Entscheidungsdatum
04.06.2018Index
41/02 AsylrechtNorm
BFA-VG §7 Abs1Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG des Herrn XY., Wien, ..., vertreten durch Rechtsanwalt, betreffend die Verletzung in subjektiven Rechten infolge Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie gesetzten Verhaltens am 24.07.2017 gegen die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde,
den
BESCHLUSS
gefasst
I. Gemäß § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG wird die Beschwerde mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien zurückgewiesen und diese gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AVG zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht zur weiteren Veranlassung übermittelt.
II. Der Beschwerdeführer hat gemäß §§ 35 Abs. 3 und 4 Z 3 und 53 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F., in Verbindung mit § 1 VwG-Aufwandersatzverordnung - VwG-AufwErsV, BGBl II Nr. 517/2013, dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde 57,40 Euro für Vorlageaufwand und 368,80 Euro für Schriftsatzaufwand, insgesamt 426,20 Euro an Aufwandersatz, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. In dem am 31.08.2017 eingebrachten Schriftsatz des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers wird zusammengefasst vorgebracht, dass er am 24.07.2017, ab ca. 6.30 Uhr, in Wien, ..., durch die von Organen der Landespolizeidirektion Wien ausgeübten Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie das gesetzte Verhalten und zwar durch die Vereitelung der telefonischen Kontaktaufnahme des Beschwerdeführers mit seiner Freundin und Partnerin, AA., die Vereitelung ihres Beistandes für den Beschwerdeführer durch Verhinderung ihres Betretens der Wohnung sowie deren Begleitung beim Rettungseinsatz und Rettungstransport in das Krankenhaus, das gewaltsame Umwerfen des im Rollstuhl sitzenden Beschwerdeführers samt seinem Rollstuhl, das Anlegen der Handfesseln, die Misshandlung und Fixierung des Beschwerdeführers am Boden bis zu seiner Bewusstlosigkeit sowie das Zuspielen von Informationen über die Amtshandlung an die Medien, insbesondere an die „…“, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten sowie einfachgesetzlich subjektiven Rechten verletzt worden sei und daher beantragt, diese Akte für rechtswidrig zu erklären sowie dem Rechtsträger der belangten Behörde den Kostenersatz im gesetzlichen Ausmaß aufzutragen.
2. Die Landespolizeidirektion Wien wendet sich in ihrer Gegenschrift vom 13.10.2017 gegen das Vorbringen des Beschwerdeführers, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und legte den zu den Aktenzahlen …, … und … geführten bezughabenden Verwaltungsakt vor und beantragte dazu die Aktenseiten 10 bis 15 von der Akteneinsicht auszuschließen.
3.1. Am 14.03.2018, 25.04.2018 und 16.05.2018 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien durchgeführt, zu der der Beschwerdeführer, sein Rechtsanwalt, die belangte Behörde und die Zeugen Herr RvI. AB. (Exekutivorgan), Frau RvI. AC. (Exekutivorgan), Frau RvI. AD. (Exekutivorgan), Herr RvI. AE. (Exekutivorgan; Doku-Team), Herr GrI. AF. (Exekutivorgan; Doku-Team), Herr RvI. AG. (Pressesprecher der belangten Behörde) sowie Frau Mag. AH. als Dolmetscherin für die … Sprache geladen wurden. Die belangte Behörde wurde von Frau Mag. AI. vertreten.
3.2. Nach Durchführung des ersten Verhandlungstages der mündlichen Verhandlung zog der Beschwerdeführer den Beschwerdepunkt, wonach seiner Gefährtin, Frau AA., die Begleitung beim Rettungsdienst und Rettungstransport ins Krankenhaus vereitelt worden sei, zurück.
3.3. Der Beschwerdeführervertreter sprach sich zudem in der mündlichen Verhandlung am 14.03.2017 gegen die Ausnahme der Akteneinsicht von Aktenbestandteilen der belangten Behörde aus und begründete dies wie folgt:
„Zur Ausnahme der Aktenseiten 10-15 von der Akteneinsicht möchte ich festhalten, dass dies unbegründet ist und ganz offenkundig rechtswidrig, zumal nicht nachvollziehbar ist, welche Personen das sind. Meines Erachtens wäre es allenfalls möglich gewesen, den Akt insoweit geschwärzt vorzulegen, umso eine Beeinflussung persönlicher Wahrnehmungen durch die Verhandlungsleiterin zu verhindern.
