TE Vwgh Erkenntnis 2018/7/4 Ra 2017/10/0186

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Veröffentlicht am 04.07.2018
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Index

L08019 Vereinbarungen nach Art 15a B-VG Wien
L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
SHG Wr 1973 §44 Abs3 Z1 litb
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art3 Abs1
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art3 Abs2 litb
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des Landes Burgenland gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. September 2017, Zl. VGW-141/010/11820/2017-1, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. Juli 2017 wurde der Antrag des Landes Burgenland auf Ersatz derjenigen Kosten, die dem Sozialhilfeträger durch die Übernahme der Kosten für die Unterbringung von Frau M.H. im Pflegeheim „Seniorenpension Eisenstadt“ seit 1. April 2017 entstanden seien, gemäß § 44 Abs. 1, 2 und 3 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG) iVm Art. 1, 2 und 3 der Vereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe (Ländervereinbarung) abgewiesen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. September 2017 wurde eine dagegen erhobene Beschwerde des Landes Burgenland abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges aus, es lege seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde: Frau M.H. sei von 10. Oktober 1973 bis 27. März 2017 mit Hauptwohnsitz in Wien, vom 10. Dezember 1941 bis 27. März 2017 mit Nebenwohnsitz im Burgenland und seit 27. März 2017 mit Hauptwohnsitz im Burgenland gemeldet gewesen. Sie sei am 28. Februar 2017 in die „Seniorenpension Eisenstadt“ aufgenommen worden und befinde sich seit diesem Zeitpunkt dort. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 10. April 2017 sei Frau M.H. ab dem 1. April 2017 die Übernahme der Kosten für die Unterbringung in der Einrichtung „Seniorenpension Eisenstadt“ für die gesamte notwendige Aufenthaltsdauer bewilligt worden. Die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung habe mit Schreiben vom 5. April 2017 um Genehmigung des Ersatzes der aufzuwendenden Sozialhilfekosten für Frau M.H. ersucht.

4        In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, der Beschwerde des Landes Burgenland komme schon aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu: Mit der Wortfolge „während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe“ in § 44 Abs. 3 WSHG sei ein Zeitraum umschrieben, der sechs Monate vor dem ersten Tag, für den die Leistung zuerkannt werde, liege. Frau M.H. halte sich unstrittig seit 28. Februar 2017 - somit bereits vor dem 1. März 2017 - nicht mehr in Wien, sondern „im Burgenland (Seniorenpension)“ auf. Somit habe sich Frau M.H. in den letzten sechs Monaten vor der mit 1. April 2017 beginnenden Gewährung der Hilfe nicht mindestens fünf Monate in Wien aufgehalten. Die Beschwerde erweise sich somit als unbegründet und sei daher abzuweisen gewesen.

5        Den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit einem Verweis auf den Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Landes Burgenland.

7        Das Verwaltungsgericht legte die Akten vor.

8        Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9        Das Wiener Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 11/1973 idF LGBl. Nr. 29/2013 (WSHG), lautet auszugsweise:

„Kostenersatz an andere Länder

§ 44. (1) Das Land Wien hat den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

...

(3) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, ist das Land Wien zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens fünf Monate lang in Wien aufgehalten hat und wenn das Land Wien nach den Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen, zu tragen hat.

1.   Bei der Berechnung der Fristen haben außer Betracht zu bleiben:

...

b)   der Aufenthalt in einer Anstalt oder in einem Heim, das nicht in erster Linie Wohnzwecken dient;

...“

10       Diese Regelungen entsprechen der Vereinbarung zwischen den Ländern Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, der das Land Wien mit Wirksamkeit vom 22. Juni 1974 beigetreten ist (LGBl. Nr. 9/1974).

11       Das revisionswerbende Land bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Verwaltungsgericht den Aufenthalt von Frau M.H. im Pflegeheim „Seniorenpension Eisenstadt“, sohin in einer Anstalt bzw. einem Heim, das nicht in erster Linie Wohnzwecken diene, bei der Berechnung der Frist entgegen § 44 Abs. 3 Z 1 lit. b WSHG nicht außer Betracht gelassen habe.

12       Die Revision ist zulässig und begründet.

13       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung, ob eine Einrichtung im Sinne des § 44 Abs. 3 Z 1 lit. b WSHG „nicht in erster Linie Wohnzwecken dient“, nicht etwa auf den Zeitpunkt des Eintrittes der Pflegebedürftigkeit beim Hilfeempfänger an, sondern auf die Eigenschaft der Einrichtung als „Anstalt oder Heim, das nicht in erster Linie Wohnzwecken dient“ (vgl. das in der Revision genannte Erkenntnis VwGH 31.3.2009, 2004/10/0009, mit Verweis auf VwGH 21.5.2008, 2005/10/0119, VwSlg. 17454 A). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die (§ 44 Abs. 3 Z 1 lit. b WSHG entsprechende) Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 lit. b der Ländervereinbarung den Zweck hat, jene Aufenthalte nicht in die Frist des Art. 3 Abs. 1 leg. cit. einzurechnen, die andere Ursachen haben als bloß jene des Wohnens (vgl. VwGH 22.12.1999, 97/08/0620, VwSlg. 15305 A, mit Verweis auf VwGH 16.9.1997, 97/08/0441, VwSlg. 14738 A).

14       Das Verwaltungsgericht hat einen Ersatzanspruch des revisionswerbenden Landes gemäß § 44 WSHG allein deshalb verneint, weil sich die Hilfeempfängerin M.H., der seit 1. April 2017 Hilfe durch Übernahme der Kosten für die Unterbringung in der Einrichtung „Seniorenpension Eisenstadt“ für die gesamte notwendige Aufenthaltsdauer gewährt wird, bereits seit 28. Februar 2017 in diesem - wie schon der Spruch des vom Verwaltungsgericht bestätigten Bescheides der belangten Behörde formuliert - „Pflegeheim“ aufhält. Im Revisionsverfahren führt die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung - insofern den Standpunkt des revisionswerbenden Landes teilend - aus, bei der „Seniorenpension Eisenstadt“ handle es sich um eine Anstalt bzw. ein Heim, die bzw. das nicht in erster Linie Wohnzwecken diene, sodass Zeiten, die in dieser Einrichtung verbracht werden, bei der Berechnung der Frist nach § 44 Abs. 3 Z 1 lit. b WSHG bzw. Art. 3 Abs. 2 lit. b der Ländervereinbarung nicht zu berücksichtigen seien.

15       Das Verwaltungsgericht hat allerdings weder Feststellungen dahin getroffen, dass es sich bei der in Rede stehenden „Seniorenpension Eisenstadt“ um eine Einrichtung handelt, die in erster Linie Wohnzwecken diene, noch sich mit der Frage, ob bezüglich dieses Aufenthalts die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 Z 1 lit. b WSHG vorliegen, auseinandergesetzt. Entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht der belangten Behörde kommt diesem Umstand auch Relevanz zu, sind dem angefochtenen Erkenntnis doch keinerlei Feststellungen zum Aufenthalt der Hilfeempfängerin vor deren Aufnahme in die „Seniorenpension Eisenstadt“ am 28. Februar 2017 zu entnehmen.

16       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 4. Juli 2018

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100186.L00

Im RIS seit

06.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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