Entscheidungsdatum
12.06.2018Index
90/02 FührerscheingesetzNorm
FSG 1997 §8 Abs4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Huber über die Beschwerde der AA, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14.03.2018, Zl *****, betreffend eine Übertretung nach dem Führerscheingesetz,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 14.03.2018, Zl *****, wurde der Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
„Tatzeit: 16.05.2017, 19.55 Uhr
Tatort: Gemeinde Y, auf der Adresse 2, in Fahrtrichtung Westen, bei km *****
Fahrzeug: PKW, *****
Die Beschuldigte, AA, geb. XX.XX.XXXX, wohnhaft in Z, Adresse 1, hat als Lenkerin die Vorschriften des Führerscheingesetzes nicht eingehalten, da festgestellt wurde, dass sie beim Lenken Auflagen, unter denen ihr die Lenkerberechtigung erteilt wurde, nicht erfüllt hat, obwohl diese Auflagen beim Lenken von Kraftfahrzeugen zu befolgen sind. Sie hat folgende Auflage nicht erfüllt: Code 01.01 (Tragen einer Brille).“
Der Beschuldigten wurde eine Übertretung nach § 8 Abs 4 des Führerscheingesetzes zur Last gelegt und wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 150,00, im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser Beschwerde führte die Beschuldigte aus, dass nicht bestritten werde, dass sie zum Zeitpunkt der Lenkerkontrolle am 16.05.2017 keine Brille getragen habe. Allerdings habe sie während der ganzen vorangegangen Fahrt also auch während der Lenkerkontrolle Kontaktlinsen in der für sie passenden Sehstärke getragen. Eine gute Sehleistung sei damit jederzeit gewährleistet gewesen. Die Beschuldigte trage im Alltag fast ausschließlich Kontaktlinsen und sei an diese gewöhnt. Es bestehe durch das Tragen der Kontaktlinsen im Vergleich zum Tragen einer Brille keinerlei Einschränkung der Lenkereignung und in Folge dessen auch keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Der die Kontrolle durchführende Polizeibeamte sei über das Tragen der Kontaktlinsen informiert gewesen und habe einen diesbezüglichen Vermerk angefertigt. Zur Weiterfahrt habe die Beschuldigte dann ohnehin die ständig ebenfalls mitgeführte Brille getragen. In rechtlicher Hinsicht würde daher das zur Last gelegte Vergehen nicht vorliegen. Der Verwaltungsgerichthof habe in seiner Entscheidung vom 29.04.2003 zu Zl 2001/11/0311 ausgesprochen, dass rein aus der Tatsache, dass Kontaktlinsen statt Brillen getragen würden, nicht auf das Vorliegen von Verkehrsunzuverlässigkeit geschlossen werden könne. Die Behörde gehe gegenständlich offenbar davon aus, dass es unerheblich sei, ob die Beschuldigte zum Zeitpunkt der inkriminierten Fahrt Kontaktlinsen getragen habe und ob diese dem Tragen einer Brille gleichwertig seien oder nicht. Damit entferne sich die Behörde von der gefestigten und zwischenzeitlich von mehreren Landesverwaltungsgerichten aufgegriffenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch wenn sich im gegenständlichen Fall die Übertretung auf einer anderen Rechtsnorm stütze als im Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof, sei das Ergebnis trotzdem dasselbe. Auch nach § 8 Abs 4 des Führerscheingesetzes sei es zur Annahme der Strafwürdigkeit des Verhaltens nötig, einen Unrechtsgehalt der Tat zu substantiieren. Ein solcher würde aber fehlen, wenn den Auflagen durch Einhaltung gleichwertiger Maßnahmen entsprochen werde. Die Auflage bewege sich ja nicht im luftleeren Raum, sondern wolle die Einhaltung der Verkehrssicherheit und die Aufrechterhaltung der Lenkereignung im Verkehr gewährleisten. Diesen Zielen sei aber durch das Tragen von Kontaktlinsen im gegenständlichen Fall ausreichend Rechnung getragen worden. Hier eine Strafwürdigkeit des Verhaltens anzunehmen, wäre völlig überspitzter Formalismus, der an der Sache vollständig vorbeigehe. Ebenfalls würden aber die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Z 4 VStG vorliegen.
Der Beschwerde kam im Ergebnis Berechtigung zu.
