TE Vwgh Beschluss 2018/6/26 Ra 2016/05/0081

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Veröffentlicht am 26.06.2018
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauO Wr §129 Abs6;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs1 Z2;
B-VG Art132 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des M H, MSc, in W, vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20. Juni 2016, Zl. VGW-102/012/9173/2015-63, betreffend eine Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Zusammenhang mit Sicherungsmaßnahmen gemäß § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei:

Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0003, 0004, mwN).

5 Der Revisionswerber, der Unterpächter eines näher bezeichneten Grundstücks einer Kleingartenanlage in Wien ist, erhob mit Schriftsatz vom 6. August 2015 an das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Maßnahmenbeschwerde) wegen der vom Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) am 25. und 26. Juni 2015 getroffenen Anordnungen von eine Baugrube auf diesem Grundstück betreffenden Sicherungsmaßnahmen.

6 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis unter Spruchpunkt I. die Beschwerde gegen die Anordnung vom 25. Juni 2015, die Pölzungen der Baugrube mit Patentstehern im Abstand von einem Meter zu verstärken (lit. a), die Anordnung vom 26. Juni 2015, bis 9.00 Uhr aus der Baugrube Bauschutt zu entfernen und die am Vortag (dem 25. Juni 2015) besprochenen Absicherungsmaßnahmen herzustellen (gemeint: die Pölzungen der Baugrube mit Patentstehern im Abstand von einem Meter zu verstärken) (lit. b), sowie die Anordnung vom 26. Juni 2015 (gegen 9.30 Uhr), Bauschutt aus der Baugrube durch das Unternehmen H. zu entfernen (lit. c), "als unzulässig abgewiesen". Unter Spruchpunkt II. wurde die Beschwerde gegen das am 26. Juni 2015 (gegen 9.30 Uhr) ausgesprochene Betretungsverbot für diese Baugrube (lit. a), die am 26. Juni 2015 (gegen 9.30 Uhr) getroffene Anordnung der Zuschüttung der Baugrube durch das Unternehmen H. (lit. b) und die am 26. Juni 2015 "nicht mehr gewährte Entfernung des Eigentums des Beschwerdeführers (Baumaterialien) aus dieser Baugrube" (lit. c) als unbegründet abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde der Revisionswerber gegenüber dem Magistrat zum Aufwandersatz verpflichtet und unter Spruchpunkt IV. eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

7 Dazu führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, dass Vertreter der Baupolizei am 25. Juni 2015 den Zustand der Baugrube unter Beiziehung von grundbautechnischen Amtssachverständigen kontrolliert hätten und die Baugrube nahezu senkrecht auf eine Tiefe von ca. drei Metern abgegraben gewesen sei. Die unter Spruchpunkt I. genannten Anordnungen seien vom Magistrat nicht erteilt worden. Das Beweisverfahren habe in Bezug auf die unter Spruchpunkt II. genannten Anordnungen ergeben, dass zum Zeitpunkt des Ausspruches des Betretungsverbotes und der Anordnung der Zuschüttung der Baugrube am 26. Juni 2015 Gefahr im Verzug vorgelegen sei, weil ein jederzeitiges Versagen der Baugrubenwände nicht auszuschließen gewesen sei. Die angeordneten Maßnahmen seien daher zur unmittelbaren Abwehr der für die tätigen Arbeiter bestehenden Gefahr, in der Baugrube verschüttet zu werden, notwendig gewesen. Wie das amtshandelnde Organ der Baupolizei DI Dr. S. plausibel dargelegt habe, hätten sich aufgrund der vorhandenen beengten geometrischen Abmessungen der Baugrube zwangsläufig entsprechende Verschneidungen der zu schüttenden Böschungskegel ergeben und seien im Arbeitsablauf Schüttungen notwendig gewesen, um die Sicherheit der die Sicherungsarbeiten durchführenden Arbeiter zu gewährleisten. Diese Schüttungen seien bei den vorliegenden geometrischen Abmessungen der Baugrube einem vollständigen Verfüllen gleichgekommen. Dieser Expertise eines ausgebildeten Statikers sei vom Revisionswerber nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden. Eine bloße Verstärkung der Spritzbetonschicht oder das Anbringen einer Verschalung wäre nur durch weitere für die Bauarbeiter lebensgefährliche Tätigkeiten in der Baugrube zu realisieren gewesen.

8 Obwohl der Revisionswerber bzw. seine Erfüllungsgehilfen bereits am Vortag über die Bedenken des Magistrats informiert worden seien und ihnen die Möglichkeit eröffnet worden sei, aus Eigenem Abhilfe zu schaffen, sei zum Zeitpunkt der Anordnung der angefochtenen Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 26. Juni 2016 Gefahr im Verzug vorgelegen, weshalb auch aus diesem Grund von einer überraschenden oder unverhältnismäßigen Maßnahme keine Rede sein könne. Der Revisionswerber sei durch die nicht mehr gewährte Entfernung seines Eigentums (Baumaterialen) aus der Baugrube, bevor diese zugeschüttet worden sei, auch nicht in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Eigentum verletzt worden, weil Gefahr im Verzug vorgelegen sei. Eine Entfernung der Baumaterialien aus der Baugrube hätte eine Verzögerung der angeordneten Maßnahmen und eine Gefährdung der befassten Arbeiter bedeutet. Aufgrund der ausdrücklichen Gesetzesvorbehalte in Art. 5 StGG und Art. 1

1. ZPEMRK legalisiere § 129 Abs. 6 Bauordnung für Wien (BO) im öffentlichen Interesse bei Gefahr im Verzug einen Eingriff in das Recht auf Eigentum.

