TE Vwgh Erkenntnis 2018/6/27 Ra 2017/15/0078

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Veröffentlicht am 27.06.2018
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §115 Abs2
BAO §183
BAO §269 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der S GmbH in V, vertreten durch Mag. Daniel Vonbank, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Reichsstraße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 22. Mai 2017, Zl. LVwG-361-7/2017-R8, betreffend u.a. Vergnügungssteuer für August 2012 bis März 2015 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Abgabenkommission der Landeshauptstadt Bregenz; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie Vergnügungssteuer für den Zeitraum August 2012 bis Jänner 2013 und August 2013 bis März 2015 betrifft, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird betreffend Vergnügungssteuer Februar bis Juli 2013 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Bregenz hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 27. Jänner 2015 wurde Vergnügungssteuer für das Aufstellen oder den Betrieb von Wettterminals für die Monate August 2012 bis März 2015 betreffend zwei näher genannte Betriebsstätten (K: August 2012 bis März 2015; und A: Februar bis Dezember 2013) festgesetzt (insgesamt 53.900 EUR); weiters wurde ein Säumniszuschlag festgesetzt.

2 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Sie machte insbesondere geltend, dass näher bezeichnete Geräte am Standort K erst im März oder April 2013 in Betrieb genommen oder aufgestellt worden seien. Weiters wurde geltend gemacht, bei den Geräten handle es sich nicht um Wettterminals.

3 Mit Bescheid vom 12. Jänner 2017 gab die Abgabenkommission der Landeshauptstadt Bregenz der Berufung teilweise Folge und setzte die Vergnügungssteuer neu fest (Betriebsstätte K:

April 2013 bis März 2015; Betriebsstätte A: Februar bis Dezember 2013; insgesamt 42.700 EUR); weiters setzte sie den Säumniszuschlag neu fest. Begründend führte die Abgabenkommission insbesondere aus, dem Einwand der Revisionswerberin betreffend die Anzahl an Geräten sei zuzustimmen. Das weitere Vorbringen der Revisionswerberin zur Eigenschaft der Geräte als Wettterminals (Möglichkeit, an den Geräten selbständig eine Wette aufzurufen, zu platzieren und abzuschließen) sei als Schutzbehauptung anzusehen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde keine Folge und setzte die Vergnügungssteuer - in gleicher Weise wie der Bürgermeister - neu fest (insgesamt 53.900 EUR); weiters setzte es einen Säumniszuschlag fest. Es sprach aus, dass gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe in den abgabepflichtigen Monaten in zwei Betriebsstätten gesellschaftliche Veranstaltungen durchgeführt. Die Revisionswerberin habe in den im Spruch näher angeführten Zeiträumen technische Einrichtungen für Kunden im frei zugänglichen Bereich aufgestellt und betrieben. Den Wettkunden sei es an diesen Terminals möglich gewesen, den Wettgegenstand und den Wetteinsatz selbst zu bestimmen. Über diese technischen Einrichtungen sei Wettkunden unmittelbar die Teilnahme an einer Wette möglich gewesen.

6 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, die Anzahl der in den Betriebsstätten aufgestellten technischen Einrichtungen ergebe sich insbesondere aus der Stellungnahme des damaligen Rechtsvertreters der Revisionswerberin. In dieser sei für den Abgabenzeitraum August 2012 bis März 2015 die Anzahl der in den Betriebsstätten festgestellten Terminals für "richtig und vollständig" befunden worden. Der Zeuge I habe - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht angegeben, dass die im Zuge einer Kontrolle im Juli 2013 vorgefundenen Wettterminals erst im März oder April 2013 in Betrieb genommen oder aufgestellt worden seien; vielmehr habe er lediglich angegeben, dass es durchaus möglich sei, dass die beiden Geräte im März oder April 2013 aufgestellt und in Betrieb genommen worden seien. Somit seien die früheren Angaben des Vertreters der Revisionswerberin nicht entkräftet worden. Auf die Einvernahme des Zeugen Z zum Beweis dafür, dass ein fragliches Gerät lediglich von August 2013 bis Dezember 2013 in der Betriebsstätte A aufgestellt gewesen sei, werde verzichtet.

