TE Vwgh Erkenntnis 2018/6/26 Ra 2018/05/0021

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Veröffentlicht am 26.06.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AVG §8
AWG 2002 §37 Abs4 Z7
AWG 2002 §51 Abs2
AWG 2002 §51 Abs4
VwGVG 2014 §28 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der H GmbH in P, vertreten durch die Kaufmann & Lausegger Rechtsanwalts OG in 8020 Graz, Mariahilferstraße 20/II, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 5. September 2017, LVwG 46.34-2261/2017-5, betreffend Stilllegung einer Bodenaushubdeponie (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Partei: Mag. M G in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (im Folgenden: Abfallbehörde) vom 13. November 2015 wurde ausgesprochen, dass die Anzeige der Revisionswerberin über die Stilllegung der mit Bescheid der Abfallbehörde vom 1. Juli 1994 und vom 5. Juli 2001, abfallrechtlich genehmigten Bodenaushubdeponie auf näher bezeichneten Grundstücken der KG P gemäß § 37 Abs. 4 Z 7 in Verbindung mit § 51 Abs. 2 und 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 nach Maßgabe des in der Begründung enthaltenen Befundes zur Kenntnis genommen werde und die Nachsorgephase gemäß Anhang 8 der Deponieverordnung 2008 bis 31. Dezember 2020 dauere; unter einem wurden mehrere Auflagen vorgeschrieben (Spruchpunkt I). Weiters erfolgten die Bestellung eines Deponieaufsichtsorganes (Spruchpunkt II) sowie die Vorschreibung der Kosten des Verwaltungsverfahrens.

2        Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 begehrte der Mitbeteiligte die Zuerkennung der Parteistellung gemäß § 8 AVG sowie die Gewährung von Akteneinsicht gemäß § 17 Abs. 1 und 2 AVG.

3        Mit Schreiben vom 6. Juli 2017 übermittelte die Abfallbehörde dem Mitbeteiligten den Bescheid vom 13. November 2015 und führte unter anderem aus, dass ihm Parteistellung „zu diesem Bescheid“ zukomme.

4        In seiner gegen diesen Bescheid vom 13. November 2015 gerichteten Beschwerde brachte der Mitbeteiligte zusammengefasst im Wesentlichen vor, er sei als Eigentümer einer näher bezeichneten, benachbarten Liegenschaft übergangene Partei in diesem Verfahren, wobei sich seine Parteistellung aus § 2 Abs. 6 Z 5 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit § 63 Abs. 1 und 2 AWG 2002 ergebe. § 63 Abs. 1 und 2 AWG 2002 normiere, dass Stilllegungsmaßnahmen mit den erteilten Genehmigungen bezüglich einer Deponie von der Behörde zu überprüfen seien. In diesem Verfahren hätten jene Personen Parteistellung, die von einer Abweichung der tatsächlichen Situation zur genehmigten in ihren Rechten betroffen seien, was gegenständlich der Fall sei. So sei im angefochtenen Bescheid vom 13. November 2015 über die Stilllegung der genannten Deponie sogar ein „Mehr“ als in den Bescheiden vom 5. Juli 2001 und vom 1. Juli 1994 genehmigt worden. Dieser Bescheid habe nicht nur die Stilllegung und Nachsorgephase zum Inhalt, es sei im Ergebnis eine Erweiterung der Bodenaushubdeponie genehmigt worden. So seien nunmehr ein Baurestmassenzwischenlager für das 20fache des ursprünglich genehmigten Materials sowie weitere, auch gefährliche Stoffe genehmigt worden. Aus dieser Erweiterung stammten Emissionen, die in die subjektiven Rechte des Mitbeteiligten eingriffen. Darüber hinaus ergebe sich die Beschwerdelegitimation auch aus § 87c Abs. 1 AWG 2002.

