TE OGH 2018/6/28 9Ob9/18s

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Christian Egger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** L*****, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Seekirchen am Wallersee, wegen Feststellung (6.000 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. November 2017, GZ 22 R 353/17s-23, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 23. Juli 2017, GZ 4 C 205/16g-18, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte verpfändete zur Besicherung einer Kreditforderung wiederholt sein Gehalt an die Klägerin, konkret „alle derzeit und künftig gegen den Arbeitgeber/die Pensionsanstalt sowie gegen alle künftigen Arbeitgeber/ Pensionsanstalten/Pensionskassen/Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bestehenden Gehalts-, Lohn- und Pensionsansprüche samt sonstiger Bezüge (Sonderzahlungen, Provisionen, Abfertigungen usw), soweit sie der Exekution unterliegen“. Mit Schreiben vom 28. 11. 2012 stellte die Klägerin den Kredit fällig und wies ihn, vorbehaltlich seines Widerspruchs, auf die Möglichkeit der Verwertung des Pfandes hin. Der Beklagte erhob keinen Widerspruch. Mit Schreiben vom 17. 12. 2012 verständigte die Klägerin die Lebensgefährtin des Beklagten, die den Beklagten ab Juni 2012 in ihrem Einzelunternehmen angestellt hatte, von der Gehaltsverpfändung. Die Klägerin sei zum Einzug der pfändbaren Bezüge ermächtigt. Die ursprüngliche Reaktion der Lebensgefährtin steht nicht fest. Sie überwies jedoch im Zeitraum 2015 bis Jänner 2016 für den Beklagten näher festgestellte Einkommensbestandteile an die Klägerin.

Das Einzelunternehmen der Lebensgefährtin beschäftigte sich im Wesentlichen mit Personalvermittlung für Veranstaltungen. Der Beklagte wurde dort immer wieder mit dem technischen Auf- und Abbau von Gerätschaften für Veranstaltungen betraut und nahm über Vermittlung auch für andere Firmen Arbeiten an. Aufgrund des florierenden Geschäftsgangs entschloss sich die Lebensgefährtin in der zweiten Jahreshälfte 2015 zur Umstrukturierung ihres Unternehmens und gründete mit Notariatsakt vom 24. 11. 2015 die ***** GmbH, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin sie war. Die Gesellschaft wurde am 8. 12. 2015 im Firmenbuch eingetragen (offenes Firmenbuch). Das Einzelunternehmen sollte am 31. 12. 2015 beendet werden, die GmbH sollte am 1. 1. 2016 ihre Tätigkeit beginnen.

