Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B***** H*****, Rechtsanwältin in Wien, als Treuhänderin über das Vermögen von M***** K***** (AZ ***** des Handelsgerichts Wien), vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in Innsbruck, wegen Rechnungslegung (Streitwert 20.000 EUR) und Leistung (Stufenklage), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. April 2018, GZ 129 R 19/18i-30, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
M***** K***** ist Inhaber der beim österreichischen Patentamt registrierten Wortmarke „C*****“ deren Schutzumfang sich auf den Betrieb einer Bar und die Verpflegung von Gästen in Restaurants erstreckt.
Mit rechtskräftigem Teilurteil des Erstgerichts vom 14. Juni 2016 (im vorliegenden Verfahren) wurde es der Beklagten verboten, im geschäftlichen Verkehr die in Rede stehende Marke oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Bar (mit leicht bekleideten Tänzerinnen) oder mit der Ankündigung und der Durchführung von gleichartigen Dienstleistungen kennzeichenmäßig zu verwenden.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 20. Juli 2016 (AZ *****) wurde über das Vermögen des Markeninhabers das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 3. August 2017 wurde der (angenommene) Sanierungsplan bestätigt; die Klägerin wurde für das vorliegende Verfahren zur Treuhänderin der Gläubiger bestellt. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2017 wurde das Insolvenzverfahren schließlich aufgehoben.
Mit dem nunmehr vorliegenden Teilurteil erkannte das Erstgericht die Beklagte schuldig, der Klägerin über die im geschäftlichen Verkehr durch die Verwendung der geschützten Bezeichnung im Zusammenhang mit dem Betrieb ihrer Bar oder im Zusammenhang mit der Ankündigung und der Durchführung von gleichen Dienstleistungen seit 1. April 2012 erzielten Umsätze Rechnung durch Einsicht in diverse Unterlagen Rechnung zu legen und die Richtigkeit der gelegten Rechnung durch einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen aus dem Gebiet des Rechnungswesens prüfen zu lassen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zur Begründung führte es aus, dass das Rechnungslegungsbegehren (ab 1. 4. 2012 im Zusammenhang mit dem Barbetrieb oder gleichartigen Dienstleistungen bis 6. 3. 2017 – vgl ON 19) keine zeitlichen Einschränkungen (im Hinblick auf den von der Beklagten behaupteten Saisonbetrieb) erfordere, weiteres dass die (selbständigen) Tänzerinnen als Beauftragte in die Betriebsorganisation der Beklagten eingegliedert und dieser zuzuordnen seien und die Beklagte den freien Eintritt in ihre Bar als Annehmlichkeit und Inklusivleistung für die Gäste des Hotels beworben habe.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer außerordentlichen Revision zeigte die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Die Klägerin hat das hier zu beurteilende Rechnungslegungsbegehren zur Bezifferung ihres Anspruchs auf das (doppelte) angemessene Entgelt gemäß § 53 MSchG erhoben. Dieser Anspruch ist ein Bereicherungsanspruch (RIS-Justiz RS0021397), wobei die Bereicherung in der Ersparnis der Lizenzgebühr besteht (RIS-Justiz RS0108478). Zur Bemessung dieses Anspruchs ist darauf abzustellen, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RIS-Justiz RS0120089).
Dass der Klägerin ein Anspruch auf das (doppelte) angemessene Entgelt nach Maßgabe des erzielten Umsatzes zusteht (zur Umsatzlizenz vgl 4 Ob 120/17a), stellt die Beklagte nicht in Frage.
2. Die Beklagte argumentiert zunächst, dass die Hotelnächtigungen nicht in die Umsatzberechnung einzubeziehen seien, weil der freie Eintritt in ihre Bar nur eine von insgesamt 17 Annehmlichkeiten für Hotelgäste und dieser Umstand für die Auswahl des Hotels nicht maßgebend sei.
