Entscheidungsdatum
11.07.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W132 2124911-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer hat am 04.12.2015 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gestellt.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Augenheilkunde und Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 01.03.2016, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung zwar mit 50 vH bewertet wurde, jedoch die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorlägen.
1.2. In der Folge hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer am 09.03.2016 einen bis 31.01.2020 befristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung von 50 vH eingetragen.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage eines ambulanten Patientenbriefes des AKH, Abt. Innere Medizin und Knochenmarkstransplantationen vom 22.03.2016, wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er aufgrund des Eingriffes mehrere Jahre als schwer infektionsgefährdet anzusehen sei und vor allem die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu vermeiden habe. Während er die immunsuppressive Therapie erhalten habe, habe er nicht einmal das Zimmer verlassen können ohne krank zu werden. Es liege somit eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor. Dem beiliegenden Befund des behandelnden Arztes sei dies auch zu entnehmen.
2.1. Mit dem - im Bundesverwaltungsgericht am 18.04.2016 eingelangten - Schreiben vom 07.04.2016 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.
2.2. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.04.2016 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass gemäß gemäß § 46 BBG neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.
2.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigen von Dr. XXXX , Fachärztin für Intensivmedizin und Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 15.07.2016, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorlägen.
2.4. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs hat die belangte Behörde keine Einwendungen erhoben.
Der Beschwerdeführer hat unter Vorlage weiterer Beweismittel und unter detaillierter Darstellung seiner Krankengeschichte zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens im Wesentlichen vorgebracht, dass er an der Fachkompetenz der begutachtenden Ärztin zweifle, da es sich um eine Allgemeinmedizinerin handle, welche nicht in der Lage sei, seine Krankheit zu beurteilen. Auch sei er mit dem Ablauf der Untersuchung nicht einverstanden. Entgegen den Ausführungen der Sachverständigen habe er im Wartezimmer keine Maske getragen, obwohl Kinder anwesend gewesen seien, da er genug Abstand habe halten können. Auch sei nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten ein Mundschutz kein effektiver Schutz vor Infektionen, da er nicht dicht abschließe. Er habe keine Befunde über stattgehabte Infektionen, da er sowieso die ganze Zeit im Krankenstand gewesen sei. Auf Grund der vorliegenden Erkrankung sei er auch nicht davon ausgegangen derartige Befunde in Vorlage bringen zu müssen, da bei seiner Diagnose zahlreiche Infekte selbst erklärend seien. Wenn, wie im Gutachten angeführt, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei und keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems mehr vorliege, sei nicht nachvollziehbar, dass er sich nach wie vor in Rehabilitation befinde und nicht arbeiten gehen könne. Auch sei der Satz "Bei frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat" nicht nachvollziehbar und in seinem Fall nicht anwendbar, da er nicht eine Organtransplantation gehabt habe sondern ihm ein neues blutbildendes System - was auch ein neues Immunsystem einschließe - transplantiert worden sei. Es liege sehr wohl eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor und er sei zum Zeitpunkt der Begutachtung als schwer infektionsgefährdet anzusehen gewesen. Sein Immunsystem sei komplett ersetzt worden und sein Körper müsse erst ein neues aufbauen. Nach Aussagen der Ärzte werde sein Immunsystem noch mehrere Jahre benötigen um auf dem Stand eines Erwachsenen zu sein. Hinsichtlich der Ausführung im Gutachten, dass keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vorlägen, sofern er täglich Krafttraining mache und regelmäßig sparzieren gehe, wolle er festhalten, dass er während der letzten 6 Monate an 70% der Tage krank gewesen sei und kein Training habe machen können. Betreffend die vorgelegten Befunde des AKH vom 22.03.2016 halte er fest, dass die darin getroffenen Feststellungen, dass er infektionsgefährdet sei und öffentliche Verkehrsmittel meiden solle, keinesfalls ausdrücklich von ihm verlangt worden seien. Sein behandelnder Arzt im AKH habe auch bestätigt, dass ein frisch transplantierter Mensch in höchstem Maße infektionsgefährdet sei, und die Behörde sich telefonisch mit der Knochenmarktransplantationsambulanz in Verbindung setzten könne um sich über den Zustand nach erfolgter Knochenmarktransplantation zu informieren.
