TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/26 99/03/0172

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Veröffentlicht am 26.01.2000
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §28;
StVO 1960 §94;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des F J in G, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath und Mag. Gerhard Stingl, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 9. März 1999, Zl. UVS 30.2-120/98-5, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 22. Juni 1997 um 15.15 Uhr als Lenker einen näher bestimmten Straßenbahnzug in Graz, Georgigasse-Göstinger Straße-Baiernstraße stadtauswärts gelenkt. Dabei habe er die Fahrgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen angepasst, zumal er beim Einbiegen in die Kurve zu schnell gefahren sei, so dass ein Fahrgast vom Sitz gerutscht und ein zweiter Fahrgast beim Versuch zu helfen ebenfalls verletzt worden sei. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 20 Abs. 1 StVO verletzt, weshalb ihm gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO iVm § 21 VStG eine Ermahnung erteilt worden sei.

Auf Grund des Akteninhalts habe die Fahrgeschwindigkeit in der Georgigasse vorerst ca. 40 km/h betragen, in der Folge habe der Beschwerdeführer die Fahrgeschwindigkeit verringert und begonnen, nach rechts in die Göstinger Straße einzubiegen. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer den Straßenbahnzug an der Haltestalle A zum Stillstand gebracht. In der dort befindlichen Rechtskurve habe der Beschwerdeführer eine Fahrgeschwindigkeit von 16 km/h eingehalten. Im Zuge des Befahrens der Rechtskurve sei eine sich auf einem Einzelsitz befindliche Person vom Sitz gerutscht und dabei leicht verletzt worden, ebenso ein Fahrgast, der der Erstgenannten gegenüber gesessen und versucht habe, diese - als sie vom Sitz gerutscht sei - aufzufangen. Dabei habe sich auch der letztgenannte Fahrgast leicht verletzt. Aus der Stellungnahme der Grazer Stadtwerke AG vom 18. Dezember 1998 gehe hervor, dass der gegenständliche Streckenabschnitt mit Bescheid vom 18. April 1990 durch die zuständige Eisenbahnbehörde genehmigt worden sei und auf Grund der technischen Unterlagen sowie der technischen Vorschreibungen in diesem Bescheid der gegenständliche Bogen mit einem Radius von 20 m bei einer Geschwindigkeit von 13 km/h zu befahren sei. Nach den Auswertungen des Geschwindigkeitsmessgerätes im Straßenbahnzug sei der Beschwerdeführer mit einer Geschwindigkeit von 16 km/h gefahren, wobei jedoch zu beachten sei, dass in jedem Fall Toleranzen bei der Aufzeichnung zu berücksichtigen seien. Weiters sei in dieser Stellungnahme darauf hingewiesen worden, dass in diesem Geschwindigkeitsbereich eine genaue Einhaltung der Geschwindigkeit in der Praxis in der Größenordnung zwischen 13 km/h und 16 km/h kaum möglich sei. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit im fraglichen Streckenabschnitt zwar um 3 km/h überschritten habe, wobei es jedoch ebenso zu berücksichtigen sei, dass die geringfügige Geschwindigkeitsübertretung für den Beschwerdeführer, wie aus der Stellungnahme vom 18. Dezember 1998 hervorgehe, nicht weiter erkennbar gewesen sei, und dass überdies in der Praxis in diesem Geschwindigkeitsbereich die exakte Einhaltung der vorgeschriebenen Fahrgeschwindigkeit von 13 km/h kaum möglich sei. Gerade aus diesem Grund wäre der Beschwerdeführer von vornherein jedoch auch verpflichtet gewesen, seine Fahrgeschwindigkeit im Hinblick auf den gegenständlichen Streckenabschnitt und die Sicherheit der Fahrgäste eher etwas niedriger als erlaubt zu wählen.

