TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/5 W238 2183237-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2018
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Entscheidungsdatum

05.07.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W238 2183237-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Lange Gasse 53, 1080 Wien, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 12.10.2017, OB XXXX, nach Beschwerdevorentscheidung vom 20.12.2017, betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung dahingehend abgeändert, dass dem Antrag des Beschwerdeführers vom 24.03.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass Folge gegeben wird.

II. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 1 lit. g der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung dahingehend abgeändert, dass dem Antrag des Beschwerdeführers vom 24.03.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" in den Behindertenpass Folge gegeben wird.

Es wird festgestellt, dass die zugrundeliegende Gesundheitsschädigung Diabetes mellitus Typ II seit der Erstdiagnose am 23.10.2010 besteht.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (jeweils) nicht

zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer verfügt seit 02.11.1992 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H.

2. Am 24.03.2017 beantragte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Beweismittel die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO sowie die Vornahme der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" wegen Diabetes mellitus. Weiters wurde beantragt, diese Gesundheitsschädigung rückwirkend festzustellen.

3. Seitens der belangten Behörde wurde in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.08.2017 erstatteten - Gutachten vom 05.10.2017 wurde als Ergebnis der Begutachtung eine Diagnoseliste mit folgenden dauernden Funktionseinschränkungen erstellt: 1. Morbus Crohn/Colitis ulcerosa, 2. Zustand nach Colektomie bei bösartiger Neubildung im Dickdarm, 3. operiertes Prostatacarcinom 2014, 4. Funktionseinschränkung in beiden Hüftgelenken, 5. Varikositas mit chronisch-venöser Insuffizienz des linken Unterschenkels, 6. Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die begehrten Zusatzeintragungen wurde vom Sachverständigen verneint. Zusammenfassend wurde im Gutachten diesbezüglich ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung festgestellten Leiden weder die Gehleistung noch die Beweglichkeit der Arme maßgeblich eingeschränkt seien, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleistet seien. Eine höhergradige Stuhlinkontinenz, welche zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führe, sei nicht ausreichend durch aktuelle, aussagekräftige Facharztbefunde belegt. Auch betreffend die geltend gemachte Diabeteserkrankung würden keine Facharztbefunde vorliegen.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.10.2017 wurden die Anträge des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf das ärztliche Sachverständigengutachten vom 05.10.2017, wonach die Voraussetzungen für die beantragten Zusatzeintragungen nicht gegeben seien. Das Gutachten vom 05.10.2017 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage des Bescheides übermittelt.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass bereits im Zuge der Antragstellung ein Befund vom 23.06.2010 betreffend Diabetes mellitus Typ II vorgelegt worden sei. Aus dem Befund des AKH vom 07.03.2017 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer Diamicron-Tabletten einnehmen müsse und einen schlechten HbA1c-Wert aufweise. Ein aktueller Blutbefund vom 11.10.2017 wurde als weiterer Beweis in Vorlage gebracht.

Aufgrund der Morbus Crohn Erkrankung habe der Beschwerdeführer bis zu zehn Stuhlgänge am Tag sowie nächtliche Stühle bei Dranginkontinenz. Die mehrmals im Monat auftretenden Phasen der Stuhlinkontinenz und Flatulenzen seien unvorhersehbar, schubartig und könnten vom Beschwerdeführer nicht beeinflusst werden. Handelsübliche Hilfsmittel wie Einlagen seien nicht geeignet, der Verunreinigung und Geruchsbelästigung vorzubeugen. Dieser Zustand sei mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht vereinbar. Weiters leide der Beschwerdeführer an einer primär axonalen Polyneuropathie. Er habe deswegen Schmerzen und Missempfindungen an beiden unteren Extremitäten. Die Schmerzen würden verstärkt beim Stehen und Gehen auftreten, es sei ein ständiges Taubheits- und Kribbelgefühl vorhanden. Die Gehstrecke des Beschwerdeführers sei auf unter 300 Meter eingeschränkt.

