Index
E6J;Norm
61986CJ0080 Kolpinghuis Nijmegen VORAB;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der l GmbH & Co KG in G, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 18. August 2016, Zl. RV/3100442/2013, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2008 bis 2010 sowie Umsatzsteuerfestsetzungen für Dezember 2011 und August 2012, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin betreibt ein sogenanntes "Wellness-Hotel". In den Jahren 2008 bis inklusive August 2012 bot sie dem Beherbergungsgast bestimmte SPA-Leistungen (Beauty, Kosmetik, Massage, Ayurveda) in Form unterschiedlicher "Packages" zu einem Pauschalpreis an. Daneben hatte der Gast die Möglichkeit, weitere SPA-Leistungen als Einzelleistungen zu buchen. Während die gesondert gebuchten Einzelleistungen von der Revisionswerberin mit dem Normalsteuersatz versteuert wurden, unterwarf sie den dem Beherbergungsgast für das jeweilige Arrangement verrechneten Pauschalpreis zur Gänze dem begünstigten Steuersatz.
2 Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung teilte das Finanzamt diese Rechtsansicht nicht. Da die in Rede stehenden Beherbergungs- und SPA-Leistungen unabhängig voneinander - jeweils als Hauptleistung - in Anspruch genommen werden könnten und tatsächlich auch wurden, stellten die SPA-Leistungen keine mit der (Haupt-)Beherbergungsleistung "regelmäßig verbundenen Nebenleistungen" dar. Es könne keine Rede davon sein, dass die SPA-Leistungen im Sinne näher dargestellter Rechtsprechung des EuGH für die Gäste keinen eigenen Zweck hätten. Die einzelnen im Rahmen der Arrangements gebotenen SPA-Leistungen seien in den Prospekten der Revisionswerberin klar umschrieben. Dass die auf sie entfallenden Entgelte in der Rechnung nicht gesondert ausgewiesen worden seien, ändere nichts daran, dass der Hotelgast für das von ihm gewählte SPA-Arrangement einen von einer bloßen Übernachtung (mit Halbpension) verschiedenen Preis bezahle. Die Begünstigung des § 10 Abs. 2 Z 4 lit. b UStG 1994 erstrecke sich auf die regelmäßig mit der Beherbergung verbundenen Nebenleistungen. Die gegenständlichen SPA-Leistungen seien als außerordentliche Wellnessleistungen anzusehen. Der Umstand der Außerordentlichkeit werde nach außen auch eindeutig dadurch sichtbar, dass die Buchung eines Arrangements entsprechend teurer sei als eine reine Beherbergungsbuchung (All-inclusive-Buchung). Die Preise der einzelnen Arrangements seien je nach Leistungsinhalt unterschiedlich gestaltet und wiesen ein klares Preisgefüge auf. Da die eine Leistung nicht die andere bedinge, könne von einer Einheitlichkeit der Leistung nicht gesprochen werden. Die mit der Beherbergungsleistung gebuchten SPA-Leistungen seien auch keine untrennbar oder unerlässlich mit der Beherbergungsleistung verbundenen Nebenleistungen, weil die Beherbergung ohne diese Wellnessleistungen denkbar und tatsächlich auch konsumierbar sei.
3 Das Finanzamt erließ geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 sowie Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume Dezember 2011 und August 2012, mit welchen ein Teil der Erlöse für die Arrangements dem Normalsteuersatz unterzogen wurde.
4 In der dagegen erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) vertrat die Revisionswerberin weiterhin die Auffassung, dass es sich bei den in Form von Arrangements an den Beherbergungsgast erbrachten Leistungen (Ayurveda Package, Beauty Package, Gesundheit Package, Massage Package, Bäder Package, Vital Package, Shiva Spa Packages) um Nebenleistungen zur Beherbergung handle, die mit dem begünstigten Steuersatz zu versteuern seien.
