Entscheidungsdatum
16.07.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W158 2188428-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX :
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und unstrittiger Sachverhalt:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Am darauffolgenden Tag wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Burgenland niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab er unter anderem an, in XXXX geboren worden zu sein und der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, vor fünf Jahren sei sein Bruder, der beim Militär gearbeitet habe, umgebracht worden. Auf Nachfrage habe man ihm mitgeteilt, dass ihn ein Panzer getötet habe. Als er die Leiche seines Bruders gesehen habe, habe er jedoch eine Schnittwunde am Hals gesehen, weswegen er von einem Mord ausgegangen sei. Er habe einen Kameraden seines Bruders gefragt, wer diesen umgebracht habe. Der habe ihm mitgeteilt, dass er aufhören solle zu fragen, da sonst auch das Leben des BF in Gefahr sei. Er habe ihm auch geraten, dass er das Land verlassen solle, da er sonst auch getötet werde. Der BF gehe davon aus, dass sein Onkel seinen Bruder getötet habe.
I.3. Am XXXX wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) und in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Der BF wurde dabei u.a. zu seinem Gesundheitszustand, seiner Identität, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die den BF bewogen, seine Heimat zu verlassen, gab dieser an, sein Vater habe Grundstücksstreitigkeiten mit seinem Onkel gehabt. Der Vater sei vom Onkel so schwer verletzt worden, dass er an den Folgen dieser Verletzung gestorben sei. Sein Onkel habe auch seinen Bruder umbringen lassen, da er befürchtete habe, dass dieser sich rächen werde. Der BF sei auf der Suche nach dem Mörder gewesen. Als er mit seinem Taxi nach Kabul gefahren sei, sei er aufgehalten worden, wobei er gedacht habe, dass es sich dabei um die Taliban handle. Die Fahrgäste des BF seien aufgefordert worden, das Auto zu verlassen und daraufhin hätten sie dem BF die Augen verbunden und hätten ihn zu einem zerstörten Platz gebracht. Dort sei er mit einer Waffe geschlagen worden, woraufhin er bewusstlos zusammengebrochen sei. Da die Angreifer vermutlich gedacht hätten, dass der BF bereits tot sei, hätten sie ihn zurückgelassen. An den Stimmen habe er erkannt, dass es sich bei den Angreifern um seine Cousins gehandelt habe. Der BF sei nach Kabul gebracht worden, wo er ins Spital gegangen sei. Dann habe er sein Auto verkauft und sei nach Pakistan geflüchtet.
Als Beilage zur Niederschrift wurden diverse Integrationsunterlagen, medizinische Befunde und afghanische Unterlagen genommen.
I.4. Mit Bescheid vom XXXX , dem BF am XXXX durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, dass der vom BF vorgebrachte Fluchtgrund nicht glaubhaft sei und er zudem über eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul verfüge. Zu Spruchpunkt II. führte das BFA aus, dass eine Rückkehr nach Kabul möglich und zumutbar sei. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen. Hinsichtlich Art. 8 EMRK führte das BFA eine Abwägung durch und kam dabei zum Schluss, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen sei seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig.
I.5. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.6. Am XXXX erhob der BF durch seine Vertretung Beschwerde in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, mangelhafter beziehungsweise unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften. Es wurde beantragt, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen; in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren; in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und dem BF einen Aufenthaltstitel zu erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das BFA zurückzuverweisen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Die Fluchtgründe des BF seien entgegen der Ansicht des BFA glaubhaft, es sei ihm daher Asyl zu gewähren, zumal auch keine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde. Aufgrund der Sicherheitslage und seiner gesundheitlichen Situation sei ihm jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren.