Abschließend beantragte der Beschwerdeführer, der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass den Anträgen auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" in den Behindertenpass stattgegeben werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Weiters begehrte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen Innere Medizin sowie Neurologie.

6. Daraufhin holte die belangte Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage der Akten erstatteten Gutachten vom 20.12.2017 wurde zwar nach Durchsicht der Befunde ein neues Leiden (Polyneuropathie) in die Diagnoseliste aufgenommen. Hinsichtlich der begehrten Zusatzeintragungen erfolgte jedoch keine Änderung der Einschätzung. Begründend wurde seitens des Sachverständigen erneut festgehalten, dass - unter Berücksichtigung der im Rahmen der Untersuchung festgestellten Leiden, insbesondere der degenerativen Abnützungen, einer Polyneuropathie ohne motorisches Defizit und ohne signifikante Polyneuropathie-Symptomatik sowie erfolgter operativer Interventionen im Bereich des Darmes und des Urogenitaltraktes - bei normalem Allgemeinzustand und sehr gutem Ernährungszustand, ohne wesentliche kardiorespiratorische Leistungseinschränkung und mit erhaltener Kraft aller Extremitäten weder die Gehleistung noch die Beweglichkeit der Arme maßgeblich eingeschränkt seien, sodass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln möglich und zumutbar seien. Eine höhergradige Stuhlinkontinenz sei durch aktuelle, aussagekräftige Facharztbefunde (nach wie vor) nicht ausreichend belegt. In Ermangelung von aktuellen und aussagekräftigen Facharztbefunden, welche einen rezenten Diabetes mellitus attestieren, könne auch die beantragte Zusatzeintragung "D1" nicht zuerkannt werden. Ein einzelner HbA1C-Wert oder die bloße Angabe einer Medikation sei nicht geeignet, das Vorliegen eines Diabetes mellitus ausreichend zu untermauern.

7. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 20.12.2017 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 12.10.2017 gemäß §§ 41, 42 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" nicht vorliegen. Begründend wurde auf das im Zuge der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eingeholte Gutachten vom 20.12.2017 verwiesen. Dieses wurde dem Beschwerdeführer als Beilage zur Beschwerdevorentscheidung übermittelt.

8. Am 09.01.2018 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag ein. Darin führte er aus, dass bereits im Befund vom 23.06.2010 die Diagnose Diabetes mellitus enthalten worden sei. Die Befunde aus dem Jahr 2009 würden ergeben, dass der HbA1C-Wert erhöht gewesen sei. Im Befund vom 11.10.2017 sei ebenfalls eine Erhöhung des Glucose-Werts und des HbA1C-Werts feststellbar. Die Zuckerwerte seien seit 2010 erhöht und nicht im Normbereich, weshalb dem Beschwerdeführer ein Blutzuckermessgerät von der Krankenkasse bewilligt worden sei und eine regelmäßige Tabletteneinnahme erfolge.

Hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wurde wiederholt, dass der Beschwerdeführer an Morbus Crohn leide und eine sehr hohe Stuhlfrequenz mit Dranginkontinenz aufweise. Der Stuhl sei kaum zurückhaltbar, die Konsistenz meist flüssig. Die mehrmals im Monat auftretenden Phasen der Stuhlinkontinenz und Flatulenzen seien unvorhersehbar, schubartig und könnten vom Beschwerdeführer nicht beeinflusst werden. Daher sei es dem Beschwerdeführer keinesfalls zumutbar und möglich, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Die Befunde vom 15.12.2017 und vom 07.03.2017 würden die vorliegende Stuhlproblematik sowie die Diagnose Morbus Crohn mit Inkontinenz belegen.

9. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 17.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Am 13.02.2018 wurden vom Beschwerdeführer Befunde nachgereicht.

11. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden in weiterer Folge Begutachtungen des Beschwerdeführers durch eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und einen Facharzt für Innere Medizin veranlasst.