7 Für die Bedienung der vorgefundenen Wettterminals sei jeweils der Erwerb einer Kundenkarte erforderlich gewesen. Nachdem der Kunde den Gesamteinsatz geleistet habe, werde dieser auf die Kundenkarte aufgebucht. Im Anschluss daran könne der Wettkunde das Wettterminal selbständig bedienen. Der Kunde könne die Wette selbständig aufrufen und platzieren, die jeweiligen Wetteinsätze eingeben und die Wette abschließen. Auf den vorgefundenen Geräten seien Sportwetten angeboten worden; für die Wettteilnahme sei ein Mindesteinsatz von einem Euro erforderlich gewesen.

8 Die Revisionswerberin habe ausgeführt, dass eine Teilnahme an der Wette nur nach Eingabe von Wettgegenstand und Wetteinsatz am Wettannahme-PC möglich sei, der ausschließlich von geschultem Personal bedient werde; am Kundengerät sei es nicht möglich, eine Wette aufzurufen und abzuschließen, man könne sich dort nur über mögliche Wetten informieren. Dass an den zu beurteilenden Terminals ein derartiger - vom Kundenkartenprinzip abweichender - Spielablauf möglich gewesen wäre, sei im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Aber auch ein derartiger Ablauf stehe der Qualifikation der technischen Einrichtung als Wettterminal nicht entgegen.

9 Gegen dieses Erkenntnis - nach dem Revisionspunkt nur betreffend Vergnügungssteuer - wendet sich die Revision.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Zur Zulässigkeit der Revision macht die Revisionswerberin geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den von ihr angebotenen Zeugenbeweis Z (zum Nachweis dafür, dass im Zeitraum Februar bis Juli 2013 am Standort A kein Terminal aufgestellt gewesen sei; das Gerät sei lediglich von August bis Dezember 2013 dort aufgestellt gewesen) nicht aufgenommen. Der Zeuge hätte bestätigen können, dass vor August 2013 am Standort A kein Gerät aufgestellt gewesen sei. Das Übergehen möglicher und naheliegender Beweismittel stelle eine grob fehlerhafte Beurteilung der Notwendigkeit ausreichender Sachverhaltsermittlung dar. Die unterlassene Beweisaufnahme sei ursächlich für die der Revisionswerberin nachteilige Feststellung, wonach (auch) im Zeitraum Februar bis Juli 2013 am Standort A technische Einrichtungen aufgestellt gewesen seien, die als Wettterminals zu qualifizieren seien.

14 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision für den Zeitraum Februar bis Juli 2013 aufgezeigt.

15 Zum übrigen - teilbaren (vgl. § 9 Abs. 5 Vorarlberger Gemeindevergnügungssteuergesetz) - Zeitraum, über den mit dem angefochtenen Erkenntnis entschieden wurde, zeigt die Revision hingegen keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf; in diesem Umfang (August 2012 bis Jänner 2013; sowie August 2013 bis März 2015) war die Revision daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat - betreffend den Zeitraum Februar bis Juli 2013 - nach Einleitung des Vorverfahrens und Einbringung von Revisionsbeantwortungen erwogen:

17 Mit Schreiben vom 2. April 2015 hatte der Bürgermeister die Revisionswerberin aufgefordert, zu dem in diesem Schreiben geschilderten Sachverhalt Stellung zu nehmen. Ausgeführt wurde darin insbesondere, dass im Zeitraum Februar bis Dezember 2013 jeweils ein Wettterminal an der Betriebsstätte A aufgestellt gewesen sei. Nach Fristverlängerung teilte der damalige Rechtsvertreter der Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 29. Mai 2015 mit, dass die Aufstellung gemäß dem Schreiben vom 2. April 2015 "richtig und vollständig" sei; die Revisionswerberin gehe aber davon aus, dass es sich um keine Wettterminals im Sinne des Vorarlberger Wettengesetzes handle.

