TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/4 W264 2166468-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.07.2018
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Entscheidungsdatum

04.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W264 2166468-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.7.2017, Zahl:

1093069509-151668614/BMI-BFA-BGLD-RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 (AsylG) sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) ist afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 1.11.2015 (drei Wochen vor seinem 17. Geburtstag) nach unrechtmäßiger Einreise in Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 2.11.2015 (drei Wochen vor seinem 17. Geburtstag) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari befragt zu seinem Fluchtgrund an:

"In Afghanistan herrscht Krieg, es gibt keine Bildungsmöglichkeiten. Mein Vater sagte zu mir ich soll in ein sicheres Land gehen, denn dort hätte ich bessere Zukunftsaussichten."

3. Im vorgelegten Fremdakt liegt ein medizinisches Sachverständigengutachten über die Altersfeststellung des BF ein, wonach für den BF im Zeitpunkt der Untersuchung am 7.12.2015 ein Mindestalter von 16,9 Jahren anzunehmen war.

Weiters liegt eine Teilnahmebestätigung des Diakonie Flüchtlingsdienstes über einen Kurs "Deutsch für Anfänger" vom 20.5.2016 ein, eine Bestätigung des Diakonie Flüchtlingsdienstes über die regelmäßige Teilnahme am Deutschkurs vom 30.11.2016, eine Einverständniserklärung der XXXX vom 21.11.2016 über die Teilnahme am Workshop XXXX , ein Schülerdatenblatt, wo als Erziehungsberechtigter der Jugendwohlfahrtsträger vertreten durch die BH XXXX , ausgewiesen ist und ebenso die Bestätigung & Empfehlungsschreiben des Vereins Taekwondo XXXX vom 7.12.2016, wonach der BF in den Verein aufgenommen sei.

4. Am 12.12.2016 wurde die Niederschrift vor der belangten Behörde angefertigt, worin die Angaben des BF über seine Fluchtgründe dokumentiert wurden (Alter des BF: ca. eine Woche nach seinem 18. Geburtstag). Er gab auf Befragen an ob er bei der Polizei die Wahrheit gesagt und alle Ausreisegründe bzw Rückkehrbefürchtungen genannt habe, an: "Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe nichts zu verbergen."

Für die näheren Angaben des BF vor der belangten Behörde wird auf diese Niederschrift verwiesen (AS 193 bis 211).

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 18.7.2017 wurde mit Spruchpunkt I. der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen, sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt, wobei gleichzeitig seine Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. iVm § 9 BFA-VG ausgesprochen wurde (Spruchpunkt III.). Mit Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates sowie zur Situation im Fall seiner Rückkehr, zu seinem Privat- und Familienleben und zur Lage in seinem Herkunftsstaat.

6. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die Beschwerde vom 31.7.2017, mit welcher der Bescheid in vollem Umfang angefochten wurde und darin dazu näher ausgeführt wurde (für den Inhalt der Beschwerde wird auf diesen in AS 357 bis 411 hingewiesen).

7. Der Akt langte beim Bundesverwaltungsgericht am 3.8.2017 gemeinsam mit einem Vorlagebericht, worin die belangte Behörde Bemerkungen zum Verfahren vortrug, ein. Am 27.2.2018 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführt, an welcher ein Dolmetsch für Dari teilnahm.

Der BF erschien im Beisein seines Rechtsvertreters und legte dem Gericht folgende Beweismittel zu seiner bisherigen Integration und zur Sicherheitslage in seiner Herkunftsprovinz Ghanzi vor:

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Schreiben seiner Klassenvorständin Mag. XXXX , wonach sie über den BF als Schüler und über die Inhalte des vorgetragenen Lehrstoffs berichtet

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Schulbesuchsbestätigung der HBLA XXXX vom 26.2.2018

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ACCORD-Bericht zur Sicherheitslage in Ghazni [a-10356] vom 28.9.2017

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UN General Assembly Security Council vom 10.8.2017 über die Situation in Afghanistan, A/72/312-S/2017/696

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Entschließung des EP vom 14.12.2017 zur Lage in Afghanistan (2017/2932 (RSP))

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Online-Bericht der Zeitung DER STANDARD vom 18.1.2018 "Afghanische Botschafterin will keine Zwangsabschiebungen"

-

Dokument "Sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul von Jänner 2017 bis Jänner 2018", entnommen aus ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan vom 13.2.2018

Zusammengefasst brachte der BF, welcher auf die Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG und das Aussageverweigerungsrecht hingewiesen wurde, die bei der belangten Behörde vorgetragenen Fluchtgründe vor. Auch zu seiner Herkunftsprovinz, der Volksgruppe und Religionszugehörigkeit machte er die gleichen Angaben wie vor der belangten Behörde.

