Index
L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art139 Abs1 Z2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplans der Gemeinde Waldneukirchen betreffend ein Grundstück mit geteilter Widmung mangels Klarheit über die exakte Trennlinie zwischen den verschiedenen WidmungskategorienSpruch
I. Der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen, Z RO-66-2010, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen am 5. Juli 2012, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. August 2012, kundgemacht am 8. August 2012, soweit er sich auf das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, bezieht, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Oberösterreich verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E1921/2017 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Der Beschwerdeführer dieses Verfahrens beabsichtigt, auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, einen Dachgeschoßausbau vorzunehmen. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2011 wies der Bürgermeister der Gemeinde Waldneukirchen den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer entsprechenden Baubewilligung ab, zumal der geplante Ausbau dem zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Geltung stehenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde Waldneukirchen in der Fassung der Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen vom 17. April 1997 und vom 19. März 1998, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Oktober 1998, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel am 9. November 1998 ("Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen") widerspreche. Dieser Flächenwidmungsplan sehe für jenen Teil des Grundstückes des Beschwerdeführers, auf dem sich das Gebäude befinde, eine Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet vor und ermögliche auf diesem Grundstück lediglich die Errichtung von Betriebswohnungen. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Baubewilligung sei daher gemäß §30 Abs6 Oö. Bauordnung 1994, LGBl 66/1994 ("Oö. BauO 1994"), abzuweisen gewesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen mit Bescheid vom 7. März 2012 als unbegründet ab.
1.2. In seiner Sitzung vom 5. Juli 2012 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen die Erlassung eines neuen Flächenwidmungsplanes für das Gemeindegebiet von Waldneukirchen ("Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen"). Mit Bescheid vom 6. August 2012 erteilte die Oberösterreichische Landesregierung die aufsichtsbehördliche Genehmigung für diesen Flächenwidmungsplan, die Kundmachung erfolgte am 8. August 2012. Der Flächenwidmungsplan Nr 4 verordnet für jenen Teil des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, auf dem sich das Gebäude, dessen Ausbau der Beschwerdeführer beabsichtigt, befindet, neuerlich (dh. unverändert) die Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet. Der übrige Teil des Grundstückes weist eine Widmung als Grünland (Widmung für die Land- und Forstwirtschaft bestimmte Fläche, Ödland) auf.
1.3. Die gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen vom 7. März 2012 erhobene Vorstellung wies die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 11. Oktober 2012 ab. Begründend führte die Oberösterreichische Landesregierung hiezu im Wesentlichen aus, dass sie den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides anzuwendenden Sach- und Rechtslage zu prüfen habe, weshalb in ihrem Verfahren (noch) der Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen anzuwenden sei. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Baubewilligung zum Ausbau des Dachgeschosses des auf dem Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, befindlichen Gebäudes sei zu Recht wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen abgewiesen worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. März 2015 beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellte, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen gesetzwidrig war.
1.4. Mit Erkenntnis VfSlg 19.980/2015 stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass der Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen, soweit dieser für jene Fläche, welche im Osten von dem im Plan als "Steyrtalstraße" ausgewiesenen Straßenzug begrenzt und von einer in west-östlicher Richtung verlaufenden, als "OKA 30 kV" ausgewiesenen Hochspannungsleitung durchzogen werde, die Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet vorsehe, gesetzwidrig gewesen sei. Diese Fläche ist ein Teil des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Folgendes aus:
"[…]
Gemäß §36 Abs6 OÖ ROG 1994 ist die Änderung eines Flächenwidmungsplans oder eines Bebauungsplans durch den Gemeinderat zu begründen; bei der Änderung von Flächenwidmungsplänen muss den Akten überdies die erforderliche Grundlagenforschung und Interessenabwägung zu entnehmen sein.
