Entscheidungsdatum
29.06.2018Index
90/02 FührerscheingesetzNorm
FSG 1997 §8Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seiner Richter Mag. Hengl über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.1.2018, ****, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer hat am 14.11.2017 bei der Bezirkshauptmannschaft Y einen Antrag auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung der Klassen AM, A1, A2, A, B, BE und F nach Fristablauf gestellt.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.1.2018, ****, wurde der Antrag auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung abgewiesen und spruchgemäß darauf hingewiesen, dass gemäß § 25 Abs 1 FSG eine neue Lenkberechtigung nicht vor Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erteilt werden dürfe.
Begründend wurde in diesem Bescheid ausgeführt, dass die Lenkberechtigung mit der Nummer ****, ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft X am 18.5.2015, bis 18.5.2016 befristet gewesen sei. Da vor Ablauf der Befristung am 18.5.2016 kein Antrag auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung gestellt worden sei, ist die angeführte Lenkberechtigung erloschen.
Weiters wurde auf das medizinische Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.1.2018 verwiesen, in dem BB nach Zitierung der zu Grunde liegenden Unterlagen (Gutachten CC vom 7.12.2017 und verkehrspsychologische Stellungnahme der DD vom 2.1.2018) zusammenfassend folgendes amtsärztliches Gutachten abgibt:
„Bereits 2014 bestand ein auffälliger neuropsychologischer Befund. 2016 erlitt Herr AA zusätzlich ein Schädel-Hirn-Trauma. Die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 2.1.2018 bescheinigt aufgrund der nichtausreichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen eine fehlende Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheinklassen A, B und F. Die verkehrspsychologische Stellungnahme ist schlüssig und nachvollziehbar. Die kognitiven Defizite stimmen mit den Befunden der amtsärztlichen Untersuchung überein.“
In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde brachte AA vor, dass er laut dem beigelegten Gutachten des CC vom 7.12.2017 fahrtauglich sei und deswegen um ein mündliches Verfahren ersucht werde.
Mit Gutachtensauftrag vom 23.4.2018 wurde der medizinische Amtssachverständige EE, Landessanitätsdirektion, um Abgabe eines medizinischen Gutachtens zu folgender Fragestellung ersucht:
„1. Ist angesichts der Anamnese sowie der vorliegenden Ergebnisse der durch DD vorgenommenen verkehrspsychologischen Untersuchung des AA vom 2.1.2018 von der Schlüssigkeit des amtsärztlichen Gutachtens des BB vom 10.1.2018, wonach der Beschwerdeführer AA zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 im Sinn des § 8 FSG derzeit nicht geeignet ist, auszugehen?
2. Bejahendenfalls, zu welchem Zeitpunkt wäre aus Ihrer Sicht auf Grund der mittlerweile verstrichenen Zeit eine neuerliche Überprüfung der gesundheitlichen Eignung durch einen Amtsarzt unter Vorlage einer aktuellen verkehrspsychologischen Untersuchung zur kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit gangbar?“
Im diesbezüglichen Gutachten vom 14.5.2018 hat sich der medizinische Amtssachverständige eingehend mit den vorliegenden medizinischen Befunden auseinandergesetzt und resümierte schließlich wie folgt:
„1. Das Gutachten von BB ist aus verkehrsmedizinischer Sicht zwanglos nachvollziehbar und plausibel.
2. Eine erneute Begutachtung durch einen Amtsarzt wäre, unter Beibringung einer befürwortenden fachärztlich-psychiatrischen und einer befürwortenden fachärztlich-neurologischen Stellungnahme (unter Miteinbeziehung des neuropsychologischen Status) sowie einer vollständigen VPU (unter Einbeziehung des psychiatrischen Untersuchungsbefundes), prinzipiell nach 6 Monaten möglich. Die VPU hat jedoch nicht vor dem Vorliegen der neuropsychologischen Stellungnahme zu erfolgen (SHT!), welche zumindest keine Verschlechterung im Vergleich zur neuropsychologischen Untersuchung von 2014 ergibt.
Sollte die neuropsychologische Untersuchung eine weitere Verschlechterung im Vergleich zur Untersuchung von 2014 ergeben, erscheint eine weitere Begutachtung (inklusive VPU) wenig Erfolg versprechend, sodass unter Bedacht auf pekuniäre Gründe, im Interesse von Herrn A, darauf verzichtet werden kann.