Er gab an, dass er das älteste Kind seines Vaters sei. Auf die Frage "warum sind Sie aus Afghanistan weggegangen?" gab er an, dort wo er gelebt habe, habe Krieg geherrscht und man habe dort einfach nicht leben können, daher habe ihn der Vater hierher geschickt. Auf die Frage "Welche Gründe hat es noch gegeben, weshalb Sie aus Afghanistan weg mussten?" gab er zur Antwort: "Ich konnte dort nicht zur Schule gehen. Unsere Schule wurde dort immer wieder bedroht. Zwei oder drei Mal gab es sogar Minen vor der Eingangstür der Schule".

Auf die Frage ob er jemals von irgendeinem Menschen persönlich bedroht oder verfolgt worden wäre, führte er "zweimal von den Taliban" ins Treffen und konkretisierte, diese hätten ihm gesagt, dass er nicht zur Schule gehen dürfe. Auf Nachfrage ob diese ihm nur den Schulbesuch untersagt oder auch sonst noch etwas gemacht hätten, antwortete der BF: "Nein, sie sagten nur, ich soll nicht zur Schule gehen und danach haben sie unsere Schule geschlossen". Auf die Frage ob diese mit Sanktionen für den Fall, dass er trotzdem zur Schule gehe, gedroht hätten, gab er an: "Ja, sie sagten ‚wenn du zur Schule gehst, werden wir dich wegbringen'. Einige andere Schüler haben sie geholt und getötet". Daraufhin war ihm vorzuhalten, dass er dies nicht gleich vorgebracht habe, sondern erst auf Nachfrage und gab er an, "vielleicht [...] nicht mit den Gedanken bei der Sache" gewesen zu sein und wurde er aufgefordert, dass es wichtig sei, mit dem Kopf bei der Sache zu sein.

Auf die Frage "Welche Gründe hat es noch gegeben, dass Sie aus Afghanistan weggegangen sind?" antwortete der BF, dass sie in seiner Gegend eine Schule nach der anderen geschlossen hätten, sodass er nicht mehr zur Schule gehen habe können und habe er daher keine Zukunftsperspektiven gehabt. Deshalb sei er dort weggegangen.

Auf Vorhalt dass er gesagt habe, dass die Taliban einige Schüler geholt und getötet hätten und ob er wisse, wie die Taliban diese Schüler getötet hätten, gab er zur Antwort, dies nicht mit eigenen Augen gesehen zu haben, aber man habe immer wieder darüber gesprochen, dass zwei der Jungs geholt worden seien und diese nie wieder aufgetaucht seien. So habe er davon erfahren, so der BF.

Die Richterin stellte weiters die Frage "Was fällt Ihnen sonst noch ein? Welche Gründe möchten Sie uns sonst noch erzählen?". Darauf brachte der BF vor: "Ich bin von Afghanistan weg und hierhergekommen, weil ich eine bessere Zukunft haben will. Ich will mich fortbilden können und irgendwann ein normales Leben führen können".

Die Frage "gibt es sonst noch irgendwelche Gründe?" verneinte der BF.

Hernach stellte ihm die Richterin die Frage "Haben Sie jetzt alle Ihre Gründe, von denen Sie sagen ‚das lag mir am Herzen, warum ich weggehen musste' vorgebracht?" und bejahte er dies und führte dazu näher aus: "Ich war es einfach schon leid. Ich konnte die Situation dort nicht mehr aushalten und diese Unsicherheit. Ich lebte in Ghazni und es war nicht einmal möglich, dass ich zum Beispiel nach Kabul fahre. Was ist as für ein Leben, wenn man sich im eigenen Land kaum bewegen kann."

Warum er nach Kabul fahren wolle konkretisierte er damit, dass er als sein "größtes Problem" sein Religionsbekenntnis (schiitisches Glaubensbekenntnis) ins Treffen führte und vorbrachte, dass viele Schiiten einfach ohne Grund von den Taliban mitgenommen und getötet worden seien. Überall gäbe es Anschläge - entweder Selbstmordattentäter oder sie würden auf den Routen stehen und die Leute mitnehmen. Er habe in Kabul Verwandtstadt, einen Cousin namens XXXX , mit welchem er während seines Aufenthalts im Herkunftsstaat in Kontakt gewesen sei, nun aber nicht mehr, weil er dessen Telefonnummer nicht habe und der Cousin nicht über Internetzugang verfüge.