II. Sachverhalt:
Die Beschuldigte wurde am 16.05.2017 um 19.55 Uhr in Y auf der Adresse 2 bei Straßenkilometer ***** als Lenkerin des PKWs mit dem Kennzeichen ***** einer polizeilichen Kontrolle unterzogen. Dabei trug sie entgegen der in der Lenkberechtigung eingetragenen Auflage, Code 01.01 (Brille), lediglich Kontaktlinsen.
III. Beweiswürdigung:
Gegenständlicher Sachverhalt ergibt sich aus der Anzeige der API Imst vom 26.05.2017 zu Zl *****. Diese Angaben wurden überdies auch von der Beschuldigten nicht bestritten.
IV. Rechtliche Würdigung:
§ 8 des Führerscheingesetzes regelt die gesundheitliche Eignung für die Erteilung einer Lenkberechtigung. Nach § 8 Abs 4 leg cit sind dann, wenn das nach Abs 1 obligate ärztliche Gutachten die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen von der Erfüllung bestimmter Auflagen, wie insbesondere die Verwendung von bestimmten Behelfen oder die regelmäßige Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme abhängig macht, diese Auflagen beim Lenken von Kraftfahrzeugen zu befolgen. Bei der Erteilung der Lenkberechtigung für die Beschuldigte wurde als Auflage Code „01.01 (Tragen einer Brille)“ erteilt. Demgemäß wäre die Beschuldigte verpflichtet gewesen, beim Lenken des Fahrzeuges auch tatsächlich eine Brille und nicht, wie festgestellt, Kontaktlinsen zu verwenden. Somit hat die Beschuldigte in objektiver Hinsicht den Tatbestand der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt.
Nach § 45 Abs 1 Z 4 VStG hat die Behörde jedoch von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat sowie das Verschulden des Beschuldigten (der Beschuldigten) gering sind. Von der Beschuldigten wurde nicht bestritten, dass das von ihr erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Übertretung nach § 8 Abs 4 des Führerscheingesetzes ergangen ist, sondern zur Frage der Verkehrszuverlässigkeit im Entzugsverfahren nach § 7 iVm § 24 des Führerscheingesetzes. Ansonsten allerdings war der Sachverhalt identisch, zumal auch der Beschwerdeführer in diesem Verfahren entgegen der Auflage, eine Brille zu tragen, Kontaktlinsen benützte. In diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe zum Zeitpunkt der ihm angelasteten Tat Kontaktlinsen statt einer Brille getragen, als erwiesen angenommen habe. Davon ausgehend hätte sie aber auch im Rahmen der ihr obliegenden Wertung gemäß § 7 Abs 5 FSG berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer vorgebracht habe, durch die von ihm getragenen Kontaktlinsen würde seine Sehschwäche wie mit der optischen Brille ausgeglichen und seien die Kontaktlinsen als gleichwertig anzusehen. Der Beschwerdeführer habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überdies auch durch Vorlage der Bestätigung eines näher genannten Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie vom 01.10.2001 untermauert, dass er seit 2001 Kontaktlinsen trage, diese von ihm problemlos vertragen würden und der Visus des Beschwerdeführers sowohl mit Brille als auch mit Kontaktlinsen mit dem gleichen Wert beurteilt würden. Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht der Behörde, es sei unerheblich, ob der Beschwerdeführer statt der Brille einen anderen – gleichwertigen – Sehbehelf trage, habe die belangte Behörde dem diesbezüglichen Einwand keine Bedeutung beigemessen und daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsansicht des Verwaltungsgerichthofes und im Hinblick darauf, dass es keinen Hinweis dafür gibt, dass die Beschuldigte mit dem Tragen der Kontaktlinsen einen schlechteren Visus erreicht als mit einer Brille, liegen nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 45 Abs 1 Z 4 VStG im gegenständlichen Fall vor. Hinsichtlich des geforderten geringen Verschuldens der Beschuldigten ist zusätzlich auszuführen, dass es keinen Hinweis dafür gibt, dass die Beschuldigte schon strafvorgemerkt nach § 8 Abs 4 FSG wäre.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im gegenständlichen Fall ist insbesondere darauf zu verweisen, dass es einschlägige Rechtsprechung, insbesondere die von der Beschuldigten angezogene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes gibt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Huber
(Richter)
Schlagworte
Auflage Brille; Tragen von gleichwertigen Kontaktlinsen; EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.18.0973.1Zuletzt aktualisiert am
26.07.2018