Norm
§4 Z3 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Selbstständige TätigkeitText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 13. Februar 2018 über den am 15. September 2016 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft Regionalbüro … (R-GAW) für Herrn A (Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit gemäß § 4 Z 3 iVm §§ 5 Abs. 2 und 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch X (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/708/16, zu folgendem
Prüfungsergebnis:
Herr A ist auf Grund des Geschlechtes bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit gemäß § 4 Z 3 iVm §§ 5 Abs. 2 und 3 GlBG durch X diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung des Antragstellers sowie von der informierten Vertreterin der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2018. Es wurden keine weiteren Auskunftspersonen befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat I der GBK in seiner Entscheidungsfindung insbesondere auf die Kriterien für Trainerinnen der Antragsgegnerin sowie das Praxishandbuch „…" ...
Vorbringen
Im Antrag wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:
Der Antragsteller arbeite seit 20 Jahren nebenberuflich (Werkverträge) für X (…) und betreue im Rahmen dieser Tätigkeit auch viele Teilnehmerinnen, die spezielle Kurse für Frauen besuchen. Am 3. August 2015 sei auf der Internetseite … ein Stelleninserat im Auftrag der Fa. Y GmbH geschaltet gewesen. Mit diesem seien für die Fa. Z GmbH, Trainerinnen für Wiedereinstiegsprojekt (m/w) am 3. August 2015 in … bzw. Trainerinnen für Wiedereinstiegsprojekt (Teilzeit) gesucht worden. Der Antragsteller habe sich am 30. Juli 2015 telefonisch beworben und habe von Frau Mag.a (FH) B die Auskunft erhalten, dass im Auftrag von X ausschließlich Trainerinnen für spezielle Kurse für Frauen gesucht werden und daher die Bewerbung eines Mannes nicht berücksichtigt werden könne. In der Stellungnahme der Z GmbH sei Folgendes festgehalten worden:
„Gender und Diversitymanagement haben bei uns in der internen Weiterbildung einen hohen Stellenwert. Selbstverständlich wurde das Inserat mittlerweile auch korrigiert und ist nunmehr wieder online. Bei dem angesprochenen Telefonat mit unserer Bereichsleitung für … — Frau B — wurde dem Beschwerdeführer —Herr A — lediglich mitgeteilt, dass es einzelne Module im Rahmen des Projektes gibt, die aufgrund der Vorgabe des Auftraggebers (X) nur von Frauen durchgeführt werden sollen. Darauf haben wir leider keinen Einfluss.“
X habe in seiner Stellungnahme an die R-GAW unter anderem auf § 8 GlBG berufen. Sie würden daher eine Ausnahmeregelung von der Bestimmung des § 3 GIBG für Kursangebote dieser Art als zulässig und begründet erachten.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 9. März 2017 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:
Von der Antragsgegnerin sei unter der Referenznummer … die Bedingungsunterlage für das Angebot „…“ veröffentlicht. Es handle sich dabei um eine ausschließlich für Frauen, die nach einer Kinderbetreuungsphase wieder ins Erwerbsleben einsteigen wollen, konzipierte positive arbeitsmarktpolitische Maßnahme zur Förderung von Frauen. Es sei keine typische Berufsorientierung, sondern unterstütze Frauen in einer besonderen Lebenssituation bei allen auftretenden Fragestellungen. Weibliche Trainerinnen seien einerseits aufgrund der Vorbildwirkung, andererseits aufgrund des notwendigen Vertrauensaufbaus Teil dieser positiven Maßnahme. In homogenen Gruppen sei es einfacher aus sich heraus zu gehen und frauenspezifische Themen wie zum Beispiel Organisation der Kinderbetreuung, Vereinbarkeit Familie und Beruf, immer wieder auch sehr sensible Anliegen wie Gewalt in der Familie zu bearbeiten. Die Antragsgegnerin verweise auf das Praxishandbuch „…“ von X. Der Satz „...Mädchen und Frauen zu fördern, da in geschlechtsheterogenen Gruppen erfahrungsgemäß die Hemmschwelle geringer ist aus sich herauszugehen,...