Norm
§3 Z1 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Begründung des ArbeitsverhältnissesText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 9. Jänner 2018 über den am 24. September 2015 eingelangten Antrag von Herrn A, MBA MPA (Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 107/2013 alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch die X Ges.m.b.H. (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/634/15, zu folgendem
Prüfungsergebnis:
Herr A, MBA MPA ist nicht auf Grund des Geschlechts bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch die X Ges.m.b.H. diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung des Antragstellers vom 9. Jänner 2018 und von Herrn B (informierter Vertreter der Antragsgegnerin, dem am 9. Jänner 2018 von der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin, Frau C, für das Verfahren vor Senat I der GBK erteilt worden ist) vom 9. Jänner 2018. Es wurden keine weiteren Auskunftspersonen befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung auf das E-Mail vom 23. Jänner 2016, das E-Mail vom 10. Oktober 2016 sowie das Urteil des EuGH vom 28. Juli 2016, Rs C-432/15.
Vorbringen
Im Antrag wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:
Der Antragsteller habe sich durch ein in der Tageszeitung „…" vom … 2015 enthaltenes Inserat für die Stelle einer Masseurin bzw. SPA Therapeutin bei der Firma X Ges.m.b.H aufgrund des Geschlechtes diskriminiert gefühlt, da nur Frauen gesucht worden seien. Seine Anfrage per E-Mail Anfrage vom 24. September 2015, ob der Antragsteller sich denn bewerben dürfe, sei von der Antragsgegnerin zurückgewiesen worden. Darin sei eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu sehen, da Männer sich anscheinend nicht, oder nur sofern keine geeignete Frau gefunden werde, bewerben dürften.
In der Arbeitsstätte seien bisher ausschließlich weibliche Servicekräfte beschäftigt, von Frauenförderung könne daher keine Rede sein. Die getätigte Stellungnahme stelle keine sachliche Rechtfertige der Ungleichbehandlung dar. Die Diskriminierung ist sohin faktisch, unmittelbar aufgrund des Geschlechtes und unbegründbar.
Das Ziel seines Antrages sei folglich:
? keine Diskriminierung mehr,
? keine Folgediskriminierung,
? ideellen Schadenersatz in der Höhe von € 500,00.
In einer vom Senat I der GBK eingeforderten Konkretisierung seines Vorbringens gab der Antragsteller am 1. Dezember 2015 an, dass er bereits zahlreiche Male als Kellner ausgeholfen habe und sei auch als Servicepersonal aushilfstechnisch tätig gewesen. Leider sei auch für diesen Job nur eine Frau gesucht und seine Bewerbung auch mit dieser direkten Begründung abgelehnt worden. Seine Mutter sei vom Beruf Heilmasseurin, und habe dem Antragsteller dahingehend zahlreiche Massagetechniken und Fertigkeiten beigebracht. Da es ihm erlaubt sei einer nebenberuflichen Tätigkeit nach zu gehen, wäre das eine willkommene Ausgleichstätigkeit für den Bürojob gewesen, eine „Win-Win Situation“. Jedoch sei von der Antragsgegnerin für diesen Job nur eine Frau gesucht und meine Bewerbung auch mit dieser direkten Begründung abgelehnt worden.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 5. Februar 2015 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Fakt sei, dass sich der Antragsteller beworben und nicht den Suchkriterien entsprochen habe, da der Antragsteller seinen Angaben nach nur IT- und Buchhaltungskenntnisse besitze. Die Antragsgegnerin habe aber MasseurInnen und Spa TherapeutInnen gesucht und niemanden für den Bereich Buchhaltung oder IT. Darum habe die Antragsgegnerin dem Antragsteller dahingehend auch geantwortet, dass sie ausschließlich TherapeutInnen suchen würden. Wir seien sowohl Frauen als auch Männer gesucht worden. Ebenso hätten sich auf das Inserat Frauen wie auch Männer beworben. Die Antragsgegnerin beschäftige im Bereich Massage wie auch im Bereich Rezeption Frauen und Männer im Alter von 20 bis 50+.
Rechtliche Überlegungen
Gemäß § 3 Z 1 GlBG darf aufgrund des Geschlechtes im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses.
Die Formulierung beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des idR vorausgehenden Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw. diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin oder für diese/n handelnder Personen Bedacht zu nehmen1.
Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand iSd §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es in Berufung auf §§ 3 oder 4 zu beweisen, dass es bei der Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist oder ein Rechtfertigungsgrund iSd § 5 Abs. 2 GlBG vorliegt.