5        Der Vergleich des ursprünglichen Genehmigungsbescheides der Deponie mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid mache deutlich, dass tatsächlich mit dem angefochtenen Stilllegungsbescheid eine Bauschutt- bzw. Abfallsortieranlage genehmigt worden sei, anstatt im Sinn der gesetzlich vorgesehenen Nachsorgephase die Stilllegung des Betriebes umzusetzen. Der Mitbeteiligte werde durch den konsenslosen Betrieb der gegenständlichen Anlage unzumutbar belästigt und gefährdet. Zu keinem Zeitpunkt habe die Abfallbehörde Emissionen, die sich durch die Anlage auf Grund des angefochtenen Bescheides auf den Mitbeteiligten auswirkten, erhoben. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung seien im vorliegenden Fall erfüllt, weil die Abfallbehörde den maßgeblichen Sachverhalt, worin es im Wesentlichen auch um die Ermittlung der zu erwartenden Emissionen von den Nebenanlagen und Auswirkungen auf die subjektiven Rechte des Mitbeteiligten ginge, nicht ermittelt habe. Der Mitbeteiligte habe eine zunehmende und nicht ortsübliche Staubentwicklung, ausgehend von der konsenslosen Anlage, auf seiner Liegenschaft festgestellt sowie eine Lärmbeeinträchtigung, die es bei eingestelltem bzw. rechtmäßigem Betrieb nicht geben würde. Aus den Emissionen der Anlage befürchte der Mitbeteiligte zudem gesundheitsgefährdende Folgen. Schließlich hätte die Abfallbehörde die Voraussetzung zur Erteilung einer Genehmigung gemäß § 43 Abs. 1 Z 3 AWG 2002 prüfen und entsprechende Ermittlungen aufnehmen müssen, zumal demnach Nachbarn nicht durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise unzumutbar belästigt werden dürften.

6        Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG zurückverwiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

7        Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften aus, mit den im Akt aufliegenden Kundmachungen vom 2. Oktober 2015 sei der Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung einer Konsensverlängerung der Bodenaushubdeponie auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft kundgemacht bzw. aufgelegt sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung anberaumt worden. Als Rechtsgrundlage sei dabei § 37 Abs. 3 Z 5 AWG 2002 angeführt worden. Die Kundmachung sei dem Antragsteller, der Grundeigentümerin, der Umweltanwältin des Landes Steiermark, dem Arbeitsinspektorat sowie dem Deponieaufsichtsorgan persönlich zugestellt worden. Im Zuge der Verhandlung habe die Revisionswerberin die Stilllegung der Deponie mit Nachsorgephase bis 31. Dezember 2020 sowie das Betreiben eines Zwischenlagers für die im abfalltechnischen Befund angeführten Abfallarten für die Dauer der Nachsorgephase beantragt. Die Abfallbehörde habe mit den Kundmachungen vom 2. Oktober 2015 einen gänzlich anderen Verfahrensgegenstand bekannt gegeben als dieser tatsächlich am 20. Oktober 2015 Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei. Zur Verhandlung seien im Wesentlichen nur die gemäß § 51 Abs. 4 AWG 2002 für das Anzeigeverfahren genannten Parteien geladen worden. Im Hinblick auf die Änderung des Verfahrensgegenstandes wäre die Abfallbehörde jedoch gehalten gewesen, den Parteienkreis entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen (§ 42 AWG 2002 oder § 50 Abs. 4 AWG 2002) zu erweitern. Es sei folglich davon auszugehen, dass es sich beim Mitbeteiligten um eine übergangene Partei handle, und es seien ihm gegenüber die Präklusionswirkungen des § 42 AVG nicht eingetreten.

8        Der angefochtene Bescheid der Abfallbehörde beinhalte die Kenntnisnahme der Silllegung der abfallrechtlich genehmigten Bodenaushubdeponie der Revisionswerberin und erkläre weiters den in der Begründung enthaltenen Befund für maßgeblich. Diesem Befund sei zu entnehmen, dass gleichzeitig auch die Erweiterung des Zwischenlagers, die Erhöhung der Aufbereitungsmengen, die Ablagerung zusätzlicher Abfallarten sowie die Errichtung eines Erdwalles mitbeantragt worden seien.

9        Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. November 2015 neben der Stilllegung der Bodenaushubdeponie auch die Errichtung bzw. Erweiterung des Zwischenlagers sowie immissionsmindernde Maßnahmen (Wallerrichtung) mitgenehmigt worden seien. Hinsichtlich der Erweiterung des Zwischenlagers, der Erhöhung der Ablagerungsmengen sowie der Errichtung „schall- und staubschutzmindernder“ Maßnahmen seien kein emissionstechnischer, kein schallschutztechnischer und kein humanmedizinischer Amtssachverständiger zur Beurteilung der Auswirkungen im Sinn des § 1 Abs. 3 AWG 2002 und zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen gemäß § 43 AWG 2002 beigezogen worden. Der gesamte Verfahrensablauf sei für das Verwaltungsgericht nicht nachvollziehbar und völlig unschlüssig. Auf Grund der aufgezeigten Verfahrensmängel und der Annahme, dass noch von möglichen weiteren „übergangenen Parteien“ auszugehen sein werde, sei eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst keinesfalls im Sinn der Raschheit gelegen oder mit einer Kostenersparnis verbunden.