Am 3. 12. 2015 langte bei Gericht der Antrag des Beklagten auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens ein, in dem er unter anderem seine Lebensgefährtin als Drittschuldnerin anführte. Mit Beschluss vom 10. 12. 2015 wurde das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und dem Beklagten die Eigenverwaltung belassen. Mit Mitteilung vom 15. 12. 2015 wurde die Lebensgefährtin als Drittschuldnerin von der Insolvenzeröffnung verständigt. An diesem Tag kündigte sie das Dienstverhältnis zum Beklagten mit Wirkung zum 29. 12. 2015 auf. Am 5. 1. 2016 erfolgte die Einstellung des Beklagten durch die GmbH. Es steht nicht fest, was Anlass dieser kurzfristigen Wiedereinstellung war. Darüber, wie sich diese Vorgänge auf die Verpfändung des Einkommens des Beklagten auswirken würden, dachten der Beklagte und seine Lebensgefährtin nicht nach.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass ihr infolge ihres rechtsgeschäftlichen Pfandrechts im Schuldenregulierungsverfahren des Beklagten ein Absonderungsrecht gemäß § 12a IO an den jeweils monatlich der Exekution unterworfenen Gehaltsbestandteilen bis 31. 12. 2017 zustehe. Sie habe für ihre im Schuldenregulierungsverfahren anerkannte Kreditforderung ein verwertbares Pfandrecht an den Gehalts- und Lohnansprüchen des Beklagten und damit ein Absonderungsrecht erworben. Das Vertragspfandrecht sei durch die Konkurseröffnung nicht berührt worden. Es sei in analoger Anwendung des § 299 EO lediglich von einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Infolge Gesamtrechtsnachfolge liege auch eine fortdauernde Identität des Drittschuldners vor. Überdies sei die Umstrukturierung bzw Neugründung als GmbH wohl deshalb erfolgt, um die Entgeltforderungen des Beklagten von Pfandrechten zu befreien. Der Beklagte habe eine Wiedereinstellungszusage gehabt. Infolge Rechtsmissbrauchs sei von einem lückenlosen Fortbestehen der Rangvormerkungen auszugehen.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass das Pfandrecht durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit seiner Lebensgefährtin als Einzelunternehmerin erloschen sei. Die Bestimmungen der EO gelangten nicht zur Anwendung. Die Gründung der GmbH sei ausschließlich wirtschaftlich motiviert gewesen. Es seien auch Mitarbeiter entlassen und neue Mitarbeiter eingestellt worden. Rechtsmissbrauch werde bestritten. Im Übrigen habe es sich um eine Einzelrechtsnachfolge gehandelt. Es sei zu keinem Aufleben des Pfandrechts gekommen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gemäß § 12a Abs 1 IO sollte das Absonderungsrecht mit Konkurseröffnung für die Dauer von weiteren zwei Jahren unberührt bleiben. Zwar bringe ein Arbeitsplatzwechsel die erfolgte Verpfändung zum Erlöschen. Hier sei ein Arbeitgeberwechsel in Wahrheit aber nicht geplant gewesen. Überdies sei die alleine vertretungsbefugte Geschäftsführerin, wenn auch noch als Einzelunternehmerin, bereits 2012 von der Verpfändung informiert gewesen, womit auch dem Publizitätserfordernis Genüge getan sei. Durch die bloße unternehmerische Umstrukturierung bei bestehender Personenidentität der Beteiligten sei es daher zu keiner Änderung der Wirkung der erfolgten Verpfändung gekommen. Auf einen Rechtsmissbrauch komme es daher gar nicht an.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte moniere, dass eine Erstreckung der Verpfändung schon aufgrund der Änderung des Dienstgebers nicht in Betracht komme. Die Bedeutung der Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH könne aber dahingestellt bleiben, weil die in § 299 Abs 1 EO normierte Erstreckung des Pfandrechts ohnedies nur das exekutive, nicht aber ein vertragliches Pfandrecht betreffe. Ein Rechtsmissbrauch sei nicht erkennbar. Die Revision sei zur Frage, ob § 299 Abs 1 EO auf eine rechtsgeschäftliche Verpfändung analog anzuwenden sei und diese bei Einbringung eines Einzelunternehmens in eine GmbH fortwirke, zulässig.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Die Klägerin stützt den Klagsanspruch auf § 12a Abs 1 IO, der für die Wirkung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf ge- oder verpfändete Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis vorsieht:

Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis

§ 12a. (1) Aus- oder Absonderungsrechte, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Abtretung bzw. Verpfändung einer Forderung auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion erworben worden sind, erlöschen zwei Jahre nach Ablauf des Kalendermonats, in den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt.

(2) …

(3) Absonderungsrechte, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Exekution zur Befriedigung oder Sicherstellung einer Forderung auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion erworben worden sind, erlöschen mit Ablauf des zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Kalendermonats. …

(4) Aus- und Absonderungsrechte nach Abs. 1 und 3 leben wieder auf, wenn ...

(5) …

(6) …

2. Nach der ErlRV 1218 BlgNR 18. GP 16 verfolgt diese mit der KO-Novelle 1993, BGBl 1993/974, eingeführte Bestimmung einen Ausgleich der Interessen besicherter Gläubiger und des Schuldners zur Bereinigung der Insolvenzsituation: „Das Einkommen des Schuldners ist zumeist das einzige Vermögen, das ihm zur gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung steht. Es müssen daher Vorausabtretungen, Verpfändungen und Pfändungen der Bezüge zugunsten eines einzelnen Gläubigers, wie sie bei Insolvenz eines Arbeitnehmers regelmäßig vorliegen, in ihrer Wirksamkeit beschränkt werden. Würde auf jede Einschränkung der Vorausverfügung über Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder über andere Bezüge mit Einkommensersatzfunktion verzichtet werden, so wäre es dem Schuldner in sehr vielen Fällen nicht möglich, den Abschluss eines Zwangsausgleichs oder Zahlungsplans zu erreichen, … Um die vertraglichen Sicherheiten an den laufenden Bezügen nicht zu entwerten, lässt Abs 1 Abtretungen und Verpfändungen noch rund zwei Jahre nach der Eröffnung des Konkurses wirksam sein; erst für die Folgezeit stehen die Bezüge des Schuldners für eine Verteilung an die Gesamtheit der Gläubiger zur Verfügung.“ Zu diesem Gesetzeszweck s auch Deixler-Hübner in Konecny, Insolvenzgesetze, § 12a IO Rz 1.