18 In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 9. Mai 2017 machte die Revisionswerberin u.a. geltend, am Standort A sei das fragliche Gerät nicht vor dem Zeitraum der ersten Kontrolle im August 2013 aufgestellt gewesen. Soweit sich die Abgabenbehörde auf eine Stellungnahme des vormaligen Vertreters berufe, habe diese auf einem Irrtum beruht. Es ergebe sich bereits aus der Berufungsvorentscheidung, dass diese Bestätigung nicht den Tatsachen entspreche. Zum Beweis dafür, dass am Standort A im Zeitraum Februar bis Juli 2013 das in der Folge festgestellte Gerät nicht aufgestellt gewesen sei, werde die Einvernahme des Zeugen Z beantragt, dessen ladungsfähige Anschrift binnen einer Woche bekannt gegeben werde. Mit Eingabe vom 9. Mai 2017 gab die Revisionswerberin die Anschrift des Zeugen bekannt, der zum Beweis dafür beantragt werde, dass das fragliche Gerät lediglich von August bis Dezember 2013 am Standort A aufgestellt gewesen sei. Mit einer weiteren Eingabe vom 16. Mai 2017 machte die Revisionswerberin u.a. noch geltend, es habe sich lediglich um ein "Infoterminal" gehandelt, das nicht geeignet gewesen sei, dem Kunden eine Teilnahme an einer Wette zu ermöglichen. Im Übrigen sei dieses Gerät nicht von der Revisionswerberin, sondern vom Zeugen Z aufgestellt worden, der dort auch ein Gastgewerbe ausübe.

19 Im angefochtenen Erkenntnis führte das Verwaltungsgericht hiezu aus, die Revisionswerberin sei in ihrer Stellungnahme vom 29. Mai 2015 der ihr mit Schreiben vom 2. April 2015 vorgehaltenen Anzahl der aufgestellten technischen Einrichtungen nicht entgegengetreten, sondern habe diese Aufstellung für richtig und vollständig befunden. Der dem Verfahren zu Grunde liegende Sachverhalt habe sich seit dieser Stellungnahme nicht geändert. Es bestünden keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte, wonach nunmehr die vormals bestätigte Anzahl von technischen Einrichtungen im Abgabenzeitraum in Zweifel zu ziehen sein sollte. Ob diese technischen Einrichtungen von Z aufgestellt worden seien, sei nicht von Bedeutung. Auf die Einvernahme des angebotenen Zeugen Z zum Beweis dafür, dass das Gerät lediglich von August 2013 bis Dezember 2013 in der Betriebsstätte A aufgestellt gewesen sei, werde daher verzichtet.

20 Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Zu solchen Obliegenheiten und Befugnissen zählen insbesondere Beweisaufnahmen sowie die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs (vgl. VwGH 19.10.2016, Ra 2016/15/0058, mwN). Nach § 270 BAO ist auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge im Beschwerdeverfahren Bedacht zu nehmen.

21 Von den Parteien beantragte Beweise sind nach § 183 Abs. 3 BAO aufzunehmen, soweit nicht ein dort genannter Umstand vorliegt, wonach von der Aufnahme beantragter Beweise abzusehen ist (vgl. hiezu auch Ritz, BAO6 § 183 Tz 2 ff). Es ist zwar zutreffend, dass es - wie das Verwaltungsgericht ausführt - (nach der hier anwendbaren Rechtslage) nicht darauf ankommt, ob diese technischen Einrichtungen von Z aufgestellt wurden. Mit dieser Begründung kann aber ein Beweisantrag zu dem Thema, dass Geräte nur von August bis Dezember 2013 aufgestellt gewesen seien, nicht abgewiesen werden. Soweit im angefochtenen Erkenntnis ausgeführt wird, es lägen keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, wonach die vormals bestätigte Anzahl von technischen Einrichtungen in Zweifel zu ziehen sein sollte, so handelt es sich dabei im Ergebnis um eine vorgreifende Beweiswürdigung, was die darauf gestützte Feststellung mit einem Verfahrensmangel belastet.

22 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang Februar bis Juli 2013 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 50) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. Juni 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150078.L00

Im RIS seit

27.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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