I.7. Am XXXX langte der gegenständliche Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was gegenständlich nicht der Fall ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
II.2. Zum Spruchpunkt A):
II.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
II.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
II.3. Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Das BFA hat es unterlassen, Ermittlungen dahingehend zu führen, ob der BF aufgrund seines Vorbringens, dass er von seinem Onkel und dessen Familie umgebracht werden wollte, bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgungsgefährdung ausgesetzt wäre. Die belangte Behörde hat sich mit dem in Rede stehenden Vorbringen des BF nicht ausreichend auseinandergesetzt und das Vorbringen des BF insbesondere nicht unter dem Aspekt einer Verfolgungsgefährdung seiner Person aufgrund einer womöglich entstandenen Blutfehde beurteilt. Insbesondere finden sich in den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur allgemeinen Situation in Afghanistan auch keinerlei Ausführungen zu dieser Thematik (Blutrache, Blutfehde; staatlicher Schutz in derartigen Fällen), um beurteilen zu können, ob im Zusammenhang mit dem Vorbringen des BF ein asylrechtlich relevantes Motiv vorliegen könnte. Ohne diese Feststellungen ist jedoch eine beweiswürdigende Beurteilung wie vom BFA, dass man bei einem Grundstücksstreit "bestimmt eine gütige, einvernehmliche Einigung finden" hätte können, nicht nachvollziehbar. Im Übrigen ist der Beweiswürdigung - die sich in weiten Teilen darauf beschränkt das Vorbringen des BF zu wiederholen und dann lediglich festzuhalten, dass dies nicht festgestellt werden könne und nicht glaubhaft sei und damit auch nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend getätigt wurde - auch sonst größtenteils kein Abgleich mit den Länderfeststellungen zu entnehmen.
Der belangten Behörde ist zusammengefasst vorzuwerfen, in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage nicht mit der ihr gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen zu sein und ein grob mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben. Das BFA hat in Bezug auf das in Rede stehende (Flucht-)Vorbringen des BF keine (ausreichenden) Ermittlungen durchgeführt und das Vorbringen keiner ganzheitlichen Würdigung unterzogen (vgl. dazu VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389). Das BFA missachtete damit die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen. Dem BFA ist somit eine nur ansatzweise Ermittlung beziehungsweise eine Delegation der aus § 18 AsylG iVm § 39 AVG entspringenden Ermittlungspflicht anzulasten. Der belangten Behörde ist somit vorzuwerfen, in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage nicht mit der ihr gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen zu sein und ein grob mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben. Der angefochtene Bescheid leidet daher unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen den BF gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität; der vorliegende Sachverhalt erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des BF unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen. Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der Bescheid aufzuheben ist.
II.4 Das BFA wird sich im fortgesetzten Verfahren in sorgfältiger Weise mit dem Fluchtvorbringen des BF, insbesondere vor dem Hintergrund der vom BF behaupteten Gefährdung seiner Person (aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie aufgrund einer in Afghanistan bestehenden Blutfehde) zu befassen haben und entsprechende Feststellungen zur Praxis der Blutrache in Afghanistan zu treffen haben.
Es bleibt noch anzumerken, dass auch die Feststellungen in weiten Teilen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen der §§ 58, 60 AVG entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Danach bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten Entscheidung erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung. Die bloße Zitierung von Beweisergebnissen wie zB von Zeugenaussagen ist weder erforderlich noch hinreichend, eine Aufzählung aufgenommener Beweise mag zweckmäßig sein (vgl. etwa VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076). Das BFA zieht sich in seinen Feststellungen jedoch weitestgehend darauf zurück, die Angaben des BF während seiner Einvernahme wiederzugeben, anstatt im Indikativ gehaltene Feststellungen zu treffen. Besonders deutlich wird dies beispielsweise bei den Feststellungen zur gesundheitlichen Situation des BF. Auch dort gibt das BFA lediglich die Angaben des BF unreflektiert wieder, anstatt festzustellen, welche gesundheitliche Probleme der BF hat, obwohl vom BF ein ärztlicher Befund mit einer Diagnose vorgelegt wurde (AS 61). Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die Beurteilung des BFA zur "vermeintlichen" Ehefrau, da dazu jede Beweiswürdigung fehlt und vom BFA auch völlig übergangen wird, dass der BF bereits während der Erstbefragung anga,b verheiratet zu sein und auch die Tazkira seiner Frau und seiner Kinder vorlegen konnte.
II.5. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W158.2188428.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.07.2018