Ein Jahr durchgehende Anfallsfreiheit ist gemäß FSG-GV sicherzustellen!
Auf Grund der vorbeschriebenen Sehverschlechterung nach dem Anfall von 2017 ist zudem eine befürwortende augenfachärztliche Stellungnahme dringend empfohlen.“
Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer am 15.5.2018 in Wahrung des Parteiengehörs zur Abgabe einer allfälligen Stellungnahme bis 4.6.2018 übermittelt und wurde der Beschwerdeführer in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass widrigenfalls ohne weitere Beweisaufnahme entschieden wird.
Eine entsprechende Replik des Beschwerdeführers auf das eingeholte medizinische Gutachten ist bis dato nicht erfolgt.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer leidet seit seinem 3. Lebensjahr an einer kryptogenen generalisierten Epilepsie mit Absencen, Myoklonien und Grand-Mal Anfällen.
Seit der Pubertät besteht ein Verdacht auf eine koexistierende fokale Epilepsie (wahrscheinlich links temporal – 26/27.4.2013 CC). Es erfolgte die Anlage von Tiefenhirnstimulationselektroden am 3.10.2013 an der Neurochirurgie in Salzburg. Unter entsprechender Therapie (Lamictal, Mysoline, Fycompa) konnte Herr AA, unter Auflagen (ua regelmäßige Untersuchungen) seinen Führerschein befristet behalten. Nachdem das auflagenkonforme Beibringen des neurologischen Untersuchungsbefundes verabsäumt wurde, erlosch die Führerscheinberechtigung im Mai 2016. Im September desselben Jahres verursachte Herr AA einen schweren Verkehrsunfall. Er erlitt ua ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
Im Akt sind mehrere, teils schwere, durch Herrn A verursachte Verkehrsunfälle mit Personenschaden dokumentiert (ua 4.5.2011; 23.8.2010 – auf der Autobahn mit sechsjährigem Kind ohne Kindersitz auf der Rückbank; 18.9.2016). Die dokumentierten Epilepsieanfälle im Straßenverkehr gehen, lt. Schreiben von FF (21.8.2012) bis ins Jahr 2000 zurück.
Am 14.11.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung der Klassen AM, A1, A2, A, B, BE und F nach Fristablauf.
III. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich aufgrund der vom Beschwerdeführer unwidersprochenen und unbestrittenen Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen in seinem Gutachten vom 14.5.2018 und der Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.
IV. Rechtsgrundlagen:
Im Gegenstandsfall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetz, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 15/2017(FSG), maßgeblich:
„Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
1. das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
4. fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und
5. den Nachweis erbracht haben, in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall oder, für die Lenkberechtigung für die Klasse D, in Erster Hilfe unterwiesen worden zu sein.
[…]
Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Gruppe(n) von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen. Die militärärztliche Feststellung der gesundheitlichen Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einer oder mehrerer Gruppe(n) gilt für die Dauer von 18 Monaten ab ihrer Ausstellung auch als solches ärztliches Gutachten.
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen: „geeignet“, „bedingt geeignet“, „beschränkt geeignet“ oder „nicht geeignet“. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund
1. gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten „geeignet“ für diese Klassen zu lauten;
2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Voraussetzung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten „bedingt geeignet“ für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;
3. zum Lenken nur eines bestimmten Fahrzeuges nach § 2 Z 24 KFG 1967 geeignet, so hat das Gutachten „beschränkt geeignet“ zu lauten und anzugeben, durch welche körperlichen Beeinträchtigungen die Eignung beschränkt ist und in welcher Form diese körperlichen Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können;
4. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nicht geeignet, so hat das Gutachten „nicht geeignet“ für die entsprechenden Klassen zu lauten.
