TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/11 W132 2136807-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.2018
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Entscheidungsdatum

11.07.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W132 2136807-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX, VN XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 07.08.2014 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) den Antrag der Beschwerdeführerin vom 25.03.2014 auf Ausstellung eines Behindertenpasses auf Grund des in Höhe von 30 vH festgestellten Grades der Behinderung abgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin hat am 18.07.2016 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.08.2016, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.

3. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von medizinischen Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass nicht nachvollziehbar sei, dass sie bereits nach 5 Bandscheibenoperationen und 2 Verschraubungen einen Grad der Behinderung von 30 vH bekommen habe und nunmehr, nach zusätzlichen 3 Knieoperationen mit massiven Taubheitsgefühlen in beiden Vorfüßen, der Grad der Behinderung nach wie vor 30 vH betragen solle. Auch sei die Untersuchung nicht korrekt durchgeführt worden, die Beschwerdeführerin habe sich von der Sachverständigen weder wahrgenommen gefühlt noch habe sie ihre Anliegen vorbringen können.

3.1. Mit - im Bundesverwaltungsgericht am 10.10.2016 eingelangten - Schreiben vom 03.10.2016 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.

3.2. Mit dem Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.12.2016 wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass gem. § 46 BBG neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.

3.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Nervenheilkunde, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.03.2017, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.

Im Zuge der persönlichen Untersuchung wurden von der Beschwerdeführerin ein Befund des Landesklinikums Mistelbach-Gänserndorf vom 21.09.2016 und ein MRT vom 27.02.2017 in Vorlage gebracht.

3.4. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin Einwendungen erhoben. Mit gleichem Schreiben wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass die im Rahmen der persönlichen Untersuchung vorgelegten Befunde nicht berücksichtigt werden können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 10.10.2016 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Die im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 08.03.2017 vorgelegten medizinischen Beweismittel wurden nach dem 10.10.2016 vorgelegt.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand gut. Ernährungszustand gut.

Wirbelsäule: Beweglichkeit: HWS: Kinn-Jugulum Abstand 2cm, alle übrigen Ebenen frei beweglich. BWS: gerade. LWS: Seitneigen nach rechts und links bis 40° möglich, blande Narbe. FBA: die Finger erreichen den proximalen Unterschenkel.

Obere Extremitäten: Rechtshänderin. Rechts und links: Schultergelenk Abduktion bis 160° möglich, Ellenbogengelen frei, Handgelenk frei, Finger o.B. Kraft- und Faustschluss beidseits frei. Kreuz- und Nackengriff beidseits möglich.

Untere Extremitäten: Hüftgelenk: rechts und links: S 0-0-160, F 60-0-50, R 50-0-40. OSG: beidseits frei. Kniegelenk rechts: S 0-0-150, kein Erguss, bandstabil, blande Narben, Meniscuszeichen diskret positiv für das mediale Hinterhorn. Kniegelenk links: S 0-0-160, kein Erguss, bandstabil. Varizen: keine. Füße beidseits o. B. Zehen- und Fersenstand beidseits möglich. Gangbild frei. Kein Gehbehelf.

Psychisch : Pat. klar, wach, orientiert, Duktus nachvollziehbar, das Ziel erreichend, jedoch inhaltlich von Klage erfüllt, keine prod. Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung, von der Stimmung ausgeglichen, beids. ausreichend affizierbar, Angabe von gelegentlicher Schlafstörung jedoch medikamentös gut eingestellt, Realitätssinn erhalten, Auffassung, Konzentration uneingeschränkt.

Neurologisch: HN unauffällig. HWS frei.

