Entscheidungsdatum
16.07.2018Norm
ASVG §410Spruch
W167 2002739-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichter die Beschwerde (vormals: Einspruch) von XXXX, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Wiener Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom XXXX verpflichtete die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) den nunmehrigen Beschwerdeführer als Dienstgeber im Sinne des § 35 Absatz 1 ASVG für vier im Bescheid bezeichnete die DienstnehmerInnen für die in der Anlage bezeichneten Zeiten im Zeitraum 2007 bis 2011 Beiträge, Sonderbeiträge und Umlage in der Höhe von insgesamt € 3.455,87 zu entrichten.
2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten am XXXX Einspruch (nunmehr Beschwerde). Darin führte er im Wesentlichen aus, die WGKK hätte über den gesamten Zeitraum den Mindestkollektivvertrag zugrunde gelegt und nicht berücksichtigt, dass kurz nach Übernahme des Geschäfts durch den Beschwerdeführer die Stundenleistung entsprechend herabgesunken ist, sodass lediglich das tatsächliche einbezahlt und verrechnet wurde, was an Leistung der Bediensteten tatsächlich gegenüber stand. Nicht berücksichtigt habe die WGKK, dass der Gastronomiebetrieb als Bar geführt hat nur begrenzte Öffnungszeiten und konnten die Angestellten je nach Geschäftslage selbst entscheiden, ob sie frühzeitig den Betrieb wieder geschlossen, sodass sich naturgemäß denkbare Differenzen zwischen der Anmeldung im Rahmen des Kollektivvertrages und der tatsächlich erbrachten Leistungen Unterschiede ergeben haben. Er habe nur jene Leistungen zur Auszahlung gebracht, welche den tatsächlichen Leistungen gegenüber standen - dies mit Einverständnis und Billigung der Dienstnehmer, sodass es eben im Verhältnis zwischen den ausbezahlten Beträgen und Anmeldung zu erheblichen Differenzen gekommen ist, die letzten Endes einen Betrag von mehr oder weniger EUR 1.500,-- betragen soll. Seines Erachtens sei die Abrechnung - die die Angestellten daher vorgenommen haben und auch die Einzahlungen - völlig korrekt gewesen. Weiters bemängelte der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Aufstellung im Anhang des Bescheides mit dem Hinweis, dass diese so klein gedruckt sei, dass sie schlichtweg nicht lesbar sei. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer dargestellt hätte, dass selbst unter Berücksichtigung der Anmeldung die tatsächliche Arbeitsleistung in der kollektivvertraglichen Höhe deswegen nicht angerechnet werden konnte, da tatsächlich es zu dem Ergebnis kam, dass lediglich Teilzeit gearbeitet wurde. Dies mag ein Versäumnis sein, dass der Beschwerdeführer dies nicht rechtzeitig gemeldet habe, Tatsache sei jedoch, dass entsprechend der Arbeitsleistung abgerechnet wurde und auch die Zahlungen erfolgt seien. Es sei daher sein Vorbringen dahingehend zu verstehen, dass nicht die Tatsache im Vordergrund zu stehen habe, dass der Kollektivvertrag nicht erreicht worden sei, sondern vielmehr nicht die Arbeitsstundenleistung, die der kollektivvertraglichen Stundenleistung entsprechen würde. Darüber hinaus bekämpfe der Beschwerdeführer auch die Behauptung im Bescheid, dass Sonderzahlungen nicht berücksichtigt worden wären. Diese wurden ebenfalls nur im gekürzten Ausmaß berichtigt und wurden geleistet.
3. Am 01.01.2014 ging die Zuständigkeit zur Entscheidung der vorliegenden Rechtssache gemäß Artikel 151 Absatz 51 Ziffer 8 B-VG auf das damals neu geschaffene Bundesverwaltungsgericht über. Der Landeshauptmann von Wien legte daher den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
4. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer mit seinem Rechtsanwalt und eine Vertreterin der WGKK teilnahmen. Als Zeugen erschienen zwei der im Bescheid genannten Dienstnehmer.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Verfahrensgegenständlich ist der Zeitraum 2007 bis April 2011.
1.2. Das Lokal wurde zwischen 13:00 Uhr und 14:00 Uhr aufgesperrt und war bis 00:00 Uhr geöffnet, unabhängig davon, ob Gäste da waren.
1.3. Die Dienstnehmer/innen haben an den jeweiligen Tagen, an denen sie für den Dienst eingeteilt waren, für 10 Stunden gearbeitet.
1.4. Es kann nicht festgestellt werden, ob und wann ein Wasserschaden im Lokal vorlag und ob und in welchem Zeitraum deshalb der Betrieb des Lokals eingestellt war.
1.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass von den Meldungen an die WGKK abweichende Vereinbarungen mit den Dienstnehmer/innen getroffen wurden.