Da somit einerseits die eingehaltene Fahrgeschwindigkeit geringfügig über der erlaubten Fahrgeschwindigkeit gelegen sei und sich zwei Fahrgäste verletzt hätten, andererseits jedoch das Verschulden des Beschwerdeführers - wie ausgeführt - als geringfügig anzusehen sei, habe von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen werden können. Die Behörde übersehe dabei nicht, dass die beiden angesprochenen Fahrgäste leichte Verletzungen erlitten hätten (eine Kopfprellung bzw. die Prellung eines Knies) und somit Folgen durch Tat eingetreten seien. Diese als leicht zu bezeichnenden Verletzungen seien jedoch im Hinblick auf das Zustandekommen derselben und geringer Geschwindigkeitsüberschreitung als "a-typisch" anzusehen; es sei in diesem Zusammenhang auch auf die von den Passagieren öffentlicher Verkehrsmittel zu beachtenden Sicherheitshinweise zu verweisen. Aus dieser Eigenverantwortlichkeit der Passagiere von öffentlichen Verkehrsmitteln sei abzuleiten, dass sich diese bei der Beförderung festhalten müssten, da "mit einem plötzlichen Abbremsen udgl. immer gerechnet" werden müsse. Es sei im vorliegenden Fall "jedenfalls auch nicht auszuschließen", dass die vom erstgenannten Fahrgast zum fraglichen Zeitpunkt eingehaltene Sitzposition für derartige Fälle "eben nicht entsprechend sicher" gewesen sei und es dieser unterlassen habe, sich entsprechend der Warnhinweise in der Straßenbahn zu verhalten.

Gemäß § 21 Abs. 1 VStG sei eine Ermahnung auszusprechen gewesen, weil nach Auffassung der Behörde eine solche als ausreichend angesehen werde, um den Beschuldigten vor weiteren strafbaren Handlungen gleicherart abzuhalten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 20 Abs. 1 StVO 1960 sieht - soweit hier maßgeblich - vor, dass der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen hat.

Vorweg ist festzuhalten, dass beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon ausgehen, dass § 20 Abs. 1 StVO 1960 auch Lenker von Schienenfahrzeugen erfasst. In Anbetracht des Wortlautes des § 20 Abs. 1 (insbesondere der weiten Umschreibung: "Lenker eines Fahrzeuges") sowie des § 28 StVO 1960 erscheint diese Auffassung im Beschwerdefall unbedenklich, ist doch im Sinne der zuletzt genannten Norm auch den Führern von Schienenfahrzeugen die Einhaltung des § 20 Abs. 1 leg.cit. ungeachtet der Bindung dieser Fahrzeuge an Geleise möglich.

2. Mit seinem Vorbringen, ihm werde im bekämpften Bescheid nicht die Überschreitung einer nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 von der Behörde verordneten Höchstgeschwindigkeit zur Last gelegt, und sein Fall hätte im Hinblick darauf, dass er an Stelle der von der zuständigen Eisenbahnbehörde vorgeschriebenen Geschwindigkeit von 13 km/h eine Geschwindigkeit von 16 km/h eingehalten habe, nur dann unter die Bestimmung des § 20 Abs. 1 StVO 1960 subsumiert werden dürfen, wenn die Behörde auch festgestellt hätte, dass bei Einhaltung einer geringeren, allenfalls 13 km/h sogar unterschreitenden Geschwindigkeit die Verletzung der beiden Fahrgäste nicht eingetreten wäre, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Wenn auch § 20 Abs. 1 leg.cit. nach der hg. Rechtsprechung dem Schutzzweck konkret vorhandener Personen, Sachen oder Tiere dient (vgl. das Erkenntnis vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0137), hängt ein Verstoß gegen diese Regelung nach ihrem Wortlaut nicht davon ab, dass durch das verpönte Verhalten (Unterlassen der Anpassung der Fahrgeschwindigkeit an die konkreten Umstände) ein Erfolg (etwa die Verletzung von Personen) herbeigeführt wird. Weiters handelt es sich bei der laut angefochtenem Bescheid von der Eisenbahnbehörde in dem in Rede stehenden Streckenabschnitt festgelegten Geschwindigkeit von 13 km/h nicht um eine im Sinne des § 20 Abs. 2 StVO 1960 von der "Behörde" vorgesehene Höchstgeschwindigkeit, weil hier als "Behörde" nur eine Behörde im Sinne des XII. Abschnittes der StVO 1960 (§§ 94 ff leg. cit.) - somit keine Eisenbahnbehörde - in Betracht kommen kann. Schließlich begegnet es keinen Bedenken, wenn als die nach § 20 Abs. 1 StVO 1960 vom Lenker eines Schienenfahrzeuges einzuhaltende Geschwindigkeit in der Regel jene angesehen wird, die von der Eisenbahnbehörde für einen bestimmten Streckenabschnitt nach den dort gegebenen Umständen festgelegt wurde.

