Variante I" gekennzeichnet und ist für die weitere Vorgangsweise gültig.
Seitens der Gemeinde wurde eine Bebauungsplanänderung im Hinblick auf das derzeit im nördlichen Grundstücksbereich vorhandene Straßentrenngrün eingeleitet. Diese nicht bebaubare Grundfläche in einer Breite von ca. 15 m soll im neuen Bebauungsplan zur Gänze weggelassen und eine neue Baufluchtlinie in 8 m Entfernung zur Straßengrundgrenze geschaffen werden. Ob diese Baufluchtlinie wiederum anbauverbindlich sein wird, steht am heutigen Tag noch nicht fest.
Im Folgenden wird die Variante I beschrieben und beurteilt.
...
Auf dem leicht geneigten Grundstück sind keine auffälligen Geländeveränderungen vorgesehen. Entlang der Grundgrenze zum Grundstück 620/23 ist eine Einfriedung mit einer ca. 50 cm hohen Betonsockelmauer vorgesehen. Im Garagenzufahrtsbereich wird ein Stauraum von 5 m eingehalten.
...
Das beantragte Bauvorhaben entspricht der Flächenwidmung und in der gegenständlichen Variante I auch dem Bebauungsplan.
...
Entlang oder im Bereich der Straßengrundgrenze darf die Einfriedung weder aus geschlossenen Mauern, Planken oder ähnlichen undurchsichtigen Materialien bestehen. Der massive Sockel solcher Einfriedungen darf höchstens 0,60 m hoch sein. Bei der Errichtung der Einfriedung ist darauf zu achten, dass das erforderliche Sichtdreieck im Bereich der Grundstücksausfahrt gegenüber dem Verkehr auf der vorbeiführenden Gemeindestraße gewährleistet wird.
...
Hinweis für die Baubehörde:
Sollte eine rechtskräftige Abänderung des Bebauungsplanes erwirkt werden, so wird darauf hingewiesen, dass auch die Bauplatzbewilligung abzuändern ist, d.h. für das Grundstück Nr. 620/23 zu erweitern ist.
Für die weitere Vorgangsweise wäre in der Folge eine Begutachtung vom Amtssachverständigen vornehmen zu lassen. Bei der heutigen Bauverhandlung wurde den Anwesenden Nachbarn die Variante II bereits zu Kenntnis gebracht.
..."
Mit Bescheid vom 23. November 1992 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Baubewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Einfriedungsmauer "auf dem Grundstück Nr. 620/3 EZ 527 KG 45408 Leonfelden" entsprechend dem bei der mündlichen Bauverhandlung aufgelegten und als solchen gekennzeichneten Bauplan. Aufgetragen wurde, dass das Bauvorhaben projektgemäß entsprechend dem Bauplan einschließlich der Baubeschreibung unter Berücksichtigung der bei der mündlichen Bauverhandlung am 19. November 1992 im Befund dargestellten Abänderungen und Ergänzungen von einem befugten Bauführer auszuführen sei. Aufgetragen wurde weiters im Sinne der Darlegungen in der Verhandlung, dass im Bereich der Straßengrundgrenze die Einfriedung weder aus geschlossenen Mauern, Planken und ähnlichen undurchsichtigen Materialien bestehen dürfe und der massive Sockel höchstens 0,60 m hoch sein dürfe.
Der Amtssachverständige Ing. N. stellte in einem Aktenvermerk vom 24. Mai 1993 fest, dass die Nachbargrundstücke des betroffenen Bereiches derzeit unbebaut seien, weshalb das Objekt trotz der Lage am Ortsrand noch deutlich in Erscheinung trete.
Mit Bescheid vom 30. Dezember 1993 trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 der O.ö. BauO 1976 auf, die unmittelbar entlang der Straßengrundgrenze der Eisenhandstraße auf der Parzelle Nr. 620/23 konsenslos errichtete Einfriedungsmauer aus 25 cm starkem beiderseitig verputztem Massivmauerwerk bis 31. Jänner 1994 abzutragen. Im Spruch dieses Bescheides wurde weiters festgehalten, dass es sich dabei um jene Mauerwerkskonstruktion handelte, die entsprechend der gegebenen Geländeverhältnisse in Feldweiten von je 2,25 m geteilt und nach oben hin mit kleinflächigen roten Dachziegeln abgedeckt wurde. Diese undurchsichtige, geschlossene, freistehende Einfriedungsmauer mit einer geringsten Höhe von 1,20 m bzw. einer maximalen Höhe von 1,50 m müsse in der gesamten Länge entlang der öffentlichen Verkehrsfläche bis zur Erdgleiche abgetragen werden.