Wie sich aus den Ausführungen des Bürgermeisters der Gemeinde Waldneukirchen und aus den Akten des Verordnungserlassungsverfahrens übereinstimmend ergibt, wurde die Änderung der Widmungskategorie von 'Wohngebiet' in 'eingeschränktes gemischtes Baugebiet' hinsichtlich des Baugrundstücks Nr 710/1, KG Waldneukirchen, im Flächenwidmungsplan Nr 3 durch den Gemeinderat weder begründet noch wurde im Verordnungserlassungsverfahren eine entsprechende Grundlagenforschung oder Interessenabwägung vorgenommen. Der angefochtene Flächenwidmungsplan Nr 3, soweit er für jene Fläche, welche im Osten von dem im Plan als 'Steyrtalstraße' ausgewiesenen Straßenzug begrenzt und von einer in west-östlicher Richtung verlaufenden, als 'OKA 30 kV' ausgewiesenen Hochspannungsleitung durchzogen wird, die Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet ('MB') vorsieht, widerspricht daher §36 Abs6 OÖ ROG 1994.
[…]"
1.5. Infolge des genannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. September 2015, 2015/05/0002, den Vorstellungsbescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 11. Oktober 2012 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
1.6. Mit Beschluss vom 12. November 2015 behob das anstelle der Oberösterreichischen Landesregierung in das Verfahren eingetretene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen vom 7. März 2012 gemäß §28 Abs3 VwGVG und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an diesen zurück.
1.7. Mit Bescheid vom 23. September 2016 wies der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Waldneukirchen vom 4. Oktober 2011 neuerlich ab. Begründend führte der Gemeinderat aus, die Gemeinde hätte auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.980/2015 geplant, die Widmung des in Rede stehenden Grundstückes von eingeschränktem gemischten Baugebiet in Wohngebiet zu ändern. Im Zuge des Änderungsverfahrens habe allerdings das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung fachliche Einwände erhoben, weil die geplante Umwidmung einen Nutzungskonflikt zum östlich gelegenen Betriebsbaugebiet sowie zur stark befahrenen Steyrtalstraße auslösen könne. Aus diesem Grund könne die geplante Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht umgesetzt werden; der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen sehe für das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, weiterhin eine Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet vor. Die vom Beschwerdeführer beantragte Baubewilligung zum Ausbau des Dachgeschosses des auf dem Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, befindlichen Gebäudes könne folglich wegen eines Widerspruchs zur Flächenwidmung nicht erteilt werden.
1.8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, das die Beschwerde mit dem zur Zahl E1921/2017 angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abwies. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hegte dabei keine Bedenken gegen den Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen: Die Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet sei nicht irrtümlich erfolgt, der Gemeinderat habe sich umfassend mit der Frage der Widmung befasst und sei auf Grund diverser Erhebungen und Überlegungen zur Entscheidung gelangt, das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, erneut als eingeschränktes gemischtes Baugebiet zu widmen. Das in §36 Abs6 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1994, LGBl 114/1993 ("Oö. ROG 1994"), grundgelegte Umwidmungsprozedere sowie die darin normierten Kriterien seien (sinngemäß) eingehalten worden, auch wenn diese unter "umgekehrten Vorzeichen" – nämlich ausgehend von einer möglichen Rückwidmung von eingeschränktem gemischten Baugebiet in Wohngebiet und nicht auf Basis einer Umwidmung von Wohngebiet in gemischtes Baugebiet – vorgenommen worden seien. Auch in inhaltlicher Hinsicht sei der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen unbedenklich. Die Bezugnahme des Beschwerdeführers auf den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. November 2015 und die darin vertretene Rechtsauffassung, wonach der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen verpflichtet sei, eine dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.980/2015 entsprechende Rechtslage herzustellen, führe nicht zum Erfolg. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich habe damit gemeint, dass das im Oö. Raumordnungsgesetz 1994 vorgesehene Prozedere bzw. die dort festgelegten Anforderungen zur Erlassung einer Verordnung einzuhalten seien. Dies sei im Hinblick auf den Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen erfolgt. Da somit nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich eine gesetzmäßige Flächenwidmung des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, bestehe und das vom Beschwerdeführer beantragte Bauvorhaben dieser Widmung widerspreche, habe der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen die Berufung des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen.
1.9. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Einschreiter eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Darin behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG sowie auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG sowie Art1 1. ZPEMRK. Ferner behauptet der Beschwerdeführer, durch die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich des Flächenwidmungsplanes Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.980/2015 bestehe für das Grundstück des Beschwerdeführers überhaupt keine Flächenwidmung mehr, die beantragte Baubewilligung hätte dem Beschwerdeführer – als Ausfluss der aus dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums erfließenden Baufreiheit – daher erteilt werden müssen. Der Gemeinderat habe in Kenntnis des Bauansuchens des Beschwerdeführers für dessen Grundstück eine Flächenwidmung vorgenommen, um die vom Beschwerdeführer begehrte Baubewilligung zu vereiteln.