Die Beklagte bestreitet nicht, den freien Eintritt in die Bar als Annehmlichkeit und Inklusivleistung für Hotelgäste angepriesen und damit die fremde Marke auch für die Bewerbung ihres Hotels ausgenützt zu haben. Da einem Unternehmen nicht unterstellt werden kann, eine unwirksame und nutzlose Werbung zu betreiben (RIS-Justiz RS0123292 [T5]), hält sich die Entscheidung der Vorinstanzen, die einen Nutzen der Beklagten aus der Zeichenverwendung nicht von vornherein verneint haben, im Rahmen der Rechtsprechung. In Wirklichkeit betrifft die Rüge der Beklagten die – typisch einzelfallgeprägte (vgl 4 Ob 3/15t) – Höhe des Prozentsatzes der Umsatzlizenz (4 Ob 133/13g), weshalb der Zahlungsanspruch dem Grunde nach und damit auch der Rechnungslegungsanspruch von den Vorinstanzen frei von Rechtsirrtum bejaht wurde (vgl RIS-Justiz RS0124718; 4 Ob 243/17i).
3. Die Beklagte bestreitet nicht, dass die Rechnungslegungspflicht grundsätzlich auch die Umsätze der (selbständigen) Tänzerinnen in ihrer Bar umfasst. Sie beruft sich allerdings darauf, dass sie die Auskünfte von den Tänzerinnen nur schwer bis gar nicht beschaffen könne.
Bei diesen Ausführungen übersieht die Beklagte, dass der in Rede stehende Rechnungslegungsanspruch auf einer gesetzlichen Grundlage (§ 55 MSchG iVm § 151 PatG) beruht. Ordnet der Gesetzgeber ausdrücklich eine Rechnungslegungspflicht für bestimmte Fälle an, ohne auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung durch den Berechtigten oder die Zumutbarkeit für den Verpflichteten abzustellen, so ist der Anspruch nur bei rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung zu verneinen (RIS-Justiz RS0066874 [T1]). Derartiges ist weder ersichtlich noch hat sich die Beklagte darauf berufen.
4. Das weitere Argument der Beklagten, dass ihre Bar nur während der Skisaison (fünf Monate pro Jahr) geöffnet sei, betrifft die Richtigkeit bzw materielle Vollständigkeit der Rechnungslegung, deren Prüfung dem Sachverständigen vorbehalten ist (vgl RIS-Justiz RS0004372). Im Verfahren über die grundsätzliche Rechnungslegungspflicht ist diese Frage daher nicht zu prüfen.
5. Schließlich verweist die Beklagte darauf, dass mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 9. November 2016 die Schließung des Gastronomielokals des Markeninhabers angeordnet worden sei und in diesem Fall die Parteien kein Entgelt für die Markennutzung vereinbart hätten.
Dabei übersieht die Beklagte, dass aufgrund der Nichtakzessorietät des Markenrechts die Rechte an der Marke in der Insolvenz unabhängig vom schuldnerischen Unternehmen fortbestehen und das Recht, die Marke zu verwalten und Ansprüche aus einer Markenrechtsverletzung geltend zu machen, auf den Insolvenzverwalter übergeht (vgl OPM Om 10/02 = PBl 2003, 20). Davon abgesehen hat das Berufungsgericht unbeanstandet festgehalten, dass der (angenommene) Sanierungsplan des Markeninhabers rechtskräftig bestätigt und das Insolvenzverfahren aufgehoben wurde. Eine vom Insolvenzgericht bewilligte Schließung des schuldnerischen Unternehmens lässt das grundsätzliche Fortbetriebsrecht der Masse (bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens) ebenso unberührt, wie eine Verfügung des Insolvenzverwalters über dieses Fortbetriebsrecht die Gewerbeberechtigung des Gewerbeinhabers unberührt lässt (siehe dazu 8 ObS 14/12k). Dies bedeutet, dass nach Bestätigung des Sanierungsplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Unternehmen vom Inhaber weiter betrieben werden kann.
6. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Auch die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Textnummer
E122257European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00130.18Y.0717.000Im RIS seit
01.08.2018Zuletzt aktualisiert am
25.07.2019