[…]“
Darüber hinaus ist folgende Bestimmung der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, BGBl Nr 322/1997 idF BGBl II Nr 206/2016 (FSG-GV), von Belang:
„Anfallsleiden/Epilepsie
§ 12a. (1) Personen, die unter epileptischen Anfällen oder anderen anfallsartigen Bewusstseinsstörungen oder -trübungen leiden, kann eine Lenkberechtigung nur unter Einbeziehung einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und während der ersten fünf Jahre nach einem Anfall nur unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen und nur für höchstens fünf Jahre erteilt oder belassen werden. Der Facharzt hat die Epilepsie oder andere Bewusstseinsstörungen, deren klinische Form und Entwicklung, die bisherige Behandlung und die Anfallsfreiheit und das Anfallsrisiko zu beurteilen. Bei Lenkern der Gruppe 2 muss jedenfalls eine geeignete medizinische Nachbehandlung erfolgt sein, die Untersuchung darf keinen pathologischen zerebralen Befund ergeben haben und das Elektroenzephalogramm (EEG) darf keine epileptiforme Aktivität zeigen. Während der in Abs. 2 und 3 vorgeschriebenen anfallsfreien Zeiträume darf bei Lenkern der Gruppe 2 keine medikamentöse Behandlung der Epilepsie erfolgt sein.
(2) Personen, die einen erstmaligen Anfall erlitten haben, kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 nach einer anfallsfreien Zeit von sechs Monaten, eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 nach einer anfallsfreien Zeit von fünf Jahren erteilt oder belassen werden. Dieser Zeitraum kann entfallen, wenn der Anfall auf eine erkennbare und vermeidbare Ursache zurückzuführen ist, deren Auftreten am Steuer unwahrscheinlich ist (provozierter Anfall). Bei nicht provozierten Anfällen kann der Zeitraum in Einzelfällen aufgrund einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme verkürzt werden.
(3) Personen, die an einer Epilepsie leiden (mehr als ein nicht provozierter Anfall oder ein nicht provozierter Anfall und im EEG epilepsietypische Veränderungen und/oder im MRT nachweisbare ursächliche strukturelle Läsion) oder mehr als einen Anfall (provozierte oder gemischt provozierte und nicht provozierte) erlitten haben, kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 nach einer anfallsfreien Zeit von einem Jahr, eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 nach einer anfallsfreien Zeit von zehn Jahren erteilt oder belassen werden. Bei Lenkern der Gruppe 2 kann der Zeitraum in Einzelfällen aufgrund einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme verkürzt werden.
(4) Personen, die ausschließlich Anfälle ohne Beeinträchtigung des Bewusstseins oder der Handlungsfähigkeit oder schlafgebundene Anfälle erlitten haben, kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 erteilt oder belassen werden, wenn dieses Krankheitsmuster über einen Zeitraum von einem Jahr ab dem ersten Anfall beobachtet wurde, es sei denn, dass die Erteilung oder Belassung einer Lenkberechtigung für die Gruppe 1 gemäß Abs. 2 zu einem früherem Zeitpunkt möglich ist. Für Lenker der Gruppe 2 gelten bei Anfällen ohne Beeinträchtigung des Bewusstseins oder der Handlungsfähigkeit oder bei schlafgebundenen Anfällen die in den Abs. 2 und 3 genannten Bestimmungen für Gruppe 2.
(5) Personen, die einen Anfall bei Änderung oder Beendigung einer antiepileptischen Therapie erlitten haben, kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 bei Wiederaufnahme der zuvor wirksamen Behandlung nach einer erneuten anfallsfreien Zeit von drei Monaten erteilt oder belassen werden. Eine Lenkberechtigung für die Gruppe 2 darf in solchen Fällen nicht erteilt oder belassen werden (Abs. 1 letzter Satz).
(6) Personen, bei denen zwar noch keine Anfälle aufgetreten sind, die aber unter Gesundheitsstörungen (etwa arteriovenöse Fehlbildungen oder intrazerebrale Blutungen) leiden, die mit einem erhöhten Anfallsrisiko einhergehen, kann eine Lenkberechtigung der Gruppe 2 nur aufgrund einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.“
V. Rechtliche Erwägungen:
Im Gutachten vom 14.5.2018 hat sich der medizinische Amtssachverständige EE eingehend mit dem vom Beschwerdeführer für das Vorliegen seiner gesundheitlichen Eignung ins Treffen geführten Gutachten des CC auseinandergesetzt und wurde diesbezüglich ausgeführt, wie folgt:
„Bei den beiden vorliegenden Gutachten von CC handelt es sich durchaus um eine schöne chronologische Dokumentation, sie sind insofern nicht vollständig, da sich die Gutachten im eigentlichem Sinn nur auf das Anfallsleiden beziehen, der neuropsychologische Status jedoch bei beiden Gutachten ausgeklammert wird, auch die Schlussfolgerungen sind keinesfalls nachvollziehbar! So wurde einerseits ein bewusstseinsbeeinträchtigender Anfall im Juli 2017 beschrieben, jedoch nicht auf die (gemäß FSG-GV) erforderliche einjährige Anfallsfreiheit Rücksicht genommen.