“ müsste richtigerweise in geschlechtshomogenen Gruppen lauten. Das Praxishandbuch enthalte hier einen Formulierungsfehler. Von den 1368 Teilnehmerinnen in den Jahren 2015 und 2016 hätten 51% Migrationshintergrund. Gerade für den Erfolg des Angebotes Wiedereinstieg mit Zukunft bei Frauen mit muslimischen Glauben sei der Einsatz von Trainerinnen unumgänglich. Weiters verweise die Antragsgegnerin auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 2014 V54/2014. Die Bevorzugung weiblicher Bewerberinnen bei der Vergabe von Facharztstellen werde mit dem Mangel an Fachärztinnen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe als sachlich gerechtfertigt begründet, aber auch, dass es für einen Teil der Frauen eine besondere Rolle spielt, dass sie die Möglichkeit haben eine Ärztin zu konsultieren. Daher bestehe aus objektiven Gründen ein - iSd Art7 Abs1 B-VG zu verstehendes - legitimes Bedürfnis nach einem entsprechenden Anteil weiblicher Vertragsärzte aus dem Fachgebiet der Frauenheilkunde. Ebenfalls werde auf eine Entscheidung des deutschen Bundesarbeitsgerichts, 8 AZR 77/09, im Zusammenhang mit der Bestellung einer Gleichbehandlungsbeauftragten in einer Stadt in Niedersachsen verwiesen. Auch hier werde festgestellt, dass das notwendige Vertrauensverhältnis unter Frauen für eine erfolgreiche Arbeit unumgänglich ist, besonders wenn es sich um einen hohen Anteil von zu betreuenden Musliminnen handle. Aus den vorgenannten Gründen sehe die Antragsgegnerin den ausschließlichen Einsatz von Trainerinnen als sachlich gerechtfertigt an, um das rechtmäßige Ziel Frauen nach einer Kinderbetreuungsphase beim Wiedereinstieg ins Berufsleben bestmöglich zu unterstützen zu erreichen. Bei den Vorgaben, die X Kursträgerinnen mache, handle es sich nicht um eine Anweisung, wie das Gleichbehandlungsgesetz dies verstehe, sondern um einen Auftrag, für eine Anzahl an Kursen Trainerinnen zu finden. So bleibe die Formulierung des Stelleninserates selbstverständlich der Personalbereitstellungsfirma überlassen. § 5 Abs. 3 (Anweisung) gehe vielmehr von einem arbeitsrechtlichen Weisungszusammenhang aus, den es hier selbstverständlich nicht gebe. Eine Einschränkung oder Benachteiligung des Antragstellers bei der Gründung, Einrichtung und Erweiterung seines Unternehmens bzw. bei der Ausübung seiner Trainertätigkeit sei nicht nachzuvollziehen, da das Angebot „…“ nur einen kleinen Anteil der im Auftrag von X durchgeführten Bildungsangebote umfasse.
Rechtliche Überlegungen
Gemäß § 4 Z 3 GlBG darf niemand aufgrund des Geschlechtes bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit unmittelbar oder mittelbar diskriminiert (iVm § 5 Abs. 2 und 3 GIBG) werden. Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es bei Berufung auf §§ 3 oder 4 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 2 vorliegt.
Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe des Antragstellers, bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit von der Antragsgegnerin, mittelbar diskriminiert worden zu sein, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Antragsteller einschlägige Vorerfahrung im Bereich von Kursen speziell für Frauen, insbesondere im Bereich Technik, hat. Er unterrichtet seit ca. 20 Jahren in diesem Bereich. Es liegen in seiner Person alle von der Antragsgegnerin im Stelleninserat geforderten Anforderungen vor. Dies wurde im Verfahren von der Antragsgegnerin auch nie in Abrede gestellt. Fest steht weiters, dass erst 2017 im Bereich „…“ zwischen Haupttrainerinnen, die für das Coaching der Kursteilnehmerinnen zuständig sind, und den fachlichen Trainer/innen unterschieden wird. Diese Unterscheidung erfolgte zeitlich somit später, da es sich gegenständlich um eine Bewerbung auf ein Stelleninserat vom 3. August 2015 handelte. Unbestrittenerweise konnte der Antragsteller ebenfalls entsprechende Erfahrungen als „Haupttrainer“ vorweisen. Die Stellenausschreibung erfolgte geschlechtsneutral. Die Bewerbung des Antragstellers wurde allerdings mit dem Hinweis auf sein Geschlecht abgelehnt.