10       Gegen diesen Beschluss erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 1. Dezember 2017, E 3602/2017-13 ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

11       In der vorliegenden Revision begehrt die Revisionswerberin unter anderem, diesen Beschluss kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       Die Revision erweist sich angesichts der Ausführungen zur fehlenden Parteistellung des Mitbeteiligten und der damit verbundenen Unzulässigkeit einer Vorgangsweise nach § 28 Abs. 3 VwGVG auf Grund einer Beschwerde des Mitbeteiligten als zulässig.

13       Im Revisionsfall war das AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2017 anzuwenden.

Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002 lauten auszugsweise:

Begriffsbestimmungen

§ 2. ...

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

...

5.   sind ‚Nachbarn‘ Personen, die durch die Errichtung, den Bestand, den Betrieb oder eine Änderung einer Behandlungsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder deren dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Nicht als Nachbarn gelten Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Behandlungsanlage aufhalten und die nicht Eigentümer oder dinglich berechtigt sind. ...“

„6. Abschnitt

Behandlungsanlagen

Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen

§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. ...

...

(3) Folgende Behandlungsanlagen - sofern es sich nicht um IPPC-Behandlungsanlagen handelt - und Änderungen einer Behandlungsanlage sind nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen:

1.   Deponien, in denen ausschließlich Bodenaushub- und Abraummaterial, welches durch Ausheben oder Abräumen von im Wesentlichen natürlich gewachsenem Boden oder Untergrund anfällt, abgelagert werden, sofern das Gesamtvolumen der Deponie unter 100 000 m3 liegt;

2.   Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlagen zur thermischen Verwertung für nicht gefährliche Abfälle mit einer thermischen Leistung bis zu 2,8 Megawatt;

3.   sonstige Behandlungsanlagen für nicht gefährliche Abfälle, ausgenommen Deponien, mit einer Kapazität von weniger als 10 000 Tonnen pro Jahr;

4.   a) Behandlungsanlagen zur Zerlegung von Altfahrzeugen,

b)   Behandlungsanlagen zur Zerlegung von Elektro- und Elektronikgeräten, die gefährliche Abfälle darstellen,

c)   Lager von gefährlichen Abfällen mit einer Kapazität von weniger als 1 000 Tonnen pro Jahr und

5.   eine Änderung, die nach den gemäß § 38 mitanzuwendenden Vorschriften oder nach dem Baurecht des jeweiligen Bundeslandes genehmigungspflichtig ist und keine wesentliche Änderung darstellt.

(4) Folgende Maßnahmen sind - sofern nicht eine Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 oder 3 vorliegt - der Behörde anzuzeigen:

1.   eine Änderung zur Anpassung an den Stand der Technik;

2.   die Behandlung oder Lagerung zusätzlicher Abfallarten;

3.   der Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen durch in den Auswirkungen gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen;

4.   sonstige Änderungen, die nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt haben können;

5.   eine Unterbrechung des Betriebs;

6.   der Verzicht auf das Recht, bestimmte genehmigte Abfallarten zu behandeln, oder die Einschränkung der genehmigten Kapazität;

7.   die Auflassung der Behandlungsanlage oder eines Anlagenteils oder die Stilllegung der Deponie oder eines Teilbereichs der Deponie oder die Auflassung einer IPPC-Behandlungsanlage;

...“

Parteistellung

§ 42. (1) Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 37 Abs. 1 haben

...

3.   Nachbarn,

...“

Vereinfachtes Verfahren

§ 50. (1) Im vereinfachten Verfahren sind die §§ 38, 39, 43 und 46 bis 49 nach Maßgabe der folgenden Absätze anzuwenden.