Der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen sei gesetzwidrig, weil es an einer entsprechenden Begründung durch den Gemeinderat, an der erforderlichen Grundlagenforschung und an einer Interessenabwägung mangle. Der Beschwerdeführer sei im Zuge des Änderungsverfahrens nicht hinreichend beteiligt worden, weshalb für den Beschwerdeführer auch nicht ersichtlich sei, aus welchen Gründen der Gemeinderat für das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, eine Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet verordnet habe. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.980/2015 habe die Widmung für das Grundstück des Beschwerdeführers im Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen aufgehoben, es könne daher nicht gesagt werden, dass für dieses Grundstück eine "Fortschreibung der Widmung" erfolgt sei. Durch die Anwendung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen werde der Beschwerdeführer daher in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG verletzt.
1.10. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legte die Gerichtsakten vor und erstattete keine Gegenschrift. Der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen legte die Verwaltungs- und die Verordnungsakten vor und erstattete ebenfalls keine Äußerung.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplans Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen, Z RO-66-2010, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen am 5. Juli 2012, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. August 2012, kundgemacht am 8. August 2012, soweit er sich auf das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, bezieht, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 26. Februar 2018 beschlossen, diese Verordnung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis VfSlg 19.980/2015 festgestellt, dass die mit dem Flächenwidmungsplan Nr 3 festgelegte Widmung eines Teils des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, als eingeschränktes gemischtes Baugebiet gesetzwidrig war. Der Verfassungsgerichtshof hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass im Vorfeld der Erlassung des Flächenwidmungsplanes Nr 3 hinsichtlich des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, weder eine entsprechende Begründung der Änderung der Widmungskategorie noch eine Interessenabwägung und eine Grundlagenforschung erfolgt sei, weshalb der präjudizielle Teil des Flächenwidmungsplanes Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen §36 Abs6 Oö. ROG 1994 widersprochen habe.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann die Beibehaltung einer gesetzwidrigen Flächenwidmung in einem nachfolgenden Flächenwidmungsplan dazu führen, dass auch dieser Flächenwidmungsplan aus denselben Gründen gesetzwidrig ist (vgl. VfSlg 15.949/2000, 16.896/2003, 17.149/2004).
Mit dem – hiemit in Prüfung gezogenen – Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen wurde die bereits im Flächenwidmungsplan Nr 3 festgelegte teilweise Widmung des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, als eingeschränktes gemischtes Baugebiet fortgeschrieben. Aus den vorgelegten Verordnungsakten kann der Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht ersehen, dass im Vorfeld der Erlassung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 eine entsprechende Interessenabwägung, eine Grundlagenforschung oder eine entsprechende Begründung für die teilweise Widmung des Baugrundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, als eingeschränktes gemischtes Baugebiet vorgenommen worden sind.
Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass jene Gesetzwidrigkeiten, die im Hinblick auf das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, auf den Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen zugetroffen haben, im selben Umfang auch den Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen mit Gesetzwidrigkeit belasten könnten. Der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen dürfte daher nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes in diesem Umfang §36 Abs6 Oö. ROG 1994 widersprechen. Dabei wird auch zu prüfen sein, inwieweit in diesem Zusammenhang die Tatsache zu berücksichtigen ist, dass die Oberösterreichische Landesregierung als Aufsichtsbehörde bekannt gegeben hat, dass sie einer anderen Widmung ihre Zustimmung verweigern würde.
3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg 11.807/1988, 13.716/1994) muss der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus der planlichen Darstellung eindeutig und unmittelbar – also ohne das Heranziehen etwaiger technischer Hilfsmittel wie zB des Grenzkatasters – feststellen können; ansonsten genügt die Regelung nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen. Diesen Erfordernissen wird nicht Rechnung getragen, wenn die Widmung der von den in Prüfung gezogenen Flächen nicht aus der zeichnerischen Darstellung ersichtlich ist (VfSlg 14.759/1997). Die Kennzeichnung der Widmungskategorien muss jedenfalls mit der aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlichen Präzision erfolgen (VfSlg 14.968/1997). Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung außerdem bereits zum Ausdruck gebracht, dass insbesondere dann, wenn für ein Grundstück mehrere Widmungsarten vorgesehen sind, aus der Plandarstellung ersichtlich sein muss, woran sich die Widmungsgrenzen orientieren (vgl. VfSlg 19.890/2014).
