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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Quasianlaßfall; Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Zahl "20," im §100 Abs5 StVO 1960 idF BGBl 518/1994 mit E v 09.10.97, G216/96.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in den Punkten II. bis IV. wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird in den Punkten II. bis IV. aufgehoben.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit S 18.000,- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 16. Juli 1997, ZVwSen-104246/7/WEG/Ri, wurde in den Punkten II. bis IV. über den Beschwerdeführer Verwaltungsstrafen samt Kosten gemäß §§4 Abs1 litc iVm. 99 Abs2 lita StVO 1960 und §§31 Abs1 iVm. 99 Abs2 lite StVO 1960 verhängt.
2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer u.a. durch die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §100 Abs5 StVO 1960 in der Fassung der 19. Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, in seinen Rechten als verletzt.
3. Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
4. Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr erstattete ebenfalls eine Äußerung.
5. Mit Erkenntnis vom 9. Oktober 1997, G216/96, hob der Verfassungsgerichtshof die Zahl "20," im §100 Abs5 StVO 1960, BGBl. Nr. 159, idF der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, als verfassungswidrig auf.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg.10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 6. Oktober 1997. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 1. August 1997 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war, da auf Grund der aufgehobenen Vorschrift nicht gehörig erhoben werden durfte, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und deshalb die Strafe zu mildern war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher in den Punkten II. bis IV. aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-
enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B1999.1997Dokumentnummer
JFT_10028990_97B01999_00