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L9430 Hubschrauberdienst, Krankenbeförderung, RettungNorm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litdLeitsatz
Zurückweisung eines Antrags des Gemeindeverbandes Bezirkskrankenhaus Lienz auf Aufhebung von Bestimmungen des Tiroler RettungsdienstG betreffend die Übernahme von Kosten für den qualifizierten Krankentransport mangels Präjudizialität der angefochtenen BestimmungenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt der antragstellende Gemeindeverband die Aufhebung folgender Bestimmungen des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009 als verfassungswidrig:
"Im §1 Geltungsbereich zweiter Satz, die Wortfolge '… und den qualifizierten Krankentransport'.
Der §2 Abs2: 'Der qualifizierte Krankentransport umfasst den aufgrund ärztlicher Beurteilung notwendigen Transport von Verletzten, Kranken oder sonst Hilfsbedürftigen, die keine Notfallpatienten sind, unter Begleitung von Ärzten und/oder Sanitätern im Sinn des Sanitätergesetzes, BGBl I Nr 30/2002, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 57/2008, mit Rettungsfahrzeugen oder Hubschraubern, davon ausgenommen ist der Transport von fachärztlich begleiteten Intensivpatienten' zur Gänze.
Im §2 Abs4 die Wortfolge 'und des qualifizierten Krankentransportes'.
Im §3 Abs1 litb die Wortfolge: 'Leistungen des qualifizierten Krankentransportes, die mittels Rettungsfahrzeugen oder Hubschraubern zu erbringen sind.'
Der §4 Abs2: 'Das Land Tirol hat als Träger von Privatrechten
a) die Besorgung der Aufgaben nach Absatz 1 sicherzustellen und
b) und eine Zentrale Landesleitstelle (§5) zur Entgegennahme von Meldungen und zur Disponierung, Alarmierung und Unterstützung aller Einsätze im Rahme[n] des öffentlichen Rettungsdienstes sowie der Bergrettung, der Höhlenrettung und der Wasserrettung einzurichten' zur Gänze.
Im §4 Abs2 liti die Wortfolge: 'und dem qualifizierten Krankentransport'.
Im §5 litc die Wortfolge: 'und den qualifizierten Krankentransport'.
Im §13 die Wortfolge: 'und im qualifizierten Krankentransport'."
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009, LGBl 69/2009 idF 32/2017, lauten (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben, wobei §4 Abs2 leg. cit. nicht den vom antragstellenden Gemeindeverband angegebenen Wortlaut enthält und daher nicht hervorgehoben ist):
"§1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt den öffentlichen Rettungsdienst in Tirol. Dieser umfasst die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport.
(2) …
§2
Begriffsbestimmungen
(1) …
(2) Der qualifizierte Krankentransport umfasst den aufgrund ärztlicher Beurteilung notwendigen Transport von Verletzten, Kranken oder sonst Hilfsbedürftigen, die keine Notfallpatienten sind, unter Begleitung von Ärzten und/oder Sanitätern im Sinn des Sanitätergesetzes, BGBl I Nr 30/2002, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 57/2008, mit Rettungsfahrzeugen oder Hubschraubern; davon ausgenommen ist der Transport von fachärztlich begleiteten Intensivpatienten.
(3) …
(4) Flugrettung ist die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes mit Hubschraubern.
[…]
§3
Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes
(1) Der öffentliche Rettungsdienst hat die bedarfsgerechte sowie sparsame, wirtschaftliche und zweckmäßige Erbringung folgender Leistungen im Landesgebiet sicherzustellen:
a) …
b) Leistungen des qualifizierten Krankentransportes, die mittels Rettungsfahrzeugen oder Hubschraubern zu erbringen sind.
(2) Das Land Tirol hat als Träger von Privatrechten
a) die Besorgung der Aufgaben nach Abs1 sicherzustellen und
b) eine zentrale Landesleitstelle (§5) zur Entgegennahme von Meldungen und zur Disponierung, Alarmierung und Unterstützung aller Einsätze im Rahmen des öffentlichen Rettungsdienstes sowie der Bergrettung, der Höhlenrettung und der Wasserrettung einzurichten.