3. Der Vorwurf, gemäß § 44a Z. 1 VStG wäre es erforderlich gewesen, im Spruch die Geschwindigkeit ziffernmäßig anzuführen, die der Beschwerdeführer "nicht den gegebenen Umständen angepasst haben soll", geht ebenfalls fehl. § 44a Z. 1 VStG bestimmt, dass der "Spruch" (§ 44 Abs. 1 Z. 6 leg. cit.) eines Straferkenntnisses "die als erwiesene angenommene Tat" zu enthalten hat. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A) heißt das, dass die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat mit so konkreter Umschreibung vorgeworfen ist, dass dieser (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Der Gerichtshof vermag im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, dass den im zitierten hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates dargelegten Rechtsschutzüberlegungen nicht Rechnung getragen worden wäre. Bereits im Hinblick auf die in der ersten Verfolgungshandlung, nämlich in der Strafverfügung vom 13. August 1997 enthaltenen Angaben betreffend Tatverhalten, Tatzeit und Tatort konnten für den Beschwerdeführer über die Identität der ihm zur Last gelegten Tat und den Gegenstand der maßgeblichen Beweisführung kein Zweifel bestehen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht somit keinen Grund dafür, dass es erforderlich wäre, zur Vermeidung einer Doppelbestrafung des Beschwerdeführers in den Spruch des angefochtenen Bescheides die in der Beschwerde geforderte Geschwindigkeitsangabe aufzunehmen.

4. Auch die Verfahrensrüge, von der belangten Behörde wäre eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen, weil der Beschwerdeführer auf die Durchführung einer solchen nicht verzichtet habe, erweist sich im Hinblick auf § 51e Abs. 3 VStG - der in seiner für die Behörde maßgeblichen Fassung gemäß § 66b Abs. 8 leg. cit. mit 1. Jänner 1999 in Kraft getreten ist - als verfehlt. Nach § 51e Abs. 3 VStG (der im Übrigen diesbezüglich grundsätzlich dem § 51e Abs. 2 VStG in der vor dem 1. Jänner 1999 geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 620/1995 folgt) kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn in dem von der belangten Behörde angefochtenen Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Dass der Beschwerdeführer den nach § 51e Abs. 3 VStG erforderlichen Antrag gestellt hätte, wird in der Beschwerde aber nicht behauptet und ist auch aus den Verwaltungsakten nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen wird in der Beschwerde auch nicht aufgezeigt, dass die belangte Behörde bei Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Damit hat es die Beschwerde verabsäumt, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen (vgl das hg Erkenntnis vom 4. Juli 1997, Zl. 97/03/0126). Weiters geht die Verfahrensrüge fehl, die belangte Behörde habe die Vernehmung von Zeugen, die Durchführung eines Ortsaugenscheines, die Beiziehung eines Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen sowie die Beischaffung eines Aktes der Staatsanwaltschaft Graz unterlassen, gibt doch die Beschwerde nicht an, was durch die Aufnahme dieser Beweise konkret hätte bewiesen werden sollen, weshalb auch diesbezüglich die nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG erforderliche Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht dargetan wurde.

5. Mit ihrem Vorbringen, im angefochtenen Bescheid fehlten Feststellungen betreffend allfällige Toleranzen der Messgenauigkeit des dem Straßenbahnzug eingebauten Fahrtenschreibers, zeigt die Beschwerde ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, hat doch der Beschwerdeführer nie bestritten, die maßgebliche Geschwindigkeit von 13 km/h überschritten zu haben.

6. Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999030172.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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