Nachstehend angeführte Unterlagen wurden in Vorlage gebracht:
? Ärztliche Bestätigung Dr. XXXX , Allgemeinmedizin vom 03.03.2017
? Ambulanter Patientenbrief AKH vom 22.03.2016 (wurde bereits mit der Beschwerde in Vorlage gebracht)
? Schreiben der PVA vom 18.11.2016
? Schreiben der GKK vom 06.03.2017
2.5. Zur Überprüfung der Einwendungen wurde vom Bundesverwaltungsgericht eine auf der Aktenlage basierende medizinische Ergänzung von Dr. XXXX , Fachärztin für Intensivmedizin und Ärztin für Allgemeinmedizin, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die erhobenen Einwendungen nicht geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.
2.6. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG neuerlich erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland. Er ist Inhaber eines befristet ausgestellten Behindertenpasses.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Ausmaß und Art der Funktionsbeeinträchtigungen:
Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Allgemeinzustand gut. Ernährungszustand normal. Schädel: Nicht klopfdolent. Augen normal. Pupillen seitengleich. Lichtreaktion prompt. Rachen normal. Zuge feucht. Zähne saniert. Hals: Schilddrüse normal groß, schluckverschieblich. Lymphknoten nicht tastbar.
Thorax: Symmetrisch. Atmung normal. Mammae unauffällig. Lunge:
Beidseits Vesikuläratmung. Herz: Rein, rhythmisch, normofrequent.
Abdomen: Bauchdecken in Thoraxniveau. Keine Resistenz. Leber unauffällig. Milz nicht tastbar. Nierenlager nicht klopfdolent.
Wirbelsäule: Wirbelsäulenachse im Lot. Keine Stauchungsempfindlichkeit. HWS nicht klopfdolent. Normale Bewegung möglich. BWS nicht klopfdolent. LWS nicht klopfdolent. Finger-Boden-Abstand 0 cm.
Obere Extremitäten: Alle Gelenke frei beweglich. Nackengriff normal. Schürzengriff normal. Fingerbeugung vollständig.
Untere Extremitäten: Alle Gelenke frei beweglich. Einbeinstand beidseits gut durchführbar. Kniebeuge gut möglich. Zehen- und Fersenstand beidseits gut möglich.
Gesamtmobilität und Gangbild unauffällig.
Status Psychicus: Wach, orientiert, Stimmungslage stabil. Adäquate Fragebeantwortung.
Art der Funktionseinschränkungen:
? Zustand nach schwerer aplastischer Anämie
? Neurodermitis
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne maßgebende Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung allenfalls erforderlicher Behelfe die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich - auch im Zusammenwirken - nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.
Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren noch der oberen Extremitäten.
Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sind ausreichend. Bei genügender Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten ist das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich anzuhalten, genügend möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Funktionen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor.
Beim Beschwerdeführer besteht zwar ein Zustand nach Knochenmarkstransplantation, eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems im Sinne einer anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency), einer schweren hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigen Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie), einer fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit, oder einer selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen, liegen jedoch nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX und dessen Ergänzung sind schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel umfassend Stellung genommen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der bis 18.04.2016 vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die bis 18.04.2016 vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen.
Die bis 18.04.2016 vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum erhobenen klinischen Befund, weder wird betreffend die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde, noch liegen Anhaltspunkte vor, dass Aspekte des Gesamtleidenszustandes unberücksichtigt geblieben sind.
Dr. XXXX , welche entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers auch Fachärztin für Intensivmedizin und Ärztin ist, beschreibt anschaulich, dass die aplastische Anämie mittels Knochenmarktransplantation erfolgreich therapiert wurde und sich in Vollremission befindet.
Die Sachverständige hält nachvollziehbar fest, dass zwar vom Beschwerdeführer eine erhöhte Infektanfälligkeit mit rezidivierend notwendiger Antibiotikatherapie auf Grund vorwiegend einer Angina tonsillaris angegeben wird, aber diesbezüglich keine Befunde vorliegen und der Beschwerdeführer auch keine immunsuppressive Therapie mehr benötig. Dies steht im Einklang mit den Angaben des Beschwerdeführers, welcher im Rahmen der Anamneseerhebung angab, keine Immunsuppressiva einzunehmen und dass die Kontrolluntersuchungen anamnestisch in Ordnung gewesen seien. Auch hinsichtlich der erfolgten Kontrolluntersuchungen wurden keine Befunde vorgelegt. Sie beschreibt anschaulich und nachvollziehbar, dass es bei frisch transplantierten Patienten nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation kommt, welche keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat, wobei nach Absetzen der immunsuppressiven Therapie noch weniger Einfluss auf die Abwehrkräfte besteht.