Wird einem Bewerber per E-Mail mitgeteilt, dass man nur Therapeutinnen suche, ist dieses Verhalten unter dem Tatbestand der Diskriminierung auf Grund Geschlechtes bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses gemäß 3 Z 1 GlBG zu subsumieren.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe des Antragstellers, Herrn A, MBA MPA, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die beanstandete Position als Masseur/in bzw. Therapeut/in nicht geschlechterkonform iSd GlBG ausgeschrieben worden ist. Vom Seiten des rechtlich informierten Vertreters der Antragsgegnerin wurde in der mündlichen Befragung vorgebracht, dass durch einen Fehler der Zeitung „…“ ein altes Stelleninserat verwendet worden sei, obwohl man der Zeitung ein gesetzeskonformes Stelleninserat vorgelegt habe. Es wurden allerdings im GBK-Verfahren keinerlei Unterlagen vorgelegt, die die Behauptung der Antragsgegnerin untermauern hätten können. Zudem hat ein Mitarbeiter der Antragsgegner dem Antragsgegner auf seine Anfrage bzgl. der ausgeschriebenen Position zurückgeschrieben, dass man ausschließlich Therapeutinnen suche. Laut Herrn B habe ein Mitarbeiter, der … sei und dessen Muttersprache nicht Deutsch sei, dem Antragsteller auf seine Anfrage geantwortet. Man könne nicht jeden Fehler „ausnützen“. Aus rechtlicher Sicht ist das Verhalten des Mitarbeiters sehr wohl der Antragsgegnerin zu zurechnen. Die Mitarbeiter/innen müssen von der Geschäftsführung der Antragsgegnerin hinsichtlich des GlBG aufgeklärt werden. Der Senat I der GBK verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das GlBG ein aushangpflichtiges Gesetz ist, das den Mitarbeiter/innen zur Kenntnis bzw. zugänglich gemacht werden muss.
Ein derartiger Verstoß gegen die geschlechtsneutrale Ausschreibungsspflicht wäre bei der Bezirksverwaltungsbehörde zur Anzeige zu bringen gewesen.
Davon unabhängig ist rechtlich zu beurteilen, ob diese nicht gesetzeskonforme Ausschreibung Auswirkung auf die Bewerbung des Antragstellers gehabt habe. Nach Durchführung des GBK-Verfahren hat die fehlerhafte Stellenausschreibung jedoch keinen Einfluss auf die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers.
Aus den Unterlagen ist ersichtlich, dass der Antragsteller seine Bewerbungsanfrage an die Antragsgegnerin am 24. September 2015 um 14:53 Uhr geschickt. 3 Minuten später, d.h. 14:56 Uhr, kam die Ablehnung der Bewerbung durch die Antragsgegnerin. Bereits 20 Minuten später, um 15:16 Uhr, hat der Antragsteller seinen Antrag an den Senat I GBK geschickt. Natürlich sind Antragsteller/innen nicht zur Einholung einer Beratung verpflichtet. Im langjährigen Bestehen der GBK hat sich noch niemand derartig schnell nach einer mutmaßlichen Diskriminierung an die GBK gewandt. Zumal der Antragsteller davon ausgehen konnte, dass er auf Grund seiner mangelnden Qualifikationen für die Stelle den Job nie erhalten hätte. Das bloße Zusehen bzw. „Anlernen“ durch die Mutter des Antragstellers, die Masseurin sei, reicht keinesfalls aus. Die Antragsgegnerin bietet in ihrem Institut u.a. Massagen an, die der Gewerbeordnung entsprechend, „lege artis“ ausgeführt werden müssen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller, der überdies auch über eine fundierte akademische Ausbildung verfügt …, sich bewusst, ohne Aussicht auf die Stelle, beworben hat.
Der Senat I der GBK geht somit davon aus, dass eine sog. „Scheinbewerbung“ („GlBG-Hopping“) vorliegt. Laut der europarechtlichen Bestimmungen darf man beim „Zugang zu Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit“ nicht diskriminiert werden (u.a. auf Grund des Geschlechtes). Der EuGH hat im Urteil vom 28. Juli 2016, Rs C -423/15 festgestellt, dass Situationen, in der eine Person mit ihrer Stellenbewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur den formalen Status als Bewerber/in erlangen möchte, und zwar mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen, nicht unter den Begriff „Zugang zu Beschäftigung“ fällt. Ein solches Verhalten könne laut EuGH-Urteil auch einen Rechtsmissbrauch darstellen.
Für die Annahme des erkennenden Senates sprechen auch die diversen Vergleichsvorschläge zur Zahlung einer ideellen Entschädigung an den Antragsteller unter gleichzeitiger Angabe seiner Kontodaten. Erst im weiteren E-Mailverkehr bzw. in der mündlichen Befragung hat der Antragsteller davon gesprochen, dass von Seiten der Antragsgegnerin ein ideeller Schadenersatz gespendet werden sollte.
Es liegt somit keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor.
Wien, 9. Jänner 2018
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz 13.
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
Zuletzt aktualisiert am
27.07.2018