5 Die Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG mit Ablauf des 31. Dezember 2013 an die Stelle des unabhängigen Finanzsenates getretene Bundesfinanzgericht die Berufung (nunmehr Beschwerde) ab. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, dass die Revisionswerberin im Streitzeitraum die Beherbergung in unterschiedlichen Zimmerkategorien gemeinsam mit diversen Nebenleistungen (gehobene Vollpension, Nutzung des Wellnessbereichs, Nutzung der Sporteinrichtungen, Teilnahme an Veranstaltungen des hoteleigenen Sportclubs, tägliche Musik- und Abendveranstaltungen sowie Miniclub) zu einem Pauschalpreis (All-inclusive-Preis) angeboten habe. Diese Leistungen seien als eine einheitliche Leistung mit Haupt- und Nebenleistungen beurteilt und insgesamt mit 10 % umsatzversteuert worden. Darüber hinaus habe die Revisionswerberin auch Wellness-Arrangements angeboten, welche jeweils neben der Beherbergung mit den beschriebenen Nebenleistungen je nach Art des Arrangements täglich unterschiedliche Zusatzleistungen umfasst haben. Dabei habe es sich um diverse Behandlungen, Massagen und Bäder, sowie kosmetische Behandlungen (Peeling, Maniküre, Pediküre etc.) und Ayurveda-Anwendungen gehandelt, wobei diese täglichen Zusatzleistungen je nach Art des Arrangements im Vorhinein festgelegt waren und zum Teil unter dem Motto "täglich einen Wunsch frei" zusätzlich aus diversen Anwendungen ausgewählt werden konnten. Unstrittig sei weiters, dass diese Zusatzleistungen jeweils auch separat in Anspruch genommen werden konnten und dass die Pauschalpreise, wenn SPA-Leistungen mitumfasst waren, höher gewesen seien.
7 Bei den strittigen Zusatzleistungen handle es sich unter der Prämisse, dass man sie nicht als weitere Hauptleistungen neben der Beherbergung qualifiziere, jedenfalls nicht um solche, die üblicherweise und damit "regelmäßig" mit der Beherbergung verbunden seien. Buche man eine Nächtigung in einem Wellnesshotel, seien die strittigen Zusatzleistungen üblicherweise nicht und damit nicht "regelmäßig" mit der Beherbergung verbunden. In einem 5-Sterne-Hotel würden zwar regelmäßig diverse Wellnessleistungen wie Sauna, Schwimmbad, Whirlpool usw. angeboten und vom "Durchschnittsverbraucher" auch erwartet, nicht jedoch die gegenständlich strittigen Zusatzleistungen. Eine begünstigte Besteuerung nach § 10 Abs. 2 Z 4 lit. b UStG 1994 sei daher schon aus diesem Grund nicht zulässig. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei den strittigen Zusatzleistungen auch im Betrieb der Revisionswerberin nicht um solche gehandelt habe, die im Streitzeitraum regelmäßig mit der Beherbergung verbunden gewesen seien. Dies ergebe sich alleine aus dem Umstand, dass die Hotelgäste die Wahl gehabt hätten, entweder die bloße Beherbergung samt den dazu angebotenen All-inclusive-Leistungen oder aber ein Arrangement, welches auch die strittigen Zusatzleistungen umfasst habe, zu buchen. Da die streitgegenständlichen Zusatzleistungen in keiner Hotelkategorie regelmäßig gemeinsam mit der Beherbergung erbracht würden, brauche nicht auf das Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden, wonach die Art des Beherbergungsbetriebes zu berücksichtigen sei und darüber hinaus eine dynamische Betrachtungsweise hinsichtlich der mit der Beherbergung regelmäßig verbundenen Nebenleistungen angebracht sei.