Der BF gab in der Verhandlung an, dass sein Mobiltelefon die Woche zuvor kaputtgegangen sei und habe er von einem der Jungs ein Mobiltelefon bekommen "aber da ist kein Facebook und gar nichts drauf". Auf die Frage "wie heißen Sie im Facebook?" logte er sich auf dem mitgebrachten Mobiltelefon der Marke SAMSUNG in der Verhandlung in Facebook ein und gab er an "Ich meine damit, dass ich mir dieses Handy nur ausgeborgt habe". Auf die Frage "Können Sie mir die Telefonnummer sagen, unter der Sie erreichbar sind und wem gehört dieses Handy?" gab er an, dass dieses Mobiltelefon einem Freund von ihm gehöre, sein Mobiltelefon sei komplett ausgeschaltet, es sei kaputt und liege zu Hause, man könne damit nichts machen. Auf die Frage "Wie lautet Ihre Telefonnummer" gab er die Nummer 0681 84028347 an und wurde vom Apparat des Verhandlungssaals aus diese Nummer angewählt, woraufhin das Mobiltelefon, welches der BF mit sich führte, klingelte. Davon wurde ein Lichtbild angefertigt, auf welchem während des Anrufvorgangs das vom BF mitgeführte Mobiltelefon und der Festnetzapparat des Verhandlungssaals abgebildet sind. Nach Vorhalt, dass auf diesem Mobiltelefon "Facebook" abrufbar ist gab er an, dass er seine Simcard in das mitgebrachte Mobiltelefon eingelegt habe und bestätigte er, dass auf dem mitgebrachten Mobiltelefon Facebook abrufbar sei. Auf die Aufforderung Facebook vorzuweisen gab er an "das wird leider nicht gehen, weil ich leider kein Internet habe" und ist auf dem angefertigten Lichtbild ersichtlich, dass das mitgeführte Mobiltelefon kein Symbol für aktives Wireless LAN (Wireless Local Area Network) oder für Mobiles Internet am Display anzeigte.

Mit seiner Mutter in Afghanistan habe er noch Kontakt, indem er sie am Handy anrufe. Mittlerweile sei die Familie des BF laut Angaben seiner Mutter in den Iran gegangen "weil die Situation schlecht ist und Krieg herrscht" und sei sie seither telefonisch nicht mehr erreichbar. In Afghanistan habe er noch eine Cousine (Tochter der Tante väterlicherseits) namens XXXX (in Bamyan), mit welcher er noch vor drei oder vier Monaten per Facebook in Kontakt gestanden sei, eine Tante Zara welche in Ghazni lebe, einen Cousin (Sohn der Tante väterlicherseits) namens Javad in Ghazni. Er habe einen Cousin (Sohn des Onkels mütterlicherseits), welcher im Iran lebe. Der Onkel väterlicherseits und der Onkel mütterlicherseits, welche an der Adresse der Eltern gewohnt hätten, seien beide nach Pakistan gegangen, habe sein Vater vor drei Monaten erzählt.

Auf die Frage ob es sonst noch einen Fluchtgrund gäbe, welchen er vortragen möchte, welcher ihn zum Verlassen Afghanistans veranlasst hätte, gab er an: "Nein".

Der BF gab auf die Frage ob er in Afghanistan irgendwann einmal von irgendwem bedroht oder verfolgt worden sei an "bis auf die zwei Male, wo ich auf dem Weg von den Taliban verwarnt [Anm: sic! Laut Dolmetsch dieses Wort gebraucht] wurde, gab es keine weiteren Verfolgungen oder Bedrohungen". Er sei im Herkunftsstaat weder bei einer Partei gewesen, noch sei er weil er Hazara ist verfolgt oder bedroht worden. Er habe dort weder mit den Behörden, noch den Gerichten oder der Polizei Probleme gehabt und sei dort nicht in Haft gewesen. Er habe kein Eigentum in Afghanistan und befürchte für bei einer Rückkehr dass es sein könne, dass man den Taliban davon berichte oder diese es selbst herausfinden würden, "dass ich aus dem Ausland gekommen bin".