Diesem Erfordernis dürfte der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen, soweit er sich auf das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, bezieht, nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichthofes nicht entsprechen: Die am 8. August 2012 erfolgte Kundmachung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen verweist auf eine planliche Darstellung, die sich in den Verordnungsakten befindet. Aus dieser Darstellung ist zwar ersichtlich, dass der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen für einen Teil des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, eine Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet und für den anderen Teil des Grundstückes eine Widmung als Grünland (für die Land- und Forstwirtschaft bestimmte Fläche, Ödland) vorsieht. Der Verfassungsgerichtshof vermag aber anhand der planlichen Darstellung vorläufig nicht zu erkennen, woran sich die innerhalb des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, zwischen diesen beiden Widmungskategorien gezogene Widmungsgrenze orientieren könnte.
Damit lässt sich nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht mit der aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlichen Präzision erkennen, welche Teilfläche des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, im Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen eine Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet und welcher Teil des Grundstückes eine Widmung als Grünland (für die Land- und Forstwirtschaft bestimmte Fläche, Ödland) aufweist.
Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen, soweit er sich auf das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, bezieht, auch aus diesem Grund gesetzwidrig sein könnte."
3. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegentritt:
"ln rechtlicher Hinsicht ist die Oö. Landesregierung als Aufsichtsbehörde wie vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im angefochtenen Erkenntnis vom 25. April 2017, *****************, dargelegt der Auffassung, dass die Widmung beim beschwerdegegenständlichen Grundstück als eingeschränktes gemischtes Baugebiet im Flächenwidmungsplan Nr 4 nicht irrtümlich erfolgt ist und der Gemeinderat sich auch umfassend mit der Frage der Widmung auseinandergesetzt hat.
Der Gemeinderat ist aufgrund von Erhebungen und Überlegungen zur Entscheidung gelangt, dass das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, erneut als eingeschränktes gemischtes Baugebiet zu widmen ist. Bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 ist auch eine Anregung des Grundstückseigentümers auf Umwidmung des Grundstückes Nr 710/1, KG. Waldneukirchen, von eingeschränktem gemischten Baugebiet in Wohngebiet vorgelegen, bei der allerdings der Gemeinderat zum Ergebnis gelangt ist, dass dieser Anregung nicht Folge geleistet wird, sondern die - wenn auch zunächst irrtümliche - Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet 'weiter belassen werden soll'.
Aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Juni 2015, V68/2015-10, in welchem festgestellt wurde, dass der Flächenwidmungsplan Nr 3 in der Fassung der Beschlüsse des Gemeinderates der Gemeinde Waldneukirchen vom 17. April 1997 und 19. März 1998, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 28. Oktober 1998, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel am 9. November 1998, soweit er für jene Fläche, welche im Osten von dem im Plan als 'Steyrtalstraße' ausgewiesenen Straßenzug begrenzt und von einer in west-östlicher Richtung verlaufenden, als 'OKA 30 kV' ausgewiesenen Hochspannungsleitung durchzogen wird, die Widmung als eingeschränktes gemischtes Baugebiet (MB) vorsieht, gesetzwidrig war, wurde vom Gemeinderat neuerlich ein Umwidmungsverfahren eingeleitet.
Im Zuge des Vorprüfungsverfahrens im Rahmen von §33 Abs2 Oö. ROG 1994 wurde von der Landesregierung aus fachlicher Sicht der örtlichen Raumordnung zur gegenständlichen Änderung festgestellt, dass zur geplanten Umwidmung von 'Bauland - eingeschränktes gemischtes Baugebiet (unter Ausschluss betriebsfremder Wohnungen)' in 'Bauland - Wohngebiet' auf dem Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, Gesamtfläche ca. 840 m2, aufgrund der unmittelbaren Lage des Planungsgebietes neben dem östlich liegenden Betriebsbaugebiet sowie neben der stark befahrenen B 140 Steyrtalstraße zur Vermeidung eines Widmungskonfliktes sowie aus Immissionsschutzgründen fachliche Einwendungen vorgebracht werden.