8 Die im Rahmen der diversen Arrangements angebotenen Zusatzleistungen hätten nicht dazu gedient, die Hauptleistung, nämlich die Nächtigung samt Nebenleistungen in Anspruch nehmen zu können. Auch könne nicht gesagt werden, dass die täglich frei zu wählenden Zusatzleistungen die Hauptleistung lediglich abrunden bzw. ergänzen. Bei den weiteren Zusatzleistungen habe es sich um weitere Hauptleistungen gehandelt, wofür auch die vom Prüfer festgestellten Preisdifferenzen bei Buchung von Zusatzleistungen gegenüber der Buchung ohne Zusatzleistungen sprächen. Aus den Preisdifferenzen von rund 20 % könne abgeleitet werden, dass die Zusatzleistungen auch von der Wertigkeit her entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht als geringfügig zu beurteilen waren, wobei es nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 2008, 2006/15/0161, auf die Höhe der Preisdifferenz aber ohnedies nicht ankomme.
9 Auch das weitere Argument der Revisionswerberin, dass nach der Judikatur des EuGH (Hinweis auf das Urteil 25.2.1999, Card Protection Plan, C-349/96) das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln und dabei auf die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers abzustellen sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Zwar könne der Revisionswerberin darin gefolgt werden, dass die strittigen Zusatzleistungen möglicherweise angeboten werden müssen, um das Prädikat "Wellness-Hotel, 5-Sterne-Kategorie" zu erhalten. Doch folge daraus nicht, dass diese Zusatzleistungen in einem Pauschalarrangement angeboten werden müssen und in weiterer Folge als Nebenleistungen zur Beherbergung zu beurteilen wären.
10 Aus dem "All-inclusive-Erlass" des BMF vom 18. November 2010 könne die Revisionswerberin keine Rechte ableiten. Hinsichtlich des ins Treffen geführten Grundsatzes von Treu und Glauben, fehle es schon an einer der Revisionswerberin erteilten unrichtigen Auskunft der zuständigen Abgabenbehörde. Die Revisionswerberin habe ungeachtet der Feststellungen einer früheren Betriebsprüfung, die auf die Notwendigkeit der Besteuerung der Zusatzleistungen mit 20 % hingewiesen habe, auch in den Jahren nach 2005 die strittigen Zusatzleistungen weiterhin begünstigt besteuert.
11 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil das Verwaltungsgericht von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen sei.
12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle eine auf den konkreten Sachverhalt anwendbare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Nach der Rechtsprechung des EuGH hätten die nationalen Gerichte für die Bestimmung des Umfanges einer Leistung aus mehrwertsteuerlicher Sicht stets die Gesamtumstände zu berücksichtigen und dabei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Ob der Unternehmer im konkreten Einzelfall eine einheitliche Leistung erbringe, hätten die nationalen Gerichte an Hand der im Einzelfall vorliegenden Branchenspezifika zu beurteilen. Dies habe das Bundesfinanzgericht verkannt, indem es jegliche Tatsachenbeurteilung zur gegenständlichen Beherbergungskategorie unterlassen habe.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig, um den Begriff der "regelmäßig" mit der Beherbergung "verbundenen Nebenleistungen" in § 10 Abs. 2 Z 4 lit. b UStG 1994, der bereits Gegenstand des Erkenntnisses vom 20. Februar 2008, 2006/15/0161, war, in Bezug auf unterschiedliche Hotelkategorien klarzustellen.
15 Die Revisionswerberin vertritt die Auffassung, bei der nach der Rechtsprechung des EuGH vorzunehmenden Einzelfallprüfung müsse auf die Erwartungen des Durchschnittsverbrauchers an ein "Wellness-Hotel, 5-Sterne-Kategorie" abgestellt werden. Hätte das Bundesfinanzgericht die vom EuGH geforderte Vorgehensweise befolgt, wäre es im Rahmen der Einzelfallprüfung zur Ansicht gelangt, dass in der höchsten Kategorie der Wellness-Hotel-Branche die streitgegenständlichen Beauty- und Kosmetikleistungen in den unterschiedlichsten Ausführungen sehr wohl regelmäßig angeboten werden und dies von einem Durchschnittsgast dieser höchsten Kategorie geradezu erwartet werde.