11.1. In dem daraufhin auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstatteten Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 26.02.2018 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (Wiedergabe ergänzt um die zugehörigen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen. Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus. Kraft, Sensibilität und Reflexe. Keine pathologischen Reflexe. An den unteren Extremitäten ab den Waden Dys- und Parästhesien und bamstiges Gefühl an den Fußsohlen. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unauffällig. Gangbild unauffällig. Nur oft beim Aufstehen und Gehen plötzliche Schmerzen und Einschießen von Schmerzen. Unvermittelt. Nicht radiculär.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik. Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit ausgeglichen, freundlich, kooperativ. In alle Richtungen gut mitschwingend. Stabil. Keine Suizidalität.

Nachträglich beigebrachte Befunde:

1. MRT LWS Dr. XXXX, Radiologe, vom 21.11.2017:

Discopathien mit Discusprotrusionen L1/2 links. L2/3 rechts, L3/4 links mehr als rechts, L4/5 beidseits, L5/S1 Discushernie.

Diese Befunde, die sich radiologisch zeigen, sind neurologisch radiculär nicht nachweisbar.

2. Neurologischer Befund von Frau Dr. XXXX vom 6.2.2018:

Primär axonale PNP

Organneurologischer Status: gute Gleichgewichtsreaktionen. Zehenspitzen- und Fersengang beidseits möglich, kein motorisches Defizit. Pallhypodysästhesie beidseits.

Dieser Befund stimmt auch mit meinem neurologischen Befund überein.

Beantwortung der gestellten Fragen:

1. Diagnosen: Beschwerdeführer (BF) leidet an:

1.1. Discopathien mit Bandscheibenvorwölbungen in mehreren Lendenwirbelabschnitten ohne radiculäre Auswirkungen.

1.2. Polyneuropathie mit Missempfindungen ohne motorische Defizite der unteren Extremitäten.

2. Liegen - auch unter Berücksichtigung der Polyneuropathie - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Trotz der Diagnosen 1.1. und 1.2. liegen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. BF ist trotzdem in der Lage, eine Gehstrecke von 300 bis 400 Metern zurückzulegen.

3. Liegen - auch unter Berücksichtigung der Polyneuropathie - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor.

4. Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden und Unterlagen:

Die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegte Befunde und Unterlagen bringen keine neuen Erkenntnisse.

5. Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde sowie des Vorlageantrags erhobenen Einwendungen:

Die Polyneuropathie wurde berücksichtigt, führt sicher zu Missempfindungen und Schmerzen, zu Kribbeln und Taubheitsgefühlen, wirkt sich aber nicht auf die Motorik aus und führt daher nicht zu einer wesentlichen Störung der Gehfähigkeit und Sicherheit beim Gehen, sodass die angegebene Einschränkung der Gehstrecke auf unter 300 Meter nicht nachvollzogen werden kann.

6. Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde und des Vorlageantrags vorgelegten Befunden, die das neurologische

Fachgebiet betreffen:

MRT LWS Dr. XXXX, Radiologe, vom 21.11.2017:

Discopathien mit Discusprotrusionen L1/2 links, L2/3 rechts, L3/4 links mehr als rechts, L4/5 beidseits, L5/S1 Discushernie

und:

Neurologischer Befund von Frau Dr. XXXX vom 6.2.2018:

Primär axonale PNP

Organneurologischer Status: gute Gleichgewichtsreaktionen. Zehenspitzen- und Fersengang beidseits möglich, kein motorisches Defizit. Pallhypodysästhesie beidseits, ergeben keine Änderung der Beurteilung, da der MRT-Befund zwar deutliche Pathologien zeigt, die sich zwar in Schmerzen, aber nicht neurologisch im selben Maße auswirken und der neurologische Befund beweist, dass kein entsprechendes motorisches Defizit vorliegt.

7. Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:

a. der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen,

b. der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Aussteigemöglichkeit,

c. der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen,

d. der Schwierigkeiten beim Stehen,

e. der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche,

f. der Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt - Bestehen ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten?

g. Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden? Sind diese zumutbar?

