Entscheidungsdatum
26.03.2018Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art 130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
gekürzte Ausfertigung
gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Hornschall über die Maßnahmenbeschwerden des Erstbeschwerdeführers, Herrn H. S., und des Zweitbeschwerdeführers, Herrn A. S., beide vertreten durch Herrn RA, vom 5.4.2017, gegen Amtshandlungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien als belangter Behörde am 22.2.2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.11.2017, 27.11.2017 und 2.2.2018 und anschließender Verkündung
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG werden die Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, Herrn H. S., gegen die Durchsuchung auf Waffen und das Wegdrücken der Hand von der Türschnalle des Abstellraumes mit dem Lauf einer Waffe im Wohnhaus in Wien, ..., sowie die Eskortierung unter vorgehaltenen Waffen zum Geschäftslokal in Wien, ..., am 22.2.2017 als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG werden die Beschwerden des Zweitbeschwerdeführers, Herrn A. S., gegen das lautstarkes Schlagen an der Türe der Wohnung in Wien, ..., und gegen die darauffolgende Durchsuchung auf Waffen am 22.2.2017 als unbegründet abgewiesen.
III. Gemäß § 35 VwGVG i.V.m. § 1 Z 4 Verwaltungsgerichts-Aufwandsersatzverordnung hat der Erstbeschwerdeführer, Herr H. S., der Landespolizeidirektion Wien als obsiegender belangter Behörde den Schriftsatzaufwand in der Höhe von 3 x € 368,80, insgesamt sohin € 1.106,40, binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Gemäß § 35 VwGVG i.V.m. § 1 Z 4 Verwaltungsgerichts-Aufwandsersatzverordnung hat der Zweitbeschwerdeführer, Herr A. S., der Landespolizeidirektion Wien als obsiegender belangter Behörde den Schriftsatzaufwand in der Höhe von 2 x € 368,80, insgesamt sohin € 737,60, binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
V. Gemäß § 35 VwGVG i.V.m. § 1 Z 3 und 5 der Verwaltungsgerichts-Aufwandsersatzverordnung haben der Erstbeschwerdeführer, Herr H. S., und der Zweitbeschwerdeführer, Herr A. S., der Landespolizeidirektion Wien als obsiegender belangter Behörde den Vorlageaufwand in der Höhe € 57,40,- und den Verhandlungsaufwand in der Höhe von € 461,-, insgesamt sohin € 518,40, zu ungeteilten Handen binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
VI. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Festgestellter Sachverhalt
1.) Am 22.2.2017 wurde den Zweitbeschwerdeführer persönlich ein Bescheid über ein Waffenverbot durch zwei uniformierte Organe des Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien (Bezirkskräfte) in seiner Wohnung in Wien, ... zugestellt. Es wurden aus Sicherheitsgründen zwei Beamte der Einsatzgruppe WEGA hinzugezogen, die in beschusshemmende Schutzausrüstung, zu der auch ein Sturmgewehr zählt, beigezogen.
2.) Im Wohnhaus angekommen klopfte ein Beamter der Einsatzgruppe WEGA kräftig an die Wohnungstüre, gab sich als Polizeibeamter zu erkennen und forderten auf, die Türe zu öffnen. Der in der Wohnung allein anwesende Zweitbeschwerdeführer war sich nicht sicher, ob es sich tatsächlich um einen Polizeibeamten handelt. Er erkundigte sich telefonisch bei der es Einsatzzentrale, welche ihm bestätigte, dass es sich tatsächlich um einen Polizeieinsatz handelt. Es wurde ihm geraten, die Türe zu öffnen, damit er weniger Schwierigkeiten habe. Der Polizeibeamte wartete die Rückfrage geduldig ab. Der Zweitbeschwerdeführer öffnete daraufhin freiwillig, ohne einer Gewaltandrohung ausgesetzt gewesen zu sein die Türe und informierte telefonisch seinen Vater über den Polizeieinsatz.
3.) Der Erstbeschwerdeführer traf daraufhin wenig später in seiner Wohnung ein. Er verhielt sich aufbrausend und aggressiv und führte die Beamten aber letztendlich in den Abstellraum zum Safe, indem er seine Waffen und Munition verwahrt hatte. Die Waffen und Munition wurden sichergestellt.