Obere Extremitäten: MER seitengleich mittellebhaft, VdA normal, FNV zielsicher, Feinmotorik erhalten, grobe Kraft, Trophik, Tonus seitengleich, Frontal- und PyZ negativ. Untere Extremitäten: PSR links mittellebhaft, ASR beidseits unterlebhaft, PSR rechts wegen Knieschwellung Schmerz und ausgedehntem Taping nicht geprüft, Kniegelenke rechts aspektmäßig geschwollen, grobe Kraft seitengleich unauffällig, Kniebeuger und -Strecker rechts nicht geprüft, VdB unauffällig, Laségue negativ,

KHV links unauffällig, rechts nicht geprüft wegen Schmerzangaben,

Bab. negativ. Sensibilität: Hypästhesie der gesamten linken unteren Extrtemität auf spitz-stumpf mit Akzentuierung der Zehen.

Gesamtmobilität: Stand unauffällig, Parallelstand unauffällig auch bei Augenschluss. Geringe Hinkschonhaltung rechts, frei möglich, ausreichend sicher, schnell und raumgewinnend.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Zustand nach Versteifung L3/4 und mehrmaliger Operation Unterer Rahmensatz dieser Position, da nur eine mäßige funktionelle Einschränkung vorliegt.

02.01.02

30 vH

02

Beginnende Kniegelenksabnützung rechts, Zustand nach mehrmaliger Arthroskopie Unterer Rahmensatz, da nur endlagige Funktionseinschränkung.

02.05.18

10 vH

03

Sensomotorische Neuropathie der unteren Extremitäten Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da sensible Ausfälle ohne motorische Komponente.

04.06.01

20 vH

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

 

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH, da das führende Leiden unter Nr. 1 durch die Leiden unter Nr. 2- 3 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist in Verbindung mit dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die nunmehr geänderte Diagnoseliste resultiert aus der zusätzlichen Aufnahme des Leidens "sensomotorische Neuropathie" welches im Rahmen der nunmehr durchgeführten fachärztlich/neurologischen Untersuchung objektiviert werden konnte.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der bis 10.10.2016 vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die bis 10.10.2016 vorgelegten Beweismittel stehen hinsichtlich des klinischen Befundes nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Die bis 10.10.2016 vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die Sachverständigen haben sich eingehend damit auseinandergesetzt und fassen deren wesentliche Inhalte wie folgt zusammen:

-

Im ärztlichen Entlassungsbericht des SKA-RZ Bad Ischl vom 27.05.2016 werden sockenförmige Parästhesien, schwacher Achillesreflex beidseits, sowie schwache Patellarreflexe beschrieben, ebenso unsicher beim Gehen und bei Unebenheiten. Im Befund einer elektrophysiologischen Untersuchung wird das klinische Bild einer sensomotorischen Polyneuropathie bestätigt. Diagnose:

Meniskusschädigung, Bandscheibenverlagerung im Lumbosacralbereich L3/4, Spondylose Lumbalbereich.

-

Elektrophysiologie Wr. Neustadt 16.04.2015, elektrophysiologischer Befund und Klinik sind mit sensomotorischer PNP vereinbart.

-

Neurochirurgie Graz 06.01.1995: Discusprolaps L4/5 paramedian links, percutane Nukleotomie.

-

Orthopädie AKH 20.09.1995: Dicusprotrusion L4/5 mit Lumboischialgie, St. p. percutane Nukleotomie, Zustand einer Lasernukleotomie L4/5.

-

Orthopädie AKH 15.12.1995: interarcuäre Discusextraktion L4/5 links.

-

Orthopädie Barmherzige Schwestern Wien 21.03.2000, Diagnose:

Postdiskektomiesyndrom L4/5 bei Z.n. Bandscheibenoperation L4/5 1995, Duraleak. Therapie: Dekompression L4/5 li, Posterior lumbar-lnterbody-Fusion L4/5, Duranaht.

-

Orthopädisches Spital Speising 13.09.2012: Anschlussdegeneration L3/4 bei Z.n. Spondylodese L4/5 und Duranaht 2004 in BHS. Operation und Entnahme des Osteosynthesematerials L4/5.

-

Lorenz Böhler 04.09.2015, stationäre Aufnahme zur Meniskusresektion, arthroskopisch- rechts.

-

Goldenes Kreuz 10.02.2016: Meniskus-Ruptur rechts lateral, Osteochondrose III, Therapie: nicht leserlich.