Aus dem Umstand, dass die belangte Behörde gewisse Aktenbestandteile, die Informationen von der gegenständlichen Amtshandlung betreffen, von der Akteneinsicht ausgenommen haben möchte, mit der Begründung das Verfahrenszwecke vereitelt werden, ist anzunehmen, dass die belangte Behörde und die in der Amtshandlung involvierte Beamtin Verfahrenszwecke darin sehen, den BF als Beschuldigten in einem Strafverfahren wie auch die Zeugin AA. durch eine einseitige Verdichtung der Beweislage einer strafbaren Handlung zu überführen, wobei durch die involvierten Polizeidienststellen diese eingeschlagene Vorgehensweise rechtswidrig ist, weil die Beschuldigten in einem Strafverfahren das Recht darauf hat, möglichst früh im Verfahren mit sie belastenden Fakten konfrontiert zu werden, um ihre Verteidigungsrechte in einem Strafverfahren zu wahren. Die so offen gelegte Vorgehensweise der belangten Behörde ist nicht nur einfachgesetzlich eine Verletzung der StPO, sondern auch menschenrechtlich nach Art. 6 EMRK eine gröbliche Verletzung der Verteidigungsrechte.“
Dazu ist festzuhalten, dass den von der Akteneinsicht ausgenommenen Seiten 10-15 des vorgelegten Behördenaktes keine entscheidungsrelevanten Inhalte für den vorliegenden Beschwerdefall zu entnehmen sind und die Tatsache, ob der Beschwerdeführer oder Frau AA. ihre Verteidigungsrechte in einem Strafverfahren früh- bzw. rechtzeitig wahrnehmen können, nicht Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und somit unbeachtlich ist.
4.1. Aufgrund des vorgelegten Verwaltungsaktes, der Einvernahme der Zeugen sowie der Parteien, hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:
Am 24.07.2017, um 6:15 Uhr, suchten unter anderem die Einsatzbeamten RvI. AC., RvI. AB., Insp. AD., GrInsp. AF. und RevI. AE. die Adresse in Wien, ... auf, um einen gegen die Familie AJ. und Herrn AK. gerichteten Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Abschiebung) gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 BFA-VG zu vollziehen. Dieser Festnahmeauftrag richtete sich nicht gegen den Beschwerdeführer. Die gesamte Amtshandlung der Einsatzorgane hatte die Vollziehung des genannten Festnahmeauftrages des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zum Inhalt.
In der Wohnung befanden sich der Beschwerdeführer und die festzunehmenden Personen, wobei es sich hierbei um Familienangehörige des Beschwerdeführers handelte.
Noch bevor die Einsatzbeamten die Wohnung betraten, rief der Beschwerdeführer seine Lebenspartnerin und Gefährtin, Frau AA., an und informierte sie über den Polizeieinsatz, weil er sie als Dolmetscherin und als Beistand für seine Familienangehörigen, gegen die sich – wie bereits dargelegt wurde – der zu vollziehende Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtete, beiziehen wollte. Frau AA. begab sich daraufhin zur Wohnung und versuchte mit Nachdruck und Vehemenz in die Wohnung zu gelangen, indem sie etwa versuchte, die Eingangstüre gewaltsam aufzudrücken, als diese einen Spalt geöffnet wurde, dann verkündete sie lautstark, sie habe ein Recht hineinzugehen, sie schrie und klopfte immerzu laut an die, in weiterer Folge wieder geschlossene Eingangstüre. Ihr wurde der Zutritt von den bereits in der Wohnung anwesenden Einsatzbeamten aufgrund einer Weisung der Einsatzleiterin der Amtshandlung, Frau AL., die bereits in der Einsatzbesprechung erging, nicht gestattet. Dies mit der Begründung, dass Frau AA. aus früheren Amtshandlungen bekannt gewesen sei und die Gefahr bestanden habe, dass sie die gegenständliche Amtshandlung behindern könnte.
Im weiteren Verlauf der Amtshandlung kam es zwischen dem Beschwerdeführer, der gerade in seinem Rollstuhl saß, und Herrn RvI. AB. zu einer Auseinandersetzung, die dazu führte, dass der Rollstuhl mitsamt dem Beschwerdeführer auf die rechte Seite kippte und umfiel. Der Beschwerdeführer lag samt dem Rollstuhl auf dem Boden, RvI. AB. befand sich zu diesem Zeitpunkt rechts hinter dem umgekippten Rollstuhl und umfasste den am Boden liegenden Beschwerdeführer an seinen beiden Händen und schrie ihn mit den Worten „DU SCHEISS KREATUR“ an.
