Diskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Mangelnde Abhilfe, Verletzung des BenachteiligungsverbotsText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 8. Mai 2018 über den am 1. Dezember 2015 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine mangelnde Abhilfe im Falle einer sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) sowie von Amts wegen durchgeführten Überprüfung einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes durch die Verletzung des Benachteligungsverbotes gemäß § 13 GlBG durch X GmbH (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/662/15, zu folgendem
Prüfungsergebnis:
1. Frau A ist nicht auf Grund des Geschlechtes durch eine mangelnde Abhilfe im Falle einer sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.
2. Frau A ist auf Grund des Geschlechtes durch die Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch die X GmbH gemäß § 13 GlBG diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie deren mündliche Befragung der Antragstellerin sowie von Herrn GF B für die Antragsgegnerin vom 4. April 2018. Als weitere Auskunftspersonen wurden Herr C, Herr D, Frau E sowie Herr F am 4. April 2018 befragt. Die weitere Auskunftsperson, Frau G, ist trotz zweimaliger Ladung entschuldigt nicht zur mündlichen Befragung erschienen.
Vorbringen
Im Antrag wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei vom 15. Juli 2013 bis zum 31. Dezember 2014 in einem Lehrverhältnis als Köchin bei der Antragsgegnerin gestanden. Das Lehrverhältnis sei vor Ablauf der Lehrzeit einvernehmlich aufgelöst worden. Die Funktion als Lehrausbildnerin habe grundsätzlich die Geschäftsführerin, Frau E, ausgeübt. Da diese aber selten anwesend gewesen sei, habe die Antragstellerin allerdings den Großteil der Arbeitsanweisungen von den Küchenchefs erhalten. Im Zuge ihrer Lehrtätigkeit hätten sich insgesamt drei Küchenchefs vor Ort abgewechselt, Herr F. Herr H sowie Herr I. Im April 2014 habe Herr C als neuer Serviceleiter begonnen. Herr C habe sich schon längere Zeit im Unternehmen befunden und habe an diesem Standort im April 2014 zu arbeiten begonnen. Kurz nach dem Eintritt von Herrn C habe sich die Antragstellerin von April bis Juli 2014 in der Berufsschule befunden und sei mit Anfang Juli wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Da die Antragstellerin im Rahmen ihrer Tätigkeit auch das Salatbuffet bereut habe, sei es immer wieder zu Kontakt mit dem Antragsgegner gekommen. Im Zuge dieser Zusammenarbeit sei es im Juli und August immer wieder zu unangenehmen Situationen gekommen. Einmal sei sie am Faxgerät gestanden und habe Herrn C um Hilfe gebeten. Bei dieser Gelegenheit habe Herr C völlig situationsinadäquat seine Hände auf ihre Hüfte gelegt. Für die Antragstellerin seien diese vollkommen unangebrachte Berührungen gewesen. Kurz darauf sei diese bei der Abwasch gestanden. Plötzlich habe sie feststellen müssen, dass ihr der Antragsgegner auf das Gesäß gegriffen habe. Bei diesem Vorfall sei ihre Kollegin, Frau G, anwesend gewesen. Die Antragstellerin sei von diesem Vorfall irritiert und betroffen gewesen. Der damalige Küchenchef, Herr I, habe sich auf Urlaub befunden und so habe sich die Antragstellerin wegen dem Vorfall an Herrn F gewandt, der zuvor Küchenchef gewesen sei, und wieder als Koch tätig gewesen sei. Da sie Herrn F vertraut habe sie ihn als Ansprechperson angesehen. In weiterer Folge habe Herr F Herrn I das Geschehene berichtet. Nach den Vorfällen sei es Anfang Oktober 2014 zu einem Gespräch zwischen Frau J, die als Assistentin im Büro tätig gewesen, Herrn I und Herrn C gekommen. Dabei habe Herr C die Vorfälle abgestritten. Herr I habe allerdings der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie sich an ihn wenden sollte, falls es zu weiteren Vorfällen kommen würde. Am 18. November 