Der BF ist in der Lage, eine Strecke von 300 bis 400 Meter zurückzulegen, es ist die Ein- und Aussteigmöglichkeit gegeben, die Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen zu überwinden, die Schwierigkeiten beim Stehen, die Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche [liegen nicht vor], die ausreichende Stand- und Gangsicherheit während der Fahrt und auch die ausreichende Kraft zum Anhalten während der Fahrt sind gegeben. Die Schmerzen, verursacht durch die Discopathien, sind zumutbar (ersichtlich durch die Medikation).

8. Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 05.10.2017 inkl. Stellungnahme vom 20.12.2017 abweichenden Beurteilung.

Keine Änderung zu den angefochtenen Gutachten.

9. Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

11.2. In dem ebenfalls auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstatteten Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin vom 10.04.2018 wurde im Einzelnen Folgendes ausgeführt (Wiedergabe ergänzt um die zugehörigen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"Sachverhalt:

...

Wesentlich im internistischen Fachbereich:

Chronisch entzündliche Darmerkrankung (die Diagnosen haben im Laufe der Zeit zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa geschwankt) seit 1968, Betreuung an der damaligen II. Medizinischen Universitätsklinik, 1979 wurde an der I. Chirurgischen Klinik von Herrn XXXX eine Dickdarmentfernung durchgeführt, es wurde ein Pouch als Stuhlreservoir angelegt.

Ergänzende Anamnese mit dem Beschwerdeführer:

...

Keine weitere Operation am Darm, allerdings sind in der Folge perianale Fisteln aufgetreten, diesbezüglich aber keine chirurgischen Interventionen.

Stuhlgänge derzeit durchschnittlich 10x täglich, wobei die Stuhlgänge durch die Fisteln häufig sehr schmerzhaft sind und die Reinigung erschwert ist.

2014 war im SMZ-Ost eine Prostata-OP vorgesehen, konnte aber wegen der Verwachsungen nicht wie geplant durchgeführt werden, die Prostata konnte nicht operiert werden, es wurde lediglich ein Lymphknoten entnommen. Aus den Angaben ist zu schließen, dass es sich um bösartige Veränderungen gehandelt hat. In der Folge an der Radioonkologie im SMZ-Ost eine Spickung der Prostata (Einbringung radioaktiven Materials mit lokal und zeitlich begrenzter Aktivität zur Beseitigung von Tumorzellen) durchgeführt Ein weiterer Eingriff war nicht notwendig, der onkologische Verlauf ist offensichtlich zufriedenstellend.

Befragt dazu, warum er nicht mit der Straßenbahn fahren könne, gibt er an, dies sei wegen der Inkontinenz und der Schmerzen in den Beinen der Fall. Er muss ständig Einlagen tragen, der Stuhldrang ist derart dringlich, dass er nahezu unmittelbar nach Verspüren des Stuhldranges auf die Toilette muss. Außerdem werden die Beschwerden durch Husten und Niesen verstärkt, beides führt zu Stuhlverlust.

...

Sonstige Erkrankungen, die das Fachgebiet Innere Medizin betreffen:

Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II unter oraler Therapie.

Aktuelle Medikation, physikalische Behandlung und andere Maßnahmen:

Acelisino, Daflon, Diamicron, Thrombo ASS, inkonstant Deflamat, Enterobene und Optifibre, Alna retard, Gabapentin

Ergänzung der Anamnese durch mitgebrachte Spitalsberichte, Röntgen- und Laborbefunde, soweit sie das internistische Fachgebiet betreffen:

30.04.-25.07.1997, damalige Universitätsklinik für Innere Medizin IV: rezidivierende lleussymptomatik, konservative Behandlung.

07.03.2017, Universitätsklinik für Innere Medizin III, XXXX: die Stuhlfrequenz wird in diesem Befund mit 6 - 8x angegeben, breiig-flüssig, sezenierende Fistel ja, Gelenksschmerzen ja, Fieber nein. Rektal innen berührungsschmerzhaft, außen mazeriert und entzündet. Zusätzliche Medikation Immodium, Rest unverändert.