Da der Abstand zwischen dem beantragten Wohngebiet und dem bestehenden Betriebsbaugebiet lediglich ca. 15 m beträgt, können Nutzungskonflikte nicht ausgeschlossen werden. ln diesem Zusammenhang wird auch auf die Bestimmungen gemäß §21 Abs2 Oö. ROG 1994 hingewiesen, wonach die Lage der Baulandflächen im Sinn einer funktionalen Gliederung zur Erreichung eines möglichst wirksamen Umweltschutzes abzustimmen ist.
Zur Ausweisung der ge[z]ogenen Risikozone wird angemerkt, dass diese nicht der aktuellen Untersuchungsstufe 2 entspricht.
Aufgrund dieses Vorprüfungsergebnisses hat der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen in der Gemeinderatssitzung am 11. Mai 2017 den Beschluss gefasst, den Antrag auf Umwidmung der Parzelle 710/1, KG Waldneukirchen von 'MB' (Mischbaugebiet) in 'W' (Wohngebiet) abzulehnen. Da somit der Gemeinderat zur Auffassung gelangt ist, dass die bereits bestehende Widmung belassen wird, wurde kein aufsichtsbehördliches Verfahren durchgeführt.
Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass sich der Gemeinderat bereits bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 ausreichend mit der bestehenden Widmung auf dem beschwerdegegenständlichen Grundstück befasst hat, wobei den Anregungen des Grundstückseigentümers keine Folge geleistet wurde. Eine neuerliche Befassung des Gemeinderates erfolgte aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Juni 2015, wobei der Gemeinderat neuerlich zur Erkenntnis gelangte, die bestehende Widmung zur Vermeidung von Widmungskonflikten (funktionale Gliederung) zu belassen."
4. Der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen erstattete folgende Äußerung im Verordnungsprüfungsverfahren:
"Betreffend der Fortschreibung einer gesetzeswidrigen Widmung:
Der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen, Z RO-66-2010, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen wurde aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 06.08.2012 und am 08. August 2012 kundgemacht.
In der Sitzung am 30.09.2010 wurde der Grundsatzbeschluss für den neuen Flächenwidmungsplan gefällt (Protokollauszug finden Sie unter Anlage 1). In dieser Sitzung wurde, wie auch im Protokollauszug auf den Seiten 3 & 6 ersichtlich, die Widmung des Grundstücks 710/1 ('***********') ausführlich behandelt.
Wir ersuchen Sie, hierbei zu beachten, dass das Protokoll der Gemeinderatssitzung gem. §54 Abs5 OÖ Gemeindeordnung lediglich der wesentliche Verhandlungsverlauf wiedergibt und kein Wortprotokoll darstellt.
Aus dem Protokoll des Gemeinderats geht aus unserer Sicht daher eindeutig hervor, dass bereits 2010 eine Umwidmung in Wohngebiet in Betracht gezogen wurde, allerdings genauso wie 2016 nach ausführlicher Interessensabwägung die Lage an der viel Befahrenen Bundesstraße 140 (ca. 7000 Fahrzeuge täglich) sowie das nahegelegene Betriebsbaugebiet (lediglich ca. 15 eter Abstand) eine Widmung fachlich verhinderte. Das erwähnte Betriebsbaugebiet bestand bereits, ehe das Wohnhaus am Grundstück 710/1, KG Waldneukirchen überhaupt errichtet wurde. Bei einer Widmung in Wohngebiet wäre aus Sicht des Gemeinderats ein eindeutiger Widmungskonflikt gegeben gewesen.
Betreffend der Feststellung der Widmungsgrenze:
Unserer Auffassung nach kann aufgrund eines Plans mit Maßstabangabe durchaus eine Widmungsgrenze festgestellt werden. Weiters stellt sich in der Natur die Lage so dar, dass durch das Grundstück 710/1, KG Waldneukirchen im nordwestlichen Teil eine steile Böschung verläuft. Die Böschungskante bildet auch die Widmungsgrenze. Fotos vom Lokalaugenschein am 30.03.2018 haben wir ihnen unter Anlage 2 beigefügt. Vereinfacht kann gesagt werde, dass die ebene Fläche (wie auch bei den östlich angrenzenden Grundstücken Baugebiet ist (MB beim Grundstück 710/1, W bei den östlichen Grundstücken) und die Böschung Grünland."