(2) Die Behörde hat einen Antrag für eine Genehmigung gemäß § 37 Abs. 3 vier Wochen aufzulegen. Die Auflage ist in geeigneter Weise, wie Anschlag in der Standortgemeinde oder Veröffentlichung auf der Internetseite der Behörde, bekannt zu geben. Die Nachbarn können innerhalb der Auflagefrist Einsicht nehmen und sich zum geplanten Projekt äußern. Die Behörde hat bei der Genehmigung auf die eingelangten Äußerungen Bedacht zu nehmen.

...

(4) Parteistellung im vereinfachten Verfahren hat der Antragsteller, derjenige, der zu einer Duldung verpflichtet werden soll, das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung seiner Aufgaben und der Umweltanwalt mit dem Recht, die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Vorschriften und hinsichtlich der Verfahren gemäß § 37 Abs. 3 Z 2 bis 4 die Wahrung der öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 4 im Verfahren geltend zu machen. Dem Umweltanwalt wird das Recht eingeräumt, Rechtsmittel zu ergreifen, einschließlich Beschwerde an das Verwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.“

Anzeigeverfahren

§ 51. ...

(2) Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 4 Z 3 und 5 bis 7 sind der Behörde anzuzeigen und können mit Einlangen der Anzeige vorgenommen werden. Einer Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 Z 3 sind die erforderlichen Unterlagen zur Beurteilung der Gleichwertigkeit der Maschinen, Geräte oder Ausstattungen, einer Anzeige gemäß § 37 Abs. 4 Z 7 ist die Beschreibung der vorgesehenen Auflassungs- oder Stilllegungsmaßnahmen anzuschließen. Auf Antrag hat die Behörde diese Anzeige mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen. Im Fall des § 3 Abs. 4 Z 6 bildet dieser Bescheid einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides. Reichen bei Maßnahmen gemäß § 37 Abs. 4 Z 4, 5, 7 oder 8 die vom Inhaber der Behandlungsanlage zur Wahrung der Interessen gemäß § 43 getroffenen Maßnahmen nicht aus, hat die Behörde die erforderlichen Aufträge zu erteilen.

...

(4) Parteistellung im Anzeigeverfahren hat der Inhaber der Behandlungsanlage. Neben dem Inhaber der Behandlungsanlage hat das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993 Parteistellung.“

Zusätzliche Bestimmungen betreffend die Überwachung einer Deponie

§ 63. (1) Unmittelbar nach erfolgter Errichtung der Deponie oder eines Teilbereichs der Deponie und vor Einbringung der Abfälle hat die Behörde die Übereinstimmung der Anlage und der Maßnahmen mit der erteilten Genehmigung zu überprüfen. Parteistellung in diesem Verfahren hat der Antragsteller und der von einer Abweichung in seinen Rechten Betroffene. Über das Ergebnis dieser Überprüfung ist bescheidmäßig abzusprechen und die Behebung der dabei etwa wahrgenommenen Mängel und Abweichungen ist zu veranlassen. Die Einbringung von Abfällen in die Deponie oder den Teilbereich der Deponie ist erst nach Behebung der wahrgenommenen Mängel oder Abweichungen zulässig. Geringfügige Abweichungen, die den gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen nicht widersprechen oder denen der von der Abweichung in seinen Rechten Betroffene zustimmt, dürfen im Überprüfungsbescheid nachträglich genehmigt werden.

(2) Stilllegungsmaßnahmen sind in sinngemäßer Anwendung des Abs. 1 von der Behörde zu überprüfen.

...“

14       Die Revisionswerberin bringt unter anderem vor, der Bescheid vom 13. November 2015 sei ein solcher nach § 37 Abs. 4 Z 7, § 51 Abs. 2 und 4 sowie § 6 Abs. 3 AWG 2002. Er sei folgerichtig nur dem Inhaber der Anlage (der Revisionswerberin) sowie dem Deponieaufsichtsorgan zugestellt worden. Bemerkt werde, dass den Nachbarn in Bezug auf die Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gegeben seien, eine insoweit eingeschränkte Parteistellung zukomme, und dass diese Überlegungen auch auf das Anzeigeverfahren übertragen werden könnten. Im Anzeigeverfahren, über das der Bescheid vom 13. November 2015 abgesprochen habe, habe der Mitbeteiligte gemäß § 51 Abs. 4 AWG 2002 keine Parteistellung. Auch in einem vereinfachten Verfahren hätte der Mitbeteiligte nach § 50 Abs. 4 AWG 2002 keine Parteistellung. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob dem Mitbeteiligten Parteistellung zukomme oder nicht. Eine Parteistellung des Mitbeteiligten liege nach Ansicht der Revisionswerberin nicht vor. So habe der Mitbeteiligte nicht behauptet, dass es sich im Revisionsfall um eine wesentliche Änderung im Sinn des § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 handle. Nur wenn es sich um eine derartige wesentliche Änderung handle, sei § 37 Abs. 1 AWG 2002 anwendbar und hätte der Mitbeteiligte allenfalls Parteistellung.