Somit liegt ein per se diskriminierender Ausschluss des Antragstellers iSd § 4 Z 3 GlbG vor, wobei nunmehr das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrund für das Vorgehensweise der Antragsgegnerin vom Senat I der GBK überprüft wurde. Nach Auffassung des erkennenden Senates ist die von der Antragsgegnerin vorgebrachte Rechtfertigung nicht abwegig. Die Antragsgegnerin biete ein umfassendes System und eine Strategie speziell für Wiedereinsteigerinnen an. Diese Frauen würden sich insbesondere mit dem Thema Kinderbetreuung beschäftigen. An den Kursen würden sehr vielen Migrantinnen teilnehmen. Da es aus der Erfahrung heraus einfacher mit einer Frau als Coach und Verantwortliche sei, Vertrauen zu fassen und diese ebenso als Vorbilder an zu sehen. Man versuche aber auch verstärkt weibliche Trainerinnen im fachlichen Teil der Technik einzusetzen.
Der Senat I GBK kann dennoch aus mehreren Überlegungen heraus dieser Argumentationslinie der Antragsgegnerin nicht folgen. Gerade im selbst verfassten und in Anwendung stehenden Praxishandbuch … wird auf die Wichtigkeit von Koedukation hingewiesen. Es sollen durch diese Art des Unterrichts Stereotype und Rollenbilder in der Arbeitswelt abgebaut werden. Trainer/innen haben nach Auffassung des Senates I der GBK gerade in diesem Bereich eine sehr wichtige Vorbildfunktion. Der Antragsteller wäre in dieser Hinsicht nach Ansicht des Senates I der GBK ein geeigneter Trainer gewesen. Er hat, wie er im Zuge der Befragung durch Senat I der GBK aussagte, seine Kinder alleine aufgezogen bzw. betreut, und als Trainer im Bereich „Technik“ agiert. Dass Kinderbetreuung und Technik sich somit nicht ausschließen müssen, wäre ein wichtiges Signal für die Kursteilnehmerinnen gewesen. Weiters ist es dem erkennenden Senat ein Anliegen, festzuhalten, dass es gerade bei Migrantinnen, die sehr oft mit strikten patriarchalen Strukturen konfrontiert sind, ein männlicher Trainer, der in Sachen Kinderbetreuung kompetent ist, eine große Vorbildfunktion zukommen kann. Dies möchte die Antragsgegnerin ja gerade mit ihrem Kursprogramm erreichen. Es besteht die große Möglichkeit, auch beim gelebten Männerbild ein Umdenken zu bewirken, und die Frauen zu bestärken, im Bereich Technik beruflich tätig zu werden. Dass die Antragsgegnerin diese Möglichkeit durch ihre Vorgehensweise ausgeschlossen hat, konterkariert sie ihr eigenes angestrebtes Ziel.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive ausschlaggebend waren. Zum Zeitpunkt der Bewerbung waren die Positionen der Trainer/innen noch nicht in Haupttrainerin (zuständig für das Coaching der Teilnehmerinnen einer frauenfördernden Maßnahme) und fachliche Trainer/innen differenziert. Für die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers als Trainer lag zu diesem Zeitpunkt daher keine Rechtfertigung vor.
Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit gemäß § 4 Z 3 iVm §§ 5 Abs. 2 und 3 GlBG vor.
Vorschlag
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegnerin, X, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.
Wien, 13. Februar 2018
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
Zuletzt aktualisiert am
27.07.2018