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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1996/201;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M in L, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und Dr. Helmuth Hackl, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hauptplatz 23/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses der Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 15. Dezember 1994, Zl. IVa-AlV-7022-11-B/3842 201056/Linz, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die im Jahre 1956 geborene Beschwerdeführerin bezieht seit Juli 1981 mit kurzzeitigen Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung; zuletzt hatte sie einen Anspruch auf Notstandshilfe.
Nach der am 9. August 1994 beim Arbeitsamt Linz aufgenommenen Niederschrift wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, bis zum 16. August 1994 und in der Folge wöchentlich drei Eigenbewerbungen in Form einer Kopie der schriftlichen Bewerbung oder Angabe der Telefonnummer, Kontaktperson, Datum und Bewerbungsergebnis bei den betreffenden Firmen vorzulegen. Dieser Auftrag umfasse sämtliche Stellen, die gemäß der Ausbildung bzw. Kenntnisse der Beschwerdeführerin und der Notstandshilfe-Verordnung (mindestkollektivvertragliche Entlohnung, gesundheitliche Eignung) zumutbar seien. Nach dem Inhalt dieser Niederschrift wurde die Beschwerdeführerin über die Rechtsfolgen der §§ 9 und 10 AlVG aufgeklärt.
Mit 16. August 1994, dem Datum der nächsten Kontrollmeldung, meldete sich die Beschwerdeführerin krank. Die vom Arbeitsamt aufgetragenen Eigenbewerbungen wurden von ihr nicht nachgewiesen.
In einer Niederschrift vom 8. September 1994 gab sie diesbezüglich im Wesentlichen an, sich am 9. und 10. August 1994 bei drei vom Arbeitsamt zugewiesenen Stellen - erfolglos - beworben zu haben. Am Donnerstag, dem 11. August 1994, habe sie schon große Schmerzen verspürt, da sie am linken inneren Oberschenkel ein Abszess bekommen habe. Sie habe es deshalb nicht mehr als sinnvoll empfunden, sich schriftlich bei Stellen zu bewerben, die am Wochenende in den Tageszeitungen aufgeschienen seien, da sie bereits gewusst habe, dass sie in den Krankenstand werde gehen müsse. Als berücksichtigungswürdigen Umstand für Nachsichtsgründe führe sie an, als Selbsterhalter eine 15-jährige Tochter zu haben.
Mit Bescheid vom 19. September 1994 sprach das Arbeitsamt Linz daraufhin aus, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe vom 8. September 1994 bis 5. Oktober 1994 gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG verloren habe. Eine Nachsicht werde nicht erteilt. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin keine Anstrengung unternommen, eine Beschäftigung zu erlangen.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, ihrer Ansicht nach durch die drei persönlichen Vorstellungen die ihr vorgeschriebenen Bemühungen zur Erlangung einer Beschäftigung in ausreichendem Maße dokumentiert zu haben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und des bisherigen Verfahrensgeschehens vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Beschwerdeführerin habe mit den drei persönlichen Vorstellungen am 9. und 10. August 1994 nicht der von ihr niederschriftlich übernommenen Verpflichtung, wöchentlich zumindest drei Eigenbewerbungen nachzuweisen, entsprochen. Mit ihren drei Bewerbungen habe sie nur den Auftrag erfüllt, sich auf Grund konkret zugewiesener Stellenangebote vorzustellen. Darüber hinausgehende Eigeninitiativen habe sie nicht nachweisen können. Damit habe sie dem Auftrag des Arbeitsmarktservice nicht entsprochen. Sie habe die Erfüllung der ihr aufgetragenen Verpflichtung auch nach dem Ende ihres Krankenstandes am 8. September 1994 nicht nachgewiesen. Da ihr Krankenstand mit 16. August 1994 begonnen habe, hätte sie zumindest bis 15. August 1994 Bewerbungsaktivitäten, sei es durch schriftliche Bewerbungen oder nachweisliche Telefonate, setzen können. Den von ihr geltend gemachten Nachsichtsgrund habe der Ausschuss für Leistungsangelegenheiten nicht als berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG erachtet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 AlVG ist eine Voraussetzung des Anspruches auf Arbeitslosengeld, dass der Arbeitslose arbeitswillig ist.
Nach § 9 Abs. 1 AlVG in der Fassung der ab 1. August 1993 geltenden Beschäftigungssicherungsnovelle 1993, BGBl. Nr. 502, ist unter anderem arbeitswillig, wer bereit ist, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
Wenn der Arbeitslose auf Aufforderung durch das Arbeitsmarktservice nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen, so verliert er gemäß § 10 Abs. 1 AlVG für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Nach § 10 Abs. 2 AlVG ist der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen.
Gemäß § 38 AlVG sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen über das Arbeitslosengeld sinngemäß anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 10 AlVG den Arbeitslosen auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen. Wird eine solche Aufforderung dahingehend konkretisiert, dass der Arbeitslose monatlich eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen soll, kann dies aber nichts daran ändern, dass der Arbeitslose dennoch nur glaubhaft machen muss, er habe ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht. Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die glaubhaft gemachten Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen (Stand, Alter, Ausbildung) des Arbeitslosen "ausreichend" waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die glaubhaft gemachten Anstrengungen sind nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der glaubhaft gemachten Anstrengungen zu enthalten. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen. Bedeutsam sind nicht nur Art und Ausmaß, sondern auch die Ernsthaftigkeit der glaubhaft gemachten Anstrengungen. Auf das Verhältnis der auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden freien Stellen und der Zahl der Arbeitslosen kommt es hingegen nicht an. Dem Arbeitslosen wird vielmehr - je nach der Zahl der angebotenen Stellen - zugemutet, mit den anderen Arbeitslosen im Bemühen um Erlangung einer solchen Stelle zu konkurrieren (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 96/08/0241).
Entsprechende Ausführungen enthält der angefochtene Bescheid, ausgehend von der Rechtsauffassung, schon das Zuwiderhandeln gegen die Aufforderung, eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachzuweisen, sei für den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe ausreichend, nicht. Schon dadurch belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Im Übrigen hat sich die belangte Behörde auch nicht mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt, diese habe bereits am Donnerstag, dem 11. August 1994, große Schmerzen verspürt, da sie ein Abszess am linken inneren Oberschenkel bekommen habe, weshalb sie schriftliche Stellenbewerbungen wegen des zu erwartenden Krankenstandes nicht mehr für sinnvoll erachtet habe.
Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann es allerdings nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall das Vorliegen eines "berücksichtigungswürdigen Falles" im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG wegen der Sorgepflichten für eine 15-jährige Tochter nicht angenommen hat (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 16. Mai 1995, Zl. 94/08/0150).
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 26. Jänner 2000
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1995080030.X00Im RIS seit
18.10.2001