5. Die im Anlassfall beschwerdeführende Partei erstattete als beteiligte Partei eine Äußerung, in der sie – zusammengefasst – die Unterlassung einer Grundlagenforschung sowie einer Interessenabwägung und die unterlassene Beiziehung des Beschwerdeführers im Widmungsänderungsverfahren rügt. Außerdem handle es sich bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen um keine "Fortschreibung der Widmung", weil der vorangegangene Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen vom Verfassungsgerichtshof mit ex-tunc-Wirkung aufgehoben worden sei.
II. Rechtslage
§33 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1994, LGBl 114/1993, idF LGBl 1/2007 und §36 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz 1994, LGBl 114/1993, idF LGBl 73/2011 lauteten auszugsweise:
"§33
Verfahren in der Gemeinde
(1) Die Absicht, einen Flächenwidmungsplan, einen Teil eines Flächenwidmungsplans (§18 Abs1 zweiter Satz) oder einen Bebauungsplan neu zu erlassen oder grundlegend zu überprüfen, ist vom Bürgermeister durch vierwöchigen Anschlag an der Amtstafel mit der Aufforderung kundzumachen, dass jeder, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist seine Planungsinteressen dem Gemeindeamt (Magistrat) schriftlich bekannt geben kann. Gibt die Gemeinde regelmäßig ein amtliches Mitteilungsblatt heraus, hat die Kundmachung auch dort zu erfolgen.
(2) Bei Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplans, eines Teils eines Flächenwidmungsplans (§18 Abs1 zweiter Satz) oder eines Bebauungsplans hat der Beschluss des Planentwurfs durch den Gemeinderat zu erfolgen. Nach Beschluss des Planentwurfs hat die Gemeinde
1. den in Betracht kommenden Bundesdienststellen,
2. der Landesregierung,
3. den benachbarten Gemeinden,
4. der Wirtschaftskammer Oberösterreich,
5. der Landwirtschaftskammer für Oberösterreich,
6. der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich,
7. der Oö. Umweltanwaltschaft, soweit Belange des Umweltschutzes in Frage stehen, sowie
8. sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts, von denen bekannt ist, dass ihre Interessen berührt werden,
innerhalb von acht Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Landesregierung sind mit der Aufforderung zur Stellungnahme sechs Planentwürfe vorzulegen. Bei Flächenwidmungsplänen und Flächenwidmungsplanänderungen oder deren Teilen (§18 Abs1 zweiter Satz) ist, soweit nicht durch Verordnung anderes festgelegt ist, zur Frage der Umwelterheblichkeit gemäß den Abs7 und 8 und zur Frage des erforderlichen Prüfungsumfangs des Umweltberichts gemäß Abs11 Z1 eine Stellungnahme der Landesregierung einzuholen.
(3) Vor Beschlußfassung eines Flächenwidmungsplanes, eines Teils eines Flächenwidmungsplans (§18 Abs1 zweiter Satz) oder eines Bebauungsplanes durch den Gemeinderat ist der Plan durch vier Wochen zur öffentlichen Einsichtnahme beim Gemeindeamt (Magistrat) aufzulegen. Die Eigentümer jener Grundstücke, an deren Flächenwidmung oder Bebaubarkeit sich Änderungen ergeben, sind von der Planauflage nachweislich zu verständigen. Auf die Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme und die Möglichkeit der Einbringung von Anregungen oder Einwendungen ist während der Auflagefrist durch Anschlag an der Amtstafel und im amtlichen Mitteilungsblatt hinzuweisen, wenn die Gemeinde ein solches regelmäßig herausgibt.
(4) Jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, ist berechtigt, während der Auflagefrist schriftliche Anregungen oder Einwendungen beim Gemeindeamt (Magistrat) einzubringen, die mit dem Plan dem Gemeinderat vorzulegen sind. Eine Beschlußfassung des Planes in einer anderen als der zur Einsichtnahme aufgelegten Fassung ist nur nach vorheriger Anhörung der durch die Änderung Betroffenen zulässig.