2014 sei die Antragstellerin von Frau K, Frau E, Frau J und Herrn C zu einem Gespräch geholt worden. Frau K sei erst 4 Tage zuvor als Mitarbeiterin am Standort X eingetreten. Bei diesem Gespräch sie die Antragstellerin völlig unerwartet und ohne Beisein einer Vertrauensperson zur Rede gestellt worden. Man habe ihr vorgeworfen, dass ihre Mutter anonym beim Geschäftsführer der Antragsgegnerin, Herrn B, angerufen und ihm gegenüber Vorwürfe wegen sexueller Belästigung von Minderjährigen erhoben habe. Die neue Mitarbeiterin, Frau K, habe der Antragstellerin vorgeworfen, dass sie nichts tue und faul sei. Die Antragstellerin sei angehalten worden, sich bei Herrn C zu entschuldigen, sei beschuldigt worden, zu lügen und sei mit diffusen Konsequenzen bedroht worden. Demgegenüber sei das Verhalten von Herrn C bagatellisiert worden. Herr C habe die Vorwürfe lediglich mit der Aussage kommentiert, „Falls da etwas war, tut es mir leid.“ Umgehend habe die Antragstellerin ihre Mutter, Frau L, angerufen. In weitere Folge habe sich ihre Mutter sich an Frau E gewandt und habe um ein Gespräch ersucht. Dabei habe ihre Mutter festgehalten, dass sie mit dem vermeintlich anonymen Anruf nichts zu tun habe, habe jedoch Frau E damit konfrontiert, dass es möglicherweise weitere Betroffene geben könnte. In diesem Telefonat habe Frau E die Antragstellerin der Lüge bezichtigt und habe weiterhin eine Entschuldigung eingefordert und ihr ansonsten nicht näher bezeichnete Konsequenzen angedroht. Während dieses Telefonats habe Frau E festgehalten, dass sie Herrn C schon sehr lange kenne, mit ihm auch schon lange zusammen arbeiten würde und sie sich ein solche Verhalten nicht vorstellen könne. Der Lebensgefährte der Mutter, Herr D, habe sich in weiterer Folge direkt an den Geschäftsführer der Antragsgegnerin gewandt und habe um ein Gespräch gebeten, das am 26. November 2014 am Standort Y stattgefunden habe. Bei diesem Gespräch habe der Geschäftsführer festgehalten, dass es Vorfälle seiner Meinung nach nicht gegeben hätte und habe der Antragstellerin vorgeworfen, nicht zufriedenstellend zu arbeiten. Der Geschäftsführer habe bei diesem Gespräch klar gestellt, die Aussprache sofort zu beenden, wenn man das Unternehmen „schlecht machen wolle“ und habe somit eine weitere Besprechung in dieser Sache verweigert. Er habe sich darauf berufen, dass sich Herr C bereits entschuldigt habe und habe das Gespräch am 18. November 2014 verwiesen. Nichtsdestotrotz habe der Geschäftsführer in Aussicht gestellt, dass die Antragstellerin versetzt werden könnte und ihre Lehre auch an einen anderen Standort beenden könne. Dafür habe er ihr die Standorte Z und V angeboten. Weiters habe dieser versichert, die Antragstellerin auch bei der Prüfung für den Lehrabschluss zu unterstützen. Nachdem das Gespräch beendet gewesen sei, habe der Geschäftsführer beiläufig gemeint, dass sich die Mutter der Antragstellerin wegen der Leistungen keine Sorgen machen müsse, da die Leistungen der Antragstellerin im Durchschnitt liegen würden. Durch das Verhalten des Geschäftsführers in dieser Sache und das vor allem gemeinsam mit anderen Vorgesetzten, wie z.B. Frau E, in der wiederkehrenden Leugnung der Vorfälle bestanden habe, einem demütigenden, feindseligen Arbeitsumfeld ausgesetzt. Vor allem das Gespräch am 18. November 2014 habe die Antragstellerin als einschüchternd empfunden, da sie unter Druck gesetzt worden sei, sich zu entschuldigen, ihr vorgeworfen worden sei, Lügen zu verbreiten und sogar mit nicht näher bezeichneten Konsequenzen bedroht worden sei. Unter derartigen Umständen habe sich die Antragstellerin außer Stande gesehen, weiter im Unternehmen zu arbeiten. In weiterer Folge habe sich die Antragstellerin im Krankenstand befunden. Mit 31.Dezember 2014 sei schließlich das Lehrverhältnis einvernehmlich aufgelöst worden.