(3) …
[…]
§4
Verträge über die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes
(1) …
(2) Verträge nach §3 Abs3 haben jedenfalls Bestimmungen zu enthalten über:
a)-h) …
i) die Verpflichtung, die kontinuierliche Einsatzbereitschaft und den Einsatzstatus der Rettungsmittel für die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport durch die zentrale Landesleitstelle überwachen zu lassen,
j) …
[…]
§5
Zentrale Landesleitstelle
(1) Als zentrale Landesleitstelle werden der Leitstelle Tirol Gesellschaft mbH folgende vom Land Tirol als Träger von Privatrechten zu besorgende Aufgaben übertragen:
a) …
b) …
c) die Entgegennahme von Meldungen über Einsatzfälle für die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport sowie die Disponierung und Alarmierung der für den Einsatz notwendigen Rettungsfahrzeuge und Hubschrauber,
d) …
[…]
§13
Bestimmung zur Flugrettung
Die in der Notfallrettung und im qualifizierten Krankentransport eingesetzten Hubschrauber müssen hinsichtlich ihrer Ausstattung, Ausrüstung und Wartung den allgemein anerkannten Regeln der Technik und dem Stand der Notfallmedizin entsprechen.
[…]"
III. Sachverhalt und Antragsvorbringen
1. Dem Antrag liegt folgendes Verfahren zugrunde:
1.1. Die klagende Partei ist ein Gemeindeverband, der aus allen Gemeinden des politischen Bezirks Lienz gebildet wird und dem die Erhaltung, die allfällige Erweiterung und der Betrieb des allgemeinen öffentlichen Bezirkskrankenhauses Lienz obliegt. Die beklagte Partei ist ein Luftfahrtunternehmen, das als gemeinnütziger Verein Rettungs- und Ambulanzflüge durchführt.
1.2. Stellt sich im Bezirkskrankenhaus Lienz bei der Behandlung eines Patienten heraus, dass dieser dort nicht die erforderliche Versorgung erhalten kann, so veranlasst der behandelnde Arzt den Weitertransport in ein anderes Krankenhaus. Dieser "Interhospitaltransport" erfolgt entweder "bodengebunden" mit dem Notarztwagen oder bei entsprechender Dringlichkeit mit dem Hubschrauber. Der behandelnde Arzt nimmt in diesem Fall mit der Krankenanstalt, in die der Patient transportiert werden soll, Kontakt auf, um dort ein Bett zu reservieren. Die beklagte Partei führt diese "Interhospitaltransporte" zur Beförderung von bereits ärztlich versorgten Personen durch und transportiert diese im Bedarfsfall in eine medizinisch höherqualifizierte Krankenanstalt (idR in Innsbruck).
1.3. Der antragstellende Gemeindeverband brachte beim Landesgericht Innsbruck eine Klage mit folgenden Feststellungsbegehren ein:
"1. es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die von der beklagten Partei vom A.ö. BKH Lienz aus durchgeführten Interhospitaltransporte, die im Wege der Leitstelle Tirol organisiert werden, nicht von der klagenden Partei zu bezahlen seien, in eventu
2. es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die von der beklagten Partei vom A.ö. BKH Lienz aus aufgrund des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009 durchgeführten Interhospitaltransporte, die im Wege der Leitstelle Tirol organisiert werden, kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien begründen, das eine Entgeltverpflichtung der klagenden Partei für diese Transporte zur Folge habe, in eventu
3. a) es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die klagende Partei nicht Auftraggeber der vom A.ö. BKH Lienz aus durchgeführten, im Wege der Leitstelle Tirol organisierten, Interhospitaltransporte sei,
b) es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die beklagte Partei bei Durchführung der im Wege der Leitstelle Tirol organisierten Interhospitaltransporte vom A.ö. BKH Lienz nicht einen Aufwand trage, den die Klägerin nach dem Gesetz tragen müsste,
c) es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die klagende Partei nicht derjenige im Sinne des §10 Abs1 Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 sei, zu dessen Gunsten der Rettungseinsatz erfolgt sei, wenn die beklagte Partei vom A.ö. BKH Lienz aus einen im Wege der Leitstelle Tirol organisierten Interhospitaltransport durchführe,".
1.4. Das Landesgericht Innsbruck wies das Klagebegehren ab und führte in seinen Feststellungen aus, dass vor Inkrafttreten des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009 eine Vereinbarung gemäß Art15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol bestand, auf deren Basis das Land Tirol mit der beklagten Partei eine Vereinbarung getroffen hatte, wonach sämtliche von der beklagten Partei geleisteten Interhospitaltransporte, aber auch Primärtransporte durch eine jährliche Förderung, die das Land Tirol an die beklagte Partei ausbezahlte, gedeckt waren. Diese Vereinbarung wurde 2012 aufgekündigt und über eine neue Vereinbarung sei verhandelt, nach Auffassung des Landesgerichtes Innsbruck sei eine solche aber nicht abgeschlossen worden, da die klagende Partei die ausgehandelte Vereinbarung nicht unterfertigen habe wollen. Das Landesgericht Innsbruck führt daher aus, dass mangels entsprechenden Beweisergebnissen nicht festgestellt werden konnte, ob ein Vertrag zwischen dem Land Tirol und der beklagten Partei nach §3 Abs3 Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 abgeschlossen worden sei.
