Entscheidungsdatum
15.06.2018Index
90/02 FührerscheingesetzNorm
FSG §3 Abs1 Z3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Konecny über die Beschwerde des Herrn A. G., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 18.12.2017, Zahl …, betreffend Abweisung des Antrags auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.12.2017 wurde der Antrag des Herrn A. G. vom 01.12.2017 auf „Wiedererteilung der Lenkberechtigung“ nach Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen AM und B gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG abgewiesen.
Gestützt wurde diese Abweisung auf das Ergebnis einer amtsärztlichen Untersuchung vom 15.12.2017 unter Einbeziehung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme des Instituts „D.“ vom 28.11.2017. Dem Betreffenden mangle es aufgrund der amtsärztlichen Beurteilung an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen wegen Alkoholmissbrauch und mangelnder Bereitschaft zur Verkehrsanpassung.
Dagegen hat der Beschwerdeführer frist- und formgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen die Feststellung, es fehle ihm an der gesundheitlichen Eignung, ein Kraftfahrzeug zu lenken, bestritten. Die verkehrspsychologische Stellungnahme sei inhaltlich unrichtig, unschlüssig sowie irreführend.
Es wurde, neben mehreren Beweisanträgen, der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem Antrag vom 01.12.2017 auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung Folge zu geben.
Mit Schreiben vom 27.04.2018 hat das Verwaltungsgericht die belangte Behörde gebeten, den im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Antrag vom 01.12.2017 auf „Wiedererteilung“ der Lenkberechtigung vorzulegen, zumal sich ein derartiger Antrag im mit der Beschwerde vorgelegten Verwaltungsakt nicht befinde. In diesem liege lediglich ein Antrag des Beschwerdeführers vom 28.11.2017 auf „Ausfolgung des Führerscheines“ ein.
Mit Schreiben vom 02.05.2018 hat die belangte Behörde mitgeteilt, dass der mit 28.11.2017 datierte Antrag am 01.12.2017 eingebracht und mit diesem Datum auch im Führerscheinregister protokolliert wurde. Der Eingangsstempel trage zwar das Datum 30.11.2017, dürfte jedoch irrtümlich nicht rechtzeitig auf den folgenden Werktag umgestellt worden sein.
Das Verwaltungsgericht Wien hat über die Beschwerde erwogen:
Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich folgender Verfahrensgang und Sachverhalt:
Dem Beschwerdeführer wurde mit (Mandats-)Bescheid der belangten Behörde vom 03.08.2017, GZ. …, gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG iVm § 57 Abs. 1 AVG die für die Klassen AM und B erteilte Lenkberechtigung entzogen und gemäß § 26 Abs. 2 Z. 1 FSG verfügt, dass Ihm die Lenkberechtigung für die Zeit von sechs Monaten, gerechnet ab Abnahme des Führerscheines, sohin bis einschließlich 22.01.2018 entzogen wird. Weiters wurde gemäß § 24 Abs. 3 FSG iVm § 57 Abs. 1 AVG angeordnet, dass er sich einer Nachschulung zu unterziehen und bis zum Ablauf der Entziehungszeit ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung vorzulegen habe. Gemäß § 8 Abs. 2 FSG iVm. § 17 Abs. 1 FSG-GV und § 57 Abs. 1 AVG wurde dem Beschwerdeführer auch aufgetragen, die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme (bis zum Ablauf der Entziehungszeit) nachzuweisen.
Gegen diesen (Mandats-)Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht am 21.08.2017 das Rechtsmittel der Vorstellung erhoben.
Mit Bescheid vom 21.11.2017 hat die belangte Behörde das Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung, Anordnung einer Nachschulung und bescheidmäßige Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung und Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme gemäß § 38 zweiter Satz AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung im bereits anhängigen Verfahren beim Polizeikommissariat Landstraße zur Zahl … gegen den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO ausgesetzt.