Begründend verwies die Baubehörde zunächst darauf, dass eine Variante 2 des Einreichplanes zwar im Akt enthalten, aber weder Gegenstand der Bauverhandlung noch Grundlage der baubehördlichen Bewilligung vom 23. November 1992 gewesen sei. Eine derartige Einfriedungsmauer unmittelbar an der Straßengrundgrenze sei im Sinne des § 41 Abs. 1 lit. g O.ö. BauO 1976 bewilligungspflichtig. Die Mauer sei auch nachträglich nicht bewilligungsfähig, weil sie eine Höhe von 60 cm bei weitem überschreite und nicht dem § 43 O.ö. BauV entspreche. Der maßgebende und mit Bescheid vom 12. August 1987 genehmigte Bebauungsplan Nr. I/30 Süd beinhalte hinsichtlich der Errichtung geschlossener Einfriedungsmauern keine Ausnahmeregelung. Da eine nachträgliche Genehmigung nicht in Betracht komme, sehe § 61 O.ö. BauO 1976 als Konsequenz den Beseitigungsauftrag vor.
Eine dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Mai 1995 als unbegründet abgewiesen, allerdings wurde die Erfüllungsfrist mit zwei Monaten nach Rechtskraft des Berufungsbescheides festgesetzt.
In seiner dagegen erhobenen Vorstellung machte der Beschwerdeführer, der sich grundsätzlich auf die Übereinstimmung der Mauer mit der seinerzeitigen Baubewilligung vom 23. November 1992 berief, geltend, dass die Mauer jedenfalls bis zu einer Höhe von 60 cm bewilligungsfähig wäre, weshalb im Bescheid nicht die Abtragung bis zur Erdgleiche hätte angeordnet werden dürfen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung keine Folge. Die Einfriedungsmauer habe nach Auffassung der belangten Behörde weder hinsichtlich ihrer Situierung noch hinsichtlich ihrer Ausführung von der Baubewilligung vom 23. November 1992 erfasst sein können. Nach der zum Errichtungszeitpunkt maßgeblichen Rechtslage sei für eine derartige Einfriedung gemäß § 41 Abs. 1 lit. g O.ö. BauO 1976 eine Bewilligung erforderlich gewesen; nach § 26 Abs. 1 Z. 2 O.ö. BauO 1994 sei diese Bewilligungspflicht in eine Anzeigepflicht umgewandelt worden. Nach der geltenden Rechtslage (§ 29 Abs. 2 Z. 2 O.ö. BauTG) sei die Einfriedungsmauer nicht bewilligungsfähig bzw. es hätte deren Ausführung untersagt werden müssen, weil sie nicht als geschlossene Mauer hätte ausgeführt werden dürfen. Der für den fraglichen Bereich maßgebliche (seit 9. April 1994 rechtswirksame) Bebauungsplan I/30 "Süd" sehe keine von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Regelung betreffend Einfriedungen vor. Die Einfriedung möge zwar auch dem Lärmschutz dienen, es handle sich aber nicht um eine Schallschutzwand im Sinne des § 29 Abs. 3 BauTG. Die Voraussetzungen eines unbedingten Beseitigungsauftrages sei daher vorgelegen. Bei der Sitzung des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde am 23. Mai 1995 seien vor Beschlussfassung vom Schriftführer alle zur Beurteilung der gegenständlichen Angelegenheit notwendigen Unterlagen vollinhaltlich verlesen worden. Daher sei es für die Vorstellungsbehörde nicht nachvollziehbar, warum die Mitglieder des Gemeinderates vor der Beschlussfassung unvollständig und in irreführender Weise informiert worden sein sollen. Es könne keine Rede davon sein, dass Verfahrensfehler im ersten Berufungsrechtsgang sich voll auch auf den hier bekämpften zweiten ausgewirkt hätten.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf aufrechten Bestand der bewilligten, hilfsweise nicht bewilligungspflichtigen Einfriedungsmauer an der Straßengrundgrenze und auf Nichterlassung eines Auftrages nach § 61 O.ö. BauO 1976 verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und
erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wiederholt zunächst seinen Standpunkt, dass die von ihm hergestellte Einfriedungsmauer in Ausführung der mit Bescheid vom 23. November 1992 erteilten Baubewilligung errichtet worden sei. Er verweist nicht nur auf den Bauplan, sondern auch auf die Baubeschreibung, in welcher zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die Einfriedung direkt an die öffentliche Verkehrsfläche angrenze und 1 m hoch ausgeführt werde.