9 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil danach ein Handeln gemäß § 129 Abs. 6 BO das Vorliegen von Gefahr im Verzug voraussetze und die Annahme des einschreitenden Organs, es liege eine das vollständige Zuschütten der Baugrube rechtfertigende Gefahr im Verzug vor, nicht vertretbar gewesen sei. Nach der im angefochtenen Erkenntnis genannten Stellungnahme des Magistrates, Magistratsabteilung 29, (vom 28. September 2015) sei als gelindestes Mittel bloß eine teilweise Wiedereinbringung des Aushubmaterials mit einem Böschungswinkel von 45 Grad notwendig gewesen. Zudem sei die akute Gefahrensituation durch die Verhängung der Bauplatzsperre, die vor dem Zuschütten ausgesprochen worden sei, bereits entschärft gewesen, sodass keine Gefährdung mehr für Leib und Leben der in der Baugrube tätigen Bauarbeiter bestanden habe. Das ohnedies angeordnete Betretungsverbot für die Baugrube wäre jedenfalls ausreichend und das gelindere Mittel gewesen, um die in der Grube tätigen Bauarbeiter zu schützen, weil keine Anhaltspunkte bestanden hätten, dass trotz dieses Verbotes weitergearbeitet worden wäre. Zudem seien gemäß § 129 Abs. 6 BO notstandspolizeiliche Maßnahmen dann nicht mehr zulässig, wenn baupolizeiliche Aufträge bereits ergangen seien, und habe der Magistrat bereits am 25. Juni 2015 einen Auftrag erteilt, welcher im Beisein der Behörde ausgeführt worden sei und am nächsten Tag hätte fortgesetzt werden können. Vom Zeitpunkt der Erteilung dieses Auftrages seien keine weiteren Gefahrenmomente aufgetreten, und es sei vielmehr der Zustand der Baugrube durch die bereits angebrachten Sicherungsmaßnahmen sogar verbessert worden.

10 Ferner sei es naheliegend gewesen, dass das vom Magistrat beauftragte Unternehmen H. bei der bloßen Anordnung der Zuschüttung der Baugrube das auf der Liegenschaft befindliche kontaminierte Material zur Verfüllung der Baugrube heranziehen würde. Um dies zu vermeiden, hätte der Magistrat explizit anordnen müssen, dass anderes, nicht kontaminiertes Material hiefür zu verwenden gewesen wäre. Zwar könne nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bei denkmöglicher Annahme von Gefahr im Verzug keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums vorliegen. Diese Judikaturlinie entbinde die Verwaltung freilich nicht gänzlich vom Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG, und bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Anordnung der baupolizeilichen Maßnahmen hätte daher eine Interessenabwägung vorgenommen werden müssen. Da ohnehin von vornherein festgestanden sei, dass für die Durchführung der notstandspolizeilichen Anordnung zusätzliches Erdmaterial herbeigeschafft werden müsste, sei die Heranziehung des unmittelbar neben der Baugrube befindlichen, offensichtlich kontaminierten Aushubmaterials zur Verfüllung der Baugrube nicht notwendig gewesen. Das Verwaltungsgericht habe sich mit diesem Umstand nicht auseinandergesetzt und das angefochtene Erkenntnis mit gravierenden Feststellungsmängeln behaftet.

11 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

12 Da Prozessgegenstand des Verfahrens über eine Maßnahmenbeschwerde die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ist, ist jene Sach- und Rechtslage maßgebend, die im Zeitpunkt der Setzung des Verwaltungsaktes bestand (vgl. etwa VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063, mwN).

13 § 129 BO, LGBl. Nr. 11/1930, in der im Zeitpunkt der Setzung der hier in Rede stehenden notstandspolizeilichen Maßnahmen geltenden Fassung der Bauordnungsnovelle 2014, LGBl. Nr. 25, lautet auszugsweise:

14 "Benützung und Erhaltung der Gebäude;

vorschriftswidrige Bauwerke

§ 129. ...

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen, dass die Bauwerke (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. ...

...

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an und verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Erteilung des Bauauftrages. ...

...

(6) Bei Gefahr im Verzuge kann die Behörde auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) eines Bauwerkes anordnen und sofort vollstrecken lassen.

..."

