Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der FOI Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hamid D***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 21. März 2018, GZ 39 Hv 45/17v-51, und weiters über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hamid D***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB (I) sowie je eines Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (III), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (IV) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (V) schuldig erkannt.
Danach hat er in D***** und an anderen Orten Österreichs
(I) am 25. Jänner 2017 im einverständlichen Zusammenwirken mit drei bislang unbekannten Mittätern Branimir Z***** 900 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen,
wobei er auf frischer Tat betreten Gewalt gegen den Bestohlenen anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er Branimir Z***** gemeinsam mit den Mittätern Faustschläge und Fußtritte gegen den Kopf und den Oberkiefer versetzte, wodurch der Genannte eine Unterkiefer-Corpusfraktur links und eine Collumfraktur rechts erlitt;
(II) im Zuge der zu (I) geschilderten Tat Mateusz Dy***** mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Leistung von Nothilfe zugunsten des Branimir Z*****, zu nötigen versucht, indem er ihm einen Faustschlag zu versetzen versuchte, den der Genötigte abwehren konnte;
(III) in der Nacht zum 26. Jänner 2017 Mateusz Dy***** mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihm per SMS mitteilte, er werde ihm „die Eier abschneiden“;
(IV) am 11. Juni 2017 die Polizeibeamtin Franziska L***** mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Durchsuchung seiner Person, zu hindern versucht, indem er sich aus dem Griff der Beamtin, die ihn während seines Fluchtversuchs von hinten am Hemdkragen erfasst hatte, dadurch losriss, dass er vor einer metallenen Geländerstange „kraftvoll abtauchte“ und die Genannte, die sich nicht mehr rechtzeitig ducken konnte, mitriss, wodurch diese mit dem rechten Arm gegen die Stange prallte;
(V) durch die zu (IV) geschilderte Tat Franziska L***** während und wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben und Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine Prellung am rechten Oberarm zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Die Mängelrüge verfehlt zur Gänze die Ausrichtung am Verfahrensrecht.
Indem sie – großteils auf Basis allgemeiner, vom Sachverhalt losgelöster Überlegungen – die Ansicht vertritt, „die Beweiswürdigung“ widerspreche „insgesamt den Anforderungen an eine nachvollziehbare, widerspruchsfreie, schlüssige und überprüfbare, an Art 6 MRK und Art 2 7. ZPMRK orientierte Beweiswürdigung, insbesonders angesichts der inhaltlichen Unanfechtbarkeit“, ohne sich auf eine davon betroffene Feststellung (zu entscheidenden Tatsachen) zu beziehen oder einen, nach ihrer Ansicht vorliegenden Mangel im Sinn der Z 5 konkret zu nennen, wird sie dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände nicht gerecht (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO; RIS-Justiz RS0099563).
Soweit sie sich gegen einzelne Erwägungen des Erstgerichts zur Unglaubwürdigkeit der Angaben „der Entlastungszeuginnen“ wendet, diese einerseits als „schwer nachvollziehbar“ bezeichnet, andererseits überhaupt bloß (noch dazu verkürzt) wiedergibt (US 8 f) und – ohne jegliche Konkretisierung – allgemein beklagt, „die Beweiswürdigung“ versuche „wie leider üblich, Aussagen bei der Polizei höher zu gewichten als solche vor Gericht“, übersieht sie zudem, dass die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also der Glaubwürdigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431; RIS-Justiz RS0106588 [T13]). Sie kann nur unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0119422 [T2, T4]), was die Beschwerde gar nicht behauptet.
Eine Beweisregel des Inhalts, Aussagen, die ein Zeuge vor Gericht abgelegt hat, sei jedenfalls höherer Beweiswert zuzuerkennen als im Rahmen kriminalpolizeilicher Befragungen getätigten (nicht mittels Video aufgezeichneten) Angaben, welche die Beschwerde mit der – nicht nachvollziehbaren – Begründung fordert, dass eine gegenteilige Beweiswürdigung „nicht nur der Lebenserfahrung, sondern insbesondere auch Art 6 MRK“ widerspreche und zudem „unvertretbar“ sei, ist dem Gesetz im Übrigen fremd (§ 258 Abs 2
StPO). Die Behauptung, es würde einer Darlegung (gemeint offenbar im Urteil) von Tag, Zeit, Umständen und Abfolge von Aussagen bedürfen, um diese „wirklich würdigen zu können“, ist gänzlich unverständlich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizit erhobene) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122175European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00062.18A.0703.000Im RIS seit
25.07.2018Zuletzt aktualisiert am
23.07.2021