16 Gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 lit. b UStG 1994 in der Fassung vor dem StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, ermäßigt sich die Steuer auf 10 % für die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen und die regelmäßig damit verbundenen Nebenleistungen (einschließlich Beheizung), wobei als Nebenleistung auch die Verabreichung eines ortsüblichen Frühstücks anzusehen ist, wenn der Preis hiefür im Beherbergungsentgelt enthalten ist.
17 Die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 4 lit. b UStG 1994 ist in Umsetzung des Art. 12 in Verbindung mit Anhang H der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG (im Folgenden: RL) ergangen. Nach Art. 12 Abs. 3 lit. a der RL (nunmehr Art. 98 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) dürfen die Mitgliedstaaten abweichend von dem Grundsatz, dass der normale Steuersatz gilt, einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Die ermäßigten Mehrwertsteuersätze können nach dieser Vorschrift nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der im Anhang H genannten Kategorien angewandt werden. Anhang H "Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können" nennt in Kategorie 11 (nunmehr Anhang III Kategorie 12 der RL 2006/112/EG):
"Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften, und Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen".
18 Aus unionsrechtlicher Sicht darf demnach für die Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen ein ermäßigter Steuersatz vorgesehen werden, wobei unionsrechtlich nur von der "Beherbergung" selbst die Rede ist.
19 Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist die einzelne Leistung. Der Umfang der einzelnen Leistung ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen. Ist eine Leistungseinheit anzunehmen, so ist umsatzsteuerlich nur eine (einzige) Leistung gegeben. Die steuerlichen Folgen richten sich einheitlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Gesamtleistung bzw. der Hauptleistung. Eine unselbständige Nebenleistung ist dann anzunehmen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Das ist zu bejahen, wenn die Leistung die Hauptleistung ermöglicht, abrundet oder ergänzt (vgl. VwGH 24.6.2004, 2000/15/0140).
20 Da unselbständige Nebenleistungen bereits nach allgemeinen Grundsätzen das Schicksal der Hauptleistung teilen, bezieht sich die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 4 lit. b UStG 1994 auf alle Leistungen, die wirtschaftlich als Nebenleistung zur Beherbergung angesehen werden können. Ob sie wirtschaftlich unselbständig sind, ist in diesem Fall ohne Bedeutung. Erforderlich ist jedoch, dass es sich um regelmäßig mit der Beherbergung verbundene Nebenleistungen handelt. Dazu gehören jedenfalls die Nebenleistungen, die im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes normalerweise an Gäste erbracht werden. Zur Abgrenzung wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass man sich an Beherbergungsbetrieben mittlerer Kategorie orientieren müsse (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 10 Tz 142).
21 Es verstieße gegen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer, würde man - wie von der Revisionswerberin vertreten - die gegenständlich strittigen SPA-Leistungen, wenn sie von einem Hotel der 5-Sterne-Kategorie im Rahmen von Hotelarrangements erbracht werden, mit dem begünstigten Steuersatz besteuern, die gleichen Leistungen - von einem Hotel einer niedrigeren Kategorie erbracht - aber mit dem Normalsteuersatz belegen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH lässt es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht zu, gleichartige Dienstleistungen, die miteinander im Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. EuGH 9.11.2017, C-499/16, AZ, Rn 30, mit weiteren Nachweisen; sowie Ruppe/Achatz, UStG5, Einf Tz 47).