Die Frage wer dies den Taliban berichten sollte beantwortete er so:

"Wer weiß das schon. Dann würden mich die Taliban holen. Außerdem habe ich ja niemanden mehr in Afghanistan, also wohin sollte ich gehen." Wann man nicht mit der eigenen Familie dort sei, wie solle man dort leben, so der BF.

Der BF gab an, was er in Österreich mache und dass er den Beruf des Friseurs ergreifen wolle. Österreichische Freunde habe er nicht. Auf Befragen des Rechtsvertreters führte er zu seiner Kernfamilie und seinem Cousin in Kabul und zu seinen Cousinen weiter aus. Er gab an, in Ghazni für drei Monate lange vor seiner Flucht bei einem Tischler gearbeitet zu haben, da es ihm nicht so gut gefallen habe, sei er dort weggegangen. Diese Arbeit habe er über seine Freunde damals erlangt und sei es ziemlich schwer, Arbeit zu finden. Diese Freunde seien in Ghazni, namentlich ein Freund namens Saffar, zu welchem er mangels Telefonnummer und Facebookkontakt keine Verbindung habe. Bis zu seiner Ausreise habe er mit Saffar Kontakt gehabt, so der BF. Die Freundschaft habe vier oder fünf Jahre angedauert.

Der Rechtsvertreter führte in seinem Schlusswort unter Verweis auf den Beschwerdeschriftsatz und die vorgelegten Beweismittel zum Länderbericht aus, insbesondere zur fragilen Sicherheitslage und zu der katastrophalen Sicherheitslage in Kabul, so der Rechtsvertreter. Die UNO gehe mittlerweile davon aus, dass sich Afghanistan nicht mehr in einem ‚Zustand nach einem Krieg', sondern in einem ‚Zustand im Krieg' befinde.

Der BF sei nicht der Sprache der Mehrheitsbevölkerung, Paschtu, mächtig, sodass es für ihn keine Möglichkeit gäbe, sich als Angehöriger einer Minderheit auf Dauer gefahrlos niederlassen zu können und habe er auch keinen Familienverband, welcher ihn unterstützen könne.

Am Ende der Verhandlung begehrte der BF festgehalten zu wissen, dass das Alt seiner Eltern jeweils falsch protokolliert sei: er habe bei der Mutter 38 angegeben und sei 28 protokolliert worden und bei dem Vater 40 angegeben, wo jedoch 30 protokolliert worden sei. Das habe er bereits damals schon erwähnt.

Der BF gab auf Befragen an gesund zu sein und für den Verhandlungstag beschrieb er seinen Gesundheitszustand mit "heute fit".

Es erfolgte eine Rückübersetzung und wurde gegen die Niederschrift keine Einwendung wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit erhoben.

Beweismittel betreffend die Identität und das Fluchtvorbringen des BF wurden weder in der Verhandlung noch mit der Stellungnahme zum Länderbericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

1.1. Zur Person des BF wird festgestellt:

1.1.1. Die Identität steht mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.

Der BF reiste als mündiger Minderjähriger im Alter von 16 Jahren und 11 Monaten unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 1.11.2015 den Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Der Beschwerdeführer ist ein junger Mann von nunmehr 19 1/2 Jahren im erwerbsfähigen Alter. Er ist ledig, hat keine Sorgepflichten und ist gesund. Der BF stammt aus der Provinz Herat. Er ist Tadschike und bekennt sich zum islamischen Glauben (Sunnit).

Der BF hat in seinem Herkunftsstaat die Schule besucht und Arbeitserfahrung bei einem Tischler erworben. Das Ausmaß der Schulausbildung sowie der Arbeitserfahrung kann nicht festgestellt werden.

1.1.2. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörige.

Der BF verfügt über Familienangehörige in Afghanistan, im Iran und in Pakistan.

Der BF hat sich in Österreich im Wege von Deutschkursen bereits mit der deutschen Sprache vertraut gemacht. Im Zeitpunkt der Verhandlung waren die Deutschkenntnisse des BF bloß rudimentär und war eine flüssige Konversation mit ihm in deutscher Sprache in der Verhandlung nicht möglich.

Der BF lebt von der Grundversorgung und scheinen ihn betreffend keine Vorbemerkungen im österreichischen Strafregister auf.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF wird festgestellt:

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Das vom BF dargelegte Verfolgungsvorbringen betreffend eine Gefährdung seiner Person in Afghanistan kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einer gezielten Verfolgung seitens der Taliban ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF zu einer besonders gefährdeten Gruppe iSd UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchende vom 19.4.2016 zählt.