3. § 12a Abs 1 IO setzt für den Klagsanspruch voraus, dass die Klägerin vor Insolvenzeröffnung durch Verpfändung der Forderungen des Beklagten auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis Absonderungsrechte erworben hat und diese nicht erloschen sind. Nach den zitierten ErlRV ist nicht weiter zweifelhaft, dass die Regelung auf der Wirksamkeit einer (Sicherungs-)Abtretung oder eines Pfandrechts an künftigen Forderungen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis aufbaut. Zunächst ist daher zu prüfen, ob das Arbeitsverhältnis des Beklagten ungeachtet der Umstrukturierung sowie der Kündigung und Neueinstellung des Beklagten in seinem Bestand unberührt blieb.

4. Mit der Gründung der GmbH wurde ein anderer Rechtsträger geschaffen. Die Einbringung des Vermögens des Einzelunternehmens in die GmbH und die Aufnahme ihrer Tätigkeit zum 1. 1. 2016 erfolgten zu einem Zeitpunkt, als das Arbeitsverhältnis des Beklagten bereits durch Kündigung zum 29. 12. 2015 beendet war und vom Unternehmensübergang daher nicht mehr erfasst wurde. Die Kündigung kann hier auch nicht unter dem Aspekt des Kündigungsschutzes des § 3 Abs 1 AVRAG als unwirksam angesehen werden, weil eine Nichtigkeit der Lösungserklärung des Veräußerers nur als – im Interesse des Arbeitnehmers gelegene – relative Nichtigkeit zu verstehen ist (Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG § 3 Rz 93 mwN), die ein betroffener Arbeitnehmer auch gegen sich gelten lassen kann. Die Klägerin als Pfandgläubigerin des Beklagten hat sich auch nicht auf eine Unwirksamkeit der Kündigung mit der Folge eines Rechtsübergangs des Arbeitsverhältnisses von der Einzelunternehmerin auf die GmbH berufen. Vorbehaltlich eines Rechtsmissbrauchs (s Pkt 7.) ist danach in dem am 5. 1. 2016 begründeten Arbeitsverhältnis nicht mehr das ursprüngliche, vom Unternehmenserwerber lediglich fortgesetzte, sondern ein mit der GmbH neu abgeschlossenes Arbeitsverhältnis zu sehen.

5. Schon deshalb kommt auch eine analoge Anwendung des § 299 Abs 1 S 2 EO, auf die sich die Klägerin in ihrer Revision beruft, im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Die Bestimmung lautet:

§ 299 (1). … Wird ein Arbeitsverhältnis oder ein anderes Rechtsverhältnis, das einer in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung zugrunde liegt, nicht mehr als ein Jahr unterbrochen, so erstreckt sich die Wirksamkeit des Pfandrechts auch auf die gegen denselben Drittschuldner nach der Unterbrechung entstehenden und fällig werdenden Forderungen. …

Der Unterbrechung ist zwar auch die Vollbeendigung und spätere Neubegründung eines Rechtsverhältnisses gleichzuhalten, sie setzt jedoch die Identität des Drittschuldners voraus (9 ObA 107/01b; s auch Neumayr in Zellkomm I2 EO § 299 Rz 2 mwN; Oberhammer in Angst/Oberhammer EO3 § 299 Rz 7). Da dies hier nach erfolgter Kündigung des Beklagten und der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses zur GmbH ohne die Wirkung des § 3 Abs 1 AVRAG nicht der Fall war, käme eine Erstreckung der Wirksamkeit des Pfandrechts der Klägerin auch dann nicht in Frage, wenn man – selbst entgegen der einhelligen Lehre (Markowetz/Resch/Schernthanner/Laschober in Burgstaller/ Deixler-Hübner, EO § 299 Rz 3; Zechner, Forderungsexekution, § 299 Rz 3; Fritscher, Die Gehaltsexekution in der Praxis, 74; s auch LG Eisenstadt, RpflE 1996/144) – eine analoge Anwendung des § 299 Abs 1 EO auf vertragliche Pfandrechte annehmen wollte.