22 Nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung (vgl. EuGH 8.10.1987, Kolpinghuis Nijmegen, Rs. 80/86, Rn. 12 - 14) kommt beim Verständnis der "regelmäßig" mit einer (Haupt-)Beherbergungsleistung "verbundenen Nebenleistung" auch dem Umstand Bedeutung zu, dass unionsrechtlich nur von Beherbergungsleistungen die Rede ist. Dies spricht - neben dem allgemeinen Grundsatz der engen Auslegung von Steuerermäßigungen - zusätzlich für das Erfordernis einer restriktiven Sichtweise der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 4 lit. b UStG 1994, was die Einbeziehung von Nebenleistungen betrifft (vgl. Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 10 Rz 222).
23 Inwieweit der Erlass des BMF vom 18. November 2010, eingearbeitet in die UStR 2000 Rz 1207 (der "Wellness-Leistungen" grundsätzlich als mit der "Beherbergung regelmäßig verbundene Nebenleistungen" betrachtet, davon aber Beautybzw. Kosmetikbehandlungen ausnimmt), diesen Ansprüchen gerecht wird, kann dahinstehen, weil - wie im angefochtenen Erkenntnis zutreffend ausgeführt wird - aus diesem Erlass keine über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Rechte abgeleitet werden können.
24 Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. mit weiteren Nachweisen das Urteil 10.11.2016, Pavlina Baštova, C- 432/15, Rn. 68) ist jede Dienstleistung in der Regel als eigene selbständige Leistung zu betrachten. Es ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist (vgl. EuGH 25.2.1999, Card Protection Plan, C- 349/96, Rn. 29).
25 Eine einheitlicher Umsatz liegt vor, wenn zwei oder mehr dem Kunden vom Steuerpflichtigen erbrachte Elemente oder Handlungen so eng verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. nochmals EuGH 10.11.2016, Pavlina Baštova, C 432/15, Rn. 70, mit weiteren Nachweisen). Dies ist auch dann der Fall, wenn eine oder mehrere Leistungen die Hauptleistung und der oder die anderen Leistungen Nebenleistungen darstellen, die steuerlich ebenso zu behandeln sind wie die Hauptleistung. Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH 27.9.2012, Field Fisher Waterhouse, C- 392/11, Rn. 17, und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass die im Rahmen der diversen Arrangements angebotenen Zusatzleistungen nicht dazu gedient haben, die Hauptleistung, nämlich die Nächtigung (unter optimalen Bedingungen) in Anspruch nehmen zu können. Diese Beurteilung begegnet keinen Bedenken, zumal Nächtigungen auch ohne die strittigen Zusatzleistungen angeboten wurden und die gegenständlichen SPA-Leistungen unstrittig auch außerhalb der jeweiligen Arrangements als selbständige Hauptleistungen in Anspruch genommen werden konnten und auch wurden. Dass sich das Bundesfinanzgericht mit dem Vorbringen der Revisionswerberin, Gäste von Wellnesshotels der 5-Sterne-Kategorie erwarteten, dass ihnen auch (die streitgegenständlichen) SPA-Leistungen angeboten würden, nicht auseinandergesetzt hat, begründet keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, weil das Abstellen auf Leistungserwartungen an ein 5-Sterne-Wellnesshotel nach dem oben Ausgeführten gegen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer verstieße.
27 Die Revisionswerberin wendet sich weiters gegen die Aufteilung der so genannten "Package-Entgelte" auf die unterschiedlichen Steuersätze. Dazu verweist die Revisionswerberin auf die Feststellungen einer früheren Betriebsprüfung der Jahre 2003 bis 2005, die den auf den Normalsteuersatz entfallenden Umsatzanteil pauschal mit 30.000 EUR geschätzt habe. Seit diesem Betriebsprüfungsbericht vom 31. Juli 2007 lägen keine Judikate vor, die eine geänderte Rechtsansicht begründen könnten. Durch die nunmehr vorgenommene Aufteilung des Gesamtentgelts auf die unterschiedlichen Steuersätze sei der Revisionswerberin ein enormer abgabenrechtlicher Nachteil entstanden. Somit spreche der Grundsatz von Treu und Glauben gegen eine abweichende Beurteilung in den Folgejahren.
