TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/18 W123 2179835-1

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Veröffentlicht am 18.07.2018
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Entscheidungsdatum

18.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs6 Z2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W123 2179835-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des minderjährigen XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch seine Mutter XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2017, 1100116805/152048193, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2, 4, 5 und 6 Z 2 AsylG 2005 stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 21.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Für die polizeiliche Erstbefragung und die Einvernahme vor der belangten Behörde wird auf den Verfahrensgang der Mutter des Beschwerdeführers verwiesen. Im Akt des Beschwerdeführers befinden sich keine ihn betreffenden Einvernahmeprotokolle.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage

(Spruchpunkte IV.-VI.).

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der minderjährige Beschwerdeführer, geboren am 01.12.2009, vertreten durch seine Mutter XXXX (W123 2179826-1), nennt sich XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Der Beschwerdeführer hält sich derzeit gemeinsam mit seiner Mutter, seinem Vater und seinen Geschwistern in Österreich auf. Der Beschwerdeführer ist der Bruder der minderjährigen XXXX (W123 2179844-1).

Am 21.12.2015 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer minderjährig und ledig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht straffällig geworden bzw. strafunmündig.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2018, W123 2179844-1/5E, wurde der Beschwerde der minderjährigen Schwester des Beschwerdeführers stattgegeben und ihr der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt. Im Falle der Schwester des Beschwerdeführers ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt der Beschwerdeführerin und jenem der Schwester der Beschwerdeführerin.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012).

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Anhand der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass sich die minderjährige Schwester des Beschwerdeführers aus wohlbegründeter Furcht wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl. das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2018, W123 2179844-1/5E). Es liegt auch in Bezug auf die Schwester des Beschwerdeführers keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Die minderjährige Schwester des Beschwerdeführers, XXXX (W123 2179844-1), ist Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005. Der Beschwerdeführer ist das ledige und minderjährige Kind der Mutter der minderjährigen Schwester des Beschwerdeführers, XXXX (W123 2179826-1); daher gelten für diesen gemäß § 34 Abs. 6 AsylG 2005 die Bestimmungen über das Familienverfahren.

Gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Im vorliegenden Fall wurde der minderjährigen Schwester des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht straffällig geworden bzw. strafunmündig. Gegen die minderjährige Schwester des Beschwerdeführers ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig. Dem Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 iVm Abs. 5 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 iVm Abs. 2, 4, 5 und 6 Z 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der minderjährige Beschwerdeführer und seine minderjährige Schwester XXXX stellten ihre Anträge auf internationalen Schutz am 21.12.2015, wodurch insbesondere § 2 Abs. 1 Z 15 und § 3 Abs. 4 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall auf diese Anwendung findet; dementsprechend kommen dem Beschwerdeführer bzw. seiner minderjährigen Schwester eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Ein mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 21 Abs. 7

BFA-VG entfallen, da aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben ist.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor (Zur unproblematischen Anwendung des § 34 AsylG 2005 auch im Zusammenhang mit dem Begriff des Familienangehörigen gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 im Familienverfahren siehe etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2007, 2007/20/0281; 09.04.2008, 2008/19/0205; 25.11.2009, 2007/01/1153; 24.03.2011, 2008/23/1338; 06.09.2012, 2010/18/0398).

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, befristete
Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2179835.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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