Im zu den im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen eingeholten Ergänzungsgutachten beschreibt Dr. XXXX nachvollziehbar, dass moderne Immunsuppressiva die humorale und celluläre Immunantwort vermindern und damit unter anderem auch Abstoßreaktionen reduzieren. Sie erläutert in der Folge schlüssig, dass nach einer postoperativ (nach Knochenmarkstransplantationen) anfänglich hohen Initialdosis, während der ein erhöhtes Infektionsrisiko vorliegt, auf die Erhaltungsdosis reduziert wird, womit auch das generelle Infektionsrisiko sinkt und die Patienten sich weitgehend frei bewegen können, ebenso nach dem Absetzen der immunsuppressiven Therapie. Sie hält anschließend nachvollziehbar fest, dass laut Lehrmeinung der Wiener Universitätsklinik das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel, der Besuch öffentlicher Veranstaltungen und das sich im öffentlichen Raum bewegen, weitgehend uneingeschränkt zulässig sind.
Der Sachverständige beschreibt weiters überzeugend, dass beim Beschwerdeführer eine gute Gesamtmobilität besteht und keine Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates vorliegen, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren. Erhebliche Einschränkungen der unteren oder oberen Extremitäten, erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten sowie der Sinnesfunktionen konnten nicht objektiviert werden und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.
Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Dem Gutachten eines Sachverständigen kann zwar auch ohne Gegengutachten in der Weise entgegengetreten werden, als die Parteien Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzeigen. Der Beschwerdeführer ist den - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten jedoch im Rahmen des zuletzt erteilten Parteiengehöres nicht entgegengetreten.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.
Dem Beschwerdevorbringen wurde insofern entsprochen, als nun eine neuerliche persönliche Untersuchung durchgeführt wurde. Das Beschwerdevorbringen und die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen sind jedoch nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach eine ausreichende Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates und genügende körperliche Belastbarkeit gegeben sind bzw. sich der Zustand nach schwerer aplastischer Anämie nicht maßgebend negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt, zu entkräften.
Die Angaben des Beschwerdeführers konnten demnach nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.1.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)
§ 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft. (§ 54 Abs. 18 BBG)
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen. (§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
Zum Nachweis, dass der Behindertenpassinhaber/die Behindertenpassinhaberin, der/die über die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, die im § 29b Abs. 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ist ihm/ihr ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit" ist der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gleichzuhalten.
(§ 3 Abs. 1 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
-
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
-
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
-
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
-
selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
-
vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
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laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014)
Da, wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, der Sachverständigen zu folgen war, dass beim Beschwerdeführer zwar ein Zustand nach aplastischer Anämie vorliegt aber weder eine anlagebedingte, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency), noch eine schwere, hämatologische Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie), noch eine fortgeschrittene Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit und auch keine selten auftretende chronische Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führt bestehen, wird der Entscheidung zu Grunde gelegt, dass keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit maßgebend einschränkt, vorliegt.
Beim Beschwerdeführer liegen auch weder erhebliche Einschränkungen der oberen und unteren Extremitäten, der körperlichen Leistungsfähigkeit, psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen vor.
Daher ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernde Gesundheitsschädigung kein Ausmaß erreicht, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Mit der Novelle BGBl. I Nr. 57/2015 wurde für Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Neuerungsbeschränkung geschaffen. In den Erläuterungen zu dieser Novelle (GP XXV RV 527, Seite 4) wurde dazu ausgeführt, dass sich in der Praxis gezeigt hat, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Sozialministeriumservice bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Sozialministeriumservice ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden.
Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 18.04.2016 vorgelegt worden ist, waren die vom Beschwerdeführer nach diesem Zeitpunkt vorgelegten Beweismittel nicht zu berücksichtigen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher vom Bundesverwaltungsgericht ein auf persönlicher Untersuchung basierendes Sachverständigengutachten und eine auf der Aktenlage basierende Gutachtenergänzung eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Die erhobenen Einwendungen waren allerdings - wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt - nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Schlussfolgerungen hervorzurufen. Die bis 18.04.2016 vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind. Diese sind jedoch nicht geeignet die gutachterliche Bewertung substantiiert in Zweifel zu ziehen. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet. Der Beschwerdeführer wurde fachärztlich persönlich untersucht. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie zu § 46 letzter Satz BBG stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt.
Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2124911.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.07.2018