[…]
§36
Änderung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes
(1) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne sind
1. bei Änderung der maßgeblichen Rechtslage oder
2. wenn es das Gemeinwohl erfordert,
zu ändern.
(2) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne können geändert werden, wenn
1. öffentliche Interessen, die nach diesem Landesgesetz bei der Erlassung von solchen Plänen zu berücksichtigen sind, insbesondere Interessen einer ökologischen Energienutzung, dafür sprechen oder
2. diese Änderung den Planungszielen der Gemeinde nicht widerspricht und
3. Interessen Dritter nicht verletzt werden.
(3) Langen bei der Gemeinde Anregungen auf Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes ein, so hat der Gemeinderat binnen sechs Monaten zu entscheiden, ob die Voraussetzungen zu Änderungen gemäß Abs1 oder 2 gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen vor, ist das Verfahren zur Änderung des Planes einzuleiten. In solchen Fällen kann die Gemeinde die ihr bei einer Planänderung nachweislich entstehenden Kosten der Ausarbeitung der Pläne zum Gegenstand einer privatrechtlichen Vereinbarung mit den betroffenen Grundeigentümern machen.
(4) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des §33 Abs2 bis 12 und des §34, jedoch ist auch benachbarten Gemeinden und den im §33 Abs2 Z4 bis 6 genannten Körperschaften öffentlichen Rechts nur dann Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn deren Interessen durch die beabsichtigten Planänderungen berührt werden. Das Stellungnahmeverfahren gemäß §33 Abs2 kann zur Gänze entfallen, wenn die geplante Änderung in Übereinstimmung mit dem örtlichen Entwicklungskonzept sowie mit den einschlägigen Raumordnungsprogrammen oder Verordnungen gemäß §11 Abs6 erfolgt, insbesondere wenn sie in Durchführung eines Raumordnungsprogramms gemäß §24 Abs2 ergeht. Das Planauflageverfahren gemäß §33 Abs3 und 4 ist nicht erforderlich, wenn die von der Planänderung Betroffenen vor der Beschlussfassung nachweislich verständigt oder angehört werden.
(5) Auf Nutzungen, die der bisherigen Widmung entsprechen, ist bei Änderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne möglichst Rücksicht zu nehmen.
(6) Die Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes ist durch den Gemeinderat zu begründen; bei der Änderung von Flächenwidmungsplänen muß der Begründung oder den Planungsunterlagen überdies die erforderliche Grundlagenforschung und Interessenabwägung zu entnehmen sein."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
Da keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren als zulässig.
2. In der Sache
Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis VfSlg 19.980/2015 festgestellt, dass die mit dem Flächenwidmungsplan Nr 3 festgelegte Widmung eines Teils des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen, als eingeschränktes gemischtes Baugebiet gesetzwidrig war. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, im Zuge der Erlassung des Flächenwidmungsplanes Nr 3 bloß auf Grund eines "planlichen Übertragungsfehlers" umgewidmet worden sei und (demnach) im Vorfeld der Widmungsänderung weder eine entsprechende Begründung noch eine Interessenabwägung oder Grundlagenforschung stattgefunden habe. Vor diesem Hintergrund konstatierte der Verfassungsgerichtshof einen Widerspruch des präjudiziellen Teils des Flächenwidmungsplanes Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen zu den Vorgaben des §36 Abs6 Oö. ROG 1994.
2.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Prüfungsbeschluss ausgeführt hat, kann die Beibehaltung der mit Erkenntnis VfSlg 19.980/2015 als gesetzwidrig festgestellten Widmung des Flächenwidmungsplanes Nr 3 der Gemeinde Waldneukirchen im Flächenwidmungsplan Nr 4 dazu führen, dass auch dieser Flächenwidmungsplan aus denselben Gründen gesetzwidrig ist (vgl. VfSlg 15.949/2000, 16.896/2003, 17.149/2004). Die mit dem Erkenntnis VfSlg 19.980/2015 festgestellte Gesetzwidrigkeit könnte allerdings insofern saniert worden sein, als der Verordnungsgeber die Festlegung einer bestimmten Widmung für die von der Aufhebung betroffene Grundfläche im Zuge der Erlassung des Flächenwidmungsplans Nr 4 – wie von §36 Abs6 Oö. ROG 1994 gefordert – entsprechend begründet und eine dem Gesetz entsprechende Grundlagenforschung und Interessenabwägung vorgenommen hätte.