Es ist zwar richtig, dass das Ansuchen des Beschwerdeführers sich sowohl auf das Grundstück Nr. 620/3, als auch auf das Grundstück Nr. 620/23 bezogen hat. Er hat zwei Pläne vorgelegt, von denen ein Lageplan die Bauführung hinsichtlich der Einfriedungsmauer auf dem Grundstück Nr. 620/23 auswies. Bewilligt wurde aber, wie sich eindeutig aus dem Spruch des Bescheides vom 23. November 1992 ergibt, eine Bauführung - nämlich Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einfriedungsmauer - ausschließlich auf dem Grundstück Nr. 620/3. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Bewilligt ist daher nur eine Bauführung, und zwar sowohl des Einfamilienhauses als auch der Einfriedungsmauer auf dem Grundstück Nr. 620/3. Hinsichtlich einer Einfriedungsmauer auf dem Grundstück Nr. 620/23 liegt keine Baubewilligung vor.
Bei Beurteilung der Frage, ob der auf § 61 Abs. 1 der O.ö. BauO 1976 gestützte Beseitigungsauftrag rechtens war, ist zunächst zu untersuchen, welche Rechtslage hier Anwendung findet. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1999, Zl. 95/05/0167, lag - wie hier - ein Fall zugrunde, bei welchem der Bauauftrag erster Instanz vor dem 1. Jänner 1995, die diesbezügliche Berufungsentscheidung aber danach erging. Der Verwaltungsgerichtshof sprach aus, dass das Bauauftragsverfahren im Sinne des § 58 Abs. 2 O.ö. BauO 1994 nach der O.ö. BauO 1976 durchzuführen war; hinsichtlich der Bewilligungsfähigkeit des betroffenen Objektes wurde ausgesprochen, dass jene Rechtslage "maßgebend" ist, die im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung über den Abtragungsauftrag gegolten hat.
§ 61 Abs. 1 O.ö. BauO 1976 lautet:
"§ 61
Bewilligungslose bauliche Anlagen
(1) Stellt die Baubehörde fest, dass eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, so hat sie - unbeschadet der Bestimmungen des § 56 - dem Eigentümer mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist um die Baubewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen. Die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann."
Die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 61 O.ö. BauO 1976 setzt voraus, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist. Für die Klärung der Frage, ob die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung im Zeitpunkt der Erlassung eines Abbruchauftrages möglich ist, ist nach dem klaren Wortlaut des § 61 Abs. 1 letzter Satz O.ö. BauO 1976 die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich (hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/05/0278; zu § 49 O.ö. BauO 1994 siehe das hg. Erkenntnis vom 29. April 1997, Zl. 97/05/0065).
Gemäß § 41 Abs. 1 lit. g O.ö. BauO 1976 ist die Errichtung oder die Änderung von Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen oder öffentliche Erholungsflächen im überwiegend bebauten Gebiet bewilligungspflichtig, sofern die Errichtung oder Änderung nicht gemäß lit. b, c oder d einer Baubewilligung bedarf.
