TE OGH 2018/7/5 12Os2/18p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinksi und Dr. Brenner in Gegenwart von OKontr. Trsek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexander H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Z 2 und Z 3 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alexander H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 10. August 2017, GZ 8 Hv 13/17m-302, sowie über die Beschwerde dieses Angeklagten gegen den unter einem verkündeten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Z 4, Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe sowie über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Alexander H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alexander H***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 1, Z 2 und Z 3 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall StGB (A./I./1./a./, c./, d./ und B./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./2./a./ und c./), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster, zweiter und dritter Fall SMG (A./I./3./), des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und vierter Fall, Abs 2 SMG (A./II./1./), des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (D./), des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 StGB (E./), des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 2 StGB (K./) und des Vergehens der betrügerischen Krida nach §§ 12 dritter Fall, 156 Abs 1 StGB (L./) schuldig erkannt.

Danach hat er, soweit für die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz,

A./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich „Pico“, alias Pervitin, alias Chrystal Meth enthaltend nachfolgend genannte Reinsubstanzen an Methamphetamin

I./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (mit Ausnahme von Faktum A./I./1./d./ und A./I./3./), bestehend aus Petra S***** und Lubica T***** sowie dem abgesondert verfolgten Stefan P***** in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge,

1./ gewerbsmäßig (mit Ausnahme von Faktum A./I./1./d./) in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge aus der Slowakei aus- und bei der Grenzübertrittsstelle K***** nach Österreich eingeführt, indem sie die Drogen mit nachfolgend genannten Reinsubstanzen in Pkw über die Staatsgrenze transportierten, wobei Alexander H***** schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, und zwar

a./ mit den bereits verurteilten Petra S***** und Lubica T***** seit März 2016 bis 2. September 2016 insgesamt 25 Gramm „Pico“, enthaltend zumindest 15 Gramm Methamphetamin;

c./ gemeinsam mit der bereits verurteilten Petra S***** seit März 2016 bis 2. September 2016 110 Gramm „Pico“, enthaltend zumindest 60 Gramm Methamphetamin;

d./ indem er zu einem nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkt vor dem 22. Juli 2011 bis zu diesem Tag Suchtgift, nämlich insgesamt 24,654 Gramm „Pico“ alias Chrystal Meth, enthaltend eine Reinsubstanz von insgesamt 18,536 Gramm Methamphetamin, die er in B***** angekauft hatte;

2./ gewerbsmäßig anderen in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge überlassen, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG, nämlich zu AZ 44 Hv 108/12s (erg: des Landesgerichts für Strafsachen Wien) verurteilt worden war, und zwar

a./ am 3. September 2016 in B***** 98,4 Gramm „Pico“, enthaltend 80 Gramm Methamphetamin, die er zuvor bei Stefan P***** erworben hatte, indem er sie an Petra S***** und Lubica T***** zum Import nach Österreich übergab;

c./ ab 25. März 2015 bis 2. September 2016 in W***** und an anderen Orten, teilweise gemeinsam mit der bereits verurteilten Petra S***** insgesamt 497 Gramm „Pico“, enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest 298,2 Gramm Methamphetamin, und zwar ca 160 Gramm an Lubica T***** um 40 bis 50 Euro pro Gramm, ca 200 Gramm an David St***** um ca 50 bis 70 Euro pro Gramm, ca 37 Gramm an Serkan Tü***** um ca 60 bis 80 Euro pro Gramm, ca 80 Gramm an Carina K***** und Markus L***** um 60 Euro pro Gramm und ca 20 Gramm an Rudolf Ko***** um 80 Euro pro Gramm;

3./ vor dem 22. Juli 2011 bis zu diesem Tag in B***** und an anderen Orten Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich die unter A./I./1./d./ genannte Menge, mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass sie in Verkehr gesetzt werde, indem er das Suchtgift bei sich führte, um es in der Folge weiterzuverkaufen, wobei er jedoch in eine Polizeikontrolle geriet und das Suchtgift wegwarf;

...