2.3. Entgegen der vorläufigen Annahme im Prüfungsbeschluss geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass diesen Anforderungen im Verfahren zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes Nr 4 hinreichend Rechnung getragen wurde: Wie den Verordnungsakten (Protokolle der Gemeinderatssitzungen vom 30. September 2010 sowie vom 3. März 2011) zu entnehmen ist, fanden im Zuge des Verordnungserlassungsverfahrens hinsichtlich des Flächenwidmungsplanes Nr 4 Beratungen über einen vom Beschwerdeführer des anlassgebenden Verfahrens gestellten Antrag, das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, in Wohngebiet umzuwidmen, statt. Der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen kam dabei zu dem Schluss, dass diesem Antrag auf Grund der in unmittelbarer Nähe zum Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, gelegenen stark befahrenen Straße sowie des auf der anderen Straßenseite situierten Betriebsbaugebietes nicht stattgegeben werden könne.
2.4. Es schadet hiebei nicht, dass der Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen nicht von sich aus eine Begründung für die Beibehaltung der – vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg 19.980/2015 als rechtswidrig erkannten – Widmung erstattete und eine entsprechende Grundlagenforschung bzw. Interessenabwägung durchführte. Den Anforderungen des §36 Abs6 Oö. ROG 1994 ist auch dadurch Genüge getan, dass sich der Gemeinderat aus Anlass eines Umwidmungsantrages (also auf Grund einer Initiative des betroffenen Grundstückseigentümers) mit der bestehenden Widmung befasste und dabei beschloss, das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, im Hinblick auf die bestehenden Verhältnisse (stark befahrene Straße und Betriebsbaugebiet in unmittelbarer Nähe) erneut als eingeschränktes gemischtes Baugebiet zu widmen.
2.5. Die zweite vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss vorläufig angenommene Gesetzwidrigkeit betrifft die geteilte Widmung des Grundstückes Nr 710/1, KG Waldneukirchen. Das darauf bezogene Bedenken, die planliche Darstellung lasse die Widmungsgrenze nicht mit der erforderlichen Präzision erkennen, konnte im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
2.6. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg 11.807/1988, 13.716/1994) muss der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus der planlichen Darstellung eindeutig und unmittelbar – also ohne das Heranziehen etwaiger technischer Hilfsmittel wie zB des Grenzkatasters – feststellen können; ansonsten genügt die Regelung nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen. Diesen Erfordernissen wird nicht Rechnung getragen, wenn die Widmung der von den in Prüfung gezogenen Flächen nicht aus der zeichnerischen Darstellung ersichtlich ist (VfSlg 14.759/1997). Die Kennzeichnung der Widmungskategorien muss jedenfalls mit der aus rechtsstaatlichen Gründen erforderlichen Präzision erfolgen (VfSlg 14.968/1997). Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung außerdem bereits zum Ausdruck gebracht, dass insbesondere dann, wenn für ein Grundstück mehrere Widmungsarten vorgesehen sind, aus der Plandarstellung ersichtlich sein muss, woran sich die Widmungsgrenzen orientieren (vgl. VfSlg 19.890/2014).
2.7. Wie aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, besteht über die exakte Trennlinie zwischen den verschiedenen Widmungskategorien auf dem Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, keine Klarheit. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtslage für den Rechtsunterworfenen mit der aus rechtsstaatlichen Erwägungen erforderlichen Präzision erkennbar ist.
IV. Ergebnis
1. Der Flächenwidmungsplan Nr 4 der Gemeinde Waldneukirchen, Z RO-66-2010, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Waldneukirchen am 5. Juli 2012, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 6. August 2012, kundgemacht am 8. August 2012, soweit er sich auf das Grundstück Nr 710/1, KG Waldneukirchen, bezieht, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z2 litb Oö. VlbG 2015.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Verordnungserlassung, RechtsstaatsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:V17.2018Zuletzt aktualisiert am
30.07.2019