Zusammenfassen hält Dr. XXXX nachvollziehbar fest, dass sämtliche bis 10.10.2016 vorgelegten Befunde eingesehen und in die Begutachtung mit aufgenommen wurden, wobei daraus - bis auf das NLG mit Hinweis auf sensomotorisches Neuropathiesyndrom der unteren Extremitäten - keine neuen Erkenntnisse resultieren.

Das Wirbelsäulenleiden wurde unter 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH dem Ausmaß entsprechend beurteilt, da zwar ein Zustand nach Versteifung L3/4 besteht, aber nur eine mäßige funktionelle Einschränkung vorliegt. Dies entspricht den Vorgaben der Einschätzungsverordnung welche die Position 02.01.02 für Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule mittleren Grades vorsieht.

Hinsichtlich des Knieleidens der Beschwerdeführerin ist auszuführen, dass im Rahmen der persönlichen Untersuchung Dris. XXXX eine Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes von S 0-0-150 und links von S 0-0-160 objektiviert wurden, was einem normalen Bewegungsumfang entspricht. Beide Kniegelenke waren bandstabil und es lag an beiden Kniegelenken kein Erguss vor, wobei diskret positive Meniskuszeichen objektiviert werden konnten. Im Rahmen der Untersuchung Dris. XXXX lag zwar eine Schwellung des rechten Kniegelenkes vor, jedoch konnte nur eine endlagige Funktionseinschränkung bei seitengleich grober Kraft objektiviert werden, was durch das im Rahmen der Untersuchung erhobene Gangbild - welches eine nur geringe Hinkschonhaltung rechts aufweist, ansonsten aber frei möglich, ausreichend sicher, schnell und raumgewinnend ist - bekräftigt wird. Den beginnenden Abnützungserscheinungen des Kniegelenkes, den diskret positiven Meniscuszeichen und dem aktuell vorliegenden Gelenkserguss wurde - bei lediglich endlagig vorliegenden Funktionseinschränkungen - durch die Heranziehung von Richtsatzposition 02.05.18 und einem Grad der Behinderung in Höhe von 10 vH ausreichend Rechnung getragen.

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten massiven Taubheitsgefühle in beiden Vorfüßen wurde nunmehr unter Leiden Nr. 3 als "sensomotorische Neuropathie der unteren Extremitäten" unter Richtsatzposition 04.06.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH entsprechend dem objektivierten Ausmaß der Funktionseinschränkungen in die Beurteilung aufgenommen. Dr. XXXX begründet die Beurteilung dieses Leidens fachärztlich überzeugend damit, dass sensible Ausfälle vorliegen, aber keine motorische Komponente besteht. Eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung resultiert aus der Aufnahme dieses Leiden nicht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit dem führenden Leiden besteht.

Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten Dris. XXXX , wurde auch nicht entgegengetreten. Vielmehr haben die Verfahrensparteien den Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliegt, zu entkräften. Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)

§ 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft. (§ 54 Abs. 18 BBG)

Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 10.10.2016 vorgelegt worden ist, sind nach diesem Zeitpunkt nachgereichte Beweismittel nicht zu berücksichtigen.

Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert hat bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht. (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

Das Beschwerdevorbringen wurde insofern berücksichtigt, als nunmehr eine persönliche fachärztlich neurologische Untersuchung erfolgte und daraus resultierend die Gesundheitsschädigung "Sensomotorische Neuropathie der unteren Extremitäten" zusätzlich in die Diagnoseliste aufgenommen wurde.

Da aus der Erweiterung der Diagnoseliste mangels negativer Leidensbeeinflussung keine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung resultiert und weiterhin ein Grad der Behinderung in Höhe von dreißig (30) vH festgestellt wurde, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt und es war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt - nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Die Beschwerdeführerin wurde im erstinstanzlichen Verfahren persönlich orthopädisch und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren persönlich neurologisch untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zu § 46 letzter Satz BBG stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2136807.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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