Warum die belangte Behörde die Bewilligungspflicht nach dieser Bestimmung angenommen hat, hat sie nicht im angefochtenen Bescheid, sondern erst in der Gegenschrift bzw. in ihrem ergänzenden Schriftsatz zur Gegenschrift dargelegt, wobei sie allerdings nie die Bewilligungspflicht auf § 41 Abs. 1 lit. b, c oder d O.ö. BauO 1976 gestützt hat. Ihre Auffassung, dass sich das Attribut "im überwiegend bebauten Gebiet" nur auf die Einfriedungen gegen öffentliche Erholungsflächen, nicht aber gegen öffentliche Verkehrsflächen bezieht, wird vom Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht geteilt. Aus dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich nicht ableiten, dass diese Einschränkung der Bewilligungspflicht für Einfriedungen im überwiegend bebauten Gebiet nur gegenüber öffentlichen Erholungsflächen gelten soll; hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so hätte er wohl eine präzisere Formulierung gewählt (beispielsweise: öffentliche, im überwiegend bebauten Gebiet befindliche, Erholungsflächen). Nach dem Grundsatz der Baufreiheit muss die Einschränkung der Bewilligungspflicht beim gewählten Gesetzeswortlaut für beide Tatbestände, also sowohl bei den öffentlichen Verkehrsflächen, als auch bei den öffentlichen Erholungsflächen, angenommen werden.
Dass "überwiegend bebaut" auch jenes Gebiet sei, welches noch nicht bebaut, nach dem Bebauungsplan aber bebaubar wäre, kann gleichfalls nicht angenommen werden. Nach der Aktenlage ist die unmittelbare Umgebung nicht bebaut, was auch die belangte Behörde einräumt. Der Gesetzgeber spricht von einem "bebauten" und nicht von einem "zu bebauenden" Gebiet. Es kommt daher allein auf das Faktum an, dass das Gebiet "derzeit" nicht überwiegend bebaut ist. Davon geht aber auch die belangte Behörde aus.
Soweit die belangte Behörde nunmehr meint, diese Frage könne dahingestellt bleiben, weil auch § 61 Abs. 5 O.ö. BauO 1976 ein tauglicher Rechtsgrund für den erteilten Auftrag wäre, so kann ihr gleichfalls nicht gefolgt werden. Während § 61 Abs. 1 O.ö. BauO 1976 als Sanktion für die Errichtung einer bewilligungspflichtigen Anlage ohne Baubewilligung die Beseitigung vorsieht, hat die Behörde nach Abs. 5 dieser Bestimmung, wenn sie feststellt, dass eine baubehördlich nicht bewilligungspflichtige bauliche Anlage nicht entsprechend den für sie geltenden baurechtlichen Bestimmungen ausgeführt wurde, dem Eigentümer mit Bescheid die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes aufzutragen. Die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ist aber (auch) jener Zustand, wie er im § 43 O.ö. BauV (dabei handelt es sich nicht, wie der Beschwerdeführer meint, um eine Verordnung, sondern um das Landesgesetz LGBl. Nr. 37/1989) gefordert wurde. Nach dessen Abs. 3 durften Vorgärten, soweit in anderen Vorschriften, insbesondere im Bebauungsplan, nichts anderes bestimmt ist, weder gegen die Verkehrsfläche noch gegen die anderen Nachbargrenzen mit geschlossenen Mauern, Planken oder ähnlichen undurchsichtigen Einfriedungen abgeschlossen werden. Der massive Sockel solcher Einfriedungen durfte höchstens 60 cm hoch sein.
Allerdings ist der "rechtmäßige Zustand" - so wie beim Begriff "maßgebliche Rechtslage" im § 61 Abs. 1 O.ö. BauO 1976 - jener Zustand, der im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages, hier also im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides vom 29. Mai 1995 gilt. Der § 29 des am 1. Jänner 1995 in Kraft getretenen O.ö. BauTG, LGBl. Nr. 67/1994, lautet wie folgt:
"§ 29
Einfriedungen, Lärm- und Schallschutzwände
(1) Einfriedungen unterliegen als bauliche Anlagen den allgemeinen Erfordernissen des § 3.
(2) Soweit in anderen Rechtsvorschriften oder im Bebauungsplan nichts anderes festgelegt ist, dürfen Einfriedungen
1. eine Höhe von 2 m über dem Erdboden, und zwar über dem jeweils höher gelegenen natürlichen Gelände, nicht überschreiten, außer der Verwendungszweck erfordert eine größere Höhe,
2. gegen Verkehrsflächen sowie im Vorgartenbereich gegen Nachbargrundgrenzen bis zu einer Tiefe von 2 m von der Straßengrundgrenze nicht als geschlossene Mauern, Planken oder in ähnlicher undurchsichtiger Bauweise ausgeführt werden; der massive Sockel solcher Einfriedungen darf höchstens 60 cm hoch sein.