4.) Der Erstbeschwerdeführer wurde aufgefordert, seine Waffenpapiere auszuhändigen. Da dieser angab, dass sich die Unterlagen in seinem Geschäftslokal in Wien, ..., befinden und auch Munition vorgefunden wurde, die nicht zu den sichergestellten Waffen passte, wurde der Beschwerdeführer von den vier Polizeibeamten zu seinem Geschäftslokal begleitet. Als der Zweitbeschwerdeführer die Absicht äußerte, mit dem Fahrrad dorthin zu fahren, wurde ihm dies untersagt. Als der Zweitbeschwerdeführer nach längerer Diskussion der Türschnalle des Abstellraumes, in dem er sein Fahrrad verwahrt hatte, griff, verhinderte dies der Zeuge X., indem er sich nach vorne beugte und seine Hand zwischen die Hand des Zweitbeschwerdeführers und die Türschnalle brachte.
5.) Am Weg zum Geschäftslokal hatte der Zeuge X. das von ihm mitgeführte Sturmgewehr an einem Gurt quer über seinen Oberkörper an der Vorderseite versorgt. Er sicherte dabei die Waffe mit mindestens einer Hand gegen Verrutschen.
6.) Nicht festgestellt werden konnte, dass die beiden Beschwerdeführer auf Waffen durchsucht wurden, die Hand des Erstbeschwerdeführers von der Türschnalle des Abstellraumes mit dem Lauf einer Waffe weggedrückt wurde oder der Erstbeschwerdeführer unter vorgehaltenen Waffen zu seinem Geschäftslokal eskortiert wurde.
Beweiswürdigung
Ad 1.) Der Anlass der gegenständlichen Amtshandlung ergibt sich aus dem Behördenakt und ist unbestritten.
Ad 2.) Dass der Polizeibeamte lautstark gegen die Wohnungstür klopfte, entspricht dem Vorbringen des Zweibeschwerdeführers in der Beschwerde. Ansonsten wurde die Feststellungen anhand der übereinstimmenden Angaben des Zweitbeschwerdeführers und der vernommenen Zeugen getätigt.
Ad 3.) Dass sich der Erstbeschwerdeführer aufbrausend und aggressiv verhielt, erscheint dem Verwaltungsgericht Wien aufgrund der authentisch wirkenden Zeugenaussagen und des Eindruckes vom sehr emotional agierenden Erstbeschwerdeführer in der Verhandlung glaubhaft. Ansonsten wurde der Sachverhalt nicht bestritten.
Ad 4.) - 6.) Das Verwaltungsgericht Wien schenkte den sehr authentisch wirkenden Zeugenaussagen, insbesondere der detaillierten und auch durch zahlreiche und intensive Nachfragen nicht zu erschütternden Aussage des Zeugen X., Glauben. Es ist nachvollziehbar, dass er sich aufgrund der ungewöhnlichen Nachfrage des Zweitbeschwerdeführers bei der Einsatzzentrale an die gegenständliche Amtshandlung noch genau erinnern kann. Die beiden Beschwerdeführer erschienen hingegen von der Situation während der Amtshandlung und auch von der Situation in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien (trotz unterstützenden Rechtsbeistandes) überfordert. Möglicherweise haben sich bei den beiden auch Schilderungen aus dem sozialen Umfeld mit eigenen Erinnerungen verwoben.
Rechtliche Beurteilung
Der Zweitbeschwerdeführer öffnete nach kräftigem Klopfen an die Wohnungstüre und längerer Diskussion und Rückfrage bei der Einsatzzentrale letztendlich freiwillig, ohne einer Gewaltandrohung ausgesetzt gewesen zu sein. Eine Maßnahmenbeschwerde hat einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zum Gegenstand. Ein solcher liegt laut Judikatur nur dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder zumindest die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht. Eine behördliche Einladung, der letztendlich freiwillig Folge geleistet wird, ist somit keine vor dem Verwaltungsgericht anfechtbare Maßnahme. Somit war die Beschwerde gegen das kräftige Klopfen an der Wohnungstüre abzuweisen.
Die übrigen vier Beschwerdepunkte konnten nach Durchführung eines intensiven Beweisverfahrens nicht erwiesen werden. Deshalb waren auch sie abzuweisen.
Das Vorbringen, dass der Zweitbeschwerdeführer im Pyjama am Gang gestanden ist sowie von einem Polizeibeamten eine Goldmünze aus dem Tresor genommen wurde und der Beschwerdeführer selbst diese zurückgelegt hat, sind nicht Gegenstand der Beschwerde.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr. 517/2013, und auf die dazu ergangene Judikatur.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Freiwilligkeit; Befehl; Aufforderung; Abgrenzung; Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; gekürzte AusfertigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.102.012.5016.2017Zuletzt aktualisiert am
26.07.2018