In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin der übermittelten Stellungnahme vom 4. Mai 2016, die auf eine vorhergehende Stellungnahme an die GAW vom 30. Juni 2015 verweist, sowie der übermittelten ausführlicheren Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragsgegnerin vom 28. März 2018 wurden die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe bestritten und ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten:
Am 16. November 2014 habe der Geschäftsführer erstmals von den gegenständlichen Vorwürfen durch einen anonymen Anruf erfahren. Unmittelbar nach diesem Telefonat habe er die Betriebsleiterin des X, Frau E, verständigt und sie um Aufklärung der Vorwürfe ersucht. Am 18. November 2014 habe daher ein Gespräch zwischen Frau E, der Antragstellerin, Frau K, Frau J und Herrn C stattgefunden. Dabei seien die von der Antragstellerin erhobenen Vorwürfe auf ihre Stichhaltigkeit geprüft worden, um sichergehen zu können, dass es sich tatsächlich um eine Form der sexuellen Belästigung gehandelt habe. Es habe sich dabei herausgestellt, dass die Berührungen in der Küche zwischen Herrn C und der Antragstellerin tatsächlich stattgefunden hätten und dies vom anderen Lehrmädchen, Frau G, beobachtet worden sei. Herr C habe glaubhaft darstellen können, dass es sich nur um eine flüchtige und unabsichtliche Bewegung gehandelt habe. Frau G habe geschildert, dass die Antragstellerin bei der Abwasch gestanden sei und sie Herr C an der Hüfte berührt habe, um vorbei zu kommen. Für diese Berührung habe sich Herr C auch bei der Antragstellerin entschuldigt. Am 19. November 2014 habe ein Telefonat zwischen dem Geschäftsführer und Herrn D, dem Lebensgefährten der Mutter der Antragstellerin, stattgefunden. Dabei habe sich Herr D zu den gegen die Antragstellerin erhobenen Vorwürfen, sie würde nicht zufriedenstellend arbeiten, geäußert. Dabei habe er ausgeführt, dass er vor ca. 2 Monaten ein Gespräch mit Frau E, Herrn C und der Antragstellerin gegeben habe und er davon ausgegangen sei, dass dabei der Sachverhalt „sexuelle Belästigung“ geklärt und Herr C dafür gerügt worden sei. Der Geschäftsführer habe bei diesem Telefonat zugesichert, den Vorwürfen der „sexuellen Belästigung“ nach zu gehen, zumal es sich bei der Antragstellerin um einen Lehrling handle und sexuelle Belästigung in jeder Form zu unterbinden sei. Am 20. November 2014 habe der Geschäftsführer in Beisein von Frau E Herrn C befragt, wobei dieser bekräftigt habe, die Antragstellerin nicht unsittlich berührt zu haben. Er habe dabei geschildert, dass er von der Sekretärin zuvor ins Büro geholt und mit den Vorwürfen worden sei. Dies sei von der dazu geholten Antragstellerin bestätigt worden. Bei dieser Besprechung habe Frau E auch auf das Telefonat verwiesen, das sie mit der Mutter der Antragstellerin telefonisch zuvor geführt habe. Herr C sei deutlich gemacht worden, dass sexuelle Belästigung im Betrieb nicht geduldet werde. Am 21. November 2014 habe schließlich das Gespräch zwischen dem Geschäftsführer, der Antragstellerin, ihrer Mutter und deren Lebensgefährten stattgefunden. Dabei habe er erklärt, dass er die Vorwürfe im Betrieb geprüft habe und angesichts der Aussagen der Beteiligten (insbesondere von Herrn C und Frau G) nicht davon ausgegangen werden könne, dass sexuelle Übergriffe stattgefunden hätten. Die Angehörigen der Antragstellerin hätten dabei angegeben, dass die Angelegenheit bereinigt sei und sie nun positiv in die Zukunft blicken würden, damit ihre Tochter eine positive Lehrabschlussprüfung ablegen könne. Hierbei sei auch über eine Vorverlagerung der Lehrabschlussprüfung auf März statt Mai und eine weitere Ausbildung an den Standorten V oder Z (samt allfälliger Unterbringung) nachgedacht worden. Der/Die Arbeitgeber/in sei in Bezug auf die Wahl der Mittel gegen bekannt gewordene Vorwürfe sexueller Belästigung grundsätzlich frei. Der/Die (angeblich) betroffene Arbeitnehmer/in habe keinen Anspruch darauf, dass der/die Arbeitgeber/in das