15       Selbst wenn der Mitbeteiligte das geforderte Vorbringen erstattet hätte, also dargetan hätte, durch welche Änderung der Betriebsanlage welche Immissionen drohten bzw. drohen könnten, wäre für diesen nichts gewonnen, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Projektänderungen, die auf die in § 75 Abs. 2 Gewerbeordnung 1973 genannten Nachbarinteressen keinen Einfluss hätten, einen für die Beurteilung der Parteistellung von Nachbarn zu beachtenden Kundmachungsmangel im Sinn des § 29 Abs. 4 AWG 1990 nicht herbeizuführen vermöchten. Ob gerade die gegenständliche Änderung des Projektgegenstandes, die vom Verwaltungsgericht als „gänzlich anderer Verfahrensgegenstand“ bezeichnet werde, tatsächlich auf die Nachbarinteressen des Mitbeteiligten Einfluss gehabt habe, sei ungeprüft geblieben.

16       Der Mitbeteiligte habe in seiner Beschwerde weder die Verfahrensart gerügt noch eine wesentliche Änderung im Sinn des § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 dargetan, sodass auszuschließen sei, dass er im Verfahren (nachträglich) Parteistellung erlangen könne.

Bereits mit diesem Vorbringen zeigt die Revision im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses auf:

17       Zunächst ist festzuhalten, dass alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2014/10/0054, mwN). In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, wer Parteistellung im Verfahren hat, weil etwa eine Beschwerde von einer Nichtpartei den Eintritt der Rechtskraft nicht hindern kann (vgl. VwGH 30.4.2013, 2011/05/0133, dessen Ausführungen auf die Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit 1. Jänner 2014 übertragen werden können). Wurde die Beschwerde nur von einer Nichtpartei erhoben, darf das Verwaltungsgericht die Beschwerde nur zurückweisen, nicht jedoch etwa den Genehmigungsbescheid aufheben.

18       Das verwaltungsbehördliche Verfahren, das zur Erlassung des Bescheides vom 13. November 2015 führte, wurde als Anzeigeverfahren gemäß § 37 Abs. 4 Z 7 in Verbindung mit § 51 Abs. 2 und 4 AWG 2002 geführt, in welchem dem Mitbeteiligten gemäß der letztgenannten Bestimmung unbestritten keine Parteistellung zukommt. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass mit Bescheid der Abfallbehörde vom 13. November 2015 nicht nur die Stilllegung der Bodenaushubdeponie zur Kenntnis genommen, sondern auch die Errichtung bzw. Erweiterung des Zwischenlagers sowie immissionsmindernde Maßnahmen genehmigt worden seien, trifft angesichts des eindeutigen Spruches dieses Bescheides nicht zu.

19       Das Verwaltungsgericht hätte daher die Beschwerde des Mitbeteiligten mangels Parteistellung im gegenständlichen Anzeigeverfahren gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG zurückzuweisen gehabt. Bemerkt wird, dass es sich bei dem Schreiben der Abfallbehörde vom 6. Juli 2017, mit welchem dem Mitbeteiligten der Bescheid vom 13. November 2015 übermittelt wurde, nicht um einen Bescheid handelt, mit welchem dem Mitbeteiligten die Parteistellung zuerkannt worden wäre (s. dazu auch den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2018/05/0018).

20       Die mit dem angefochtenen Beschluss auf Grund der Beschwerde einer Nichtpartei vorgenommene Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2015 und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Abfallbehörde erweist sich demnach als rechtswidrig.

21       Der angefochtene Beschluss war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Auf das übrige Vorbringen in der Revision war daher nicht mehr einzugehen.

22       Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 26. Juni 2018

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050021.L00

Im RIS seit

06.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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