(3) Für Lärm- und Schallschutzwände gelten die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 sinngemäß mit der Maßgabe, dass die im Abs. 2 Z. 1 festgelegte Höhenbeschränkungen nur überschritten und von der im Abs. 2 Z. 2 vorgeschriebenen Bauausführung nur abgewichen werden darf, soweit dies zur Erreichung eines ausreichenden Lärmschutzes erforderlich ist.
(4) Lärm- und Schallschutzwände, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen sind oder errichtet werden, sowie Stützmauern einschließlich allfälliger Absturzsicherungen gelten nicht als Einfriedungen oder Lärm- und Schallschutzwände im Sinn dieses Landesgesetzes."
Die vom Beschwerdeführer errichtete Einfriedung an der Straßengrundgrenze hat sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides bis zu einer Höhe von 60 cm den jeweils geltenden Bestimmungen entsprochen. Darüber hinaus erfüllte sie das Merkmal "nicht als geschlossene Mauern, Planken oder in ähnlicher undurchsichtiger Bauweise" bzw. "ähnlich undurchsichtige Einfriedungen" nicht.
Wie oben ausgeführt, hatte die Behörde im Auftragsverfahren die Bestimmung des § 61 O.ö. BauO 1976 und nicht die Bestimmung des § 49 O.ö. BauO 1994 - welche in ihrem Abs. 5 die anzeigepflichtigen Bauvorhaben den bewilligungspflichtigen Bauvorhaben gleichsetzt - anzuwenden. Es dürfte daher, da die Einfriedung zwar nicht bewilligungspflichtig war, aber der für sie geltenden Bestimmung des § 43 O.ö. BauV nicht entsprochen hat, nicht ein Beseitigungsauftrag nach § 61 Abs. 1 O.ö. BauO 1976, sondern nur ein Herstellungsauftrag nach Abs. 5 leg. cit. ergehen.
In der Vorstellung würde darauf verwiesen, dass die Mauer bis zu einer Höhe von 60 cm keinesfalls gesetzlichen Bestimmungen widerspricht. Mit einem Auftrag, den gesetzlichen Zustand dadurch herzustellen, dass über einen 60 cm hohen massiven Sockel hinaus die Mauer gemäß § 29 Abs. 2 Z. 2 BauTG herzustellen ist, wird dem § 61 Abs. 5 O.ö. BauO 1976 entsprochen, sodass es einer vollständigen Beseitigung der Mauer nicht bedarf.
Selbstverständlich kann die "Herstellung des rechtmäßigen Zustandes" häufig nur durch Beseitigung der baulichen Anlage erreicht werden; die Formulierung des Herstellungsauftrages muss aber stets dahin lauten, dass der gesetzmäßige Zustand herzustellen ist.
Da die belangte Behörde aber ausschließlich die Beseitigung als Sanktion für die vorgenommene Errichtung billigte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war allein aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die errichtete Mauer ist keine Lärm- oder Schallschutzwand, die "nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen oder errichtet" worden ist; der Beschwerdeführer führt solche "anderen Rechtsvorschriften " auch nicht an. Soweit sich der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1991, Zl. 90/05/0067, beruft, ist er darauf zu verweisen, dass es damals im Rahmen der beschränkten Prüfungsbefugnis aufgrund einer Nachbarbeschwerde ausschließlich um die Frage ging, ob eine Lärmschutzwand in einem Gebiet mit der Widmung "Grünland/Trenngrün" zulässsig ist.
Soweit der Beschwerdeführer weiters einen Verfahrensfehler anlässlich eines in der Folge von der Vorstellungsbehörde aufgehobenen Berufungsbescheides vom 24. März 1994 rügt, bei welchem nach Darstellung des Beschwerdeführers der Bürgermeister mitgestimmt haben soll, ist nicht erkennbar, inwieweit sich dies auf den Berufungsbescheid vom 29. Mai 1995 hätte ausgewirken können; nur der zuletzt genannte Bescheid bildete den Anfechtungsgegenstand des hier bekämpften Bescheides.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. Jänner 2000
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996050019.X00Im RIS seit
11.07.2001