Arbeitsverhältnis mit dem/der (angeblichen) Belästiger/in beende oder diesen versetze. Er/Sie habe jedoch das Recht darauf, dass der/die Arbeitgeber/in aktiv werde und die erforderlichen Mittel ergreife, um ihn vor weiteren Belästigungen zu schützen. Dabei hätten die Maßnahmen des/der Arbeitgeber/in unverzüglich zu erfolgen. Voreilige Reaktionen auf behauptete Verfehlungen eines/r Arbeitnehmers/in seien für den/die Arbeitgeber/in riskant, und sollten daher wohlüberlegt erfolgen. Wie bereits ausgeführt habe man auf die Vorwürfe der Antragstellerin mit betriebsinternen Erhebungen reagiert. Dies sei ab Kenntnisnahme durch den Geschäftsführer, unter seiner persönlichen Aufsicht erfolgt. Auf Grund der glaubhaften Aussagen von Herrn C, welche jener der Antragstellerin widersprochen hätten, habe sich der Verdacht der sexuellen Belästigung nicht erhärtet. Ungeachtet dessen sei Herrn C mit dem Abverlangen einer Entschuldigung klargemacht worden, dass sexuelle Belästigungen bei der Antragsgegnerin nicht geduldet werde. Des Weiteren sei er dieser auch ermahnt worden. Außerdem sei der Antragstellerin die Möglichkeit eingeräumt worden, sich an einer anderen Betriebsstätte beruflich weiter zu entwickeln. Eine Verletzung der Aufsichts- bzw. Fürsorgepflicht des Geschäftsführers, die dieser regelmäßig für die Antragsgegnerin ausübe, liege somit nicht vor. Es sei für den Geschäftsführer selbstverständlich, dass er seine Mitarbeiter/innen immer wieder darüber aufkläre und sie auch anweise, kollegial miteinander zusammen zu arbeiten sowie Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde nicht zu verletzten. Es habe auch keine sonstigen Vorfälle im Unternehmen gegeben.
Rechtliche Überlegungen
Hinsichtlich der von der GAW verlangten Überprüfung einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts durch die Arbeitgeberin, X GmbH (Antragsgegnerin), gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG, ob diese es schuldhaft unterlassen hat, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte, eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen, ist Nachstehendes festzuhalten:
Eine wesentliche Intention des GlBG ist die Schaffung einer diskriminierungsfreien Arbeitsumwelt. Der/Die Arbeitgeber/in ist deshalb auf Grund der ihm/ihr obliegenden allgemeinen Fürsorgepflicht2 aufgefordert, in seinem/ihrem Betrieb Maßnahmen zu setzen, um die sexuelle Integrität und die Intimsphäre der Arbeitnehmer/innen zu schützen und wahren3. Präventiv sollte von den Arbeitgebern/innen eine „Unternehmenskultur“ entwickelt werden, nach der Belästigungen aller Art grundsätzlich verpönt sind, damit es nach Möglichkeit nicht zu Belästigungen kommt4.
Hierfür stehen dem/der Arbeitgeber/in auf Grund seiner/ihrer betrieblichen Organisationsgewalt ausreichend Mittel zur Verfügung. Ist der/die Belästiger/in Mitarbeiter/in, kommen räumliche Sicherheitsvorkehrungen oder aber etwa der Ausschluss dienstlicher Kontakte in Frage. Dem/Der Arbeitgeber/in steht die ganze Bandbreite von der Rüge über Abmahnung bis hin zur Kündigung offen. Um die Fortsetzung einer sexuellen Belästigung zu unterbinden, hat der/die Arbeitgeber/in nach Prüfung der Sachlage über die entsprechenden Sanktionen zu entscheiden, die der Schwere des Fehlverhaltens angemessen sind (z.B. Versetzung, Freistellung, Gehaltskürzung, Abmahnung, Herabsetzung des Dienstgrades, Hausverbot, Kündigung, Entlassung). Eine sexuelle Belästigung durch Dritte darf sich niemals zum Nachteil für die betroffene Person auswirken. Nach dem GlBG besteht die Verpflichtung für den/die Arbeitgeber/in zur Schaffung angemessener Abhilfe. Eine sexuelle Belästigung durch eine/n Mitarbeiter/in ist eine Form von Arbeitnehmer/infehlverhalten, die den/die Arbeitgeber/in verpflichtet, sich damit zu befassen, wie er/sie es bei jeder Form von Fehlverhalten eines/einer Mitarbeiter/in tun sollte. Es bedarf daher Maßnahmen, die geeignet sind, die belästigte Person vor weiteren Übergriffen in deren sexuelle Sphäre zu verhindern.