In weiterer Folge wendete RvI. AB. eine Armwinkelsperre an, drehte den Beschwerdeführer mit Hilfe von Insp. AD. Richtung Zimmermitte, der noch immer auf seiner rechten Körperhälfte am Boden lag und sprach die Festnahme aus. Dem Beschwerdeführer wurden Handfesseln auf der Vorderseite seines Körpers angelegt. Der Beschwerdeführer lag am Bauch und lag mindestens 15 Minuten bewegungslos auf dem Boden.
Über den Einsatz verfasste der Pressesprecher der belangten Behörde, Herr RvI. BA, MA AG., unter dem Titel „...“ eine Presseaussendung, die er an die APA und an einen Medienverteiler übermittelte. Diese Presseaussendung hatte folgenden Inhalt:
„...
Am 24.07.2017 um 6:45 Uhr führten Beamte der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug (AFA) am … einen Festnahmeauftrag des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegenüber einer 34-jährigen Frau, einem 38-jährigen Mann und ihren sechs Kinder durch. Ebenfalls in der Wohnung anwesend war der 58-jährige Großvater der Familie, der aber vom Festnahmeauftrag selbst nicht betroffen war. Er verhielt sich während der gesamten Amtshandlung aggressiv gegenüber den Beamten, wobei durch ihn auch ein Polizist zu Boden gerissen und dadurch verletzt wurde. Der mutmaßliche Täter wurde vorläufig festgenommen und angezeigt.
Ebenfalls während der Amtshandlung läutete eine Frau mehrmals an der Wohnungstüre und klopfte heftig. Zuerst gab sie sich als Freundin der Familie aus und wollte die Abschiebung verhindern. Weil dies keine Wirkung zeigte, wollte sich die 51-Jährige aufgrund der Tatsache, dass sie Journalistin einer österreichischen Tageszeitung ist, Zutritt verschaffen. Als auch dies nicht zum gewünschten Erfolg führte, beschimpfte sie die Polizisten lautstark, schrie herum, schlug um sich, ließ sich zu Boden fallen und versuchte, eine Beamtin in das Bein zu beißen. Dabei wurde eine Polizistin leicht verletzt. Die Tatverdächtige wurde ebenfalls wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und wegen mehrerer Verwaltungsdelikte angezeigt.“
4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweisergebnisse:
Zu diesen Sachverhaltsfeststellungen gelangte das Verwaltungsgericht Wien aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze, Unterlagen, insbesondere Videoaufzeichnungen des Doku-Teams der Amtshandlung (3 DVDs) sowie der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Personen.
Unstrittig ist, dass am 24.07.2017, um 6:15 Uhr, unter anderem die Einsatzbeamten RvI. AC., RvI. AB., Insp. AD., GrInsp. AF. und RvI. AE. die Adresse in Wien, ... aufsuchten, um einen gegen die Familie AJ. und Herrn AK. gerichteten Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Abschiebung) gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 BFA-VG zu vollziehen, wobei sich dieser Festnahmeauftrag nicht gegen den Beschwerdeführer richtete. Dieser Umstand wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung bestätigt und ergibt sich zudem aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.
Zudem führte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung aus, dass er bereits vor dem Eintreffen der Einsatzorgane der belangten Behörde, seine Gefährtin, Frau AA., telefonisch über den Polizeieinsatz informierte, weil er sie als Dolmetscherin und Beistand für seine Familie beiziehen wollte, weshalb sie auch zur Wohnung des Beschwerdeführers hinzu kam.
Die als Zeugen einvernommenen Exekutivorgane, insbesondere Herr RvI. AB. und Frau RvI. AC. bestätigten, dass Frau AA. auf Grund einer Weisung der Einsatzleiterin nicht in die Wohnung eingelassen werden durfte. RvI. AB., Frau RvI. AC. und Frau RvI. AD. führten zum Grund befragt aus, dass Frau AA., sohin die Gefährtin des Beschwerdeführers, aus früheren Amtshandlungen bekannt gewesen sei und die Gefahr bestanden habe, dass sie die gegenständliche Amtshandlung behindern könnte.
Diese Ausführungen der Exekutivorgane waren nachvollziehbar und glaubhaft. Frau AA. gebärdete sich lautstark, schrie und versuchte mit Gewalt in die Wohnung zu gelangen. Dieses Verhalten der Gefährtin des Beschwerdeführers vor der Wohnungstüre ist auf den vorgelegten Videoaufzeichnungen sehr gut hörbar und wurde auch ihr Versuch, in die Wohnung gewaltsam durch Aufdrücken der Eingangstüre einzudringen, mit diesen Aufzeichnungen dokumentiert.