28 Nach ständiger Rechtsprechung schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Der Umstand, dass eine abgabenbehördliche Prüfung eine bestimmte Vorgangsweise des Abgabepflichtigen unbeanstandet gelassen hat, hindert die Behörde nicht, diese Vorgangsweise für spätere Zeiträume als rechtswidrig zu beurteilen (vgl. VwGH 15.6.2005, 2002/13/0104). Umso mehr muss dies gelten, wenn anlässlich einer früheren Betriebsprüfung ohnedies zutreffend auf das Vorliegen von dem Normalsteuersatz unterliegenden Umsätzen hingewiesen wurde und lediglich auf Grund fehlender "eindeutiger Feststellbarkeit" der auf die Beauty- und Kosmetikbehandlungen entfallenden Umsätze ein geschätzter Pauschalbetrag der Besteuerung zu Grunde gelegt wurde.
29 Die Revisionswerberin bringt weiters vor, das Finanzamt und ihm folgend das Bundesfinanzgericht hätten die Aufteilung des Gesamtentgelts nach internen Kostenstellenrechnungen derart vorgenommen, dass die Summe der "Packages" die Bemessungsgrundlage der Zusatzleistungen dargestellt habe, welche dem Normalsteuersatz unterzogen worden seien. Die Differenz zum Gesamtpreis sei sodann schlussfolgernd den Beherbergungsleistungen zugerechnet und der 10%igen Umsatzsteuer unterzogen worden. Dabei sei verkannt worden, dass die Revisionswerberin die verschiedenen Packages in den jeweiligen Zimmerkategorien zu einem fixen Preis - unabhängig von der Saison - anbiete. Demgegenüber variierten die Preise der einzelnen Zimmerkategorien saisonbedingt stark. Wie in verschiedenen Tabellen zum Ausdruck gebracht, führe die Aufteilung des Gesamtentgelts im angefochtenen Erkenntnis zu absurden Ergebnissen. Beispielsweise entfiele in der Hauptsaison des Jahres 2008 auf eine Nächtigung im Komfortzimmer im Rahmen des Gesamtentgelts ein (begünstigt besteuerter) Anteil von lediglich 72 EUR, was nicht einmal die Fixkosten abdecken würde. Tatsächlich habe der reine Beherbergungspreis für Komfortzimmer im Jahr 2008 je nach Saison zwischen 115 EUR und 214 EUR betragen.
30 Im Erkenntnis vom 20. Dezember 2016, Ro 2014/15/0039, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Aufteilung eines Pauschalpreises auf eine Mehrzahl von selbständigen Leistungen, die unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen, befasst. Er ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass der Aufteilung eines Pauschalentgeltes im Verhältnis der Einzelverkaufspreise der Vorzug zu geben ist (vgl. bereits VwGH 16.12.2009, 2008/15/0075).
31 Aus dem Betriebsprüfungsbericht vom 15. November 2012 geht hervor, dass die Aufteilung des Gesamtentgelts auf die beiden Steuersätze nach "einzelnen Kostenstellen" vorgenommen wurde und die je nach Saison unterschiedlichen Beherbergungspreise (Einzelpreise) keine Berücksichtigung fanden. Eine Aufteilung des Pauschalentgeltes im Verhältnis der Einzelverkaufspreise (Nächtigungspreise einerseits und Zusatzleistungen andererseits) erfolgte nicht. Das angefochtene Erkenntnis ist dieser vorrangigen Zuordnung des Gesamtentgelts zu den dem Normalsteuersatz unterliegenden Wellnessleistungen gefolgt und erweist sich aus diesem Grund als rechtswidrig.
32 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
33 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Juni 2018
Gerichtsentscheidung
EuGH 62016CJ0499 AZ VORABSchlagworte
Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016150075.L00Im RIS seit
26.07.2018Zuletzt aktualisiert am
28.11.2018