10.10.2017, Laborbefund: im Blutbild HB ganz geringfügig auf 13,9 vermindert bei normalem MCV, HbA1c 7,1 %, Blutzucker 157, Nierenfunktionsparameter, Leberenzymmuster, Blutfette, Eisenstoffwechselparameter, TSH, CRP normal.

15.12.2017, Universitätsklinik für Chirurgie, Beckenbodenambulanz:

Status post Proktokolektomie 1979 mit ileoanalem Pouch, rezidivierende perianale Fisteln, derzeit keine MC-Therapie, Stuhl kaum zurückhaltbar, Konsistenz meist flüssig, selten breiig, Frequenz 7-8x. Klinisch rectodigital SM-Tonus deutlich reduziert, Analkanal stenotisch, perianal ulceriert. Plan: Enterobene 2 mg 1 -

1 - 1, gegebenenfalls SMS.

21.12.2017, Sonografie des Abdomens: Zeichen einer Steatosis hepatis, sonst soweit einsehbar, regulärer Befund.

Untersuchungsbefund (klinisch-physikalischer Status):

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut, 168 cm, 75 kg, leicht schwankend

Knochenbau: normal, Haut und Schleimhäute: unauffällig

Lymphknoten nicht tastbar

Augen: isokor, prompte Lichtreaktion

Zunge: normal, Zähne: Kronen, saniert

Hals: unauffällig, Schilddrüse nicht tastbar, Pulse vorhanden, keine Gefäßgeräusche, Venen nicht gestaut

Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch

Lunge: sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch

Herz: reine rhythmische Herztöne RR 130/80, Frequenz 80/Min. rhythmisch

Abdomen: adipös, blande OP-Narben, Leber und Milz nicht abgrenzbar

Rektal nicht untersucht (siehe aber oben zitierten Befund der Universitätsklinik für Chirurgie), Nierenlager frei

Extremitäten und Wirbelsäule: Wirbelsäule unauffällig, Arme normal, an den Beinen altersgemäß schmerzbedingte Bewegungseinschränkung der großen Gelenke, Pulse tastbar, leichte Varikositas links, keine Ödeme

Gangbild und Bewegungsbild siehe neurologisches Gutachten

Beurteilung und Beantwortung der Fragen:

I. Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung'

1. Die dauernden Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers sind - soweit sie in das Fachgebiet fallen als Diagnoseliste anzuführen:

Chronisch entzündliche Darmerkrankung - Morbus Crohn

Hypertonie

Diabetes mellitus Typ II

Varikositas mit chronisch-venöser Insuffizienz des linken Unterschenkels

2. Liegt eine Stuhlinkontinenz vor?

Eine Stuhlinkontinenz im engeren Sinn (ständiger unwillkürlicher Stuhlverlust) liegt nicht vor, jedoch steht der vom Kläger angegebene hochgradig imperative Stuhlgang (Entleerung des Darmes nahezu unmittelbar nach dem Auftreten des Stuhldranges) in Zusammenhang mit dem verminderten Schließmuskeltonus (Befund der Universitätsklinik für Innere Medizin), der einer Inkontinenz nahekommt, mit dem Krankheitsbild des Morbus Crohn und den Folgen des erforderlich gewesenen operativen Eingriffes in Einklang.

2a. Es wird im Lichte der klinischen Untersuchung des BF (z.B. Allgemein- und Ernährungszustand) und der Befundlage ersucht auszuführen, ob und in welchem Ausmaß eine Stuhlinkontinenz (mit / ohne Flatulenzen) im konkreten Fall vorliegt und wie sich dieses auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - insbesondere betreffend Häufigkeit, Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit der behaupteten Zustände - konkret auswirkt:

Zwischen Stuhlfrequenz einerseits und Allgemein- und Ernährungszustand andererseits besteht kein Zusammenhang, der gute Allgemein- und Ernährungszustand des Beschwerdeführers spricht weder für noch gegen die vom ihm angegebene Dringlichkeit des Stuhlganges. Die angegebene Häufigkeit von 10 Stuhlgängen pro Tag, die Unvorhersehbarkeit und Unanwendbarkeit steht mit dem Krankheitsbild in Einklang, kann aber durch die klinische Untersuchung weder bewiesen noch widerlegt werden. Der an der Universitätsklinik für Chirurgie festgestellte verminderte Schließmuskeltonus ist als objektiver Befund zu werten.