Auch das Umkippen des Beschwerdeführers mit seinem Rollstuhl kann den vorgelegten Videoaufzeichnungen entnommen werden. Nach den insofern übereinstimmenden Zeugenaussagen und der Aussage des Beschwerdeführers ging dem Umkippen des Rollstuhls eine Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und RvI. AB. voraus. Der in diesem Zusammenhang darüber hinaus festgestellte Sachverhalt ergibt sich ebenso aus den vorgelegten Videoaufzeichnungen.
Die in den Feststellungen erwähnte Presseaussendung „…“ wurde von dem als Zeuge einvernommenen Pressesprecher der belangten Behörde, RvI. BA, MA AG., in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien vorgelegt.
II. Die im vorliegenden Beschwerdeverfahren relevanten Bestimmungen lauten:
1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben (§ 28 Abs. 6 VwGVG).
1.2. Die Bestimmungen des § 88 Abs. 1 und 2 SPG lauten:
„Beschwerden wegen Verletzung subjektiver Rechte(1) Die Landesverwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG).
(2) Außerdem erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.
(3) und (4) […]“
2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes - BFA-VG lauten:
„Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl(1) Behörde im Inland nach diesem Bundesgesetz ist das Bundesamt mit bundesweiter Zuständigkeit.
(2) Dem Bundesamt obliegt
1.
…,
2.
…,
3.
die Anordnung der Abschiebung, die Feststellung der Duldung und die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten gemäß dem 7. Hauptstück des FPG,
4.
die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG,
5.
...,
6.
...,
7.
...
LandespolizeidirektionenDer Vollzug der Anhaltung eines Fremden gemäß § 76 FPG, § 5 VVG oder § 40 und der Abschiebung eines Fremden gemäß § 46 FPG sowie das zur Verfügung stellen und die Überwachung des gelinderen Mittels gemäß § 77 Abs. 3 Z 1 und 2 FPG obliegt der Landespolizeidirektion, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält. Für den Vollzug des Zwangsmittels der Haft gemäß § 5 VVG gelten §§ 78 und 79 FPG sinngemäß.
Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben das Bundesamt bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere durch Wahrnehmung der ihnen gemäß §§ 36 bis 47 eingeräumten Aufgaben und Befugnisse, zu unterstützen.
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1.
[…],
2.
[…],
3.
Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
2. TEIL: BESONDERER TEIL1. Hauptstück:(1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn […]
(2) […]
(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,
1.
[…];
2.
[…];
3.
wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder
4.
[…].
(4) […].
(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.
(6) bis (8) […]
(9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.
Festnahme(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,
1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht, […]“
2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes - FPG lauten:
„2. Hauptstück(1) […]
(2) Im Rahmen des 7., 8. und 11. Hauptstückes dieses Bundesgesetzes werden die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) als Behörde erster Instanz über dessen Auftrag oder aus Eigenem tätig. […]
Sachliche Zuständigkeit im Inland(1) …
(1a) Dem Bundesamt obliegt
1.
die Anordnung der Abschiebung, die Feststellung der Duldung und die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten gemäß dem 7. Hauptstück,
2.
die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück und […]
7. Hauptstück(1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn […]
(1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn […]
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht. […]“
3.1. Die Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt regelt § 35 VwGVG. Dieser lautet:
„Kosten
Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1.
die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2.
die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3.