Am 30.11.2017 (laut Eingangsstempel) langte bei der belangten Behörde eine mit 28.11.2017 datierte Eingabe des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers mit folgendem Inhalt ein:
„A. G. – Wiederausfolgung der Lenkberechtigung
Sehr geehrte Damen und Herren,
namens und auftrags meines Mandanten ersuche ich um Ausfolgung des Führerscheines meines Mandanten vom 10.01.2014 der Klassen AM und B zu meinen Handen.
Mit freundlichen Grüßen“
Der Beschwerdeführer hat sich am 15.12.2017 einer polizeiamtsärztlichen Untersuchung unterzogen und am 06.12.2017 (Eingangsstempel) eine verkehrspsychologische Stellungnahme der „D.“ vom 28.11.2017 der Behörde vorgelegt.
Die belangte Behörde hat sodann den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen.
Ohne dass auf die Abweisung des Antrages vom 01.12.2017 (datiert mit 28.11.2017) inhaltlich betreffend das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen näher einzugehen gewesen wäre, war der erhobenen Beschwerde bereits aus folgendem offenkundigen Grund statt zu geben:
Wie die Behörde ein Anbringen zu behandeln hat, richtet sich nach seinem Inhalt. Für die Auslegung von Anbringen ist analog auf die Regen des bürgerlichen Rechts über die Auslegung von Willenserklärungen zurückzugreifen (vgl. VwGH 21.04.2004, 2001/08/0077).
Bei der Beurteilung von Parteienanbringen ist grundsätzlich der Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteienschritts maßgebend. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung vorliegt und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann (VwGH 21.12.1992, 91/03/0328; 22.02.1993, 92/10/0431 uva.)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es bei antragsbedürften Verwaltungsakten (ein solcher liegt hier vor; s. § 28 Abs. 1 FSG) unzulässig, entgegen dem eindeutig erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein (vgl. VwGH 26.11.1991, 91/11/0154 mwN; 03.10.2013, 2012/06/0185).
Bei der Beurteilung von Anbringen kommt es zwar nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischritts an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist aber eine davon abweichende, nach außen auch andeutungsweise nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (vgl. VwGH 03.06.1992, 92/13/0127).
Aus der Äußerung „ersuche ich um Ausfolgung des Führerscheines … … … zu meinen Handen.“ ist eindeutig ein Antrag im Sinne des § 28 Abs. 1 FSG abzuleiten. Der Antrag vom 28.11.2017 ist weder mehrdeutig noch undeutlich (auch der Formulierung im Betreff „Wiederausfolgung der Lenkberechtigung“ lässt sich nichts anderes entnehmen, da es sich dabei zweifelsfrei um ein Vergreifen im Ausdruck handelt. Die dem Beschwerdeführer entzogene Lenkberechtigung ist, da eine Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten nicht vorliegt, nicht erloschen, sodass - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - nach Ablauf der Entziehungsdauer der Führerschein (= das Dokument über das erteilte Recht, Kraftfahrzeuge zu lenken) wiederauszufolgen ist).
Der Beschwerdeführer spricht zwar in seinem Beschwerdeantrag davon, seinem Antrag vom 01.12.2017 auf „Wiedererteilung“ der Lenkberechtigung Folge zu geben, allerdings ist es auch einer Partei nicht möglich, seinem ursprünglich eingebrachten Anbringen im Nachhinein eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann und die auch bei Einbringung des Anbringens nicht intendiert gewesen ist (vgl. VwGH 02.05.2001, 96/12/0062).
Da die Behörde im angefochtenen Bescheid über einen Antrag (auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung) abgesprochen hat, der nicht Gegenstand des eingebrachten Anbringens vom 28.11.2017 gewesen ist, hat sie ihre Entscheidungsbefugnis überschritten, da die „Sache“ durch den gestellten Antrag festgelegt wird.
Es war daher der Beschwerde spruchgemäß statt zu geben.
Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, könnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung entfallen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Entziehung der Lenkberechtigung; Nachschulung; Wiederausfolgung der Lenkberechtigung; Anbringen; Inhalt; Überschreitung der Entscheidungsbefugnis der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.131.054.1526.2018Zuletzt aktualisiert am
25.07.2018