2b. Welche Stuhlfrequenz täglich (mit welcher Konsistenz des Stuhls) kann beim BF angesichts der klinischen Untersuchung (z.B. Allgemein- und Ernährungszustand) und im Lichte der Befundlage objektiviert werden?

Weder Stuhlfrequenz noch Konsistenz des Stuhls können objektiviert werden.

2c. Besteht ein schubartiges Beschwerdebild (wenn ja, inwieweit)?

Ein schubartiger Verlauf ist bei Morbus Crohn häufig gegeben und wird auch im gegenständlichen Fall angegeben, die angegebene Dringlichkeit des Stuhlganges wird als andauernd und im Langzeitverlauf nur wenig variabel beschrieben.

2d. Sind Stuhlgänge für den BF vorhersehbar, abwendbar und/oder beeinflussbar?

Die Stuhlgänge sind für den Beschwerdeführer nach seinen Angaben weder vorhersehbar noch abwendbar, was mit dem Krankheitsbild in Einklang steht; die Beeinflussbarkeit (Möglichkeit des Zurückhaltens ab Verspüren des Stuhldranges) ist nur für eine kurze Zeitspanne gegeben. Diesbezüglich ist im Befundbericht der Universitätsklinik für Chirurgie ein verminderter Schließmuskeltonus dokumentiert

e. Bestehen hinsichtlich des vom BF angegebenen Beschwerdebildes derzeit noch Therapiereserven? Ist eine Besserung zu erwarten bzw. wahrscheinlich?

Der Beschwerdeführer steht sowohl an der Universitätsklinik für Innere Medizin III als auch an der Universitätsklinik für Chirurgie in ständiger Betreuung und Behandlung, es ist daher nicht anzunehmen, dass mögliche Therapien nicht angeboten bzw. in Anspruch genommen werden. Eine Besserung ist eher nicht zu erwarten.

3. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Nicht im Fachgebiet Innere Medizin.

4. Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor? Nein.

5. Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor? Nein.

6. Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor? Nein.

7. Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden und Unterlagen:

Diese Unterlagen wurden, soweit sie das Fachgebiet Innere Medizin betreffen, berücksichtigt und begründen in Zusammenschau mit der neuerlichen Erhebung der Anamnese und der durchgeführten klinischen Untersuchung die hier getroffenen Feststellungen.

8. Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde sowie des Vorlageantrags erhobenen Einwendungen:

Diese Angaben stehen, wie schon oben festgehalten, in Einklang mit dem Krankheitsbild eines Morbus Crohn und dem Verlauf nach der erforderlich gewesenen Operation, können aber im Einzelfall weder bewiesen noch widerlegt werden.

9. Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde, des Vorlageantrags und am 14.02.2018 vorgelegten Befunden:

Diese erbringen im Fachgebiet Innere Medizin keine neuen Erkenntnisse.

10. Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:

a. der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen,

b. der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Aussteigemöglichkeit,

c. der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen,

d. der Schwierigkeiten beim Stehen,

e. der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche,

f. der Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt - Bestehen ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten?

g. Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden? Sind diese zumutbar?

Hinsichtlich a, b und c ist die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers gegeben. Hinsichtlich d, e und f können im Fachgebiete Innere Medizin keine Schwierigkeiten festgesteift werden. Hinsichtlich g ist unter Bedachtnahme auf die Diagnosen im Fachgebiet Innere Medizin nicht anzunehmen, dass die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel Schmerzen bereitet.

11. Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten 05.10.2017 inkl. Stellungnahme vom 20.12.2017 abweichenden Beurteilung:

Die Diagnoseliste im Fachgebiet Innere Medizin um die Diagnosen Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II ergänzt. An beiden Diagnosen besteht kein Zweifel.

12. Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist:

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

II. Zusatzeintragung ‚Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor'

1. Liegen die medizinischen Voraussetzungen für die genannte Zusatzeintragung vor?

Zuckerkrankheit liegt vor, somit D1.

2. Fachspezifische Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden und Unterlagen:

Keine neuen Aspekte, Zuckerkrankheit ist in den Unterlagen dokumentiert (Befund aus dem XXXX), insbesondere auch durch den vorgelegten Befund vom 10.10.2017 wie oben zitiert.

3. Fachspezifische Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde sowie des Vorlageantrags erhobenen Einwendungen:

Diabetes mellitus Typ II (eine Form der Zuckerkrankheit) liegt vor, Blutzuckerkontrollen und orale Medikation sind sinnvoll, erhöhte HbA1c-Werte und Glukosewerte (Blutzuckerwerte) begründen die Diagnose. Wenn der Blutzucker gemessen werden soll, ist dazu ein Blutzuckermessgerät erforderlich.

4. Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde und des Vorlageantrags sowie am 14.02.2018 vorgelegten Befunden, soweit für die Zusatzeintragung relevant:

Die vorgelegten Befunde stehen mit der Beantwortung der Frage 3 in Einklang, insbesondere wird auf den Arztbrief aus dem XXXX vom 23.06,2010 verwiesen, in welchem die Feststellung des Diabetes mellitus Typ II festgehalten ist."

12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.04.2018 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auf der Grundlage der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen wird, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordert.

13. Am 08.05.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in der unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des internistischen Sachverständigengutachtens die Berechtigung zur Vornahme der begehrten Zusatzeintragungen bekräftigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer verfügt seit 02.11.1992 über einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v. H.

Am 24.03.2017 brachte der Beschwerdeführer Anträge auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" ein. Es wurde beantragt, diese Gesundheitsschädigung rückwirkend festzustellen.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Funktionseinschränkung in beiden Hüftgelenken;

2) Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk;

3) Discopathien mit Bandscheibenvorwölbungen in mehreren Lendenwirbelabschnitten ohne radiculäre Auswirkungen;

4) Polyneuropathie mit Missempfindungen ohne motorische Defizite der unteren Extremitäten;

5) Operiertes Prostatacarcinom 2014;

6) Zustand nach Colektomie bei bösartiger Neubildung im Dickdarm;

7) Chronisch entzündliche Darmerkrankung - Morbus Crohn mit hochgradig imperativem Stuhldrang, durchschnittlich zehnmal täglichen flüssig-breiigen Stühlen, vermindertem Schließmuskeltonus und perianalen Fisteln;

8) Diabetes mellitus Typ II unter medikamentöser Therapie - Erstdiagnose 23.06.2010;

9) Varikositas mit chronisch-venöser Insuffizienz des linken Unterschenkels;

10) Hypertonie.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden der nunmehrigen Entscheidung die schlüssigen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 26.02.2018 und eines Facharztes für Innere Medizin vom 10.04.2018 zugrunde gelegt. Hinsichtlich der bereits im Verwaltungsverfahren festgestellten Leiden 1, 2, 5 und 6, welche in den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten fachbezogenen Gutachten nicht explizit als Diagnosen aufgenommen wurden, werden der Entscheidung ergänzend die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 05.10.2017 und vom 20.12.2017 zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer leidet an Morbus Crohn mit hochgradig imperativem Stuhldrang bei derzeit durchschnittlich zehnmal täglichen Stuhlgängen flüssig-breiiger Konsistenz. Der Druck im Darm ist dann so groß, dass der Beschwerdeführer den Stuhl nicht halten kann und unmittelbar eine nahe gelegene Örtlichkeit aufsuchen muss, um den Stuhl absetzen zu können. Die Zeitpunkte, wann der Beschwerdeführer Stuhl absetzt, sind für ihn weder vorhersehbar noch können sie von ihm abgewendet oder beeinflusst werden. Der Beschwerdeführer weist einen verminderten Schließmuskeltonus auf, was einer Inkontinenz nahekommt. Eine adäquate Kompensation mit handelsüblichen Hygieneeinlagen ist aufgrund der Häufigkeit der Stuhlgänge sowie aufgrund der Geruchsbelästigung nicht möglich.