6. Der Klagsanspruch könnte aber auch dann berechtigt sein, wenn zwar ein neues Arbeitsverhältnis mit dem selben oder einem anderen Arbeitgeber eingegangen wurde, sich das Pfandrecht (Lohnforderung „gegen künftigen Arbeitgeber“) aber auch darauf erstreckt und schon im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Absonderungsrecht begründete (s RIS-Justiz RS0032577).

6.1. Im vergleichbaren Zusammenhang entspricht es der Rechtsprechung, dass künftige Forderungen abgetreten werden können, wenn sie nach der Person des Schuldners und nach dem Grundverhältnis, aus dem in Zukunft die Forderung zwischen den beteiligten Personen entstehen soll, bestimmt sind (RIS-Justiz RS0032827). Die Person des zukünftigen Schuldners muss nicht unbedingt (namentlich) bekannt sein, wenn dadurch kein Zweifel aufkommen kann, welche zukünftigen Forderungen Gegenstand der Zession sind (RIS-Justiz RS0032827 [T1]). Die Person des Schuldners ist nur dann erforderlich, wenn dies zur Identifizierung des Geschäfts notwendig ist (RIS-Justiz RS0032798; s auch RS0032906 [T6]; RS0011375 [T3]).

6.2. Weiteres Wirksamkeitserfordernis ist die Beachtung des für eine Pfandrechtsbegründung hinreichenden Publizitätsaktes iSd § 452 ABGB. Bei nicht verbuchten Forderungen kommt von vornherein nur die Drittschuldnerverständigung als Publizitätsakt in Betracht (3 Ob 34/14t mwN). Diese ist deshalb eine geeignete Publizitätsform, weil sie ihren Zweck dadurch erreicht, dass der „wissende“ Drittschuldner potenzielle Gläubiger des Verpfänders oder Sicherungszedenten informieren kann, wenn diese bei ihm als verlässlicher Auskunftsquelle Erkundigungen einholen (3 Ob 22/08v; s auch RIS-Justiz RS0115472 [T1]).

Nicht zu verkennen ist hier, dass die alleinvertretungsbefugte Geschäftsführerin der GmbH von der Verpfändung künftiger Lohnforderungen des Beklagten an die Klägerin Kenntnis hatte, weil sie bereits 2012 als Einzelunternehmerin von der erfolgten Verpfändung informiert worden war und im Zeitraum 2015 bis Jänner 2016 – sohin selbst nach Aufnahme der Tätigkeit der GmbH – Einkommensteile des Beklagten an die Klägerin überwies. Selbst wenn man hier aber bezüglich der GmbH als Drittschuldnerin von einem ausreichenden Publizitätsakt ausgeht, ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass es sich um künftige Forderungen handelt, für die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der rechtliche Grund (Arbeitsverhältnis mit der GmbH) noch nicht gelegt war. Das wirft die Frage auf, ob dies dem Erwerb eines konkursfesten Absonderungsrechts iSd § 12a Abs 1 IO entgegensteht.

6.3. Die Rechtsprechung hat sich im vergleichbaren Zusammenhang (Sicherungszession) zur Frage, ob die erst während des Konkurses vollständig entstehenden Forderungen stets dem Zessionar zuwachsen und nicht mehr in die Konkursmasse fallen, wenn das Verfügungsgeschäft – einschließlich des Modus – schon vor Konkurseröffnung getätigt wird, der Ansicht von Koziol, Abtretung künftiger Forderungen und Konkurs des Zedenten, ÖBA 1998, 745 ff, angeschlossen, wonach die Abtretung einer dem Grunde nach bei Konkurseröffnung schon vorhandenen künftigen Forderung – für den Fall ihres einredefreien Entstehens – grundsätzlich zu einer konkursfesten Zuordnung an den Zessionar führt (6 Ob 116/05k, ÖBA 2007, 735 Riedler; idF ebenso 10 Ob 29/07y, ÖBA 2008, 56, König).