B./ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und gewerbsmäßig (in Zusammenhalt mit A./I./1./a./ und c./) durch den Erwerb von Stefan P***** und die Weitergabe der 98,4 Gramm „Pico“, enthaltend 80 Gramm Reinsubstanz an Methamphetamin, an die bereits verurteilten Lubica T***** und Petra S***** am 3. September 2016 in B***** dazu beigetragen, dass die beiden diese Suchtgiftmenge über K***** aus der Slowakei aus- und nach Österreich einführten;

...

E./ mit der bereits verurteilten Petra S***** am 2. Mai 2016 in W***** Geld mit dem Vorsatz nachgemacht, dass es als echt in Verkehr gesetzt werde, indem sie 30 500-Euro-Scheine am PC herstellten, mittels Farbdrucker ausdruckten und die Noten ausschnitten, wobei beabsichtigt war, mit diesen nachgemachten Geldscheinen in P***** „Pico“ einzukaufen;

...

K./ vor dem 24. Juni 2016 in W***** dazu beigetragen, dass der abgesondert verfolgte Marek Kor***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der B***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch sein Auftreten als rückzahlungswilliger und -fähiger Kreditnehmer, zu einer Handlung, nämlich zur Gewährung eines Kredits verleitete, die die B***** in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte, und zwar zur Auszahlung eines Kredits von 28.000 Euro auf das Konto ***** lautend auf Marek Kor*****, indem H***** dem unbekannten Täter „Mustafa“ den obdachlosen Marek Kor***** als Kreditnehmer brachte, wofür er 2.000 Euro erhielt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 5 und Z „9a“ des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alexander H*****, der keine Berechtigung zukommt.

Trotz des das gesamte Urteil umfassenden Aufhebungsantrags wird in der Rechtsmittelschrift lediglich zu den Schuldspruchpunkten A./, B./ E./ und K./ ein Vorbringen erstattet, sodass die Nichtigkeitsbeschwerde im darüber hinausgehenden Umfang mangels deutlich und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes zurückzuweisen war (§§ 

285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) des hinsichtlich der nicht sichergestellten Suchtgiftquanten angenommenen Reinheitsgehalts von 60 % haben die Tatrichter diesen im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen aus dem Wirkstoffgehalt der sonstigen sichergestellten „Pico“-Mengen (30,9 bis 80 %) abgeleitet und dabei auch das am 3. September 2016 sichergestellte „Pico“ berücksichtigt, welches einen Reinheitsgehalt von 81 % aufwies (US 15).

Dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Ergericht die zu K./ getroffene Feststellung, wonach die Rückzahlung durch Marek Kor***** nie beabsichtigt gewesen sei (US 23), aus der geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers vor der Polizei abgeleitet (US 34 f).

Dass das Erstgericht daraus, dass 4.500 Euro auf dem Kreditkonto verblieben, um die ersten Rückzahlungsraten begleichen zu können, lediglich eine Verschleierungstaktik (US 24, 35), nicht jedoch – wie der Nichtigkeitswerber vermeint – mangelnden Vorsatz auf Nichtrückzahlung zum Tatzeitpunkt ableitete, ist als unzulässiges Schuldberufungsvorbringen mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0114524, RS0099455, RS0098455).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den angenommenen Vorsatz auf Nichtrückzahlung des Kredits bestreitet, verfehlt sie den vom Gesetz geforderten, im Urteilssachverhalt gelegenen

Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz

RS0099810).

Soweit die Beschwerde das in der – im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld enthaltene Vorbringen unzureichender Begründung des zu E./ angenommenen Vorsatzes, das nachgemachte Geld als echt in Verkehr zu setzen (US 5, 21 f), und die weiteren eigenständigen Erwägungen, die gegen eine solche Tendenz sprechen, auch unter § 281 Abs 1 Z 5 StPO geltend macht, übergeht sie die eingehenden Erwägungen der Tatrichter (US 30 bis 33) und überschreitet den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten formellen Nichtigkeitsgrundes einer Mängelrüge, indem sie sich gegen die Beweiswürdigung wendet.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde zeigt sich aber mit Blick auf die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung „der Gefährlichkeit von Suchtgiftdelikten in Bezug auf Pico und von Geldfälschungsdelikten“ (US 44 f) eine den Angeklagten zum Nachteil gereichende, aber solcherart nicht gerügte unrichtige Gesetzesanwendung (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO).