15 Nach der hg. Judikatur erfordert ein Handeln gemäß § 129 Abs. 6 BO das Vorliegen von Gefahr im Verzug, die es der Behörde unmöglich macht, die Verfahrensvorschriften einzuhalten. Rechtmäßig sind notstandpolizeiliche Maßnahmen bereits dann, wenn die Annahme des einschreitenden Organs, es liege Gefahr im Verzug vor, vertretbar war (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063, mwN). Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes muss dann angenommen werden, wenn das amtshandelnde Organ aus damaliger Sicht - nach Lage des Falles - mit gutem Grund (d.h. vertretbar) der - subjektiven -Auffassung sein konnte, dass die in Auftrag gegebenen Arbeiten auch dem Ausmaß nach erforderlich waren (vgl. dazu etwa VwGH 20.4.2001, 2000/05/0129, 0213, mwN).

16 Das Verwaltungsgericht hat die im angefochtenen Erkenntnis (auf den Seiten 20 bis 23) angeführten Sachverhaltsfeststellungen getroffen und diesen die im Erkenntnis (auf den Seiten 24 bis 28) dargelegte Beweiswürdigung zugrunde gelegt. Bei seiner Beurteilung, dass Gefahr im Verzug vorgelegen sei und aufgrund der vorhandenen beengten geometrischen Abmessungen der Baugrube Schüttungen notwendig gewesen seien, die einem vollständigen Verfüllen der Baugrube gleichgekommen seien, wie auch für die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Feststellungen stützte es sich insbesondere auf die Aussagen sachverständiger Zeugen. Das Verwaltungsgericht ist hiebei zum Ergebnis gelangt, dass aufgrund der Gefahr des jederzeitigen Versagens der Baugrubenwände die angeordneten Sicherungsmaßnahmen (Betretungsverbot und Verfüllung der Baugrube) dem Ausmaß nach erforderlich waren, um die Gefahr zu beseitigen.

17 Nach ständiger hg. Judikatur sind Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes - zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist - nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 24.1.2017, Ra 2017/05/0005, mwN).

18 Mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen legt die Revision nicht dar, dass das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen und dabei tragende Verfahrensgrundsätze verletzt habe. Es ist daher von dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt auszugehen (§ 41 erster Satz VwGG). Davon ausgehend kann dem Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es zur Auffassung gelangte, dass die von ihm festgestellten Anordnungen des Magistrates aus damaliger Sicht zur Abwehr von Gefahr im Verzug notwendig gewesen sind, und es die bloße Verhängung eines Betretungsverbotes zur Abwehr der Gefährdung für nicht ausreichend erachtete.

19 Das von der Revision unter Bezugnahme auf das Erkenntnis VwGH 26.6.2013, 2011/05/0102, 103, erstattete Vorbringen, dass der Magistrat bereits am 25. Juni 2015 einen Auftrag erteilt habe, welcher im Beisein der Behörde ausgeführt worden sei und am nächsten Tag hätte fortgesetzt werden können, sodass der Magistrat nicht gemäß § 129 Abs. 6 BO hätte vorgehen dürfen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach diesem Erkenntnis sind notstandspolizeiliche Maßnahmen im Sinne des § 129 Abs. 6 BO nicht mehr zulässig, wenn baupolizeiliche Aufträge bereits ergangen oder gar rechtskräftig und vollstreckbar sind, wobei eine Ausnahme dann besteht, wenn zusätzliche Gefahrenmomente aufgetreten sind, die ein sofortiges Handeln der Behörde erfordern. Daraus ergibt sich, dass ein solcher baupolizeilicher Auftrag mittels Bescheid erteilt worden sein muss. Dass am 25. Juni 2015 ein baupolizeilicher Bescheid erlassen worden sei, geht aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht hervor und wird auch von der Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht behauptet. Diese lässt im Übrigen auch offen, welchen Inhalt der von ihr behauptete Auftrag vom 25. Juni 2015 gehabt haben soll.

20 Ebenso zeigt die Revision mit dem Vorbringen, es sei naheliegend gewesen, dass das vom Magistrat beauftragte Unternehmen H. das auf der Liegenschaft befindliche kontaminierte Material zur Verfüllung der Baugrube heranziehen würde, und der Magistrat hätte, um dies zu vermeiden, explizit anordnen müssen, dass anderes, nicht kontaminiertes Material hiefür zu verwenden gewesen wäre, was bei der Interessenabwägung hätte berücksichtigt werden müssen, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

21 Bei der Beurteilung des Vorliegens von Gefahr im Verzug im Sinne des § 129 Abs. 6 BO handelt es sich grundsätzlich um eine nach der jeweils gegebenen tatsächlichen Situation zu treffende einzelfallbezogene Beurteilung. Wie bereits dargelegt wurde, muss die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes durch eine notstandpolizeiliche Maßnahme dann angenommen werden, wenn das amtshandelnde Organ aus damaliger Sicht - nach Lage des Falles - mit gutem Grund (d.h. vertretbar) der - subjektiven - Auffassung sein konnte, dass die in Auftrag gegebenen Arbeiten auch dem Ausmaß nach erforderlich waren. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit einer einzelfallbezogenen Beurteilung nur dann vor, wenn diese grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. etwa VwGH 12.4.2018, Ra 2018/04/0082, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, vermochte der Revisionswerber nicht aufzuzeigen und ist für den Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen auch nicht ersichtlich.

22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

23 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 26. Juni 2018

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016050081.L00

Im RIS seit

31.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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