1.6. Die vom Beschwerdeführer durchgeführten Meldungen liegen bei der WGKK vollständig auf.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und aufgrund der mündlichen Verhandlung.
Zu 1.1. Der Verfahrensgegenstand ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und wurde auch in der Verhandlung nicht bestritten.
Zu 1.2. und 1.3. Der Beschwerdeführer hat selbst angeben, welcher Dienstnehmer (Z4) für das Personal verantwortlich war. Dieser hat in der Verhandlung glaubhafte Angaben zur Länge der Arbeitszeit der anderen Dienstnehmer/innen sowie zu den Öffnungszeiten des Lokals gemacht. Zudem hat er angegeben, sozusagen im Lokal zu wohnen. Diese Darstellung betreffend die Dauer der Tätigkeit deckt sich auch mit den Aussagen eines weiteren Zeugen (Z3). Diesen Angaben ist auch der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten.
Zu 1.4. Der Beschwerdeführer hat bereits im Verfahren vor der WGKK auf einen Wasserschaden im Lokal hingewiesen, der dazu geführt habe, dass von 01.11.2011 bis 31.01.2012 kein Betrieb im Lokal war (siehe insbesondere Fax vom 29.01.2012) und dass sämtliche Lohn- und Arbeitsaufzeichnungen bei dem Wasserschaden untergegangen sind (siehe insbesondere Fax vom 06.12.2011). Z 4 hat zwar in der Verhandlung Fotos vorgelegt, welche Innenräume - teilweise wohl unter Wasser - zeigen, jedoch kann anhand der Fotos weder ein Konnex zum verfahrensgegenständlichen Lokal hergestellt werden, noch eignen sich die Fotos zur zeitlichen Einordnung. Andere Unterlagen zur Dokumentation des Wasserschadens wurden im gesamten Verfahren nicht vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat auch keine Unterlagen betreffend die Schließung des Lokals vorgelegt.
Zu 1.5. Z 4 hat darauf verwiesen, dass die Dienstnehmer/innen das offiziell Gemeldete bekommen haben und konnte sich an keine abweichenden Vereinbarungen erinnern. Das stimmt auch
Zu 1.6. Zwar hat der Beschwerdeführer die Vollständigkeit der Meldungen bei der GKK nicht außer Streit gestellt. Er hat aber im gesamten Verfahren nur darauf verwiesen, dass seine Unterlagen bei einem Wasserschaden untergegangen sind, allerdings auch angegeben "[A]lle Arbeitszeiten, oder Leute, die angemeldet wurden, wurden ordnungsgemäß an- und abgemeldet, je nach Einsatz. Das liegt bei der GKK sei der damaligen Zeit auf. Es waren keine anderen Dienstzeiten gegeben, als die gemeldeten." (VH-Schrift Seite 4). Daher ist von den bei der WGKK aufliegenden Meldungen auszugehen, insbesondere da der Beschwerdeführer auch nicht konkret angegeben hat, weshalb er davon ausgeht, dass keine Vollständigkeit der Meldungen vorliegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Behebung und Zurückverweisung
3.1.1. Rechtsgrundlagen
§ 28 Absatz 1 bis 3 VwGVG lautet:
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das
Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
3.1.2. Für den Beschwerdefall bedeutet das:
Aufgrund der mündlichen Verhandlung konnten die oben angeführten Feststellungen getroffen werden. Mit Schreiben vom 11.07.2018 teilte die WGKK mit, dass sie betreffend die Aufschlüsselung der Bescheidanlage des angefochtenen Bescheides bereits im März 2018 neuerliche Erhebungen eingeleitet hat.
Es ist aufgrund der Meldungen der Dienstnehmer/innen durch den Beschwerdeführer bei der WGKK zu entscheiden, soweit sich nicht aus dem Kollektivvertrag oder Gesetz darüberhinausgehende Ansprüche ergeben.
Die Aufschlüsselung der Bescheidanlage durch das Bundesverwaltungsgericht selbst ist nicht im Interesse der Raschheit gelegen, weil die belangte Behörde selbst bereits neuerliche Erhebungen betreffend die Bescheidanlage eingeleitet hat. Es liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die Aufschlüsselung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Aufgrund dieser Ausführungen liegen daher alle Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 VwGVG vor.
Der angefochtene Bescheid wird daher aufgehoben und die Rechtssache zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
Abschließend wird festgehalten, dass einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde gemäß § 13 VwGVG grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt. Da im Materiengesetz keine Ausnahme vorgesehen ist, kommt auch der vorliegenden Beschwerde (vormals: Einspruch) von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu. Es war daher nicht gesondert über den Antrag auf aufschiebende Wirkung abzusprechen.
3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W167.2002739.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.07.2018