1.5. Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landesgericht Innsbruck aus, dass mit einer Klage nach §228 ZPO ein rein prozessualer Anspruch geltend gemacht werde und für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens einerseits die Feststellungsfähigkeit des Rechtsverhältnisses, andererseits das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen Feststellung gegeben sein müsse. Im vorliegenden Fall mangle es an einem feststellungsfähigen konkreten Rechtsverhältnis. Im Fall einer negativen Feststellungsklage müsse das Feststellungsbegehren auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet sein und nicht auf Nichtfeststellung einer Zahlungspflicht. Da unstrittigerweise zwischen den Parteien kein Dauerrechtsverhältnis vorliege, sondern eine Vielzahl an Einzelrechtsverhältnissen, die in keinem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang stehen und erst mit der Durchführung der einzelnen Interhospitaltransporte entstehen würden, begehre die klagende Partei in Wahrheit die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage. Die einzelnen Rechtsverhältnisse seien entweder rechtskräftig entschieden, streitverfangen oder bereits so konkret, dass eine Leistungsklage möglich wäre und daher kein rechtliches Interesse an einer Feststellung bestehe.
1.6. Gegen dieses Urteil erhob die klagende Partei Berufung an das Oberlandesgericht Innsbruck.
2. Gleichzeitig stellte der klagende Gemeindeverband den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten (Partei-)Antrag auf Aufhebung der oben unter Punkt I. angeführten Wortfolgen des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009.
2.1. Zur Zulässigkeit des Antrags wird darin ausgeführt, dass zwar das Landesgericht Innsbruck zur Begründung seiner Klagsabweisung das angefochtene Gesetz (noch) nicht angewendet habe, der antragstellende Gemeindeverband aber davon ausgehe, dass das höherinstanzliche Gericht ein Feststellungsinteresse bejahen könnte.
2.2. Begründet wird der Antrag mit kompetenzrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Regelung des "qualifizierten Krankentransports" im Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009. Das örtliche Rettungswesen sei Sache des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden und dem Land Tirol sei es verfassungsmäßig nicht gestattet, die gesamte Materie des Rettungswesens im Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 an sich zu ziehen. Die Luftfahrt sei, ebenso wie das Gesundheitswesen, in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache.
3. Das Landesgericht Innsbruck hat die Gerichtsakten vorgelegt, zur Frage der Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels jedoch nichts mitgeteilt.
4. Die Tiroler Landesregierung hat eine Äußerung erstattet und die Zurückweisung des Antrags als unzulässig, in eventu seine Abweisung beantragt. Zur Frage der Zulässigkeit bringt die Tiroler Landesregierung vor, dass es der antragstellende Gemeindeverband einerseits unterlassen habe, die Fassung der angefochtenen Gesetzesstellen anzugeben, andererseits fehle es an der erforderlichen Präjudizialität. Da das Landesgericht Innsbruck zur Auffassung gelangt sei, dass ein materieller Anspruch auf Anerkennung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses hier nicht bestehe, habe es auf keine der angefochtenen Bestimmungen des Tiroler Rettungsdienstgesetzes 2009 zurückgegriffen. Überdies sei der Antrag zu weit gefasst. In der Folge tritt die Tiroler Landesregierung den vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken inhaltlich entgegen.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.
3. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw. die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtenen Gesetzesbestimmungen in der vom ordentlichen Gericht entschiedenen Rechtssache präjudiziell sind (zB VfSlg 20.010/2015; VfGH 19.11.2015, G498/2015 ua., 12.12.2016, G139/2016; 8.6.2017, G29/2017).
4. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich der vorliegende Antrag als unzulässig: Die klagende Partei hat im Anlassverfahren eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen der klagenden und der beklagten Partei gemäß §228 ZPO eingebracht. Das Landesgericht Innsbruck hat festgestellt, dass es an einem feststellungsfähigen konkreten Rechtsverhältnis fehle und mit einer Klage nach §228 ZPO ein rein prozessualer Anspruch geltend gemacht werden könne. Wie der antragstellende Gemeindeverband selbst zutreffend ausführt, ist daher das Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009 in diesem Verfahren nicht angewendet worden.
5. Die angefochtenen Bestimmungen des Tiroler Rettungsdienstgesetzes sind daher nicht präjudiziell.
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen, ohne dass auf das Vorliegen allfälliger weiterer Zurückweisungsgründe einzugehen ist.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Parteiantrag, VfGH / Präjudizialität, Zivilprozess, RettungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:G117.2017Zuletzt aktualisiert am
23.07.2018