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10/07 Verfassungs- und VerwaltungsgerichtsbarkeitNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Bedenken gegen eine Bestimmung des VwGVG betreffend die Festsetzung der Kosten des Beschwerdeverfahrens mit 20% der Geldstrafe als Pauschalbetrag auch im Falle der Verhängung von kumulierten Geldstrafen; keine Bedenken gegen differenzierende Kostenersatzregelungen in verschiedenen Verfahrensbereichen wie dem Straf- und VerwaltungsstrafverfahrenRechtssatz
Abweisung des - zulässigen - Antrags des Landesverwaltungsgerichts Steiermark auf Aufhebung des §52 Abs2 VwGVG idF BGBl I 33/2013.
Der VfGH hat der im Wesentlichen gleich lautenden Vorgängerbestimmung von §52 Abs2 VwGVG, bereits - wiederholt - die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigt. Der VfGH sieht auch im Lichte des Art6 EMRK keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen:
Nach der Rsp des EGMR beschränken Gerichtsgebühren grundsätzlich das Recht auf einen effektiven Zugang zu einem unabhängigen, unparteiischen und auf Gesetz beruhenden Gericht gemäß Art6 EMRK und zwar nicht nur, wenn die Durchführung des Verfahrens von deren Bezahlung abhängt, sondern auch wenn sie erst nach Abschluss des Verfahrens anfallen. Die Einhebung von Gerichtsgebühren ist jedoch nicht per se unvereinbar mit Art6 EMRK; das Recht auf Zugang zu einem Gericht, das schon seinem Wesen entsprechend der staatlichen Ausgestaltung bedarf, wird nämlich nicht absolut gewährt. Vielmehr kann es Beschränkungen unterworfen werden, solange diese ein legitimes Ziel verfolgen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und nicht in den Wesensgehalt des Rechts eingreifen.
Es besteht kein Zweifel, dass §52 Abs2 VwGVG einen legitimen Zweck verfolgt, da er im Sinne eines effektiven Rechtsschutzsystems insbesondere leichtfertigen Rechtsmitteln vorbeugen soll; dies kommt in §52 Abs1 VwGVG insofern zum Ausdruck, als das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis nur dann über einen Beitrag des Bestraften zu den Kosten des Strafverfahrens abzusprechen hat, wenn es das Straferkenntnis bestätigt. Der Verfahrenskostenbeitrag fällt dementsprechend nur an, wenn die Beschwerde gänzlich erfolglos war, also das Verwaltungsgericht auf Grund der Beschwerde des Bestraften in der Sache selbst vollinhaltlich abweisend entscheidet.
§52 Abs2 VwGVG legt dem Bestraften auch in Fällen wie dem vorliegenden (Verfahrenskostenbeiträge von ca € 500.000,-- nach Verhängung von Geldstrafen von über € 2.000.000,-- wegen Übertretungen gegen das AusländerbeschäftigungsG und das AVRAG gegen Vorstände einer AG) keine exzessiven und damit unverhältnismäßigen Verfahrenskostenbeiträge auf: Der EGMR sieht es im Lichte des Art6 EMRK prinzipiell als zulässig an, Gerichtsgebühren abhängig vom Streitwert festzulegen. Gleiches gilt bei einer Anknüpfung des Kostenbeitrags an die konkret verhängte Geldstrafe. Auch die Pauschalierung des Verfahrenskostenbeitrags gemäß §52 Abs2 VwGVG entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Ein pauschaler prozentueller Kostenbeitrag, der an die Höhe der Geldstrafe anknüpft, ist nicht per se als unverhältnismäßig zu qualifizieren. Wenn bei einer solchen Berechnungsmethode in besonders schwerwiegenden Fällen oder wegen der Kumulation einer Vielzahl von strafbaren Handlungen auch Beiträge in Millionenhöhe anfallen, so vereiteln diese nicht schon auf Grund ihrer Höhe den Zugang zu einem Gericht iSd Art6 EMRK. Neben der nicht zu beanstandenden Bemessung des Kostenbeitrags als Prozentsatz der Geldstrafe ist auch die Tatsache, dass der Kostenbeitrag im Falle eines auch nur teilweisen Erfolges der Beschwerde zur Gänze entfällt, für die Verhältnismäßigkeit der Regelung ins Treffen zu führen.
Das Verwaltungsstrafrecht sieht zudem Mechanismen vor, um die wirtschaftliche Situation des Bestraften im konkreten Fall berücksichtigen zu können: So sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Täters sowie allfällige Sorgepflichten gemäß §19 VStG einerseits schon bei der Bemessung der Geldstrafe zu beachten. Andererseits ist nach §52 Abs5 VwGVG von der Eintreibung der Kostenbeiträge (und der Barauslagen) abzusehen, wenn mit Grund angenommen werden darf, dass sie erfolglos wäre; überdies ist gemäß §52 Abs6 VwGVG unter anderem §14 Abs1 VStG sinngemäß anzuwenden, wonach Geldstrafen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden dürfen, als dadurch weder der notwendige Unterhalt des Bestraften und derjenigen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet, noch die Erfüllung der Pflicht, den Schaden gutzumachen, gefährdet wird.
Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich offen, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für durchaus eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen, sofern nur die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform ausgestaltet sind. Insbesondere widersprechen differenzierende Kostenersatzregelungen in verschiedenen Verfahrensbereichen - mögen diese auch eine bestimmte Verwandtschaft aufweisen - nicht dem Gleichheitssatz.
Schlagworte
Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, Ausländerbeschäftigung, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Strafen, Verfahrenskostenbeitrag, Prozesskosten, Gerichtsbarkeit Trennung von der Verwaltung, Rechtsschutz, fair trial, RechtspolitikEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:G44.2018Zuletzt aktualisiert am
30.07.2019