Gegenstand der Überprüfung, ob die Antragsgegnerin eine dem GlBG entsprechende angemessene Abhilfe im Falle einer sexuellen Belästigung gesetzt hat, war, ob diese ihre Verpflichtungen in Bezug auf den mit Vorwürfen der sexuellen Belästigungen konfrontierten Mitarbeiter, Herrn C erfüllt hat. Das Verfahren vor dem Senat I der GBK hinsichtlich Herrn C, GBK I/…, ergab, dass Herr C die Antragstellerin nicht sexuell belästigt hat.
Es fehlte somit für den erkennenden Senat die für die Erfüllung des Tatbestandes der mangelnden Abhilfe iSd § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG erforderliche sexuelle Belästigung durch Dritte. Des Weiteren wird festgehalten, dass die Antragsgegnerin ansonsten ausreichende Abhilfemaßnahmen gesetzt hat. Bei den Befragungen wurde von allen Auskunftspersonen, einschließlich der Antragstellerin, bestätigt, dass man der Antragstellerin die Fortsetzung ihrer Lehre ohne eine weitere Zusammenarbeit mit Herrn C an einen anderen Betriebsstandort mit dem Angebot einer Dienstwohnung ermöglicht hätte. Außerdem wurden umfassende und unverzügliche Ermittlungsmaßnahmen ab Kenntnisnahme der Vorfälle im Unternehmen, von den Küchenchefs, Herrn I und Herrn F, als auch vom Geschäftsführer selbst vorgenommen. Zusätzlich wurde Herr C ermahnt und ihm von der Geschäftsführung deutlich gemacht, dass sexuelle Belästigungen bei der Antragsgegnerin nicht geduldet werden.
Es liegt daher kein schuldhaftes Unterlassen der Antragsgegnerin im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte gegenüber der Antragstellerin angemessene Abhilfe zu schaffen vor.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahren sah sich der Senat I der GBK veranlasst, von Amts wegen eine Überprüfung einer allfälligen Verletzung des Benachteiligungsverbotes iSd § 13 GlBG durch zu führen:
Gemäß § 13 GlBG darf als Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des Unternehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes ein/e Arbeitnehmer/in durch den/die Arbeitgeber/in nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden. (...)
Der Regelungszweck des Benachteiligungsverbotes ist somit eine Verstärkung des Rechtsschutzes für jene Arbeitnehmer/innen, die sich in eigener Sache oder im Interesse von Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen mit rechtlich anerkannten Mitteln gegen (vermutliche) Diskriminierungen durch ihre Arbeitgeber/innen wenden.5 Die benachteiligende Reaktion des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin muss in einem plausiblen Zusammenhang mit dem Auftreten des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin stehen, wobei auch ein gewisser zeitlicher Konnex gegeben sein muss.6
Ob im Einzelfall eine Benachteiligung nach § 13 GlBG vorliegt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Es reicht daher nicht aus, dass ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin von dem betroffenen Arbeitnehmer bzw. der betroffenen Arbeitnehmerin subjektiv als benachteiligend empfunden wird.7
Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt es bei Berufung auf §§ 3 oder 4 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 2 vorliegt.