Aufgrund des Ausmaßes der festgestellten Leidenszustände kann dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht nicht zugemutet werden.

Der Beschwerdeführer leidet unter Diabetes mellitus Typ II bei medikamentöser Therapie. Die Gesundheitsschädigung besteht jedenfalls seit der Erstdiagnose der Erkrankung am 23.06.2010.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses sowie zu Zeitpunkt und Gegenstand der eingebrachten Anträge ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zum Vorliegen erheblicher - die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin vom 10.04.2018.

Seitens des befassten Sachverständigen wurde schlüssig ausgeführt, dass zwar keine Stuhlinkontinenz im engeren Sinn (ständiger unwillkürlicher Stuhlverlust) vorliegt, der vom Beschwerdeführer angegebene hochgradig imperative Stuhldrang (Entleerung des Darmes nahezu unmittelbar nach dem Auftreten des Stuhldranges) aber in Zusammenhang mit dem befundmäßig dokumentierten verminderten Schließmuskeltonus, der einer Inkontinenz nahekommt, mit dem Krankheitsbild Morbus Crohn und den Folgen des operativen Eingriffs in Einklang steht. Weiters betonte der Sachverständige, dass die vom Beschwerdeführer angegebene Häufigkeit von zehn Stuhlgängen pro Tag durch die klinische Untersuchung weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Auch diesbezüglich wurde jedoch festgehalten, dass die Unvorhersehbarkeit und Unanwendbarkeit der Stuhlgänge mit dem Krankheitsbild und dem nachgewiesenen verminderten Schließmuskeltonus übereinstimmen. Im Gutachten wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in ständiger Betreuung und Behandlung steht. Eine Besserung seines Beschwerdebildes ist demnach eher nicht zu erwarten.

Die konkreten Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zum Beschwerdebild konnten in Zusammenschau der wiedergegebenen gutachterlichen Ausführungen mit den Angaben des Beschwerdeführers getroffen werden, die vom Bundesverwaltungsgerichtsgericht insbesondere deshalb für glaubhaft befunden wurden, weil dieser der Befundlage zufolge seit Jahren in Behandlung steht und die in Rede stehende Stuhlproblematik (stark erhöhte Stuhlfrequenz, flüssig-breiige Konsistenz, Fisteln und Entzündungen im Rektalbereich, reduzierter Schließmuskeltonus) auch mit seinen behandelnden Ärzten erörtert wurde.

2.3. Die Feststellung, dass beim Beschwerdeführer Diabetes mellitus Typ II unter medikamentöser Therapie besteht, gründet sich auf das internistische Sachverständigengutachten vom 10.04.2018. Dass die Gesundheitsschädigung seit 23.06.2010 besteht, konnte auf Grundlage eines im Akt einliegenden Arztbriefes dieses Datums festgestellt werden, aus dem sich die Erstdiagnose der Erkrankung ergibt.

2.4. Die befassten Sachverständigen setzten sich ausführlich mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen medizinischen Beurteilungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen).

Der eingeholte Sachverständigenbeweis wurde der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer unter Einräumung einer Frist zur Äußerung übermittelt. Keine der Parteien hat Einwände dagegen erhoben.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der eingeholten Sachverständigengutachten vom 26.02.2018 und vom 10.04.2018. Diese werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.3.1. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

...

g) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, aufweist;

diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorliegt. Der Zöliakie sind die Phenylketonurie (PKU) und ähnliche schwere Stoffwechselerkrankungen im Sinne des Abschnittes 09.03. der Anlage zur Einschätzungsverordnung gleichzuhalten.

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.3.2. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit im gegenständlichen Fall relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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