Der BF war in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert.

Er war nie Mitglied einer Partei.

Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat weder von der Polizei, noch von einem Gericht oder einer Behörde jemals gesucht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsstaat wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit je verfolgt oder bedroht worden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsstaat wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten verfolgt oder bedroht worden ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsstaat durch Dritte und / oder die Taliban verfolgt oder bedroht worden wäre.

Der BF hat seinen Herkunftsstaat wegen der Sicherheitslage und in Ermangelung von Zukunftsperspektiven für seine Person verlassen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat wird festgestellt:

Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich zuletzt in Europa aufgehalten hat bzw dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Betreffend seine Heimatprovinz Ghazni ist zu sagen, dass laut aktuellem Länderbericht vom 29.6.2018 in dieser Provinz bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der Provinz Ghazni am 21.5.2018 mindestens 14 Polizisten ums Leben kamen (AJ 22.5.2018).

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv (Khaama Press 1.2.2018; vgl. SD 1.2.2018). In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen (Xinhua 18.3.2018).

Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch (IWPR 15.1.2018).

Betreffend den BF besteht somit eine allgemeine Gefährdungslage bezüglich dessen Heimatsprovinz Ghazni.

Dem BF stehen innerstaatliche Fluchtalternativen zur Verfügung, nämlich Kabul (wo sein Cousin lebt und wo laut Länderbericht Menschen aller Ethnien - auch Hazara - leben und wo Hazara jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen gehören), Herat (trotz militärischer Operationen und Angriffen von Regierungsfeinden eine relativ entwickelte und relativ friedliche Provinz im Westen des Landes, wo unter anderem Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden und wo auch Hazara leben) oder Mazar-e Sharif (Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst). Der BF verfügt über eine Cousine in der Provinz Bamyan, welche laut aktuellem Länderbericht idF 29.6.2018 als "einzige opiumfreie" und "relativ friedliche Provinz" bezeichnet wird. Zu Bayman ist festzuhalten, dass dort etwa 96% der Bevölkerung die Sprache des BF spricht (Dari) und dort mehr als 90% der Bevölkerung sich zu dem Glauben des BF bekennen (schiitischer Islam).

Der BF kann Afghanistan von Österreich aus gefahrlos erreichen:

* Kabul via Flughafen Kabul

* Herat via Flughafen Kabul und anschließend Busverbindung nach Herat oder über den internationalen Flughafen Herat oder via Flughafen Kabul und über die Autobahn Ring Road per Taxi

* Mazar-e Sharif über den Flughafen Mazar-e Sharif oder via Flughafen Kabul und anschließend Busverbindung nach Mazar-e Sharif oder über den Flughafen Kabul mit anschließender Taxifahrt über die Autobahn Ring Road

* Bamyan via Flughafen Bamyan oder via Flughafen Kabul mit anschließender Busverbindung nach Bayman.

Der nunmehr volljährige BF ist erst seit November 2015 in Österreich. Er besuchte zwar Deutschkurse, jedoch ist sein Wortschatz der deutschen Sprache nicht derart, dass er in der Verhandlung eine flüssige Antwort auf einfache Fragen geben konnte. Der sich zum schiitischen Glauben bekennende BF ist jedoch einer der in Afghanistan gängigen Sprachen (Dari) mächtig und verbrachte seine Lebenszeit von Geburt an bis zur Ausreise nach Europa im Herkunftsstaat Islamische Republik Afghanistan. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF, welcher in Afghanistan sozialisiert wurde, bei Rückkehr in Afghanistan vor der Ausreise bestandene Freundschaften reaktivieren wird können und so soziale Anknüpfungspunkte (wieder-)erwerben kann bzw von seinen Familienmitgliedern im benachbarten Ausland Geldüberweisungen erlangen kann. Bei der Wiederansiedelung kann ihm Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan oder von den Rückkehrprogrammen der afghanischen Regierung Unterstützung geleistet werden.

1.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat Afghanistan wird - fußend auf Auszügen aus der Fassung des Länderberichts vom 29.6.2018 und den nachstehend genannten Quellen - festgestellt:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Konkrete Informationen zu Zahlen und Tätern können dem Subkapitel "Regierungsfeindliche Gruppierungen" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Weiterführende Informationen zu den regierungsfreundlichen Gruppierungen können dem Kapitel 5. "Sicherheitsbehörden" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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