Die Antragstellerin verwies auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Bekanntwerden ihrer Vorwürfe bzw. das Verhalten von Herrn C in Hinblick auf eine sexuelle Belästigung und der darauf erfolgten Drucksituation auf sie durch ihre Vorgesetzen, insbesondere durch GF Herrn B und die Ausbildnerin, Frau E, die eine massive Verschlechterung ihres Arbeitsumfeldes dargestellt habe und letztlich zu einer (unfreiwilligen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine einvernehmliche Lösung geführt haben. So wurde der Antragstellerin unterstellt, die Unwahrheit in Hinblick auf ihre Vorwürfe einer sexuellen Belästigung durch Herrn C behauptet zu haben und sie aufgefordert, ihre Anschuldigungen zurück zu nehmen und sich dafür zu entschuldigen. Die glaubwürdige Schilderung des belastenden Situation durch die Antragstellerin wurden aus Sicht des Senates I der GBK auch durch die Aussagen der befragten Auskunftspersonen untermauert.
Wie bereits ausgeführt, waren die Vorwürfe gegenüber Herrn C durch dessen Entschuldigung für die die Antragstellerin geklärt. Erst durch die auf Grund eines anonymen Anrufes beim Geschäftsführer durchgeführten betriebsinternen Ermittlungen kam es zu einer Eskalation innerhalb der Arbeitssituation, wodurch sich die Antragstellerin außer Stande gesehen hat, ihre Lehrzeit bei der Antragsgegnerin ab zu schließen. Der Geschäftsführer führte aus, dass er sein Unternehmen nicht schlecht machen lassen will. Laut der glaubhaften Angaben aller befragten Auskunftspersonen hat der anonyme Anruf den Geschäftsführer sehr gestört. Auch Frau E zeigte sich davon sehr irritiert. Es wurde von beiden wiederholt auf die lange Betriebsangehörigkeit von Herrn C und, dass man sich ein solches Verhalten von ihm nicht vorstellen könne, hingewiesen.
Der Senat I der GBK hält fest, dass von einem minderjährigen Lehrmädchen nicht die korrekte juristische Einordnung der Berührungen von Herrn C verlangt werden kann. Die erforderliche Intensität für das Feststellen einer sexuellen Belästigung war nach Ansicht von Senat I der GBK jedoch nicht gegeben (siehe GBK I/…).
Der auf die Antragstellerin ausgeübte Druck durch die Antragsgegnerin war jedoch völlig überzogen. Schon in Anbetracht ihre Minderjährigkeit besteht eine erhöhte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin gegenüber den auszubildenden Lehrlingen. Die Antragstellerin gab an, dass ihre sehr hohe Meinung über den Geschäftsführer, die Ausbildnerin und das Unternehmen in ihrer Gesamtheit durch diese Vorkommnisse verloren hat und trotz des Angebotes des Geschäftsführers, ihre Lehre an einen anderen Standort fort zu setzen, daher verständlicherweise nicht näher treten konnte.
Es liegt somit eine Diskriminierung durch eine Verletzung des Benachteiligungsverbotes gemäß § 13 GlBG vor.
Vorschlag
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der Arbeitgeber/in oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird die Antragsgegnerin, X GmbH, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
1. Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.
2. Erbringung eines Berichtes gemäß § 12 des Gleichbehandlungsgesetzes. Es soll dargelegt werden, welche Maßnahmen hinsichtlich Schulung Ansprechpersonen bisher in Bereich der Belästigung bzw. allgemeine Diskriminierung geleistet worden ist, bzw. welche Maßnahmen nunmehr angedacht werden und durchgeführt werden.
Wien, 8. Mai 2018
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Vgl. § 1157 ABGB, § 18 Abs. 4 AngG sowie OGH 26.8.2004, 8 Ob 3/04f, ZAS 2005/44 (Posch); ARD 5608/13/2005 (Adamovic).
3 OGH 5.4.2000, 9 ObA 292/99b, DRdA 2001/15 (Smutny); 17.3.2004, 9 ObA 143/03z, DRdA 2005/26 (Eichinger); 26.5.2004, 9 ObA 64/04h, ARD 5552/20/2004; Ziehensack, Praxiskommentar zum VBG (2004) § 32 Rz 141 f.
4 Vgl. Mazal, Belästigung in der Arbeitswelt – Abhilfe durch Unternehmenskultur! Ecolex 2009, 460 462).
5 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 13 Rz 7.
6 Vgl. ebd. § 13 Rz 33.
7 Vgl. ebd. § 13 Rz 9.
Zuletzt aktualisiert am
27.07.2018