Denn der Gesetzgeber hat der den strafbaren Handlungen gegen die Sicherheit unter anderem des Verkehrs mit Geld und dem Handel und sonstigem Umgang mit Suchtgiften innewohnenden Gefährlichkeit bereits durch die aus §§ 232 ff StGB sowie §§ 27 bis 28a SMG ersichtlichen Strafdrohungen Rechnung getragen und das von einzelnen Suchtgiften ausgehende unterschiedliche Gefährdungspotenzial durch § 1 der Suchtgift-Grenzmengenverordnung iVm § 28b SMG berücksichtigt, sodass die pauschale aggravierende Bewertung der Gefährlichkeit der angeführten strafbaren Handlungen bei der Strafbemessung gegen das im § 32 Abs 2 erster Satz StGB verankerte Doppelverwertungsverbot verstößt (12 Os 140/16d; vgl auch RIS-Justiz RS0102874).

Da dem Nichtigkeitsgrund noch im Rahmen der Entscheidung über die vom Angeklagten erhobene Berufung Rechnung getragen werden kann (RIS-Justiz RS0090897;

Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29; in Ansehung des das Urteil unbekämpft lassenden Angeklagten Boris Sl***** vgl § 295 Abs 1 zweiter Satz StPO; Ratz, WK-StPO § 295 Rz 13), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.

Bleibt zu bemerken, dass die Annahme von Gewerbsmäßigkeit nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG die Absicht des Täters voraussetzt, sich durch die wiederkehrende Begehung von Taten nach § 28a Abs 1 SMG – also solchen, die jeweils in Bezug auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Suchtgiftquantität begangen wurden – längere Zeit hindurch ein den Voraussetzungen des § 70 Abs 2 StGB entsprechendes Einkommen zu verschaffen (RIS-Justiz RS0130966 [T4]; RS0112225 [T11]). Solcherart vermag die vom Erstgericht zu A./I./1./a./ und c./ sowie B./ angenommene Einfuhr von
– zahlenmäßig nicht determinierten – die Grenzmenge übersteigenden und nicht übersteigenden Suchtgiftmengen (US 18) sowie die zu A./I./2./ konstatierte Weitergabe lediglich einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (US 4 iVm US 16) die Subsumtion unter diese Qualifikationsnorm schon deshalb nicht zu tragen, weil § 28a Abs 1 SMG mangels gesetzlicher (auf exakt eine Grenzmenge bezogener) Abtrennungsregel für ihrerseits und im Verhältnis zueinander sukzessiv begangene Taten nach § 28a Abs 1 SMG so nicht mehrfach begründet werden kann und Teilakte daraus als Bezugspunkt für die wiederkehrende Begehung (§ 70 Abs 1 StGB) – im Übrigen auch für das objektive Kriterium der Begehung bereits zweier „solcher Taten“ nach § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB (vgl US 41) – ausscheiden (12 Os 21/17f [verstärkter Senat]). Dieser Umstand bietet jedoch keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO, weil nach dem Akteninhalt auch in einem weiteren Rechtsgang die Konstatierung gewerbsmäßiges Handeln tragender Feststellungen nicht zu erwarten ist, der Subsumtionsfehler (Z 10) zufolge gleichzeitiger Verwirklichung der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (zu A./I./2./) auf den anzuwendenden Strafrahmen keinen Einfluss hatte und damit per se keinen Nachteil darstellt (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff; RIS-Justiz RS0113957 [insbesondere T10]). Bei der Entscheidung über die Berufung ist das Oberlandesgericht insoweit an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung ebenso sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) wie die im Verfahren vor Kollegialgerichten nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe sowie über die (zum Teil implizierte) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E122215

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00002.18P.0705.000

Im RIS seit

27.07.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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