Für Forderungen, für die noch nicht einmal der Grund gelegt ist, hat Koziol, aaO, die Erlangung einer konkursfesten Position des (dort:) Zessionars aber verneint: Der Zedent habe noch keinen gegenwärtigen Vermögenswert, der als Haftungsobjekt anzusehen wäre oder über den er verfügen könnte; ihm stehe auch noch keine rechtliche Anwartschaft zu. Das Entstehen der Forderung sei ferner dem Grunde nach noch vom Abschluss des Vertrags abhängig, der jedoch nach Konkurseröffnung in einer den Konkursgläubigern gegenüber wirksamen Weise nur mehr durch den Masseverwalter erfolgen könne. Auch aus § 299 EO sei ableitbar, dass ein vorrangiges Befriedigungsrecht durch Pfändung nur dann erlangt werden könne, wenn das Recht dem Grunde nach schon vorhanden sei, wie dies bei Gehaltsforderungen aus einem schon bestehenden Dienstverhältnis mit einem bestimmten Dienstherrn oder bei anderen Forderungen aus einer bereits existierenden Dauerrechtsbeziehung der Fall sei. Bestehe das Dauerschuldverhältnis noch nicht, so scheide eine Pfändung und damit die Erlangung eines vorrangigen Befriedigungsrechts an den künftig fällig werdenden Bezügen aus. Auch die Aufrechnung werde nach § 19 Abs 2 KO nur gewährt, wenn die Gegenforderung des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung schon bedingt oder betagt bestanden habe, also zumindest dem Grunde nach schon vorhanden gewesen sei. Bei Abtretung künftiger Forderungen könne der Zessionar daher nur dann eine gesicherte, konkursfeste Position erlangen, wenn die abgetretene Forderung dem Grunde nach schon bei Konkurseröffnung vorhanden gewesen sei.

Gegenteiliges ist auch nicht aus der in der Literatur umstrittenen Frage, ob eine Drittschuldnerverständigung eine ausreichende Publizität herstellt, wenn die Person noch nicht einmal als Schuldner „angelegt“ ist, zu gewinnen (dagegen zB Spitzer, Konkursfestigkeit und Publizität der Sicherungszession, Zak 2007, 47; einschränkend Wiesinger, Sicherungszession und Drittschuldnerverständigung, ÖJZ 2009, 395; aA Beig, Publizität der Sicherungszession, ecolex 2008, 314; s auch Wolkerstorfer, Zur Publizität bei der Verpfändung von Forderungen, JBl 2011, Teil II, 288), zumal darin nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Absonderungsrechts iSd § 12a Abs 1 IO Bezug genommen wird. Der erkennende Senat schließt sich daher den Erwägungen von Koziol an.

Nichts anderes kann dann für die Frage gelten, ob bei Verpfändung des Einkommens aus einem künftigen Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits ein konkursfestes Absonderungsrecht bestanden hat, wenn
– ungeachtet der Frage einer vorweggenommenen Publizitätswirkung – das Arbeitsverhältnis als solches noch nicht begründet war (idS auch
Deixler-Hübner in Konecny, Insolvenzgesetze, § 12a IO Rz 7).

6.4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Klägerin an den Einkünften des Beklagten aus seinem Arbeitsverhältnis mit der GmbH kein Absonderungsrecht hat, das sie iSd § 12a Abs 1 IO „vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Verpfändung einer Forderung auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis“ erworben hätte.

7. Für einen in der GmbH-Gründung und der Neubegründung eines Dienstverhältnisses des Beklagten gelegenen Rechtsmissbrauch liegen hier keine Anhaltspunkte vor.

8. Zusammenfassend wurde das Arbeitsverhältnis des Beklagten durch Arbeitgeberkündigung zum 29. 12. 2015 beendet, womit auch das Pfandrecht der Klägerin an daraus resultierenden Einkünften erloschen ist. Ein Absonderungsrecht der Klägerin an den Einkünften des Beklagten aus seiner Beschäftigung bei der GmbH iSd § 12a Abs 1 IO besteht nicht.

Der Revision der Klägerin ist danach keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E122218

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00009.18S.0628.000

Im RIS seit

27.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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