Es ist ein befürwortendes fachärztliches neurologisches Gutachten eines nicht behandelnden/befangenen Facharztes einzuholen!
Außerdem ist im Akt ein Zwischenfall vermerkt (22.08.2014, Sachverhaltsdarstellung GG), bei dem Herr AA, laut Zeugen in suizidaler Absicht, aus dem 2. Stock gesprungen ist. Dieser zog schwere Verletzungen nach sich. Im Gutachten von CC (2017) ist außerdem dokumentiert: „In der Selbstbeurteilung beschreibt Herr AA leicht erhöhte Depressionsausprägungen …“.
Insofern ist bei Zustand nach selbstverletzendem Verhalten und erhöhter „Depressionsausprägung“ nicht mehr davon auszugehen, dass Herr AA frei von psychischen Krankheiten im Sinne der Leitlinie ist. Dies ist auch auf Grund der beschriebenen Nebenwirkungen der Behandlung (s.o.) plausibel. Herr AA wird in der vorliegenden Dokumentation, vor dem Zwischenfall am 22.08.2014, als verzweifelt geschildert (Gutachten CC 2015).
Auch ist aus den Unterlagen von CC (2017) zu entnehmen, dass die Tiefenhirnelektrode im Jahre 2014 (09.09. - 12.09.2014) offensichtlich deaktiviert war; ob der Abbruch der Behandlung durch den Patienten erfolgte, oder eine Folge der Verletzung durch den Sprung aus dem 2. Stock war, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Am 11.04.2014 erfolgte eine erneute Aktivierung der Tiefenhirnstimulation unter psychiatrischer Observanz. Es erfolgte am 20.10. - 22.10.2014 eine Kontrolluntersuchung mit psychiatrischer Verlaufskontrolle.
Leider liegen hieramts die Ergebnisse der damals durchgeführten psychiatrischen Untersuchungen, welche nach Auffassung des behandelnden Neurologen offensichtlich medizinisch notwendig waren, nicht vor.
Eine entsprechende medikamentöse psychiatrische Therapie muss zu diesem Zeitpunkt jedoch bestanden haben: „Die psychiatrische Medikation soll beibehalten werden“ (ebenfalls 20. - 22.10.2014). Leider ist die psychiatrische Medikation im Gutachten nicht angeführt bzw. auch keine Diagnose, ebenso wenig wie die Dauer der Therapie, sodass keine Schlüsse auf die Art der psychiatrischen Erkrankung möglich sind. Z.B. wird im Arztbrief vom 10.11. - 11.11.2014 auch eine Panikattacke diagnostiziert (Gutachten CC 2015).“
Hinsichtlich der Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit wurde die verkehrspsychologische Untersuchung der DD als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt und somit auch die auf dieses Gutachten gestützten Ausführungen des BB.
Eine erneute Begutachtung durch den Amtsarzt wäre, unter Beibringung einer befürworteten fachärztlich-psychiatrischen und einer befürwortenden fachärztlich-neurologischen Stellungnahme (unter Miteinbeziehung des neuropsychologischen Status) sowie einer vollständigen VPU unter Einbeziehung des psychiatrischen Untersuchungsbefundes), prinzipiell nach sechs Monaten möglich und ist zudem eine einjährige durchgehende Anfallsfreiheit gemäß FSG-GV sicherzustellen.
Diesen umfangreich begründeten, schlüssigen und vollständigen Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen, welche in Wahrung des Parteiengehörs übermittelt wurden, ist der Beschwerdeführer in keiner Lage des Verfahrens entgegengetreten und hat er auch von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen keinen Gebrauch gemacht.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen iSd § 8 Abs 1 FSG derzeit nicht aufweist und war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Hengl
(Richter)
Schlagworte
gesundheitliche Eignung; Epilesie; Antrag auf Wiedererteilung der Lenkerberechtigung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.31.0326.5Zuletzt aktualisiert am
19.07.2018