Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des K E in S, vertreten durch die BMA Brandstätter Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wallnerstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. Mai 2016, Zl. LVwG-AV-1311/001-2015, betreffend eine abfallrechtliche Genehmigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: C A in Z, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0003, 0004, mwN).
5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
6 Das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 163/2015 normiert in § 37 Abs. 1 die generelle Genehmigungspflicht für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Abfallbehandlungsanlagen. Abs. 2 leg. cit. nimmt bestimmte Anlagen - zum Teil jedoch nur, wenn sie einer Genehmigungspflicht nach den §§ 74 ff GewO 1994 unterliegen - von der Genehmigungspflicht nach dem AWG 2002 aus. Abs. 3 und Abs. 4 leg. cit. weisen Anlagen dem vereinfachten Verfahren (Abs. 3 leg. cit.) und dem Anzeigeverfahren (Abs. 4 leg. cit.) zu, die sonst dem Abs. 1 leg. cit. unterlägen und für die kein Ausnahmetatbestand des Abs. 2 leg. cit. zutrifft (vgl. dazu Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 (2015) § 37 Rz 1).
7 Der Revisionswerber ist unstrittig Nachbar im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 5 AWG 2002.
8 Nach der hg. Judikatur kommt Nachbarn im vereinfachten Verfahren gemäß § 50 AWG 2002 hinsichtlich der Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gegeben sind, eine insoweit eingeschränkte Parteistellung zu (vgl. etwa VwGH 23.2.2012, 2008/07/0012, und VwGH 31.3.2016, Ra 2015/07/0163). Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) hat insoweit die Beschwerde des Revisionswerbers als zulässig erachtet und dessen Parteistellung anerkannt und sich sowohl mit der Frage der Kapazität der Behandlungsanlage als auch mit dem allfälligen Vorliegen einer Behandlungsanlage gemäß § 37 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 auseinandergesetzt.
9 Wenn die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung vorbringt, dass die Jahreskapazität der gegenständlichen Anlage mehr als 10.000 t/Jahr betrage, weshalb die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 AWG 2002 für eine Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 50 leg. cit.) nicht erfüllt seien, so geht dieses Vorbringen bereits deshalb ins Leere, weil spruchgemäß diese Anlage mit einer geringeren Jahreskapazität bewilligt wurde. Bei einem allfälligen Widerspruch zwischen dem Spruch eines Bewilligungsbescheides und den der Bewilligung zugrunde liegenden Einreichunterlagen geht der Bescheidspruch vor (vgl. dazu etwa VwGH 26.9.2017, Ra 2017/05/0087, Rn. 40). Bemerkt wird, dass aber ein solcher Widerspruch hier nicht vorliegt: So ergibt sich aus den Antragsunterlagen (insbesondere Abbildung 2 auf S. 6 betreffend den Stofffluss der geplanten Anlagenteile), dass etwa die Hälfte des in der Biomasseaufbereitung behandelten Strukturmaterials, das eine Fraktion < 40 mm umfasst, dem Kompostierungsanlagenbereich zugeführt werden soll, in dem Inputmaterialien im Ausmaß von 7.000 t im Jahr behandelt werden sollen. Die in der Biomasseaufbereitung hergestellte Fraktion, die im Kompostierungsanlagenbereich weiter behandelt werden kann, stellt somit einen Teil der für diesen Anlagenbereich vorgesehenen und zu behandelnden nicht gefährlichen Abfälle im Ausmaß von 7.000 t dar. Ausgehend davon ist von einer Gesamtkapazität der Abfallbehandlungsanlage von 9.500 t auszugehen, die im Spruch des bestätigten erstinstanzlichen Bescheides auch festgelegt wurde.
10 Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend den Ausnahmetatbestand gemäß § 37 Abs. 3 Z 3 AWG 2002 für verwirklicht erachtet. Es lagen somit die Voraussetzungen für die Durchführung eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß § 50 AWG 2002 vor.
11 Wenn die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung vorbringt, dass die gegenständliche Anlage (aus den in der Zulässigkeitsbegründung näher dargestellten Gründen) gemäß § 37 Abs. 2 AWG 2002 nicht der Genehmigungspflicht nach Abs. 1 unterliege, so verkennt sie, dass einem Nachbarn im vereinfachten Verfahren gemäß § 50 AWG 2002 - wie oben bereits ausgeführt - nur hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gegeben sind, eine (insoweit eingeschränkte) Parteistellung zukommt (vgl. dazu nochmals VwGH 23.2.2012, 2008/07/0012). Ein Nachbar kann daher geltend machen, dass eine Behandlungsanlage ohne die in § 50 AWG 2002 normierten Einschränkungen einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002, in welchem er gemäß § 42 Abs. 1 Z 3 leg. cit. Parteistellung hat, zu unterziehen ist und somit das vereinfachte Verfahren zu Unrecht angewendet worden ist. Aus dieser eingeschränkten Parteistellung im § 37 Abs. 3 AWG 2002-Verfahren kann er aber nicht geltend machen, dass keine Behandlungsanlage gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 vorliegt, sondern eine solche gemäß § 37 Abs. 2 AWG 2002, für die das AWG 2002 nicht gilt.
12 Der Revisionswerber moniert in den Zulässigkeitsgründen auch das Unterbleiben der von ihm beim Verwaltungsgericht beantragten mündlichen Verhandlung. Im Hinblick auf die Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit § 37 Abs. 2 AWG 2002 stellten, hätte seiner Ansicht nach im Lichte des Art. 6 EMRK eine mündliche Verhandlung stattfinden müssen. Dem genügt es entgegenzuhalten, dass sich - wie dargelegt - das Verwaltungsgericht auf Grund der Beschwerde des Revisionswerbers nicht mit Fragen des § 37 Abs. 2 AWG 2002 auseinanderzusetzen hatte.
13 Die Revision war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
14 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 26. Juni 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016050082.L00Im RIS seit
25.07.2018Zuletzt aktualisiert am
10.08.2018