die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“
3.2. § 1 der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens der Behörde in Vollziehung der Gesetze (VwG-Aufwandersatzverordnung - VwG-AufwErsV) lautet wie folgt:
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei ….. 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro“
III. 1. Die Beschwerde ist aus den nachstehenden Gründen mangels Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien zurückzuweisen:
1.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH vom 17.11.2016, Zl Ro 2016/21/0016) kommt „die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG 2014 und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FrPolG 2005 (dazu gehören die Abschiebungen nach § 46 FrPolG 2005) gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG 2014 dem BVwG zu. Das gilt auch insoweit, als sich eine Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht (nur) gegen die Maßnahme als solche, sondern gegen deren Modalitäten richtet. […] § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG 2014 sieht nun aber gerade für "allgemeine" Maßnahmenbeschwerden eine Zuständigkeit des BVwG vor; es gibt keinen Grund, diese Regelung nur auf Beschwerden gegen die Maßnahmen als solche und nicht auch auf Beschwerden gegen die Modalitäten ihrer Durchführung zu beziehen. Allerdings können die Modalitäten der Durchführung einer anderen Behörde zuzurechnen sein als die Maßnahme als solche, sodass im Verfahren vor dem BVwG jeweils unterschiedliche belangte Behörden zu bezeichnen und beizuziehen wären.“
1.2. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie der unter Punkt II. wiedergegebenen Rechtslage, einschließlich des festgestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalts im vorliegenden Beschwerdefall, wonach die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.07.2017, um 6:15 Uhr, die Adresse in Wien, ... aufsuchten, um einen gegen die Familie AJ. und Herrn AK. gerichteten Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Abschiebung) gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 BFA-VG zu vollziehen, waren diese Organe für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl tätig und war dieser Festnahmeauftrag sowie die gesetzten – und nun in Beschwerde gezogenen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - ebenso dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zuzurechnen. Dies aus den nachstehenden Gründen:
Obgleich nicht übersehen wird, dass Gegenstand der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde nicht der in Rede stehende Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Abschiebung) gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 BFA-VG gegen die Familie des Beschwerdeführers ist und dieser – wie unstrittig feststeht – auch nicht gegen den Beschwerdeführer gerichtet war, ist festzuhalten, dass die gesetzten Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gegen den Beschwerdeführer, die in weiterer Folge in Beschwerde gezogen wurden, der Durchsetzung respektive Vollziehung desselben dienten und daher in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang standen, weshalb eine davon losgelöste Betrachtung ob deren Gesetzmäßigkeit denkmöglich nicht in Betracht kommt. Der Beschwerdeführer brachte dazu etwa nachvollziehbar vor, dass er Frau AA. als Dolmetscherin und Beistand für seine Familie beiziehen wollte und erachtete die Verweigerung bzw. die Vereitelung ihres Beistandes durch die Verhinderung des Betretens der Wohnung als rechtswidrig. Ob nun die Weisung der Einsatzleiterin, Frau AA. nicht in die Wohnung einzulassen, weil sie aus früheren Amtshandlungen bekannt gewesen sei und die Gefahr bestanden habe, dass sie die gegenständliche Amtshandlung – mithin die Vollziehung des Festnahmeauftrages gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 BFA-VG - behindern könnte, sowie ob dadurch der Beschwerdeführer in einem einfachgesetzlichen bzw. verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde, ist unter anderem im Lichte des in Rede stehenden Festnahmeauftrages zu beurteilen. Das gilt gleichsam für die im Zuge der Amtshandlung vorgefallene Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und RvI. AB., zumal es ohne des in Rede stehenden und von den Organen durchzuführenden Festnahmeauftrages des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl weder zu dieser Auseinandersetzung, noch zum Umkippen des im Rollstuhl sitzenden Beschwerdeführers samt seinem Rollstuhl sowie den nachfolgenden Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, insbesondere das Anlegen der Handfesseln, die Fixierung am Boden und der Ausspruch der Festnahme, gekommen wäre.
Vor diesem Hintergrund ist daher die Auffassung zu vertreten, dass die in Beschwerde gezogenen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer sowie das weitere gesetzte Verhalten der Organe der öffentlichen Sicherheitsverwaltung, wie etwa auch die Übermittlung von Informationen über die Amtshandlung bzw. der Presseaussendung „...“ an die APA und an einen Medienverteiler, Modalitäten der Durchführung des - der Amtshandlung zu Grunde liegenden - Festnahmeauftrages des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 BFA-VG sind und daher das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG zuständig ist.
Daher war die Beschwerde spruchgemäß zurückzuweisen und ist die Beschwerde nach § 17 VwGVG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AVG an das zuständige Bundesverwaltungsgericht zur weiteren Veranlassung zu übermitteln.
1.3. Angesichts der dargestellten Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien kommt diesem die Entscheidung über die Zurückziehung des Beschwerdepunktes, wonach der Gefährtin des Beschwerdeführers, Frau AA., die Begleitung beim Rettungsdienst und Rettungstransport ins Krankenhaus vereitelt worden sei, ebenso nicht zu.
2. Die Kostenansprüche gründen sich auf § 35 Abs. 1, 3 und 4 Z 3 VwGVG in Verbindung mit § 1 Z 3 bis 5 VwG-Aufwandsersatzverordnung-VwG-AufwErsV, BGBl. II Nr. 517/2013 in der geltenden Fassung.
3. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen waren klar aus dem Gesetz lösbar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Unzuständigkeit; Weiterleitung; Maßnahmenbeschwerde; Festnahme; Abschiebung; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl; funktionelle Zurechnung zur anordnenden Behörde; BundesverwaltungsgerichtAnmerkung
VfGH v. 26.2.2019, E 4850/2018; Ablehnung und ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.102.076.12351.2017Zuletzt aktualisiert am
28.01.2020